Neue Rheinische Zeitung. Nr. 73. Köln, 12. August 1848. Beilage.Beilage zu Nr. 73 der Neuen Rh. Zeitg. Samstag 12. August 1848. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Die Polen-Debatte in Frankfurt. - Das deutsche Reichsbürgerrecht und die preußische Polizei). Berlin. (Vereinbarungssitzung. - Schweidnitz und die Konstabler. - Konstablerfreuden. - Versetzungen in Anklagezustand. - Rimpler. - Schwarz-weiße Protestationen). Brandenburg. (Altpreußenthum). Breslau. (Verhaftung des Dr. Cunerth in Liegnitz. - Neue Leichenfeier in Schweidnitz). Stettin. (Prinz von Preußen. - Demonstrationen). Wien. (Reichstagssitzung. - Der Kaiser. - Oesterreich und Ungarn. - Das Landvolk in Niederösterreich). Stuttgart. (Auch ein Stück deutsche Einheit). Altona. (Dislokation der Truppen). Kiel. (Verpfändung Bornholm's an die Russen). Dänemark. Kopenhagen. (Die Sundschifffahrt. - Klagen über deutsche Brutalität auf dem Kriegsschauplatz). Schweden. Gothenburg. (Rüstungen). Italien. (Grundlage der englisch-französischen Vermittlung. - Der Befreiungskampf und die Ursache seines jetzigen Mißlingens). Lugano. (Karl Alberts Verrath an Mailand). Mailand. (Kriegsbülletin Radetzky's). Turin. (Collegno in der Deputirtenkammer). Rom. (Erklärung der aus Calabrien entkommenen Insurgentenchefs). Neapel. (Entschädigungsforderung der Engländer). Französische Republik. Paris. (Journalschau. - Die Partei Marrast und Italien. - Brief Robert Owens an die Reforme. - Das Attentat Thiers. - Marrast's Salon. - National-Versammlung. - Vermischtes). Belgien. Antwerpen. (Die Affaire Risquons-Tout). Großbritannien. London. (Parlaments-Debatten). Dublin. (Prozeß gegen Duffy u. s. w. eröffnet. - S. O'Brien). Rußland. Petersburg. (Erklärung über den Einmarsch in die Donaufürstenthümer). Donaufürstenthümer. (Befehl aus Petersburg zum Rückzug der Russen). Südamerika. Bogota. (Die Verfolgungen des Präsidenten gegen die Oppositionspresse). [Französische Republik] [Fortsetzung] "vetues de gaz" sind das gemeinsame Band, welches Republikaner und Monarchisten mit einander aussöhnt. Thiers ungeachtet seiner Tappfüßigkeit, und Marrast ungeachtet seiner 47 Jahre und seiner Gemahlin, der feinen Engländerin, lieben noch immer die Frauen, vetues de gaz, die Frauen mit dem transparenten Gewande, welches die wonnigen Formen der Französinnen so üppig umwebt. Die deutschen Journale stellen sich die Republikaner immer als Spartaner a la Heinzen-Venedey vor. "Ein gutes Bier, "ein beizender Taback "und eine Magd im Putz, "da ist so mein Geschmack. Nein, Marrast und Thiers lieben den feinen Tabak; er hat einen herrlichen Rauchsaal mit Divans errichtet, wo blos die Manilla Zutritt hat. Marrast und Bier, Marrast und eine Magd! Die feinsten Weine aus den Tuilerien, die feinsten Blumen aus St. Cloud, und die feinsten Frauen aus der feinsten Welt: das ist Marrast's Geschmack. An die Stelle der rothen Republik hat Marrast die parfümirte Republik zu setzen gewußt und dadurch seine ehemaligen Feinde versöhnt. Wenn Abends die Damenrepublik in feinem durchsichtigem Gewande in Marrast's Salons ihre Reize enthüllt, wer möchte da nicht gerne Republikaner sein, trotz des Belagerungszustandes. Und nachdem man so viel gethan hat, um die parfümirte Republik zu erhalten, nachdem man die, welche sie geschaffen, niedergemetzelt oder über die See geschafft, wird man sich aufs Neue stören lassen von lästigen Gesandten aus Italien, um sich wieder in neue Schwierigkeiten zu verwickeln und die parfümirte Republik mit den bottes vernies und mains gautees aufs Spiel zu setzen. Geht zum Henker und nehmt unsere Sympathien mit. Thiers ist zufrieden mit Marrast's Salon und das ist die Hauptsache. Cavaignac kommt auch in Marrast's Salon, und sogleich sind die Blicke aller Frauen auf ihn gerichtet. Cavaignac ist der interessanteste Mann von Paris. Die Franzosen geben ihm neben dem Ausdruck des Muths und der Unerschrockenheit alle schmachtenden Epitheten der Deutschen: Wehmuth, Melancholie, ein lyrisches Gemüth! Die Frauen sind toll um ihn: ich glaube, es waren an 4000. Wenn er sie nur nicht alle unglücklich macht. Doch nein! es kommen ja auch Mobilgardisten zu Marrast, die "unter dem Glanze der Lampen ebenso muthig in die Pretzeln drein hieben, wie in die Barrikaden unter dem Kanonengeschütz," wie der Constitutionnel in vollem Ernste sagt. Es lebe die parfümirte Republik! 17 Paris, 9. Aug. Laut offiziellem Bericht ist jetzt die Besatzung der Stadt Paris und ihres Weichbildes auf achtzigtausend Liniensoldaten gebracht; Le Commerce wünscht hunderttausend, "eine runde starke Ziffer." Dies beweist aufs Beste "die fröhliche Rückkehr des Vertrauens" der beiden Klassen. General Eugen Cavaignac (den der Corsaire allen Ernstes mit "Prinz Eugenius" vergleicht, in derselben Nummer wo Proudhon "der biblische Satanas" und "der Göthesche Mephistopheles" genannt wird) hat die unterdrückten Journale losgegeben, auch Proudhons "Representant du Peuple." Die "Assemblee nationale" benutzt ihre Freilassung dahin, daß sie sogleich im ersten Artikel eine berserkerwüthige Anklage gegen Lamartine, Ledrü-Rollin, Arago u. s. w. schleudert, "deren Namen im Kammerrapport vergessen wären." Girardins La Presse, pfiffiger als die honette Base, präsentirt ihren Lesern den bereits sattsam bekannten Rapport und "sticht mit vergifteten Nadeln", wie Le Spectateur republicain meint, "da sie das Gewerbe schon besser versteht." So rückt denn das Schisma im Repräsentantenhause unaufhaltsam näher, und die karlistische "Union" registrirt dies Faktum jubelnd ein. Lamartines "Bien public" wird von diesen Heroen und von Victor Hugo's "L'Evenement" auf Tod und Leben angegriffen. "Wir wollen eine Republik", deklamirt das Letztere, "welche zur Trikolore sich das Morgenroth der Tugend, das Schneeweiß der Unschuld, das Himmelblau der ewigen Sehnsucht erkoren hat," und ergeht sich sofort in einer haarkleinen Betrachtung über die Börsenkurse, "die wieder heiter emporathmen, nachdem die schaurige Perspektive auf das Schwungbrett der Guillotine und auf das ebenso infernale Druckbrett der Assignatenpresse glücklich und zwar auf immer vernichtet sei." Die Neger in Algier, durch Victor Schölchers Dekret von der provisorischen Regierung frei erklärt, tanzen fortwährend um den Freiheitsbaum und haben an den Maire und Generalprokurator einen Dankbrief geschrieben im Namen ihrer sieben Stämme. Weniger gemüthlich betragen sie sich in Westindien, wo in Guadelupe schon jetzt kein Heller Münze mehr, sondern nur Kolonialpapier existirt, und nächstens kein französischer Pflanzer mehr zu finden sein dürfte; diese Schwarzen baden sich im Blute ihrer Bourgeois. "Schmerzlich dabei sei auch das, wimmert der Siecle, daß die Engländer sich darüber zu amüsiren schienen." - Einige noch nicht gesprengte Arbeiterklubbs in dem streng honetten Bordeaux haben eine Adresse an die Junimärtyrer "berathen", worin es heißt: "Brüder!" Leider zu entfernt um an eurem Heldenkampfe, der seines Gleichen nicht in der Weltgeschichte hat, selbst die Sklavenkriege der spartanischen Heloten, der römischen Bundgenossenvölker und der Gladiatoren des Spartakus, selbst die Bauernkriege unsres Jaques Bonhomme und der deutschen Landleute vor 300 Jahren mitgerechnet, mit der Waffe Theil zu nehmen, grüßen wir euch und weinen mit euren Waisen und Wittwen; wir geloben euer Vorbild nie zu vergessen bis endlich die Stunde schlägt des modernen Hussitenkampfes, den unsre Herrscherklasse schlechterdings heraufbeschwören will; nur flehen wir euch an, seid in diesem Augenblicke ruhig, wo die Knute der siegreichen Klasse über eurem schon zerfleischten Rücken hängt" u. s. w. Und die Lyoner Arbeiter haben eine Adresse an die Nationalversammlung diskutirt, worin sie sagen: "Wir bitten euch um Mitleid und Erbarmen für unsre verirrten Pariser Gefährten, deren einziges Verbrechen ja nur in Uebereilung, in übermäßiger Liebe zur Menschheitsbeglückung besteht." Die Thiersblätter bringen in extenso diese in Lyon und Bordeaux cirkulirenden Adressen und stoßen ein dumpfes Schakalgeheul aus, um mit La Republique zu reden. L'Union verlangt sofortige Absetzung des "kommunistischen" Maire der erstern dieser Städte. - Proudhons Rede, im Moniteur vollständig, wird reißend von den Ouvriers gekauft und in die Departements geschickt; man autographirt sie sogar. Man kann sich dies erklären, wenn man bedenkt, daß außer der Vraie Republique, (woran Thore und George Sand schreiben) kein einziges der nach der Junischlacht erdrückten echten Proletariatsjournale wieder aufgelebt ist, da das Kautionement von 24,000 Fr. für dieselben unerschwinglich wird. Nur Aristokraten und Bourgeois können jetzt noch von der Tagespresse Gebrauch machen. - Wegen der nach Havre bei nächtlicher Weile spedirten 800 "Brigands" ist in der Kammer der Kriegsminister Lamoriciere heftig interpellirt worden; die Nationalassemblee hat nämlich die feierliche Zusage, Weiber und Kinder mit den Insurgenten zusammen zu deportiren, gebrochen und jener erste Zug ist abgegangen, ohne daß ihre Namen vorher publizirt, ohne daß ihre Verwandten davon benachrichtigt, geschweige denn gefragt wurden: ob sie mitreisen wollten? Der Herr General beliebte aber nur eine ausweichende Antwort zu geben, und versicherte, die Sorgfalt der Rupublik werde die Deportirten ebensowenig auf dem Meere wie im Kerker verlassen (nämlich sie aus den Stick- und Glutlöchern der Kasematten in die Giftluft der Fieberküsten befördern, wo freilich die Kolonisationskosten dem Beutel der Bourgeoisie erspart werden dürften.) Die Proletarier behaupten steif und fest, man werde die Unglücklichen in die See werfen; wieder ein Merkmal des zurückkehrenden Vertrauens. Die Bordeleser philippistische Kaufmannschaft, im Bunde mit der karlistischen Ritterschaft des Südwestens, verlangte so eben den Prinz Joinville zum Präsidenten der Republik; jetzt läßt sie abdingen und begehrt nur Mole, weil der Marschall Bügeaud, den "Friedensstifter der Straßenemeute Transnonain (d. h. Massakreur) zu weit avancirt sei und sich in allerlei "moderne Ideen, die nichts weniger als solide" einzulassen anfange. Im Departement der Ober-Garonne sind die Bauern plötzlich sehr religiös geworden und stehen Wache vor den Wohnungen der Republikaner, weil diese Dolche schleifen und bezauberte Kugeln gießen, wie ihnen auf den Kanzeln versichert wurde. Im südlichen Rhonegebiet macht man dem Bauer weis, die Feldmesser von Paris kämen diesmal lediglich um die Ackervertheilung des alten "Monsieu Communisse" vorzunehmen; schon früher stellten sich nämlich die Landleute die Kommunistenpartei unter dem Schreckbilde eines wilden Greises (vieillard sauvage), einer Art von Notar da oben im fernen Paris vor, der "Herr" oder "Vater" Kommuniß (Bauernaussprache) hieße. Dies ist faktisch und es liegen jetzt juridische Zeugnisse darüber vor. - Des Dominikaners Lacordaire "Ere nouvelle" begehrt Intervention zu Gunsten des Jesuiten- und Murmelthierkönigs Karl Albert, aber zugleich zur Unterdrückung aller "anarchischen quasirepublikanischen Theaterstreiche in Italien, und zur Einschüchterung des ebenso unreligiösen als politisch frechen Mamiani." Der National ist schlaff und matt, Italien ist ihm gleichgültiger seit sein ehemaliger Redakteur asiatische Dines gibt. Advokat Marie, auch von den Bourgeoisradikalen, dieser schwärmerische Freund der Preßfreiheit unter Louis Philipp, vertheidigte gestern tollwüthig die Geldkautionen; "er bereue seinen Irrthum, jetzt erst sehe er das Volk in Masse sei noch unreif zur reinen Rede- und Vereinsfreiheit." Senard, einst Oberster des Advokatenstandes von Rouen, hatte auf einem Reformzweckessen 1847 gesagt: "Wozu für die böse Seite der freien Presse das Heilmittel in wahrhaft luxuriösen Strafverordnungen suchen? Das einzig löbliche Heilmittel ist der öffentliche gesunde Menschenverstand;" heute sagt er das Gegentheil. Paris, 8. Aug. Drei Züge von Insurgenten sind heute in Havre eingetroffen. Der erste Zug enthielt 180; in jedem Wagen waren 18 Insurgenten und 12 Wächter. Eine Gensd'armerie-Abtheilung saß im ersten und im letzten Wagen. Kurz darauf kamen die folgenden Insurgentenzüge, auf ähnliche Weise verpackt, hier an, und die Summe derer, die mit der Dampffregatte Ulloa einstweilen nach Brest transportirt werden, beträgt in diesem Augenblicke 441 Mann. Alle möglichen Vorsichtsmaßregeln waren von der Stadtbehörde getroffen, um die Ruhe aufrecht zu halten. Die Linientruppen, National- und Marine-Garde, so wie die Pompiers standen aufgepflanzt, um die Insurgenten vom Bahnhofe bis zum Hafen La Floride zu eskortiren, wo die Ulloa vor Anker liegt. Um jedem Menschenzudrange zuvorzukommen, wurden die verschiedenen Zugbrücken nach dem jedesmaligen Uebergange der Detachements aufgezogen, so daß die Besiegten vom Juni bis zur Ulloa ohne alles Geräusch und Zudrängen von Neugierigen anlangen konnten. Die Unglücklichen waren, je zu drei Mann, an den Händen gebunden; die Pariser Wächter und Gensd'armerie gingen ihnen zur Seite. Das Zwischendeck der Ulloa ist in Räumen abgetheilt, deren jeder 15 Insurgenten faßt. Unter ihnen befinden sich Bürger, Militär, Mobilgardisten, Nationalgardisten; die Einen sind niedergeschlagen, und lassen ihren Schmerz laut werden, über die ewige Trennung von ihrem Vaterlande; bei den Andern völlige Resignation. Thomassin, der Organisateur des Festessens von 25 Centimes, so wie Gaetan befinden sich im Transporte. Die weitere Bestimmung der Ulloa, die schon seit drei Wochen auf diese Schiffsladung menschlichen Ballastes harrete, ist unbekannt. Ein anderer Bericht meldet, daß Männer, welche dem Tod im Juni trotzten, weinten wie Kinder. Alle Zuschauer, welche gegenwärtig, waren tiefgerührt über das Schicksal dieser Männer, die fast alle im Februar mit gefochten. - Die Geschichte des Attentats der Windbüchse auf Thiers lös't sich in Wind auf. Die "Republique" bemerkt: "Die Abendjournale stützen sich auf einen Bericht des "Constitutionnel", der ungefähr gleichlautend ist mit dem des "Journal des Debats." Sie wollen in diesem schlechten Witz durchaus einen ernsten Mordversuch erblicken. Es gibt ein Mittel, alle weitere Debatten abzuschneiden. Dazu genügt die Veröffentlichung der Protokolle des Polizeikommissairs und des Arztes, der den Zustand des jungen Mädchens zu konstatiren hatte. Aber der Bürger Thiers hält darauf, für ein der Kugel oder dem Eisen eines Meuchlers geweihtes Opfer zu gelten. Als er sein Schloß Recous bewohnte, dem er den poetischen Namen Villa Orsini beilegte, war er nicht auch von dem Gedanken besessen, man stelle seinem Leben nach? Hatte er nicht eine Schildwache für seine Person verlangt? Sagte ihm bei dieser Gelegenheit nicht der berühmte Carrel: "Du, sterben an einem Pistolen- oder Flintenschuß! Nein, Du kannst nur sterben an einem Fußtritt - an irgend einen Orte." Es ist dies historisch. Paris, 9. August. Gestern Nachmittag brachte endlich ein Kourier des Londoner Kabinets den langersehnten Beitritt desselben zu unserer Mediationsvorschlägen im italienischen Kriege. Wenige Stunden später gingen Kouriere an Lord Abercromby, englischen Gesandten und v. Reizet, Geschäftsträger der Republik, in Turin, weiter, um diesen Herren den Befehl zu bringen, sich sofort in die Generalhauptquartiere der beiden kriegführenden Parteien, König Karl Albert und Radetzki, zu begeben und ihnen die amtliche Mittheilung von der Mediation Englands und Frankreichs zu machen, sowie mit ihnen über einen provisorischen Waffenstillstand zu unterhandeln, während welchem über die Bedingungen der Mediation zwischen den Kabinetten selbst verhandelt werden könne. Ein dritter Kourier schlug die Richtung nach Wien ein, um den dortigen französich-englischen Gesandten die Grundzüge zu bringen, nach welchen die Mediation eingeleitet werden solle. Diese Grundzüge selbst sind natürlich noch Staatsgeheimniß - Gustave de Beanment ist zum Gesandten der Republik nach London ernannt, wo sie bisher von Herrn de Tallenay vertreten wurde. - In den Faubourgs und einigen Straßen herrschte gestern eine bedenkliche Gährung. Das Gerücht hatte sich verbreitet, die Regierung wolle mit den Insurgenten kurzen Prozeß machen. Sie ließe sie im Havre einschiffen und dann in das Meer werfen. Diese Nachricht rief unter den Frauen, Kindern und Verwandten der 10,000 Gefangenen eine große Angst und Erbitterung hervor; man stieß die fürchterlichsten Verwünschungen gegen die Regierung aus und drohte die Stadt in Brand zu stecken. - Zwei bedeutende Glieder des Berges, Theodor Bac und Germain Sarrut stellten gestern das Ministerium rücksichtlich der geheimnißvollen Einschiffung von 531 Insurgenten zur Rede und wollten wissen, welchen Entschluß man überhaupt rücksichtlich dieser Unglücklichen nebst ihren Angehörigen gefaßt habe? Kriegsminister Lamoriciere antwortete, daß die Regierung die Einschiffung der einzelnen Züge deshalb geheimnißvoll, d. h. unvermuthet bewerkstelligen lasse, weil sie jeden Befreiungsversuch, jede Ruhestörung zu vermeiden trachte. Uebrigens dirigire sie die abgeurtelten Insurgenten zunächst nach Belle Isle en Mer (vor der Loiremündung), lasse dort für 3 bis 4000 Personen Wohnungen errichten und werde dorthin die Frauen und Kinder der Verurtheilten folgen lassen. Ein anderer Theil werde den andern Rheden zugeschickt werden und dort so lange bleiben, bis die Nationalversammlung über den Verbannungsort definitiv entschieden haben wird. - In den letzten vier Tagen fielen mehrere Schüsse gegen einzelne Schildwachen auf den Pariser Festungswerken. Der Haß gegen die Mobilgarde wächst mit jedem Tage. Die 250 Ehrenkreuze, die ihr Cavaignac verlieh, haben die Erbitterung bedeutend gesteigert. - Repräsentant Rouher, ein Demokrat im Bourgeoissinn, hat gestern der Nationalversammlung seinen Bericht über Morin's Antrag auf Abschaffung der Artikel 414, 415 und 416 des Code Penal (die von den berüchtigten Arbeiter-Coalitionen handeln) vorgelegt. Der Bericht ist der Abschaffung günstig und unterstützt die mildere Redaktionsweise des Antragstellers. Nationalversammlung. Sitzung vom 9. August. Anfang 11/4 Uhr. Präsident Marrast. Bouzzat, dessen neuer Preßgesetzentwurf gestern durchfiel, reklamirt fruchtlos gegen die Abfassung des Protokolls. Goudchaux, Finanzminister, legt zwei für das Ausland ganz interessenlose Dekretentwürfe vor, von denen der Letzte sogleich votirt wird. Senard, Minister des Innern, beantragt einen Jahresgehalt von 2000 Franken für die Wittwe des Generals Damesme, der die Mobilgarde in der Junischlacht nach Düvivier befehligte und an seiner Wunde starb. Dieser Antrag soll morgen diskutirt werden. Die Versammlung nahm dann die Preßgesetzgebung wieder auf. Die Diskussion im Allgemeinen ist geschlossen und der Kampf um die beiden Entwürfe (den Senardschen und den Pascal Dupratschen) wird fortgesetzt. Inzwischen erhalten General Lafontaine, v. Montreuil, Dorlan und Graf Montalembert die nachgesuchten Urlaube. Leon Faucher besteigt die Bühne und vertheidigt den ministeriellen Preßentwurf. Man theilt, sagt er, die Vertheidiger und Gegner desselben in zwei Parteien. Man nennt Erstere (nämlich die Vertheidiger der Kaution) Vertheidiger des Privilegiums; Letztere die Vertheidiger der Freiheit. Wir, die die Kaution vertheidigen, sind der Ueberzeugung, daß sie die Presse moralisire; der Entwurf führe nicht die Kaution ein, sondern er verringere dieselbe. Der große Staatsökonom des Siecle eifert gewaltig gegen die von Ledru Rollin gestern aufgestellte Behauptung, daß die Unterschrift des Artikelverfassers die beste moralische Kaution sei. Er sicht nebenbei gegen die verderblichen Grundsätze des Luxemburg und protestirt vor allen Dingen gegen die Manie, uns Franzosen amerikanisiren zu wollen. Die Temperamente seien verschieden, mithin müßten auch die Staatseinrichtungen verschieden sein. Diese Kritik der "Doktrinäre des National" war das Gelungenste in seiner heutigen Rede. Er bekämpfe, schloß er, den Gegenentwurf endlich aus dem Grunde, weil er den Sitten und Gebräuchen des französischen Volkes (soll wohl heißen Journalismus) zuwider sei. Flocon: Der Redner, der so eben die Tribüne verläßt, hat schon die Nützlichkeit, Moralität und Nothwendigkeit des Kautionswesens wiederholt zu beweisen gesucht. Ich werde ihm zeigen, daß er sich radikal irrt. Was erklärte Ihnen der Minister, als er Ihnen seinen Entwurf vorlegte? Er sagte Ihnen, daß das Kautionsprinzip nichts tauge; daß er es selbst zeitlebens bekämpft habe, daß aber der jetzige Zustand der französischen Gesellschaft ein anormaler sei, weshalb er das Gesetz nur provisorisch so lange gelten lassen wollte, bis die Verfassung die Preßverhältnisse regulirt. Wohlan, der Minister findet das Prinzip also schlecht; Hr. Faucher erhebt es dagegen in die Wolken. Wie soll man sich diesen Widerspruch erklärt? Der Redner entwickelt hierauf den industriellen Charakter des Kautionswesen, das die Presse zur Kuh herabwürdige und er votirt gegen den ministeriellen d. h. für den Paskal'schen Entwurf. Pagnerre, der berühmte Verleger des Manuel republicain, unterstützte ebenfalls den Pascal-Duprat'schen Entwurf, weil er alle Geranten jeder Verantwortlichkeit entbindet. Nach ziemlich stürmischer Debatte über den Vorrang der verschiedenen Gegenentwürfe, worunter der Dupratsche der Erste ist, schritt die Versammlung zur Abstimmung über diesen Gegenantrag. Von 749 Anwesenden stimmten 342 für und 407 gegen den Paskal-Duprat'schen Entwurf. (Sensation über die starke Zahl der Opposition.) Der ministerielle Entwurf hat somit gesiegt. Beilage zu Nr. 73 der Neuen Rh. Zeitg. Samstag 12. August 1848. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Die Polen-Debatte in Frankfurt. ‒ Das deutsche Reichsbürgerrecht und die preußische Polizei). Berlin. (Vereinbarungssitzung. ‒ Schweidnitz und die Konstabler. ‒ Konstablerfreuden. ‒ Versetzungen in Anklagezustand. ‒ Rimpler. ‒ Schwarz-weiße Protestationen). Brandenburg. (Altpreußenthum). Breslau. (Verhaftung des Dr. Cunerth in Liegnitz. ‒ Neue Leichenfeier in Schweidnitz). Stettin. (Prinz von Preußen. ‒ Demonstrationen). Wien. (Reichstagssitzung. ‒ Der Kaiser. ‒ Oesterreich und Ungarn. ‒ Das Landvolk in Niederösterreich). Stuttgart. (Auch ein Stück deutsche Einheit). Altona. (Dislokation der Truppen). Kiel. (Verpfändung Bornholm's an die Russen). Dänemark. Kopenhagen. (Die Sundschifffahrt. ‒ Klagen über deutsche Brutalität auf dem Kriegsschauplatz). Schweden. Gothenburg. (Rüstungen). Italien. (Grundlage der englisch-französischen Vermittlung. ‒ Der Befreiungskampf und die Ursache seines jetzigen Mißlingens). Lugano. (Karl Alberts Verrath an Mailand). Mailand. (Kriegsbülletin Radetzky's). Turin. (Collegno in der Deputirtenkammer). Rom. (Erklärung der aus Calabrien entkommenen Insurgentenchefs). Neapel. (Entschädigungsforderung der Engländer). Französische Republik. Paris. (Journalschau. ‒ Die Partei Marrast und Italien. ‒ Brief Robert Owens an die Reforme. ‒ Das Attentat Thiers. ‒ Marrast's Salon. ‒ National-Versammlung. ‒ Vermischtes). Belgien. Antwerpen. (Die Affaire Risquons-Tout). Großbritannien. London. (Parlaments-Debatten). Dublin. (Prozeß gegen Duffy u. s. w. eröffnet. ‒ S. O'Brien). Rußland. Petersburg. (Erklärung über den Einmarsch in die Donaufürstenthümer). Donaufürstenthümer. (Befehl aus Petersburg zum Rückzug der Russen). Südamerika. Bogota. (Die Verfolgungen des Präsidenten gegen die Oppositionspresse). [Französische Republik] [Fortsetzung] „vêtues de gaz“ sind das gemeinsame Band, welches Republikaner und Monarchisten mit einander aussöhnt. Thiers ungeachtet seiner Tappfüßigkeit, und Marrast ungeachtet seiner 47 Jahre und seiner Gemahlin, der feinen Engländerin, lieben noch immer die Frauen, vêtues de gaz, die Frauen mit dem transparenten Gewande, welches die wonnigen Formen der Französinnen so üppig umwebt. Die deutschen Journale stellen sich die Republikaner immer als Spartaner à la Heinzen-Venedey vor. „Ein gutes Bier, „ein beizender Taback „und eine Magd im Putz, „da ist so mein Geschmack. Nein, Marrast und Thiers lieben den feinen Tabak; er hat einen herrlichen Rauchsaal mit Divans errichtet, wo blos die Manilla Zutritt hat. Marrast und Bier, Marrast und eine Magd! Die feinsten Weine aus den Tuilerien, die feinsten Blumen aus St. Cloud, und die feinsten Frauen aus der feinsten Welt: das ist Marrast's Geschmack. An die Stelle der rothen Republik hat Marrast die parfümirte Republik zu setzen gewußt und dadurch seine ehemaligen Feinde versöhnt. Wenn Abends die Damenrepublik in feinem durchsichtigem Gewande in Marrast's Salons ihre Reize enthüllt, wer möchte da nicht gerne Republikaner sein, trotz des Belagerungszustandes. Und nachdem man so viel gethan hat, um die parfümirte Republik zu erhalten, nachdem man die, welche sie geschaffen, niedergemetzelt oder über die See geschafft, wird man sich aufs Neue stören lassen von lästigen Gesandten aus Italien, um sich wieder in neue Schwierigkeiten zu verwickeln und die parfümirte Republik mit den bottes vernies und mains gautées aufs Spiel zu setzen. Geht zum Henker und nehmt unsere Sympathien mit. Thiers ist zufrieden mit Marrast's Salon und das ist die Hauptsache. Cavaignac kommt auch in Marrast's Salon, und sogleich sind die Blicke aller Frauen auf ihn gerichtet. Cavaignac ist der interessanteste Mann von Paris. Die Franzosen geben ihm neben dem Ausdruck des Muths und der Unerschrockenheit alle schmachtenden Epitheten der Deutschen: Wehmuth, Melancholie, ein lyrisches Gemüth! Die Frauen sind toll um ihn: ich glaube, es waren an 4000. Wenn er sie nur nicht alle unglücklich macht. Doch nein! es kommen ja auch Mobilgardisten zu Marrast, die „unter dem Glanze der Lampen ebenso muthig in die Pretzeln drein hieben, wie in die Barrikaden unter dem Kanonengeschütz,“ wie der Constitutionnel in vollem Ernste sagt. Es lebe die parfümirte Republik! 17 Paris, 9. Aug. Laut offiziellem Bericht ist jetzt die Besatzung der Stadt Paris und ihres Weichbildes auf achtzigtausend Liniensoldaten gebracht; Le Commerce wünscht hunderttausend, „eine runde starke Ziffer.“ Dies beweist aufs Beste „die fröhliche Rückkehr des Vertrauens“ der beiden Klassen. General Eugen Cavaignac (den der Corsaire allen Ernstes mit „Prinz Eugenius“ vergleicht, in derselben Nummer wo Proudhon „der biblische Satanas“ und „der Göthesche Mephistopheles“ genannt wird) hat die unterdrückten Journale losgegeben, auch Proudhons „Representant du Peuple.“ Die „Assemblée nationale“ benutzt ihre Freilassung dahin, daß sie sogleich im ersten Artikel eine berserkerwüthige Anklage gegen Lamartine, Ledrü-Rollin, Arago u. s. w. schleudert, „deren Namen im Kammerrapport vergessen wären.“ Girardins La Presse, pfiffiger als die honette Base, präsentirt ihren Lesern den bereits sattsam bekannten Rapport und „sticht mit vergifteten Nadeln“, wie Le Spectateur republicain meint, „da sie das Gewerbe schon besser versteht.“ So rückt denn das Schisma im Repräsentantenhause unaufhaltsam näher, und die karlistische „Union“ registrirt dies Faktum jubelnd ein. Lamartines „Bien public“ wird von diesen Heroen und von Victor Hugo's „L'Evenement“ auf Tod und Leben angegriffen. „Wir wollen eine Republik“, deklamirt das Letztere, „welche zur Trikolore sich das Morgenroth der Tugend, das Schneeweiß der Unschuld, das Himmelblau der ewigen Sehnsucht erkoren hat,“ und ergeht sich sofort in einer haarkleinen Betrachtung über die Börsenkurse, „die wieder heiter emporathmen, nachdem die schaurige Perspektive auf das Schwungbrett der Guillotine und auf das ebenso infernale Druckbrett der Assignatenpresse glücklich und zwar auf immer vernichtet sei.“ Die Neger in Algier, durch Victor Schölchers Dekret von der provisorischen Regierung frei erklärt, tanzen fortwährend um den Freiheitsbaum und haben an den Maire und Generalprokurator einen Dankbrief geschrieben im Namen ihrer sieben Stämme. Weniger gemüthlich betragen sie sich in Westindien, wo in Guadelupe schon jetzt kein Heller Münze mehr, sondern nur Kolonialpapier existirt, und nächstens kein französischer Pflanzer mehr zu finden sein dürfte; diese Schwarzen baden sich im Blute ihrer Bourgeois. „Schmerzlich dabei sei auch das, wimmert der Siecle, daß die Engländer sich darüber zu amüsiren schienen.“ ‒ Einige noch nicht gesprengte Arbeiterklubbs in dem streng honetten Bordeaux haben eine Adresse an die Junimärtyrer „berathen“, worin es heißt: „Brüder!“ Leider zu entfernt um an eurem Heldenkampfe, der seines Gleichen nicht in der Weltgeschichte hat, selbst die Sklavenkriege der spartanischen Heloten, der römischen Bundgenossenvölker und der Gladiatoren des Spartakus, selbst die Bauernkriege unsres Jaques Bonhomme und der deutschen Landleute vor 300 Jahren mitgerechnet, mit der Waffe Theil zu nehmen, grüßen wir euch und weinen mit euren Waisen und Wittwen; wir geloben euer Vorbild nie zu vergessen bis endlich die Stunde schlägt des modernen Hussitenkampfes, den unsre Herrscherklasse schlechterdings heraufbeschwören will; nur flehen wir euch an, seid in diesem Augenblicke ruhig, wo die Knute der siegreichen Klasse über eurem schon zerfleischten Rücken hängt“ u. s. w. Und die Lyoner Arbeiter haben eine Adresse an die Nationalversammlung diskutirt, worin sie sagen: „Wir bitten euch um Mitleid und Erbarmen für unsre verirrten Pariser Gefährten, deren einziges Verbrechen ja nur in Uebereilung, in übermäßiger Liebe zur Menschheitsbeglückung besteht.“ Die Thiersblätter bringen in extenso diese in Lyon und Bordeaux cirkulirenden Adressen und stoßen ein dumpfes Schakalgeheul aus, um mit La Republique zu reden. L'Union verlangt sofortige Absetzung des „kommunistischen“ Maire der erstern dieser Städte. ‒ Proudhons Rede, im Moniteur vollständig, wird reißend von den Ouvriers gekauft und in die Departements geschickt; man autographirt sie sogar. Man kann sich dies erklären, wenn man bedenkt, daß außer der Vraie Republique, (woran Thoré und George Sand schreiben) kein einziges der nach der Junischlacht erdrückten echten Proletariatsjournale wieder aufgelebt ist, da das Kautionement von 24,000 Fr. für dieselben unerschwinglich wird. Nur Aristokraten und Bourgeois können jetzt noch von der Tagespresse Gebrauch machen. ‒ Wegen der nach Havre bei nächtlicher Weile spedirten 800 „Brigands“ ist in der Kammer der Kriegsminister Lamoriciere heftig interpellirt worden; die Nationalassemblée hat nämlich die feierliche Zusage, Weiber und Kinder mit den Insurgenten zusammen zu deportiren, gebrochen und jener erste Zug ist abgegangen, ohne daß ihre Namen vorher publizirt, ohne daß ihre Verwandten davon benachrichtigt, geschweige denn gefragt wurden: ob sie mitreisen wollten? Der Herr General beliebte aber nur eine ausweichende Antwort zu geben, und versicherte, die Sorgfalt der Rupublik werde die Deportirten ebensowenig auf dem Meere wie im Kerker verlassen (nämlich sie aus den Stick- und Glutlöchern der Kasematten in die Giftluft der Fieberküsten befördern, wo freilich die Kolonisationskosten dem Beutel der Bourgeoisie erspart werden dürften.) Die Proletarier behaupten steif und fest, man werde die Unglücklichen in die See werfen; wieder ein Merkmal des zurückkehrenden Vertrauens. Die Bordeleser philippistische Kaufmannschaft, im Bunde mit der karlistischen Ritterschaft des Südwestens, verlangte so eben den Prinz Joinville zum Präsidenten der Republik; jetzt läßt sie abdingen und begehrt nur Molé, weil der Marschall Bügeaud, den „Friedensstifter der Straßenemeute Transnonain (d. h. Massakreur) zu weit avancirt sei und sich in allerlei „moderne Ideen, die nichts weniger als solide“ einzulassen anfange. Im Departement der Ober-Garonne sind die Bauern plötzlich sehr religiös geworden und stehen Wache vor den Wohnungen der Republikaner, weil diese Dolche schleifen und bezauberte Kugeln gießen, wie ihnen auf den Kanzeln versichert wurde. Im südlichen Rhonegebiet macht man dem Bauer weis, die Feldmesser von Paris kämen diesmal lediglich um die Ackervertheilung des alten „Monsieu Communisse“ vorzunehmen; schon früher stellten sich nämlich die Landleute die Kommunistenpartei unter dem Schreckbilde eines wilden Greises (vieillard sauvage), einer Art von Notar da oben im fernen Paris vor, der „Herr“ oder „Vater“ Kommuniß (Bauernaussprache) hieße. Dies ist faktisch und es liegen jetzt juridische Zeugnisse darüber vor. ‒ Des Dominikaners Lacordaire „Ere nouvelle“ begehrt Intervention zu Gunsten des Jesuiten- und Murmelthierkönigs Karl Albert, aber zugleich zur Unterdrückung aller „anarchischen quasirepublikanischen Theaterstreiche in Italien, und zur Einschüchterung des ebenso unreligiösen als politisch frechen Mamiani.“ Der National ist schlaff und matt, Italien ist ihm gleichgültiger seit sein ehemaliger Redakteur asiatische Dines gibt. Advokat Marie, auch von den Bourgeoisradikalen, dieser schwärmerische Freund der Preßfreiheit unter Louis Philipp, vertheidigte gestern tollwüthig die Geldkautionen; „er bereue seinen Irrthum, jetzt erst sehe er das Volk in Masse sei noch unreif zur reinen Rede- und Vereinsfreiheit.“ Senard, einst Oberster des Advokatenstandes von Rouen, hatte auf einem Reformzweckessen 1847 gesagt: „Wozu für die böse Seite der freien Presse das Heilmittel in wahrhaft luxuriösen Strafverordnungen suchen? Das einzig löbliche Heilmittel ist der öffentliche gesunde Menschenverstand;“ heute sagt er das Gegentheil. Paris, 8. Aug. Drei Züge von Insurgenten sind heute in Havre eingetroffen. Der erste Zug enthielt 180; in jedem Wagen waren 18 Insurgenten und 12 Wächter. Eine Gensd'armerie-Abtheilung saß im ersten und im letzten Wagen. Kurz darauf kamen die folgenden Insurgentenzüge, auf ähnliche Weise verpackt, hier an, und die Summe derer, die mit der Dampffregatte Ulloa einstweilen nach Brest transportirt werden, beträgt in diesem Augenblicke 441 Mann. Alle möglichen Vorsichtsmaßregeln waren von der Stadtbehörde getroffen, um die Ruhe aufrecht zu halten. Die Linientruppen, National- und Marine-Garde, so wie die Pompiers standen aufgepflanzt, um die Insurgenten vom Bahnhofe bis zum Hafen La Floride zu eskortiren, wo die Ulloa vor Anker liegt. Um jedem Menschenzudrange zuvorzukommen, wurden die verschiedenen Zugbrücken nach dem jedesmaligen Uebergange der Detachements aufgezogen, so daß die Besiegten vom Juni bis zur Ulloa ohne alles Geräusch und Zudrängen von Neugierigen anlangen konnten. Die Unglücklichen waren, je zu drei Mann, an den Händen gebunden; die Pariser Wächter und Gensd'armerie gingen ihnen zur Seite. Das Zwischendeck der Ulloa ist in Räumen abgetheilt, deren jeder 15 Insurgenten faßt. Unter ihnen befinden sich Bürger, Militär, Mobilgardisten, Nationalgardisten; die Einen sind niedergeschlagen, und lassen ihren Schmerz laut werden, über die ewige Trennung von ihrem Vaterlande; bei den Andern völlige Resignation. Thomassin, der Organisateur des Festessens von 25 Centimes, so wie Gaëtan befinden sich im Transporte. Die weitere Bestimmung der Ulloa, die schon seit drei Wochen auf diese Schiffsladung menschlichen Ballastes harrete, ist unbekannt. Ein anderer Bericht meldet, daß Männer, welche dem Tod im Juni trotzten, weinten wie Kinder. Alle Zuschauer, welche gegenwärtig, waren tiefgerührt über das Schicksal dieser Männer, die fast alle im Februar mit gefochten. ‒ Die Geschichte des Attentats der Windbüchse auf Thiers lös't sich in Wind auf. Die „Republique“ bemerkt: „Die Abendjournale stützen sich auf einen Bericht des „Constitutionnel“, der ungefähr gleichlautend ist mit dem des „Journal des Debats.“ Sie wollen in diesem schlechten Witz durchaus einen ernsten Mordversuch erblicken. Es gibt ein Mittel, alle weitere Debatten abzuschneiden. Dazu genügt die Veröffentlichung der Protokolle des Polizeikommissairs und des Arztes, der den Zustand des jungen Mädchens zu konstatiren hatte. Aber der Bürger Thiers hält darauf, für ein der Kugel oder dem Eisen eines Meuchlers geweihtes Opfer zu gelten. Als er sein Schloß Récous bewohnte, dem er den poetischen Namen Villa Orsini beilegte, war er nicht auch von dem Gedanken besessen, man stelle seinem Leben nach? Hatte er nicht eine Schildwache für seine Person verlangt? Sagte ihm bei dieser Gelegenheit nicht der berühmte Carrel: „Du, sterben an einem Pistolen- oder Flintenschuß! Nein, Du kannst nur sterben an einem Fußtritt ‒ an irgend einen Orte.“ Es ist dies historisch. Paris, 9. August. Gestern Nachmittag brachte endlich ein Kourier des Londoner Kabinets den langersehnten Beitritt desselben zu unserer Mediationsvorschlägen im italienischen Kriege. Wenige Stunden später gingen Kouriere an Lord Abercromby, englischen Gesandten und v. Reizet, Geschäftsträger der Republik, in Turin, weiter, um diesen Herren den Befehl zu bringen, sich sofort in die Generalhauptquartiere der beiden kriegführenden Parteien, König Karl Albert und Radetzki, zu begeben und ihnen die amtliche Mittheilung von der Mediation Englands und Frankreichs zu machen, sowie mit ihnen über einen provisorischen Waffenstillstand zu unterhandeln, während welchem über die Bedingungen der Mediation zwischen den Kabinetten selbst verhandelt werden könne. Ein dritter Kourier schlug die Richtung nach Wien ein, um den dortigen französich-englischen Gesandten die Grundzüge zu bringen, nach welchen die Mediation eingeleitet werden solle. Diese Grundzüge selbst sind natürlich noch Staatsgeheimniß ‒ Gustave de Beanment ist zum Gesandten der Republik nach London ernannt, wo sie bisher von Herrn de Tallenay vertreten wurde. ‒ In den Faubourgs und einigen Straßen herrschte gestern eine bedenkliche Gährung. Das Gerücht hatte sich verbreitet, die Regierung wolle mit den Insurgenten kurzen Prozeß machen. Sie ließe sie im Havre einschiffen und dann in das Meer werfen. Diese Nachricht rief unter den Frauen, Kindern und Verwandten der 10,000 Gefangenen eine große Angst und Erbitterung hervor; man stieß die fürchterlichsten Verwünschungen gegen die Regierung aus und drohte die Stadt in Brand zu stecken. ‒ Zwei bedeutende Glieder des Berges, Theodor Bac und Germain Sarrut stellten gestern das Ministerium rücksichtlich der geheimnißvollen Einschiffung von 531 Insurgenten zur Rede und wollten wissen, welchen Entschluß man überhaupt rücksichtlich dieser Unglücklichen nebst ihren Angehörigen gefaßt habe? Kriegsminister Lamoriciere antwortete, daß die Regierung die Einschiffung der einzelnen Züge deshalb geheimnißvoll, d. h. unvermuthet bewerkstelligen lasse, weil sie jeden Befreiungsversuch, jede Ruhestörung zu vermeiden trachte. Uebrigens dirigire sie die abgeurtelten Insurgenten zunächst nach Belle Isle en Mer (vor der Loiremündung), lasse dort für 3 bis 4000 Personen Wohnungen errichten und werde dorthin die Frauen und Kinder der Verurtheilten folgen lassen. Ein anderer Theil werde den andern Rheden zugeschickt werden und dort so lange bleiben, bis die Nationalversammlung über den Verbannungsort definitiv entschieden haben wird. ‒ In den letzten vier Tagen fielen mehrere Schüsse gegen einzelne Schildwachen auf den Pariser Festungswerken. Der Haß gegen die Mobilgarde wächst mit jedem Tage. Die 250 Ehrenkreuze, die ihr Cavaignac verlieh, haben die Erbitterung bedeutend gesteigert. ‒ Repräsentant Rouher, ein Demokrat im Bourgeoissinn, hat gestern der Nationalversammlung seinen Bericht über Morin's Antrag auf Abschaffung der Artikel 414, 415 und 416 des Code Penal (die von den berüchtigten Arbeiter-Coalitionen handeln) vorgelegt. Der Bericht ist der Abschaffung günstig und unterstützt die mildere Redaktionsweise des Antragstellers. Nationalversammlung. Sitzung vom 9. August. Anfang 11/4 Uhr. Präsident Marrast. Bouzzat, dessen neuer Preßgesetzentwurf gestern durchfiel, reklamirt fruchtlos gegen die Abfassung des Protokolls. Goudchaux, Finanzminister, legt zwei für das Ausland ganz interessenlose Dekretentwürfe vor, von denen der Letzte sogleich votirt wird. Senard, Minister des Innern, beantragt einen Jahresgehalt von 2000 Franken für die Wittwe des Generals Damesme, der die Mobilgarde in der Junischlacht nach Düvivier befehligte und an seiner Wunde starb. Dieser Antrag soll morgen diskutirt werden. Die Versammlung nahm dann die Preßgesetzgebung wieder auf. Die Diskussion im Allgemeinen ist geschlossen und der Kampf um die beiden Entwürfe (den Senardschen und den Pascal Dupratschen) wird fortgesetzt. Inzwischen erhalten General Lafontaine, v. Montreuil, Dorlan und Graf Montalembert die nachgesuchten Urlaube. Leon Faucher besteigt die Bühne und vertheidigt den ministeriellen Preßentwurf. Man theilt, sagt er, die Vertheidiger und Gegner desselben in zwei Parteien. Man nennt Erstere (nämlich die Vertheidiger der Kaution) Vertheidiger des Privilegiums; Letztere die Vertheidiger der Freiheit. Wir, die die Kaution vertheidigen, sind der Ueberzeugung, daß sie die Presse moralisire; der Entwurf führe nicht die Kaution ein, sondern er verringere dieselbe. Der große Staatsökonom des Siecle eifert gewaltig gegen die von Ledru Rollin gestern aufgestellte Behauptung, daß die Unterschrift des Artikelverfassers die beste moralische Kaution sei. Er sicht nebenbei gegen die verderblichen Grundsätze des Luxemburg und protestirt vor allen Dingen gegen die Manie, uns Franzosen amerikanisiren zu wollen. Die Temperamente seien verschieden, mithin müßten auch die Staatseinrichtungen verschieden sein. Diese Kritik der „Doktrinäre des National“ war das Gelungenste in seiner heutigen Rede. Er bekämpfe, schloß er, den Gegenentwurf endlich aus dem Grunde, weil er den Sitten und Gebräuchen des französischen Volkes (soll wohl heißen Journalismus) zuwider sei. Flocon: Der Redner, der so eben die Tribüne verläßt, hat schon die Nützlichkeit, Moralität und Nothwendigkeit des Kautionswesens wiederholt zu beweisen gesucht. Ich werde ihm zeigen, daß er sich radikal irrt. Was erklärte Ihnen der Minister, als er Ihnen seinen Entwurf vorlegte? Er sagte Ihnen, daß das Kautionsprinzip nichts tauge; daß er es selbst zeitlebens bekämpft habe, daß aber der jetzige Zustand der französischen Gesellschaft ein anormaler sei, weshalb er das Gesetz nur provisorisch so lange gelten lassen wollte, bis die Verfassung die Preßverhältnisse regulirt. Wohlan, der Minister findet das Prinzip also schlecht; Hr. Faucher erhebt es dagegen in die Wolken. Wie soll man sich diesen Widerspruch erklärt? Der Redner entwickelt hierauf den industriellen Charakter des Kautionswesen, das die Presse zur Kuh herabwürdige und er votirt gegen den ministeriellen d. h. für den Paskal'schen Entwurf. Pagnerre, der berühmte Verleger des Manuel republicain, unterstützte ebenfalls den Pascal-Duprat'schen Entwurf, weil er alle Geranten jeder Verantwortlichkeit entbindet. Nach ziemlich stürmischer Debatte über den Vorrang der verschiedenen Gegenentwürfe, worunter der Dupratsche der Erste ist, schritt die Versammlung zur Abstimmung über diesen Gegenantrag. Von 749 Anwesenden stimmten 342 für und 407 gegen den Paskal-Duprat'schen Entwurf. (Sensation über die starke Zahl der Opposition.) Der ministerielle Entwurf hat somit gesiegt. <TEI> <text> <pb facs="#f0001" n="0373"/> <front> <titlePage type="heading"> <titlePart type="main">Beilage zu Nr. 73 der Neuen Rh. Zeitg. </titlePart> <docImprint> <docDate>Samstag 12. August 1848.</docDate> </docImprint> </titlePage> </front> <body> <div type="contents" n="1"> <head>Uebersicht.</head> <p><hi rendition="#g">Deutschland.</hi> Köln. (Die Polen-Debatte in Frankfurt. ‒ Das deutsche Reichsbürgerrecht und die preußische Polizei). Berlin. (Vereinbarungssitzung. ‒ Schweidnitz und die Konstabler. ‒ Konstablerfreuden. ‒ Versetzungen in Anklagezustand. ‒ Rimpler. ‒ Schwarz-weiße Protestationen). Brandenburg. (Altpreußenthum). Breslau. (Verhaftung des Dr. Cunerth in Liegnitz. ‒ Neue Leichenfeier in Schweidnitz). Stettin. (Prinz von Preußen. ‒ Demonstrationen). Wien. (Reichstagssitzung. ‒ Der Kaiser. ‒ Oesterreich und Ungarn. ‒ Das Landvolk in Niederösterreich). Stuttgart. (Auch ein Stück deutsche Einheit). Altona. (Dislokation der Truppen). Kiel. (Verpfändung Bornholm's an die Russen).</p> <p><hi rendition="#g">Dänemark.</hi> Kopenhagen. (Die Sundschifffahrt. ‒ Klagen über deutsche Brutalität auf dem Kriegsschauplatz).</p> <p><hi rendition="#g">Schweden.</hi> Gothenburg. (Rüstungen).</p> <p><hi rendition="#g">Italien.</hi> (Grundlage der englisch-französischen Vermittlung. ‒ Der Befreiungskampf und die Ursache seines jetzigen Mißlingens). Lugano. (Karl Alberts Verrath an Mailand). Mailand. (Kriegsbülletin Radetzky's). Turin. (Collegno in der Deputirtenkammer). Rom. (Erklärung der aus Calabrien entkommenen Insurgentenchefs). Neapel. (Entschädigungsforderung der Engländer).</p> <p><hi rendition="#g">Französische Republik.</hi> Paris. (Journalschau. ‒ Die Partei Marrast und Italien. ‒ Brief Robert Owens an die Reforme. ‒ Das Attentat Thiers. ‒ Marrast's Salon. ‒ National-Versammlung. ‒ Vermischtes).</p> <p><hi rendition="#g">Belgien.</hi> Antwerpen. (Die Affaire Risquons-Tout).</p> <p><hi rendition="#g">Großbritannien.</hi> London. (Parlaments-Debatten). Dublin. (Prozeß gegen Duffy u. s. w. eröffnet. ‒ S. O'Brien).</p> <p><hi rendition="#g">Rußland.</hi> Petersburg. (Erklärung über den Einmarsch in die Donaufürstenthümer).</p> <p><hi rendition="#g">Donaufürstenthümer.</hi> (Befehl aus Petersburg zum Rückzug der Russen).</p> <p><hi rendition="#g">Südamerika.</hi> Bogota. (Die Verfolgungen des Präsidenten gegen die Oppositionspresse).</p> </div> <div n="1"> <head>[Französische Republik]</head> <div xml:id="ar073b_001" type="jArticle"> <p> <ref type="link">[Fortsetzung]</ref> </p> <p>„vêtues de gaz“ sind das gemeinsame Band, welches Republikaner und Monarchisten mit einander aussöhnt. Thiers ungeachtet seiner Tappfüßigkeit, und Marrast ungeachtet seiner 47 Jahre und seiner Gemahlin, der feinen Engländerin, lieben noch immer die Frauen, vêtues de gaz, die Frauen mit dem transparenten Gewande, welches die wonnigen Formen der Französinnen so üppig umwebt. Die deutschen Journale stellen sich die Republikaner immer als Spartaner à la Heinzen-Venedey vor.</p> <lg type="poem"> <l>„Ein gutes Bier,</l><lb/> <l>„ein beizender Taback</l><lb/> <l>„und eine Magd im Putz,</l><lb/> <l>„da ist so mein Geschmack.</l><lb/> </lg> <p>Nein, Marrast und Thiers lieben den feinen Tabak; er hat einen herrlichen Rauchsaal mit Divans errichtet, wo blos die Manilla Zutritt hat. Marrast und Bier, Marrast und eine Magd! Die feinsten Weine aus den Tuilerien, die feinsten Blumen aus St. Cloud, und die feinsten Frauen aus der feinsten Welt: das ist Marrast's Geschmack. An die Stelle der rothen Republik hat Marrast die parfümirte Republik zu setzen gewußt und dadurch seine ehemaligen Feinde versöhnt. Wenn Abends die Damenrepublik in feinem durchsichtigem Gewande in Marrast's Salons ihre Reize enthüllt, wer möchte da nicht gerne Republikaner sein, trotz des Belagerungszustandes. Und nachdem man so viel gethan hat, um die parfümirte Republik zu erhalten, nachdem man die, welche sie geschaffen, niedergemetzelt oder über die See geschafft, wird man sich aufs Neue stören lassen von lästigen Gesandten aus Italien, um sich wieder in neue Schwierigkeiten zu verwickeln und die parfümirte Republik mit den bottes vernies und mains gautées aufs Spiel zu setzen. Geht zum Henker und nehmt unsere Sympathien mit.</p> <p>Thiers ist zufrieden mit Marrast's Salon und das ist die Hauptsache.</p> <p>Cavaignac kommt auch in Marrast's Salon, und sogleich sind die Blicke aller Frauen auf ihn gerichtet. Cavaignac ist der interessanteste Mann von Paris. Die Franzosen geben ihm neben dem Ausdruck des Muths und der Unerschrockenheit alle schmachtenden Epitheten der Deutschen: Wehmuth, Melancholie, ein lyrisches Gemüth! Die Frauen sind toll um ihn: ich glaube, es waren an 4000. Wenn er sie nur nicht alle unglücklich macht. Doch nein! es kommen ja auch Mobilgardisten zu Marrast, die „unter dem Glanze der Lampen ebenso muthig in die Pretzeln drein hieben, wie in die Barrikaden unter dem Kanonengeschütz,“ wie der Constitutionnel in vollem Ernste sagt. Es lebe die parfümirte Republik!</p> </div> <div xml:id="ar073b_002" type="jArticle"> <head><bibl><author>17</author></bibl> Paris, 9. Aug.</head> <p>Laut offiziellem Bericht ist jetzt die Besatzung der Stadt Paris und ihres Weichbildes auf <hi rendition="#g">achtzigtausend</hi> Liniensoldaten gebracht; Le Commerce wünscht hunderttausend, „eine runde starke Ziffer.“ Dies beweist aufs Beste „die fröhliche Rückkehr des Vertrauens“ der beiden Klassen. General Eugen Cavaignac (den der Corsaire allen Ernstes mit „Prinz Eugenius“ vergleicht, in derselben Nummer wo Proudhon „der biblische Satanas“ und „der Göthesche Mephistopheles“ genannt wird) hat die unterdrückten Journale losgegeben, auch Proudhons „Representant du Peuple.“ Die „Assemblée nationale“ benutzt ihre Freilassung dahin, daß sie sogleich im ersten Artikel eine berserkerwüthige Anklage gegen Lamartine, Ledrü-Rollin, Arago u. s. w. schleudert, „deren Namen im Kammerrapport vergessen wären.“ Girardins La Presse, pfiffiger als die honette Base, präsentirt ihren Lesern den bereits sattsam bekannten Rapport und „sticht mit vergifteten Nadeln“, wie Le Spectateur republicain meint, „da sie das Gewerbe schon besser versteht.“ So rückt denn das Schisma im Repräsentantenhause unaufhaltsam näher, und die karlistische „Union“ registrirt dies Faktum jubelnd ein. Lamartines „Bien public“ wird von diesen Heroen und von Victor Hugo's „L'Evenement“ auf Tod und Leben angegriffen. „Wir wollen eine Republik“, deklamirt das Letztere, „welche zur Trikolore sich das Morgenroth der Tugend, das Schneeweiß der Unschuld, das Himmelblau der ewigen Sehnsucht erkoren hat,“ und ergeht sich sofort in einer haarkleinen Betrachtung über die Börsenkurse, „die wieder heiter emporathmen, nachdem die schaurige Perspektive auf das Schwungbrett der Guillotine und auf das <hi rendition="#g">ebenso</hi> infernale Druckbrett der Assignatenpresse glücklich und zwar auf immer vernichtet sei.“</p> <p>Die Neger in Algier, durch Victor Schölchers Dekret von der provisorischen Regierung frei erklärt, tanzen fortwährend um den Freiheitsbaum und haben an den Maire und Generalprokurator einen Dankbrief geschrieben im Namen ihrer sieben Stämme. Weniger gemüthlich betragen sie sich in Westindien, wo in Guadelupe schon jetzt <hi rendition="#g">kein Heller Münze</hi> mehr, sondern nur Kolonialpapier existirt, und nächstens kein französischer Pflanzer mehr zu finden sein dürfte; diese Schwarzen baden sich im Blute ihrer Bourgeois. „Schmerzlich dabei sei auch das, wimmert der Siecle, daß die Engländer sich darüber zu amüsiren schienen.“ ‒ Einige noch nicht gesprengte Arbeiterklubbs in dem streng honetten Bordeaux haben eine Adresse an die Junimärtyrer „berathen“, worin es heißt: „Brüder!“ Leider zu entfernt um an eurem Heldenkampfe, der seines Gleichen nicht in der Weltgeschichte hat, selbst die Sklavenkriege der spartanischen Heloten, der römischen Bundgenossenvölker und der Gladiatoren des Spartakus, selbst die Bauernkriege unsres Jaques Bonhomme und der deutschen Landleute vor 300 Jahren mitgerechnet, mit der Waffe Theil zu nehmen, grüßen wir euch und weinen mit euren Waisen und Wittwen; wir geloben euer Vorbild nie zu vergessen bis endlich die Stunde schlägt des modernen Hussitenkampfes, den unsre Herrscherklasse schlechterdings heraufbeschwören will; nur flehen wir euch an, seid in diesem Augenblicke ruhig, wo die Knute der siegreichen Klasse über eurem schon zerfleischten Rücken hängt“ u. s. w. Und die Lyoner Arbeiter haben eine Adresse an die Nationalversammlung diskutirt, worin sie sagen: „Wir bitten euch um Mitleid und Erbarmen für unsre verirrten Pariser Gefährten, deren einziges Verbrechen ja nur in Uebereilung, in übermäßiger Liebe zur Menschheitsbeglückung besteht.“ Die Thiersblätter bringen in extenso diese in Lyon und Bordeaux cirkulirenden Adressen und stoßen ein dumpfes Schakalgeheul aus, um mit La Republique zu reden. L'Union verlangt sofortige Absetzung des „kommunistischen“ Maire der erstern dieser Städte. ‒ Proudhons Rede, im Moniteur vollständig, wird reißend von den Ouvriers gekauft und in die Departements geschickt; man autographirt sie sogar. Man kann sich dies erklären, wenn man bedenkt, daß außer der Vraie Republique, (woran Thoré und George Sand schreiben) kein einziges der nach der Junischlacht erdrückten echten Proletariatsjournale wieder aufgelebt ist, da das Kautionement von 24,000 Fr. für dieselben unerschwinglich wird. Nur Aristokraten und Bourgeois können jetzt noch von der Tagespresse Gebrauch machen. ‒ Wegen der nach Havre bei nächtlicher Weile spedirten 800 „Brigands“ ist in der Kammer der Kriegsminister Lamoriciere heftig interpellirt worden; die Nationalassemblée hat nämlich die feierliche Zusage, Weiber und Kinder mit den Insurgenten zusammen zu deportiren, gebrochen und jener erste Zug ist abgegangen, ohne daß ihre Namen vorher publizirt, ohne daß ihre Verwandten davon benachrichtigt, geschweige denn gefragt wurden: ob sie mitreisen wollten? Der Herr General beliebte aber nur eine ausweichende Antwort zu geben, und versicherte, die Sorgfalt der Rupublik werde die Deportirten ebensowenig auf dem Meere wie im Kerker verlassen (nämlich sie aus den Stick- und Glutlöchern der Kasematten in die Giftluft der Fieberküsten befördern, wo freilich die Kolonisationskosten dem Beutel der Bourgeoisie erspart werden dürften.) Die Proletarier behaupten steif und fest, man werde die Unglücklichen in die See werfen; wieder ein Merkmal des zurückkehrenden Vertrauens.</p> <p>Die Bordeleser philippistische Kaufmannschaft, im Bunde mit der karlistischen Ritterschaft des Südwestens, verlangte so eben den Prinz Joinville zum Präsidenten der Republik; jetzt läßt sie abdingen und begehrt <hi rendition="#g">nur</hi> Molé, weil der Marschall Bügeaud, den „Friedensstifter der Straßenemeute Transnonain (d. h. Massakreur) zu weit avancirt sei und sich in allerlei „moderne Ideen, die nichts weniger als solide“ einzulassen anfange.</p> <p>Im Departement der Ober-Garonne sind die Bauern plötzlich sehr religiös geworden und stehen Wache vor den Wohnungen der Republikaner, weil diese Dolche schleifen und bezauberte Kugeln gießen, wie ihnen auf den Kanzeln versichert wurde. Im südlichen Rhonegebiet macht man dem Bauer weis, die Feldmesser von Paris kämen diesmal lediglich um die Ackervertheilung des alten „Monsieu Communisse“ vorzunehmen; schon früher stellten sich nämlich die Landleute die Kommunistenpartei unter dem Schreckbilde eines wilden Greises (vieillard sauvage), einer Art von Notar da oben im fernen Paris vor, der „Herr“ oder „Vater“ <hi rendition="#g">Kommuniß</hi> (Bauernaussprache) hieße. Dies ist faktisch und es liegen jetzt juridische Zeugnisse darüber vor. ‒ Des Dominikaners Lacordaire „Ere nouvelle“ begehrt Intervention zu Gunsten des Jesuiten- und Murmelthierkönigs Karl Albert, aber zugleich zur Unterdrückung aller „anarchischen quasirepublikanischen Theaterstreiche in Italien, und zur Einschüchterung des ebenso unreligiösen als politisch frechen Mamiani.“ Der National ist schlaff und matt, Italien ist ihm gleichgültiger seit sein ehemaliger Redakteur asiatische Dines gibt. Advokat Marie, auch von den Bourgeoisradikalen, dieser schwärmerische Freund der Preßfreiheit unter Louis Philipp, vertheidigte gestern tollwüthig die Geldkautionen; „er bereue seinen Irrthum, jetzt erst sehe er das Volk in Masse sei noch unreif zur <hi rendition="#g">reinen</hi> Rede- und Vereinsfreiheit.“ Senard, einst Oberster des Advokatenstandes von Rouen, hatte auf einem Reformzweckessen 1847 gesagt: „Wozu für die böse Seite der freien Presse das Heilmittel in wahrhaft luxuriösen Strafverordnungen suchen? Das einzig löbliche Heilmittel ist der öffentliche gesunde Menschenverstand;“ heute sagt er das Gegentheil.</p> </div> <div xml:id="ar073b_003" type="jArticle"> <head>Paris, 8. Aug.</head> <p>Drei Züge von Insurgenten sind heute in Havre eingetroffen. Der erste Zug enthielt 180; in jedem Wagen waren 18 Insurgenten und 12 Wächter. Eine Gensd'armerie-Abtheilung saß im ersten und im letzten Wagen. Kurz darauf kamen die folgenden Insurgentenzüge, auf ähnliche Weise verpackt, hier an, und die Summe derer, die mit der Dampffregatte Ulloa einstweilen nach Brest transportirt werden, beträgt in diesem Augenblicke 441 Mann. Alle möglichen Vorsichtsmaßregeln waren von der Stadtbehörde getroffen, um die Ruhe aufrecht zu halten. Die Linientruppen, National- und Marine-Garde, so wie die Pompiers standen aufgepflanzt, um die Insurgenten vom Bahnhofe bis zum Hafen La Floride zu eskortiren, wo die Ulloa vor Anker liegt.</p> <p>Um jedem Menschenzudrange zuvorzukommen, wurden die verschiedenen Zugbrücken nach dem jedesmaligen Uebergange der Detachements aufgezogen, so daß die Besiegten vom Juni bis zur Ulloa ohne alles Geräusch und Zudrängen von Neugierigen anlangen konnten.</p> <p>Die Unglücklichen waren, je zu drei Mann, an den Händen gebunden; die Pariser Wächter und Gensd'armerie gingen ihnen zur Seite. Das Zwischendeck der Ulloa ist in Räumen abgetheilt, deren jeder 15 Insurgenten faßt. Unter ihnen befinden sich Bürger, Militär, Mobilgardisten, Nationalgardisten; die Einen sind niedergeschlagen, und lassen ihren Schmerz laut werden, über die ewige Trennung von ihrem Vaterlande; bei den Andern völlige Resignation. Thomassin, der Organisateur des Festessens von 25 Centimes, so wie Gaëtan befinden sich im Transporte. Die weitere Bestimmung der Ulloa, die schon seit drei Wochen auf diese Schiffsladung menschlichen Ballastes harrete, ist unbekannt. Ein anderer Bericht meldet, daß Männer, welche dem Tod im Juni trotzten, weinten wie Kinder. Alle Zuschauer, welche gegenwärtig, waren tiefgerührt über das Schicksal dieser Männer, die fast alle im Februar mit gefochten.</p> <p>‒ Die Geschichte des Attentats der Windbüchse auf Thiers lös't sich in Wind auf.</p> <p>Die „Republique“ bemerkt: „Die Abendjournale stützen sich auf einen Bericht des „Constitutionnel“, der ungefähr gleichlautend ist mit dem des „Journal des Debats.“ Sie wollen in diesem schlechten Witz durchaus einen ernsten Mordversuch erblicken. Es gibt ein Mittel, alle weitere Debatten abzuschneiden. Dazu genügt die Veröffentlichung der Protokolle des Polizeikommissairs und des Arztes, der den Zustand des jungen Mädchens zu konstatiren hatte. Aber der Bürger Thiers hält darauf, für ein der Kugel oder dem Eisen eines Meuchlers geweihtes Opfer zu gelten. Als er sein Schloß Récous bewohnte, dem er den poetischen Namen Villa Orsini beilegte, war er nicht auch von dem Gedanken besessen, man stelle seinem Leben nach? Hatte er nicht eine Schildwache für seine Person verlangt? Sagte ihm bei dieser Gelegenheit nicht der berühmte Carrel: „Du, sterben an einem Pistolen- oder Flintenschuß! Nein, Du kannst nur sterben an einem <hi rendition="#g">Fußtritt</hi> ‒ an irgend einen Orte.“ Es ist dies historisch.</p> </div> <div xml:id="ar073b_004" type="jArticle"> <head>Paris, 9. August.</head> <p>Gestern Nachmittag brachte endlich ein Kourier des Londoner Kabinets den langersehnten Beitritt desselben zu unserer Mediationsvorschlägen im italienischen Kriege. Wenige Stunden später gingen Kouriere an Lord Abercromby, englischen Gesandten und v. Reizet, Geschäftsträger der Republik, in Turin, weiter, um diesen Herren den Befehl zu bringen, sich sofort in die Generalhauptquartiere der beiden kriegführenden Parteien, König Karl Albert und Radetzki, zu begeben und ihnen die amtliche Mittheilung von der Mediation Englands und Frankreichs zu machen, sowie mit ihnen über einen provisorischen Waffenstillstand zu unterhandeln, während welchem über die Bedingungen der Mediation zwischen den Kabinetten selbst verhandelt werden könne.</p> <p>Ein dritter Kourier schlug die Richtung nach Wien ein, um den dortigen französich-englischen Gesandten die Grundzüge zu bringen, nach welchen die Mediation eingeleitet werden solle.</p> <p>Diese Grundzüge selbst sind natürlich noch Staatsgeheimniß</p> <p>‒ Gustave de Beanment ist zum Gesandten der Republik nach London ernannt, wo sie bisher von Herrn de Tallenay vertreten wurde.</p> <p>‒ In den Faubourgs und einigen Straßen herrschte gestern eine bedenkliche Gährung. Das Gerücht hatte sich verbreitet, die Regierung wolle mit den Insurgenten kurzen Prozeß machen. Sie ließe sie im Havre einschiffen und dann in das Meer werfen.</p> <p>Diese Nachricht rief unter den Frauen, Kindern und Verwandten der 10,000 Gefangenen eine große Angst und Erbitterung hervor; man stieß die fürchterlichsten Verwünschungen gegen die Regierung aus und drohte die Stadt in Brand zu stecken.</p> <p>‒ Zwei bedeutende Glieder des Berges, Theodor Bac und Germain Sarrut stellten gestern das Ministerium rücksichtlich der geheimnißvollen Einschiffung von 531 Insurgenten zur Rede und wollten wissen, welchen Entschluß man überhaupt rücksichtlich dieser <hi rendition="#g">Unglücklichen</hi> nebst ihren Angehörigen gefaßt habe? Kriegsminister Lamoriciere antwortete, daß die Regierung die Einschiffung der einzelnen Züge deshalb geheimnißvoll, d. h. unvermuthet bewerkstelligen lasse, weil sie jeden Befreiungsversuch, jede Ruhestörung zu vermeiden trachte. Uebrigens dirigire sie die abgeurtelten Insurgenten zunächst nach Belle Isle en Mer (vor der Loiremündung), lasse dort für 3 bis 4000 Personen Wohnungen errichten und werde dorthin die Frauen und Kinder der Verurtheilten folgen lassen. Ein anderer Theil werde den andern Rheden zugeschickt werden und dort so lange bleiben, bis die Nationalversammlung über den Verbannungsort definitiv entschieden haben wird.</p> <p>‒ In den letzten vier Tagen fielen mehrere Schüsse gegen einzelne Schildwachen auf den Pariser Festungswerken. Der Haß gegen die Mobilgarde wächst mit jedem Tage. Die 250 Ehrenkreuze, die ihr Cavaignac verlieh, haben die Erbitterung bedeutend gesteigert.</p> <p>‒ Repräsentant Rouher, ein Demokrat im Bourgeoissinn, hat gestern der Nationalversammlung seinen Bericht über Morin's Antrag auf Abschaffung der Artikel 414, 415 und 416 des Code Penal (die von den berüchtigten Arbeiter-Coalitionen handeln) vorgelegt. Der Bericht ist der Abschaffung günstig und unterstützt die mildere Redaktionsweise des Antragstellers.</p> <p><hi rendition="#g">Nationalversammlung.</hi> Sitzung vom 9. August. Anfang 11/4 Uhr. Präsident Marrast. Bouzzat, dessen neuer Preßgesetzentwurf gestern durchfiel, reklamirt fruchtlos gegen die Abfassung des Protokolls.</p> <p>Goudchaux, Finanzminister, legt zwei für das Ausland ganz interessenlose Dekretentwürfe vor, von denen der Letzte sogleich votirt wird.</p> <p>Senard, Minister des Innern, beantragt einen Jahresgehalt von 2000 Franken für die Wittwe des Generals Damesme, der die Mobilgarde in der Junischlacht nach Düvivier befehligte und an seiner Wunde starb.</p> <p>Dieser Antrag soll morgen diskutirt werden.</p> <p>Die Versammlung nahm dann die Preßgesetzgebung wieder auf. Die Diskussion im Allgemeinen ist geschlossen und der Kampf um die beiden Entwürfe (den Senardschen und den Pascal Dupratschen) wird fortgesetzt.</p> <p>Inzwischen erhalten General Lafontaine, v. Montreuil, Dorlan und Graf Montalembert die nachgesuchten Urlaube.</p> <p>Leon Faucher besteigt die Bühne und vertheidigt den ministeriellen Preßentwurf. Man theilt, sagt er, die Vertheidiger und Gegner desselben in zwei Parteien. Man nennt Erstere (nämlich die Vertheidiger der Kaution) Vertheidiger des Privilegiums; Letztere die Vertheidiger der Freiheit. Wir, die die Kaution vertheidigen, sind der Ueberzeugung, daß sie die Presse moralisire; der Entwurf führe nicht die Kaution ein, sondern er verringere dieselbe. Der große Staatsökonom des Siecle eifert gewaltig gegen die von Ledru Rollin gestern aufgestellte Behauptung, daß die Unterschrift des Artikelverfassers die beste moralische Kaution sei. Er sicht nebenbei gegen die verderblichen Grundsätze des Luxemburg und protestirt vor allen Dingen gegen die Manie, uns Franzosen amerikanisiren zu wollen. Die Temperamente seien verschieden, mithin müßten auch die Staatseinrichtungen verschieden sein. Diese Kritik der „Doktrinäre des National“ war das Gelungenste in seiner heutigen Rede. Er bekämpfe, schloß er, den Gegenentwurf endlich aus dem Grunde, weil er den Sitten und Gebräuchen des französischen Volkes (soll wohl heißen Journalismus) zuwider sei.</p> <p><hi rendition="#g">Flocon:</hi> Der Redner, der so eben die Tribüne verläßt, hat schon die Nützlichkeit, Moralität und Nothwendigkeit des Kautionswesens wiederholt zu beweisen gesucht. Ich werde ihm zeigen, daß er sich radikal irrt. Was erklärte Ihnen der Minister, als er Ihnen seinen Entwurf vorlegte? Er sagte Ihnen, daß das Kautionsprinzip nichts tauge; daß er es selbst zeitlebens bekämpft habe, daß aber der jetzige Zustand der französischen Gesellschaft ein anormaler sei, weshalb er das Gesetz nur provisorisch so lange gelten lassen wollte, bis die Verfassung die Preßverhältnisse regulirt. Wohlan, der Minister findet das Prinzip also schlecht; Hr. Faucher erhebt es dagegen in die Wolken. Wie soll man sich diesen Widerspruch erklärt? Der Redner entwickelt hierauf den industriellen Charakter des Kautionswesen, das die Presse zur Kuh herabwürdige und er votirt <hi rendition="#g">gegen</hi> den ministeriellen d. h. <hi rendition="#g">für</hi> den Paskal'schen Entwurf.</p> <p><hi rendition="#g">Pagnerre,</hi> der berühmte Verleger des Manuel republicain, unterstützte ebenfalls den Pascal-Duprat'schen Entwurf, weil er alle Geranten jeder Verantwortlichkeit entbindet.</p> <p>Nach ziemlich stürmischer Debatte über den Vorrang der verschiedenen Gegenentwürfe, worunter der Dupratsche der Erste ist, schritt die Versammlung zur Abstimmung über diesen Gegenantrag. Von 749 Anwesenden stimmten 342 für und 407 gegen den Paskal-Duprat'schen Entwurf. (Sensation über die starke Zahl der Opposition.) Der ministerielle Entwurf hat somit gesiegt.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0373/0001]
Beilage zu Nr. 73 der Neuen Rh. Zeitg. Samstag 12. August 1848. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Die Polen-Debatte in Frankfurt. ‒ Das deutsche Reichsbürgerrecht und die preußische Polizei). Berlin. (Vereinbarungssitzung. ‒ Schweidnitz und die Konstabler. ‒ Konstablerfreuden. ‒ Versetzungen in Anklagezustand. ‒ Rimpler. ‒ Schwarz-weiße Protestationen). Brandenburg. (Altpreußenthum). Breslau. (Verhaftung des Dr. Cunerth in Liegnitz. ‒ Neue Leichenfeier in Schweidnitz). Stettin. (Prinz von Preußen. ‒ Demonstrationen). Wien. (Reichstagssitzung. ‒ Der Kaiser. ‒ Oesterreich und Ungarn. ‒ Das Landvolk in Niederösterreich). Stuttgart. (Auch ein Stück deutsche Einheit). Altona. (Dislokation der Truppen). Kiel. (Verpfändung Bornholm's an die Russen).
Dänemark. Kopenhagen. (Die Sundschifffahrt. ‒ Klagen über deutsche Brutalität auf dem Kriegsschauplatz).
Schweden. Gothenburg. (Rüstungen).
Italien. (Grundlage der englisch-französischen Vermittlung. ‒ Der Befreiungskampf und die Ursache seines jetzigen Mißlingens). Lugano. (Karl Alberts Verrath an Mailand). Mailand. (Kriegsbülletin Radetzky's). Turin. (Collegno in der Deputirtenkammer). Rom. (Erklärung der aus Calabrien entkommenen Insurgentenchefs). Neapel. (Entschädigungsforderung der Engländer).
Französische Republik. Paris. (Journalschau. ‒ Die Partei Marrast und Italien. ‒ Brief Robert Owens an die Reforme. ‒ Das Attentat Thiers. ‒ Marrast's Salon. ‒ National-Versammlung. ‒ Vermischtes).
Belgien. Antwerpen. (Die Affaire Risquons-Tout).
Großbritannien. London. (Parlaments-Debatten). Dublin. (Prozeß gegen Duffy u. s. w. eröffnet. ‒ S. O'Brien).
Rußland. Petersburg. (Erklärung über den Einmarsch in die Donaufürstenthümer).
Donaufürstenthümer. (Befehl aus Petersburg zum Rückzug der Russen).
Südamerika. Bogota. (Die Verfolgungen des Präsidenten gegen die Oppositionspresse).
[Französische Republik] [Fortsetzung]
„vêtues de gaz“ sind das gemeinsame Band, welches Republikaner und Monarchisten mit einander aussöhnt. Thiers ungeachtet seiner Tappfüßigkeit, und Marrast ungeachtet seiner 47 Jahre und seiner Gemahlin, der feinen Engländerin, lieben noch immer die Frauen, vêtues de gaz, die Frauen mit dem transparenten Gewande, welches die wonnigen Formen der Französinnen so üppig umwebt. Die deutschen Journale stellen sich die Republikaner immer als Spartaner à la Heinzen-Venedey vor.
„Ein gutes Bier,
„ein beizender Taback
„und eine Magd im Putz,
„da ist so mein Geschmack.
Nein, Marrast und Thiers lieben den feinen Tabak; er hat einen herrlichen Rauchsaal mit Divans errichtet, wo blos die Manilla Zutritt hat. Marrast und Bier, Marrast und eine Magd! Die feinsten Weine aus den Tuilerien, die feinsten Blumen aus St. Cloud, und die feinsten Frauen aus der feinsten Welt: das ist Marrast's Geschmack. An die Stelle der rothen Republik hat Marrast die parfümirte Republik zu setzen gewußt und dadurch seine ehemaligen Feinde versöhnt. Wenn Abends die Damenrepublik in feinem durchsichtigem Gewande in Marrast's Salons ihre Reize enthüllt, wer möchte da nicht gerne Republikaner sein, trotz des Belagerungszustandes. Und nachdem man so viel gethan hat, um die parfümirte Republik zu erhalten, nachdem man die, welche sie geschaffen, niedergemetzelt oder über die See geschafft, wird man sich aufs Neue stören lassen von lästigen Gesandten aus Italien, um sich wieder in neue Schwierigkeiten zu verwickeln und die parfümirte Republik mit den bottes vernies und mains gautées aufs Spiel zu setzen. Geht zum Henker und nehmt unsere Sympathien mit.
Thiers ist zufrieden mit Marrast's Salon und das ist die Hauptsache.
Cavaignac kommt auch in Marrast's Salon, und sogleich sind die Blicke aller Frauen auf ihn gerichtet. Cavaignac ist der interessanteste Mann von Paris. Die Franzosen geben ihm neben dem Ausdruck des Muths und der Unerschrockenheit alle schmachtenden Epitheten der Deutschen: Wehmuth, Melancholie, ein lyrisches Gemüth! Die Frauen sind toll um ihn: ich glaube, es waren an 4000. Wenn er sie nur nicht alle unglücklich macht. Doch nein! es kommen ja auch Mobilgardisten zu Marrast, die „unter dem Glanze der Lampen ebenso muthig in die Pretzeln drein hieben, wie in die Barrikaden unter dem Kanonengeschütz,“ wie der Constitutionnel in vollem Ernste sagt. Es lebe die parfümirte Republik!
17 Paris, 9. Aug. Laut offiziellem Bericht ist jetzt die Besatzung der Stadt Paris und ihres Weichbildes auf achtzigtausend Liniensoldaten gebracht; Le Commerce wünscht hunderttausend, „eine runde starke Ziffer.“ Dies beweist aufs Beste „die fröhliche Rückkehr des Vertrauens“ der beiden Klassen. General Eugen Cavaignac (den der Corsaire allen Ernstes mit „Prinz Eugenius“ vergleicht, in derselben Nummer wo Proudhon „der biblische Satanas“ und „der Göthesche Mephistopheles“ genannt wird) hat die unterdrückten Journale losgegeben, auch Proudhons „Representant du Peuple.“ Die „Assemblée nationale“ benutzt ihre Freilassung dahin, daß sie sogleich im ersten Artikel eine berserkerwüthige Anklage gegen Lamartine, Ledrü-Rollin, Arago u. s. w. schleudert, „deren Namen im Kammerrapport vergessen wären.“ Girardins La Presse, pfiffiger als die honette Base, präsentirt ihren Lesern den bereits sattsam bekannten Rapport und „sticht mit vergifteten Nadeln“, wie Le Spectateur republicain meint, „da sie das Gewerbe schon besser versteht.“ So rückt denn das Schisma im Repräsentantenhause unaufhaltsam näher, und die karlistische „Union“ registrirt dies Faktum jubelnd ein. Lamartines „Bien public“ wird von diesen Heroen und von Victor Hugo's „L'Evenement“ auf Tod und Leben angegriffen. „Wir wollen eine Republik“, deklamirt das Letztere, „welche zur Trikolore sich das Morgenroth der Tugend, das Schneeweiß der Unschuld, das Himmelblau der ewigen Sehnsucht erkoren hat,“ und ergeht sich sofort in einer haarkleinen Betrachtung über die Börsenkurse, „die wieder heiter emporathmen, nachdem die schaurige Perspektive auf das Schwungbrett der Guillotine und auf das ebenso infernale Druckbrett der Assignatenpresse glücklich und zwar auf immer vernichtet sei.“
Die Neger in Algier, durch Victor Schölchers Dekret von der provisorischen Regierung frei erklärt, tanzen fortwährend um den Freiheitsbaum und haben an den Maire und Generalprokurator einen Dankbrief geschrieben im Namen ihrer sieben Stämme. Weniger gemüthlich betragen sie sich in Westindien, wo in Guadelupe schon jetzt kein Heller Münze mehr, sondern nur Kolonialpapier existirt, und nächstens kein französischer Pflanzer mehr zu finden sein dürfte; diese Schwarzen baden sich im Blute ihrer Bourgeois. „Schmerzlich dabei sei auch das, wimmert der Siecle, daß die Engländer sich darüber zu amüsiren schienen.“ ‒ Einige noch nicht gesprengte Arbeiterklubbs in dem streng honetten Bordeaux haben eine Adresse an die Junimärtyrer „berathen“, worin es heißt: „Brüder!“ Leider zu entfernt um an eurem Heldenkampfe, der seines Gleichen nicht in der Weltgeschichte hat, selbst die Sklavenkriege der spartanischen Heloten, der römischen Bundgenossenvölker und der Gladiatoren des Spartakus, selbst die Bauernkriege unsres Jaques Bonhomme und der deutschen Landleute vor 300 Jahren mitgerechnet, mit der Waffe Theil zu nehmen, grüßen wir euch und weinen mit euren Waisen und Wittwen; wir geloben euer Vorbild nie zu vergessen bis endlich die Stunde schlägt des modernen Hussitenkampfes, den unsre Herrscherklasse schlechterdings heraufbeschwören will; nur flehen wir euch an, seid in diesem Augenblicke ruhig, wo die Knute der siegreichen Klasse über eurem schon zerfleischten Rücken hängt“ u. s. w. Und die Lyoner Arbeiter haben eine Adresse an die Nationalversammlung diskutirt, worin sie sagen: „Wir bitten euch um Mitleid und Erbarmen für unsre verirrten Pariser Gefährten, deren einziges Verbrechen ja nur in Uebereilung, in übermäßiger Liebe zur Menschheitsbeglückung besteht.“ Die Thiersblätter bringen in extenso diese in Lyon und Bordeaux cirkulirenden Adressen und stoßen ein dumpfes Schakalgeheul aus, um mit La Republique zu reden. L'Union verlangt sofortige Absetzung des „kommunistischen“ Maire der erstern dieser Städte. ‒ Proudhons Rede, im Moniteur vollständig, wird reißend von den Ouvriers gekauft und in die Departements geschickt; man autographirt sie sogar. Man kann sich dies erklären, wenn man bedenkt, daß außer der Vraie Republique, (woran Thoré und George Sand schreiben) kein einziges der nach der Junischlacht erdrückten echten Proletariatsjournale wieder aufgelebt ist, da das Kautionement von 24,000 Fr. für dieselben unerschwinglich wird. Nur Aristokraten und Bourgeois können jetzt noch von der Tagespresse Gebrauch machen. ‒ Wegen der nach Havre bei nächtlicher Weile spedirten 800 „Brigands“ ist in der Kammer der Kriegsminister Lamoriciere heftig interpellirt worden; die Nationalassemblée hat nämlich die feierliche Zusage, Weiber und Kinder mit den Insurgenten zusammen zu deportiren, gebrochen und jener erste Zug ist abgegangen, ohne daß ihre Namen vorher publizirt, ohne daß ihre Verwandten davon benachrichtigt, geschweige denn gefragt wurden: ob sie mitreisen wollten? Der Herr General beliebte aber nur eine ausweichende Antwort zu geben, und versicherte, die Sorgfalt der Rupublik werde die Deportirten ebensowenig auf dem Meere wie im Kerker verlassen (nämlich sie aus den Stick- und Glutlöchern der Kasematten in die Giftluft der Fieberküsten befördern, wo freilich die Kolonisationskosten dem Beutel der Bourgeoisie erspart werden dürften.) Die Proletarier behaupten steif und fest, man werde die Unglücklichen in die See werfen; wieder ein Merkmal des zurückkehrenden Vertrauens.
Die Bordeleser philippistische Kaufmannschaft, im Bunde mit der karlistischen Ritterschaft des Südwestens, verlangte so eben den Prinz Joinville zum Präsidenten der Republik; jetzt läßt sie abdingen und begehrt nur Molé, weil der Marschall Bügeaud, den „Friedensstifter der Straßenemeute Transnonain (d. h. Massakreur) zu weit avancirt sei und sich in allerlei „moderne Ideen, die nichts weniger als solide“ einzulassen anfange.
Im Departement der Ober-Garonne sind die Bauern plötzlich sehr religiös geworden und stehen Wache vor den Wohnungen der Republikaner, weil diese Dolche schleifen und bezauberte Kugeln gießen, wie ihnen auf den Kanzeln versichert wurde. Im südlichen Rhonegebiet macht man dem Bauer weis, die Feldmesser von Paris kämen diesmal lediglich um die Ackervertheilung des alten „Monsieu Communisse“ vorzunehmen; schon früher stellten sich nämlich die Landleute die Kommunistenpartei unter dem Schreckbilde eines wilden Greises (vieillard sauvage), einer Art von Notar da oben im fernen Paris vor, der „Herr“ oder „Vater“ Kommuniß (Bauernaussprache) hieße. Dies ist faktisch und es liegen jetzt juridische Zeugnisse darüber vor. ‒ Des Dominikaners Lacordaire „Ere nouvelle“ begehrt Intervention zu Gunsten des Jesuiten- und Murmelthierkönigs Karl Albert, aber zugleich zur Unterdrückung aller „anarchischen quasirepublikanischen Theaterstreiche in Italien, und zur Einschüchterung des ebenso unreligiösen als politisch frechen Mamiani.“ Der National ist schlaff und matt, Italien ist ihm gleichgültiger seit sein ehemaliger Redakteur asiatische Dines gibt. Advokat Marie, auch von den Bourgeoisradikalen, dieser schwärmerische Freund der Preßfreiheit unter Louis Philipp, vertheidigte gestern tollwüthig die Geldkautionen; „er bereue seinen Irrthum, jetzt erst sehe er das Volk in Masse sei noch unreif zur reinen Rede- und Vereinsfreiheit.“ Senard, einst Oberster des Advokatenstandes von Rouen, hatte auf einem Reformzweckessen 1847 gesagt: „Wozu für die böse Seite der freien Presse das Heilmittel in wahrhaft luxuriösen Strafverordnungen suchen? Das einzig löbliche Heilmittel ist der öffentliche gesunde Menschenverstand;“ heute sagt er das Gegentheil.
Paris, 8. Aug. Drei Züge von Insurgenten sind heute in Havre eingetroffen. Der erste Zug enthielt 180; in jedem Wagen waren 18 Insurgenten und 12 Wächter. Eine Gensd'armerie-Abtheilung saß im ersten und im letzten Wagen. Kurz darauf kamen die folgenden Insurgentenzüge, auf ähnliche Weise verpackt, hier an, und die Summe derer, die mit der Dampffregatte Ulloa einstweilen nach Brest transportirt werden, beträgt in diesem Augenblicke 441 Mann. Alle möglichen Vorsichtsmaßregeln waren von der Stadtbehörde getroffen, um die Ruhe aufrecht zu halten. Die Linientruppen, National- und Marine-Garde, so wie die Pompiers standen aufgepflanzt, um die Insurgenten vom Bahnhofe bis zum Hafen La Floride zu eskortiren, wo die Ulloa vor Anker liegt.
Um jedem Menschenzudrange zuvorzukommen, wurden die verschiedenen Zugbrücken nach dem jedesmaligen Uebergange der Detachements aufgezogen, so daß die Besiegten vom Juni bis zur Ulloa ohne alles Geräusch und Zudrängen von Neugierigen anlangen konnten.
Die Unglücklichen waren, je zu drei Mann, an den Händen gebunden; die Pariser Wächter und Gensd'armerie gingen ihnen zur Seite. Das Zwischendeck der Ulloa ist in Räumen abgetheilt, deren jeder 15 Insurgenten faßt. Unter ihnen befinden sich Bürger, Militär, Mobilgardisten, Nationalgardisten; die Einen sind niedergeschlagen, und lassen ihren Schmerz laut werden, über die ewige Trennung von ihrem Vaterlande; bei den Andern völlige Resignation. Thomassin, der Organisateur des Festessens von 25 Centimes, so wie Gaëtan befinden sich im Transporte. Die weitere Bestimmung der Ulloa, die schon seit drei Wochen auf diese Schiffsladung menschlichen Ballastes harrete, ist unbekannt. Ein anderer Bericht meldet, daß Männer, welche dem Tod im Juni trotzten, weinten wie Kinder. Alle Zuschauer, welche gegenwärtig, waren tiefgerührt über das Schicksal dieser Männer, die fast alle im Februar mit gefochten.
‒ Die Geschichte des Attentats der Windbüchse auf Thiers lös't sich in Wind auf.
Die „Republique“ bemerkt: „Die Abendjournale stützen sich auf einen Bericht des „Constitutionnel“, der ungefähr gleichlautend ist mit dem des „Journal des Debats.“ Sie wollen in diesem schlechten Witz durchaus einen ernsten Mordversuch erblicken. Es gibt ein Mittel, alle weitere Debatten abzuschneiden. Dazu genügt die Veröffentlichung der Protokolle des Polizeikommissairs und des Arztes, der den Zustand des jungen Mädchens zu konstatiren hatte. Aber der Bürger Thiers hält darauf, für ein der Kugel oder dem Eisen eines Meuchlers geweihtes Opfer zu gelten. Als er sein Schloß Récous bewohnte, dem er den poetischen Namen Villa Orsini beilegte, war er nicht auch von dem Gedanken besessen, man stelle seinem Leben nach? Hatte er nicht eine Schildwache für seine Person verlangt? Sagte ihm bei dieser Gelegenheit nicht der berühmte Carrel: „Du, sterben an einem Pistolen- oder Flintenschuß! Nein, Du kannst nur sterben an einem Fußtritt ‒ an irgend einen Orte.“ Es ist dies historisch.
Paris, 9. August. Gestern Nachmittag brachte endlich ein Kourier des Londoner Kabinets den langersehnten Beitritt desselben zu unserer Mediationsvorschlägen im italienischen Kriege. Wenige Stunden später gingen Kouriere an Lord Abercromby, englischen Gesandten und v. Reizet, Geschäftsträger der Republik, in Turin, weiter, um diesen Herren den Befehl zu bringen, sich sofort in die Generalhauptquartiere der beiden kriegführenden Parteien, König Karl Albert und Radetzki, zu begeben und ihnen die amtliche Mittheilung von der Mediation Englands und Frankreichs zu machen, sowie mit ihnen über einen provisorischen Waffenstillstand zu unterhandeln, während welchem über die Bedingungen der Mediation zwischen den Kabinetten selbst verhandelt werden könne.
Ein dritter Kourier schlug die Richtung nach Wien ein, um den dortigen französich-englischen Gesandten die Grundzüge zu bringen, nach welchen die Mediation eingeleitet werden solle.
Diese Grundzüge selbst sind natürlich noch Staatsgeheimniß
‒ Gustave de Beanment ist zum Gesandten der Republik nach London ernannt, wo sie bisher von Herrn de Tallenay vertreten wurde.
‒ In den Faubourgs und einigen Straßen herrschte gestern eine bedenkliche Gährung. Das Gerücht hatte sich verbreitet, die Regierung wolle mit den Insurgenten kurzen Prozeß machen. Sie ließe sie im Havre einschiffen und dann in das Meer werfen.
Diese Nachricht rief unter den Frauen, Kindern und Verwandten der 10,000 Gefangenen eine große Angst und Erbitterung hervor; man stieß die fürchterlichsten Verwünschungen gegen die Regierung aus und drohte die Stadt in Brand zu stecken.
‒ Zwei bedeutende Glieder des Berges, Theodor Bac und Germain Sarrut stellten gestern das Ministerium rücksichtlich der geheimnißvollen Einschiffung von 531 Insurgenten zur Rede und wollten wissen, welchen Entschluß man überhaupt rücksichtlich dieser Unglücklichen nebst ihren Angehörigen gefaßt habe? Kriegsminister Lamoriciere antwortete, daß die Regierung die Einschiffung der einzelnen Züge deshalb geheimnißvoll, d. h. unvermuthet bewerkstelligen lasse, weil sie jeden Befreiungsversuch, jede Ruhestörung zu vermeiden trachte. Uebrigens dirigire sie die abgeurtelten Insurgenten zunächst nach Belle Isle en Mer (vor der Loiremündung), lasse dort für 3 bis 4000 Personen Wohnungen errichten und werde dorthin die Frauen und Kinder der Verurtheilten folgen lassen. Ein anderer Theil werde den andern Rheden zugeschickt werden und dort so lange bleiben, bis die Nationalversammlung über den Verbannungsort definitiv entschieden haben wird.
‒ In den letzten vier Tagen fielen mehrere Schüsse gegen einzelne Schildwachen auf den Pariser Festungswerken. Der Haß gegen die Mobilgarde wächst mit jedem Tage. Die 250 Ehrenkreuze, die ihr Cavaignac verlieh, haben die Erbitterung bedeutend gesteigert.
‒ Repräsentant Rouher, ein Demokrat im Bourgeoissinn, hat gestern der Nationalversammlung seinen Bericht über Morin's Antrag auf Abschaffung der Artikel 414, 415 und 416 des Code Penal (die von den berüchtigten Arbeiter-Coalitionen handeln) vorgelegt. Der Bericht ist der Abschaffung günstig und unterstützt die mildere Redaktionsweise des Antragstellers.
Nationalversammlung. Sitzung vom 9. August. Anfang 11/4 Uhr. Präsident Marrast. Bouzzat, dessen neuer Preßgesetzentwurf gestern durchfiel, reklamirt fruchtlos gegen die Abfassung des Protokolls.
Goudchaux, Finanzminister, legt zwei für das Ausland ganz interessenlose Dekretentwürfe vor, von denen der Letzte sogleich votirt wird.
Senard, Minister des Innern, beantragt einen Jahresgehalt von 2000 Franken für die Wittwe des Generals Damesme, der die Mobilgarde in der Junischlacht nach Düvivier befehligte und an seiner Wunde starb.
Dieser Antrag soll morgen diskutirt werden.
Die Versammlung nahm dann die Preßgesetzgebung wieder auf. Die Diskussion im Allgemeinen ist geschlossen und der Kampf um die beiden Entwürfe (den Senardschen und den Pascal Dupratschen) wird fortgesetzt.
Inzwischen erhalten General Lafontaine, v. Montreuil, Dorlan und Graf Montalembert die nachgesuchten Urlaube.
Leon Faucher besteigt die Bühne und vertheidigt den ministeriellen Preßentwurf. Man theilt, sagt er, die Vertheidiger und Gegner desselben in zwei Parteien. Man nennt Erstere (nämlich die Vertheidiger der Kaution) Vertheidiger des Privilegiums; Letztere die Vertheidiger der Freiheit. Wir, die die Kaution vertheidigen, sind der Ueberzeugung, daß sie die Presse moralisire; der Entwurf führe nicht die Kaution ein, sondern er verringere dieselbe. Der große Staatsökonom des Siecle eifert gewaltig gegen die von Ledru Rollin gestern aufgestellte Behauptung, daß die Unterschrift des Artikelverfassers die beste moralische Kaution sei. Er sicht nebenbei gegen die verderblichen Grundsätze des Luxemburg und protestirt vor allen Dingen gegen die Manie, uns Franzosen amerikanisiren zu wollen. Die Temperamente seien verschieden, mithin müßten auch die Staatseinrichtungen verschieden sein. Diese Kritik der „Doktrinäre des National“ war das Gelungenste in seiner heutigen Rede. Er bekämpfe, schloß er, den Gegenentwurf endlich aus dem Grunde, weil er den Sitten und Gebräuchen des französischen Volkes (soll wohl heißen Journalismus) zuwider sei.
Flocon: Der Redner, der so eben die Tribüne verläßt, hat schon die Nützlichkeit, Moralität und Nothwendigkeit des Kautionswesens wiederholt zu beweisen gesucht. Ich werde ihm zeigen, daß er sich radikal irrt. Was erklärte Ihnen der Minister, als er Ihnen seinen Entwurf vorlegte? Er sagte Ihnen, daß das Kautionsprinzip nichts tauge; daß er es selbst zeitlebens bekämpft habe, daß aber der jetzige Zustand der französischen Gesellschaft ein anormaler sei, weshalb er das Gesetz nur provisorisch so lange gelten lassen wollte, bis die Verfassung die Preßverhältnisse regulirt. Wohlan, der Minister findet das Prinzip also schlecht; Hr. Faucher erhebt es dagegen in die Wolken. Wie soll man sich diesen Widerspruch erklärt? Der Redner entwickelt hierauf den industriellen Charakter des Kautionswesen, das die Presse zur Kuh herabwürdige und er votirt gegen den ministeriellen d. h. für den Paskal'schen Entwurf.
Pagnerre, der berühmte Verleger des Manuel republicain, unterstützte ebenfalls den Pascal-Duprat'schen Entwurf, weil er alle Geranten jeder Verantwortlichkeit entbindet.
Nach ziemlich stürmischer Debatte über den Vorrang der verschiedenen Gegenentwürfe, worunter der Dupratsche der Erste ist, schritt die Versammlung zur Abstimmung über diesen Gegenantrag. Von 749 Anwesenden stimmten 342 für und 407 gegen den Paskal-Duprat'schen Entwurf. (Sensation über die starke Zahl der Opposition.) Der ministerielle Entwurf hat somit gesiegt.
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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