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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 57. Köln, 27. Juli 1848.

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Berlin.

Der Verfassungs-Entwurf, wie er aus den Berathungen der Verfassungs-Kommission hervorgegangen:

Verfassungs-Urkunde für den preußischen Staat.

Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen, thun kund und fügen hiermit zu wissen, daß Wir mit den nach dem Wahlgesetze vom 8. April 1848 gewählten und demnächst von uns zusammenberufenen Vertretern unseres Volkes die nachstehende Verfassung vereinbart haben, welche Wir demnach verkünden.

Titel I.

§. 1.

Alle Landestheile der preußischen Monarchie in ihrem gegenwärtigen Umfange bilden das preußische Staatsgebiet.

§. 2.

Die Gränzen dieses Staatsgebiets können nur durch ein Gesetz vereinbart werden.

Titel II.

Von den Rechten der preußischen Staatsbürger.

§. 1.

Die Bedingungen für die Erwerbung und den Verlust der Eigenschaft eines Preußen, so wie jene der Ausübung der staatsbürgerlichen Rechte werden durch die Verfassung und besondere Gesetze bestimmt.

§. 2.

Es giebt im Staate weder Standes-Unterschiede noch Standes-Vorrechte. Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich.

Der Adel ist abgeschafft.

§. 3.

Die persönliche Freiheit ist gewährleistet.

Außer dem Falle der Ergreifung auf frischer That kann eine Verhaftung nur Kraft eines schriftlichen, die Anschuldigung bezeichnenden, richterlichen Befehls bewirkt werden. Dieser Befehl muß entweder bei der Verhaftung oder spätestens innerhalb 24 Stunden zugestellt werden. In gleicher Frist ist das Erforderliche zu veranlassen, um den Verhafteten dem zuständigen Richter vorzuführen.

§. 4.

Niemand kann wider seinen Willen vor einem Anderen, als den im Gesetze bezeichneten Richter gestellt werden.

Ausnahmsgerichte und außerordentliche Kommissionen sind unstatthaft.

Keine Strafe kann angedroht oder verhängt werden, als in Gemäßheit eines Gesetzes.

§. 5.

Die Wohnung ist unverletzlich; Haussuchungen dürfen nur unter Mitwirkung des Richters oder gerichtlicher Polizei in den Fällen und nach den Formen des Gesetzes vorgenommen werden.

§. 6.

Die Strafe des bürgerlichen Todes und diejenige der Vermögens-Konfiskation findet nicht Statt.

§. 7.

Die Auswanderungsfreiheit ist von Staatswegen nicht beschränkt. Abzugsgelder dürfen nicht erhoben werden.

§. 8.

Die Freiheit der Presse und Rede darf durch kein Gesetz beschränkt werden. Die Censur bleibt für immer aufgehoben.

§. 9.

Der Mißbrauch der Presse und Rede wird nach den allgemeinen Landesgesetzen bestraft. Bis zur erfolgten Erlassung eines revidirten Strafrechts bestimmt darüber ein besonderes transitorisches Gesetz.

§. 10.

Ist der Verfasser einer Schrift bekannt und in Preußen bei Einleitung des gerichtlichen Verfahrens wohnhaft und anwesend, so dürfen Drucker, Verleger und Vertheiler, wenn deren Mitschuld nicht durch andere Thatsachen begründet wird, nicht verfolgt werden.

Eine Sicherheitsleistung von Seiten der Schriftsteller, Verleger oder Drucker darf nicht verlangt werden.

§. 11.

Alle Preußen sind berechtigt, sich friedlich und ohne Waffen in geschlossenen Räumen zu versammeln. Wer eine Versammlung unter freiem Himmel zusammenberuft, muß davon sofort der Ortspolizei-Behörde Anzeige machen, welche dieselbe wegen dringender Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit verbieten kann.

§. 12.

Alle Preußen sind berechtigt, sich ohne vorgängige obrigkeitliche Erlaubniß zu solchen Zwecken, welche den Strafgesetzen nicht zuwiderlaufen, in Gesellschaften zu vereinigen.

§. 13.

Das Petitionsrecht steht allen Preußen zu. Petitionen unter einem Gesammtnamen sind nur Behörden und Korporationen gestattet.

§. 14.

Die Bedingungen, unter welchem Korporationsrechte ertheilt oder verweigert werden, können bestimmt das Gesetz.

§. 15.

Das Briefgeheimniß ist unverletzlich. Die bei strafgerichtlichen Untersuchungen und in Kriegsfällen nothwendigen Beschränkungen sind durch die Gesetzgebung festzustellen.

Die Beschlagnahme von Briefen und Papieren darf nur auf Grund eines richterlichen Befehls vorgenommen werden.

§. 16.

Durch das religiöse Bekenntniß und die Theilnahme an irgend einer Religionsgesellschaft wird der Genuß der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte weder bedingt noch beschränkt. Den bürgerlichen und staatsbürgerlichen Pflichten darf dadurch kein Abbruch geschehen. Allen Preußen wird die Freiheit des religiösen Bekenntnisses und gemeinsamer öffentlicher Religionsübung zugesichert.

§. 17.

Jede Religionsgesellschaft ist in Betreff ihrer inneren Angelegenheiten und der Verwaltung ihres Vermögens der Staatsgewalt gegenüber frei und selbstständig.

Der Verkehr der Religionsgesellschaften mit ihren Oberen ist unbehindert. Der Erlaß und die Bekanntmachung ihrer Anordnungen ist nur denjenigen Beschränkungen unterworfen, welchen alle übrigen Veröffentlichungen unterliegen.

§. 18.

Das Kirchenpatronat sowohl des Staats als der Privaten soll aufgehoben werden. Die Aufhebung regelt ein besonderes Gesetz.

§. 19.

Die bürgerliche Gültigkeit der Ehe wird durch deren Abschließung vor dem dazu von der Staats-Gesetzgebung bestimmten Civil-Beamten bedingt.

§. 20.

Unterricht zu ertheilen und Unterrichts-Anstalten zu gründen, steht Jedem frei. Vorbeugende, beengende Maßregeln sind untersagt. Die Eltern oder Vormünder sind verpflichtet, ihre Kinder oder Pflegebefohlenen in den Elementargegenständen unterrichten zu lassen. Die Befugniß der Eltern oder Vormünder, darüber zu bestimmen, wo ihre Kinder oder Pflegebefohlenen unterrichtet oder erzogen werden sollen, darf auf keine Weise beschränkt werden.

§. 21.

Die Mittel zur Errichtung, Unterhaltung und Erweiterung der Volksschule werden von den Gemeinden und aushülfsweise von den Gemeindeverbänden und vom Staate aufgebracht. In der öffentlichen Volksschule wird der Unterricht unentgeldlich ertheilt.

§. 22.

Die öffentlichen Volksschulen, so wie alle übrigen öffentlichen Unterrichts-Anstalten stehen unter Aufsicht eigener Behörden und sind von jeder kirchlichen Aufsicht befreit.

§. 23.

Ein Unterrichtsgesetz regelt das ganze öffentliche Unterrichtswesen auf Grund vorstehender Bestimmungen.

§. 24.

Jeder Preuße ist nach vollendetem zwanzigsten Jahre berechtigt, Waffen zu tragen. Die Ausnahmefälle bestimmt das Gesetz. Jeder waffenberechtigte Preuße ist dem Staate wehrpflichtig. Ausnahmen dürfen nur eintreten wegen körperlicher Unfähigkeit oder aus Rücksichten des Gemeinwohls nach Maßgabe eines besonderen Gesetzes.

§. 25.

Die bewaffnete Macht besteht:

1) aus dem stehenden Heere; 2) der Landwehr; 3) der Volkswehr;

Besondere Gesetze regeln die Art und Weise der Einstellung und die Dienstzeit.

§. 26.

Die bewaffnete Macht wird auf die Verfassung verpflichtet. Sie kann zur Unterdrückung innerer Unruhen nur auf Requisition der Civilbehörden und in den vom Gesetze bestimmten Fällen und Formen verwendet werden.

§. 27.

Die Volkswehr besteht aus denjenigen wehrhaften Männern vom vollendeten 21sten bis zurückgelegtem 50sten Lebensjahre, welche nicht im aktiven Dienste stehen. Sie hat vorzugsweise die Pflicht, die konstituirten Gewalten zu schätzen und für die Aufrechthaltung der Ordnung und der verfassungsmäßigen Rechte des Volks zu wachen. Im Kriege kann sie zur Unterstützung des stehenden Heeres und der Landwehr, jedoch nur im Innern des Landes, nach Maßgabe des Gesetzes, verwendet werden.

§. 28.

Die Volkswehr hat das Recht, ihre Führer, bis zu den Chefs der Bataillone einschließlich, selbst zu wählen; sind höhere Führer erforderlich, so hat die Regierung das Recht der Wahl unter drei von der Volkswehr vorgeschlagenen Kandidaten. Der Landwehr steht das Recht der Wahl nur bis zum Grade des Hauptmanns einschließlich zu. Die Art der Wahl bestimmt das Gesetz.

§. 29.

Die bewaffnete Macht steht außer dem Kriege und Dienste unter dem bürgerlichen Gesetz. Die militärische Disziplin im Kriege und Frieden bestimmt das Gesetz.

§. 30.

Kein bewaffnetes Korps kann delibriren.

§. 31.

Das Eigenthum kann nur aus Gründen des öffentlichen Wohls gegen vorgängige, in dringenden Fällen wenigstens vorläufig festzustellende Entschädigung nach Maßgabe des Gesetzes entzogen oder beschränkt werden.

§. 32.

Die Einrichtung von Lehen und Stiftung von Familienfideikommissen für die Zukunft untersagt. Die bestehenden Lehen und Familienfideikommisse werden freies Eigenthum in der Person desjenigen, welchem am Tage der Verkündigung des gegenwärtigen Verfassungsgesetzes das Lehen oder Fideikommiß angefallen war.

§. 33.

Die Aufhebung der Lehnsherrlichkeit erfolgt ohne Entschädigung.

§. 34.

Die Rechtsverhältnisse der Thronlehen des Königlichen Haus- und Prinzlichen Fideikommisses, der außerhalb des Staates belegenen Sachen, endlich der durch das deutsche Bundesrecht gewährleisteten Sachen- und Fideikommisse der Standesherren werden durch besondere Gesetze regulirt.

§. 35.

1) Das Recht auf freie Verfügung über das Eigenthum, die uneingeschränkte Theilbarkeit des Grund-Eigenthums und Ablösbarkeit der auf letzterem haftenden Verpflichtungen werden gewährleistet.

2) Aufgehoben ohne Entschädigung sind:

a) die Gerichtsherrlichkeit, die gutsherrliche Polizei und obrigkeitliche Gewalt, so wie die gewissen Grundstücken zustehenden Hoheitsrechte und Privilegien, wogegen die Lasten und Leistungen wegfallen, die den bisher Berechtigten oblagen;

b) die aus diesen Befugnissen, aus der Schutzherrlichkeit, der früheren Erbunterthänigkeit, der früheren Steuer- und Gewerbeverfassung herstammenden Verpflichtungen.

3) Welche einzelnen auf dem Grundeigenthum haftenden Lasten nach diesen Grundsätzen oder aus anderen Gründen ohne Entschädigung aufzuheben oder ablösbar sind, wird der besonderen Gesetzgebung vorbehalten.

4) Die Gesetzgebung läßt in Zukunft bei erblicher Ueberlassung eines Grundstücks nur die Form der Uebertragung des vollen Eigenthums, jedoch auch hier unter Vorbehalt eines festen jeder Zeit unablösbaren Zinses zu.

Tit. III.

Vom Könige.

§. 38.

Die königliche Gewalt ist erblich in dem Mannesstamme des königlichen Hauses nach dem Rechte der Erstgeburt und der agnatischen Linealfolge.

§. 39.

Der König ist mit Vollendung des 18. Lebensjahres volljährig. Er leistet vor Ergreifung der königlichen Gewalt im Schooß der vereinigten Kammern folgenden Eid:

"Ich schwöre, die Verfassung des Königreichs fest und unverbrüchlich zu halten und in Uebereinstimmung mit derselben und den Gesetzen zu regieren."

§. 40.

Ohne Einwilligung beider Kammern kann der König nicht zugleich Herrscher eines anderen Staates werden.

§. 41.

Im Falle der Minderjährigkeit des Königs versammeln sich beide Kammern zu einer Versammlung, um die Regentschaft und die Vormundschaft anzuordnen, insofern nicht schon durch ein besonderes Gesetz für Beides Vorsorge getroffen ist.

§. 42.

Ist der König in der Unmöglichkeit zu regieren, so beruft das Ministerium sofort beide Kammern, um in Gemäßheit des §. 41 zu handeln.

§. 43.

Die Regentschaft kann nur Einer Person übertragen werden. Der Regent schwört vor Antretung der Regentschaft den im §. 39 vorgeschriebenen Eid.

Während der Regentschaft ist eine Aenderung der Verfassung nicht gestattet.

§. 44.

Die Person des Königs ist unverletzlich. Seine Minister sind verantwortlich.

Alle Regierungsakte des Königs bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung eines Ministers, welcher dadurch die Verantwortlichkeit übernimmt.

§. 45.

Dem Könige steht die vollziehende Gewalt zu. Er ernennt und entläßt die Minister. Er befiehlt die Verkündigung der Gesetze und erläßt die zu deren Ausführung nöthigen Verordnungen, ohne jemals die Vollziehung der Ersten aufschieben oder erlassen zu können.

§. 46.

Der König führt den Oberbefehl über das Heer und besetzt alle Stellen in demselben, so wie in den übrigen Zweigen des Staatsdienstes, insofern nicht die Verfassungs-Urkunde oder das Gesetz ein Anderes verordnet.

§. 47.

Der König hat das Recht, Krieg zu erklären, Frieden zu schließen und Verträge mit fremden Regierungen zu errichten, insofern dies Recht nicht durch das deutsche Bundesrecht beschränkt ist oder werden wird.

Unter dieser letzteren Beschränkung bedürfen alle Verträge und Friedensschlüsse mit fremden Staaten zu ihrer Gültigkeit der Zustimmung oder der nachträglichen Genehmigung der Kammern.

§. 48.

Der König hat das Recht der Begnadigung und der Strafmilderung.

Zu Gunsten eines wegen seiner Amtsführung verurtheilten Ministers kann dies Recht nur auf Antrag derjenigen Kammer, von welcher die Anklage ausgegangen ist, ausgeübt werden.

Er kann bereits eingeleitete Untersuchungen nur auf Grund eines besonderen Gesetzes niederschlagen.

§. 49.

Dem Könige steht die Verleihung von Orden und anderen mit keinen Privilegien versehenen Auszeichnungen zu.

Er übt das Münzrecht nach Maßgabe des Gesetzes.

§. 50.

Das Gesetz bestimmt die Civilliste für die Dauer jeder Regierung.

§. 51.

Der König beruft die Kammern und schließt ihre Sitzungen. Er kann sie entweder beide zugleich oder nur eine auflösen. In der Auflösungsurkunde muß der Tag der neuen Wahlen und der Berufung der Kammern bestimmt und die desfallsige Frist für die ersteren nicht über 40, für die letzteren nicht über 60 Tage ausgedehnt werden.

§. 52.

Der König kann die Kammern vertagen. Ohne deren Zustimmung kann diese Vertagung die Frist von 30 Tagen nicht übersteigen und während derselben Session nicht wiederholt werden.

Tit. IV.

Von den Ministern.

§. 53.

Die Minister, so wie die zu ihrer Vertretung abgeordneten Staatsbeamten haben Zutritt zu jeder Kammer und müssen auf ihr Verlangen gehört werden.

Jede Kammer kann die Gegenwart der Minister verlangen.

Die Minister haben in einer oder der anderen Kammer nur dann Stimmrecht, wenn sie Mitglied derselben sind.

§. 54.

Die Minister können durch Beschluß einer Kammer wegen des Verbrechens der Verfassungsverletzung, der Bestechung und des Verraths angeklagt werden. Ueber solche Anklagen entscheidet der oberste Gerichtshof der Monarchie in vereinigten Kammern; so lange noch 2 oberste Gerichtshöfe bestehen, treten dieselben zu obigen Zwecken zusammen.

Die näheren Bestimmungen über die Fälle der Verantwortlichkeit, über das Verfahren und das Strafmaaß werden einem besondern Gesetze vorbehalten.

Tit. V.

Von den Kammern.

§. 55.

Die gesetzgebende Gewalt wird gemeinschaftlich durch den König, durch die Volkskammer und durch den Senat ausgeübt.

Die Uebereinstimmung des Königs und beider Kammern ist zu jedem Gesetze erforderlich.

Wird jedoch ein Gesetzesvorschlag unverändert von beiden Kammern zum dritten Male angenommen, so erhält er durch die dritte Annahme Gesetzeskraft.

§. 56.

Die zweite Kammer (Volkskammer) besteht aus 350 Mitgliedern. Die Wahlbezirke werden nach Maßgabe der Bevölkerung festgestellt.

§. 57.

Jeder Preuße, welcher das 24. Lebensjahr vollendet, und nicht den Vollbesitz der bürgerlichen Rechte in Folge rechtskräftigen richterlichen Erkenntnisses verloren hat, ist in der Gemeinde, worin er seit sechs Monaten seinen Wohnsitz oder Aufenthalt hat, stimmberechtigter Urwähler, insofern er nicht aus öffentlichen Mitteln Armen-Unterstützung bezieht.

§. 58.

Die Urwähler einer jeden Gemeinde wählen auf jede Volkszahl von 250 Seelen ihrer Bevölkerung einen Wahlmann. Es ist nicht erforderlich, daß der Wahlmann schreibenskundig sei.

§. 59.

Die Abgeordneten werden durch die Wahlmänner erwählt. Die Wahlbezirke sollen so organisirt werden, daß mindestens zwei Abgeordnete von einem Wahlkörper gewählt werden.

§. 60.

Das Nähere über die Ausführung der Wahlen bestimmt ein besonderes Wahl-Ausführungs-Gesetz.

§. 61.

Nach Ablauf von zwei Legislatur-Perioden der zweiten Kammer können direkte Wahlen zur zweiten Kammer durch das Gesetz eingeführt werden.

§. 62.

Die Legislatur-Periode der zweiten Kammer wird auf 3 Jahre festgesetzt. Nach Ablauf dieser Periode wird die Kammer neu gewählt. Ein Gleiches geschieht im Fall der Auflösung der Kammer. In beiden Fällen sind die bisherigen Mitglieder wieder wählbar.

§. 63.

Zum Abgeordneten der zweiten Kammer ist jeder Preuße wählbar, der das dreißigste Lebensjahr vollendet, den Vollbesitz der bürgerlichen Rechte nicht verloren hat und bereits ein Jahr lang in Preußen seinen Wohnsitz hat.

(Hierzu eine Beilage.)

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Berlin.

Der Verfassungs-Entwurf, wie er aus den Berathungen der Verfassungs-Kommission hervorgegangen:

Verfassungs-Urkunde für den preußischen Staat.

Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen, thun kund und fügen hiermit zu wissen, daß Wir mit den nach dem Wahlgesetze vom 8. April 1848 gewählten und demnächst von uns zusammenberufenen Vertretern unseres Volkes die nachstehende Verfassung vereinbart haben, welche Wir demnach verkünden.

Titel I.

§. 1.

Alle Landestheile der preußischen Monarchie in ihrem gegenwärtigen Umfange bilden das preußische Staatsgebiet.

§. 2.

Die Gränzen dieses Staatsgebiets können nur durch ein Gesetz vereinbart werden.

Titel II.

Von den Rechten der preußischen Staatsbürger.

§. 1.

Die Bedingungen für die Erwerbung und den Verlust der Eigenschaft eines Preußen, so wie jene der Ausübung der staatsbürgerlichen Rechte werden durch die Verfassung und besondere Gesetze bestimmt.

§. 2.

Es giebt im Staate weder Standes-Unterschiede noch Standes-Vorrechte. Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich.

Der Adel ist abgeschafft.

§. 3.

Die persönliche Freiheit ist gewährleistet.

Außer dem Falle der Ergreifung auf frischer That kann eine Verhaftung nur Kraft eines schriftlichen, die Anschuldigung bezeichnenden, richterlichen Befehls bewirkt werden. Dieser Befehl muß entweder bei der Verhaftung oder spätestens innerhalb 24 Stunden zugestellt werden. In gleicher Frist ist das Erforderliche zu veranlassen, um den Verhafteten dem zuständigen Richter vorzuführen.

§. 4.

Niemand kann wider seinen Willen vor einem Anderen, als den im Gesetze bezeichneten Richter gestellt werden.

Ausnahmsgerichte und außerordentliche Kommissionen sind unstatthaft.

Keine Strafe kann angedroht oder verhängt werden, als in Gemäßheit eines Gesetzes.

§. 5.

Die Wohnung ist unverletzlich; Haussuchungen dürfen nur unter Mitwirkung des Richters oder gerichtlicher Polizei in den Fällen und nach den Formen des Gesetzes vorgenommen werden.

§. 6.

Die Strafe des bürgerlichen Todes und diejenige der Vermögens-Konfiskation findet nicht Statt.

§. 7.

Die Auswanderungsfreiheit ist von Staatswegen nicht beschränkt. Abzugsgelder dürfen nicht erhoben werden.

§. 8.

Die Freiheit der Presse und Rede darf durch kein Gesetz beschränkt werden. Die Censur bleibt für immer aufgehoben.

§. 9.

Der Mißbrauch der Presse und Rede wird nach den allgemeinen Landesgesetzen bestraft. Bis zur erfolgten Erlassung eines revidirten Strafrechts bestimmt darüber ein besonderes transitorisches Gesetz.

§. 10.

Ist der Verfasser einer Schrift bekannt und in Preußen bei Einleitung des gerichtlichen Verfahrens wohnhaft und anwesend, so dürfen Drucker, Verleger und Vertheiler, wenn deren Mitschuld nicht durch andere Thatsachen begründet wird, nicht verfolgt werden.

Eine Sicherheitsleistung von Seiten der Schriftsteller, Verleger oder Drucker darf nicht verlangt werden.

§. 11.

Alle Preußen sind berechtigt, sich friedlich und ohne Waffen in geschlossenen Räumen zu versammeln. Wer eine Versammlung unter freiem Himmel zusammenberuft, muß davon sofort der Ortspolizei-Behörde Anzeige machen, welche dieselbe wegen dringender Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit verbieten kann.

§. 12.

Alle Preußen sind berechtigt, sich ohne vorgängige obrigkeitliche Erlaubniß zu solchen Zwecken, welche den Strafgesetzen nicht zuwiderlaufen, in Gesellschaften zu vereinigen.

§. 13.

Das Petitionsrecht steht allen Preußen zu. Petitionen unter einem Gesammtnamen sind nur Behörden und Korporationen gestattet.

§. 14.

Die Bedingungen, unter welchem Korporationsrechte ertheilt oder verweigert werden, können bestimmt das Gesetz.

§. 15.

Das Briefgeheimniß ist unverletzlich. Die bei strafgerichtlichen Untersuchungen und in Kriegsfällen nothwendigen Beschränkungen sind durch die Gesetzgebung festzustellen.

Die Beschlagnahme von Briefen und Papieren darf nur auf Grund eines richterlichen Befehls vorgenommen werden.

§. 16.

Durch das religiöse Bekenntniß und die Theilnahme an irgend einer Religionsgesellschaft wird der Genuß der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte weder bedingt noch beschränkt. Den bürgerlichen und staatsbürgerlichen Pflichten darf dadurch kein Abbruch geschehen. Allen Preußen wird die Freiheit des religiösen Bekenntnisses und gemeinsamer öffentlicher Religionsübung zugesichert.

§. 17.

Jede Religionsgesellschaft ist in Betreff ihrer inneren Angelegenheiten und der Verwaltung ihres Vermögens der Staatsgewalt gegenüber frei und selbstständig.

Der Verkehr der Religionsgesellschaften mit ihren Oberen ist unbehindert. Der Erlaß und die Bekanntmachung ihrer Anordnungen ist nur denjenigen Beschränkungen unterworfen, welchen alle übrigen Veröffentlichungen unterliegen.

§. 18.

Das Kirchenpatronat sowohl des Staats als der Privaten soll aufgehoben werden. Die Aufhebung regelt ein besonderes Gesetz.

§. 19.

Die bürgerliche Gültigkeit der Ehe wird durch deren Abschließung vor dem dazu von der Staats-Gesetzgebung bestimmten Civil-Beamten bedingt.

§. 20.

Unterricht zu ertheilen und Unterrichts-Anstalten zu gründen, steht Jedem frei. Vorbeugende, beengende Maßregeln sind untersagt. Die Eltern oder Vormünder sind verpflichtet, ihre Kinder oder Pflegebefohlenen in den Elementargegenständen unterrichten zu lassen. Die Befugniß der Eltern oder Vormünder, darüber zu bestimmen, wo ihre Kinder oder Pflegebefohlenen unterrichtet oder erzogen werden sollen, darf auf keine Weise beschränkt werden.

§. 21.

Die Mittel zur Errichtung, Unterhaltung und Erweiterung der Volksschule werden von den Gemeinden und aushülfsweise von den Gemeindeverbänden und vom Staate aufgebracht. In der öffentlichen Volksschule wird der Unterricht unentgeldlich ertheilt.

§. 22.

Die öffentlichen Volksschulen, so wie alle übrigen öffentlichen Unterrichts-Anstalten stehen unter Aufsicht eigener Behörden und sind von jeder kirchlichen Aufsicht befreit.

§. 23.

Ein Unterrichtsgesetz regelt das ganze öffentliche Unterrichtswesen auf Grund vorstehender Bestimmungen.

§. 24.

Jeder Preuße ist nach vollendetem zwanzigsten Jahre berechtigt, Waffen zu tragen. Die Ausnahmefälle bestimmt das Gesetz. Jeder waffenberechtigte Preuße ist dem Staate wehrpflichtig. Ausnahmen dürfen nur eintreten wegen körperlicher Unfähigkeit oder aus Rücksichten des Gemeinwohls nach Maßgabe eines besonderen Gesetzes.

§. 25.

Die bewaffnete Macht besteht:

1) aus dem stehenden Heere; 2) der Landwehr; 3) der Volkswehr;

Besondere Gesetze regeln die Art und Weise der Einstellung und die Dienstzeit.

§. 26.

Die bewaffnete Macht wird auf die Verfassung verpflichtet. Sie kann zur Unterdrückung innerer Unruhen nur auf Requisition der Civilbehörden und in den vom Gesetze bestimmten Fällen und Formen verwendet werden.

§. 27.

Die Volkswehr besteht aus denjenigen wehrhaften Männern vom vollendeten 21sten bis zurückgelegtem 50sten Lebensjahre, welche nicht im aktiven Dienste stehen. Sie hat vorzugsweise die Pflicht, die konstituirten Gewalten zu schätzen und für die Aufrechthaltung der Ordnung und der verfassungsmäßigen Rechte des Volks zu wachen. Im Kriege kann sie zur Unterstützung des stehenden Heeres und der Landwehr, jedoch nur im Innern des Landes, nach Maßgabe des Gesetzes, verwendet werden.

§. 28.

Die Volkswehr hat das Recht, ihre Führer, bis zu den Chefs der Bataillone einschließlich, selbst zu wählen; sind höhere Führer erforderlich, so hat die Regierung das Recht der Wahl unter drei von der Volkswehr vorgeschlagenen Kandidaten. Der Landwehr steht das Recht der Wahl nur bis zum Grade des Hauptmanns einschließlich zu. Die Art der Wahl bestimmt das Gesetz.

§. 29.

Die bewaffnete Macht steht außer dem Kriege und Dienste unter dem bürgerlichen Gesetz. Die militärische Disziplin im Kriege und Frieden bestimmt das Gesetz.

§. 30.

Kein bewaffnetes Korps kann delibriren.

§. 31.

Das Eigenthum kann nur aus Gründen des öffentlichen Wohls gegen vorgängige, in dringenden Fällen wenigstens vorläufig festzustellende Entschädigung nach Maßgabe des Gesetzes entzogen oder beschränkt werden.

§. 32.

Die Einrichtung von Lehen und Stiftung von Familienfideikommissen für die Zukunft untersagt. Die bestehenden Lehen und Familienfideikommisse werden freies Eigenthum in der Person desjenigen, welchem am Tage der Verkündigung des gegenwärtigen Verfassungsgesetzes das Lehen oder Fideikommiß angefallen war.

§. 33.

Die Aufhebung der Lehnsherrlichkeit erfolgt ohne Entschädigung.

§. 34.

Die Rechtsverhältnisse der Thronlehen des Königlichen Haus- und Prinzlichen Fideikommisses, der außerhalb des Staates belegenen Sachen, endlich der durch das deutsche Bundesrecht gewährleisteten Sachen- und Fideikommisse der Standesherren werden durch besondere Gesetze regulirt.

§. 35.

1) Das Recht auf freie Verfügung über das Eigenthum, die uneingeschränkte Theilbarkeit des Grund-Eigenthums und Ablösbarkeit der auf letzterem haftenden Verpflichtungen werden gewährleistet.

2) Aufgehoben ohne Entschädigung sind:

a) die Gerichtsherrlichkeit, die gutsherrliche Polizei und obrigkeitliche Gewalt, so wie die gewissen Grundstücken zustehenden Hoheitsrechte und Privilegien, wogegen die Lasten und Leistungen wegfallen, die den bisher Berechtigten oblagen;

b) die aus diesen Befugnissen, aus der Schutzherrlichkeit, der früheren Erbunterthänigkeit, der früheren Steuer- und Gewerbeverfassung herstammenden Verpflichtungen.

3) Welche einzelnen auf dem Grundeigenthum haftenden Lasten nach diesen Grundsätzen oder aus anderen Gründen ohne Entschädigung aufzuheben oder ablösbar sind, wird der besonderen Gesetzgebung vorbehalten.

4) Die Gesetzgebung läßt in Zukunft bei erblicher Ueberlassung eines Grundstücks nur die Form der Uebertragung des vollen Eigenthums, jedoch auch hier unter Vorbehalt eines festen jeder Zeit unablösbaren Zinses zu.

Tit. III.

Vom Könige.

§. 38.

Die königliche Gewalt ist erblich in dem Mannesstamme des königlichen Hauses nach dem Rechte der Erstgeburt und der agnatischen Linealfolge.

§. 39.

Der König ist mit Vollendung des 18. Lebensjahres volljährig. Er leistet vor Ergreifung der königlichen Gewalt im Schooß der vereinigten Kammern folgenden Eid:

„Ich schwöre, die Verfassung des Königreichs fest und unverbrüchlich zu halten und in Uebereinstimmung mit derselben und den Gesetzen zu regieren.“

§. 40.

Ohne Einwilligung beider Kammern kann der König nicht zugleich Herrscher eines anderen Staates werden.

§. 41.

Im Falle der Minderjährigkeit des Königs versammeln sich beide Kammern zu einer Versammlung, um die Regentschaft und die Vormundschaft anzuordnen, insofern nicht schon durch ein besonderes Gesetz für Beides Vorsorge getroffen ist.

§. 42.

Ist der König in der Unmöglichkeit zu regieren, so beruft das Ministerium sofort beide Kammern, um in Gemäßheit des §. 41 zu handeln.

§. 43.

Die Regentschaft kann nur Einer Person übertragen werden. Der Regent schwört vor Antretung der Regentschaft den im §. 39 vorgeschriebenen Eid.

Während der Regentschaft ist eine Aenderung der Verfassung nicht gestattet.

§. 44.

Die Person des Königs ist unverletzlich. Seine Minister sind verantwortlich.

Alle Regierungsakte des Königs bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung eines Ministers, welcher dadurch die Verantwortlichkeit übernimmt.

§. 45.

Dem Könige steht die vollziehende Gewalt zu. Er ernennt und entläßt die Minister. Er befiehlt die Verkündigung der Gesetze und erläßt die zu deren Ausführung nöthigen Verordnungen, ohne jemals die Vollziehung der Ersten aufschieben oder erlassen zu können.

§. 46.

Der König führt den Oberbefehl über das Heer und besetzt alle Stellen in demselben, so wie in den übrigen Zweigen des Staatsdienstes, insofern nicht die Verfassungs-Urkunde oder das Gesetz ein Anderes verordnet.

§. 47.

Der König hat das Recht, Krieg zu erklären, Frieden zu schließen und Verträge mit fremden Regierungen zu errichten, insofern dies Recht nicht durch das deutsche Bundesrecht beschränkt ist oder werden wird.

Unter dieser letzteren Beschränkung bedürfen alle Verträge und Friedensschlüsse mit fremden Staaten zu ihrer Gültigkeit der Zustimmung oder der nachträglichen Genehmigung der Kammern.

§. 48.

Der König hat das Recht der Begnadigung und der Strafmilderung.

Zu Gunsten eines wegen seiner Amtsführung verurtheilten Ministers kann dies Recht nur auf Antrag derjenigen Kammer, von welcher die Anklage ausgegangen ist, ausgeübt werden.

Er kann bereits eingeleitete Untersuchungen nur auf Grund eines besonderen Gesetzes niederschlagen.

§. 49.

Dem Könige steht die Verleihung von Orden und anderen mit keinen Privilegien versehenen Auszeichnungen zu.

Er übt das Münzrecht nach Maßgabe des Gesetzes.

§. 50.

Das Gesetz bestimmt die Civilliste für die Dauer jeder Regierung.

§. 51.

Der König beruft die Kammern und schließt ihre Sitzungen. Er kann sie entweder beide zugleich oder nur eine auflösen. In der Auflösungsurkunde muß der Tag der neuen Wahlen und der Berufung der Kammern bestimmt und die desfallsige Frist für die ersteren nicht über 40, für die letzteren nicht über 60 Tage ausgedehnt werden.

§. 52.

Der König kann die Kammern vertagen. Ohne deren Zustimmung kann diese Vertagung die Frist von 30 Tagen nicht übersteigen und während derselben Session nicht wiederholt werden.

Tit. IV.

Von den Ministern.

§. 53.

Die Minister, so wie die zu ihrer Vertretung abgeordneten Staatsbeamten haben Zutritt zu jeder Kammer und müssen auf ihr Verlangen gehört werden.

Jede Kammer kann die Gegenwart der Minister verlangen.

Die Minister haben in einer oder der anderen Kammer nur dann Stimmrecht, wenn sie Mitglied derselben sind.

§. 54.

Die Minister können durch Beschluß einer Kammer wegen des Verbrechens der Verfassungsverletzung, der Bestechung und des Verraths angeklagt werden. Ueber solche Anklagen entscheidet der oberste Gerichtshof der Monarchie in vereinigten Kammern; so lange noch 2 oberste Gerichtshöfe bestehen, treten dieselben zu obigen Zwecken zusammen.

Die näheren Bestimmungen über die Fälle der Verantwortlichkeit, über das Verfahren und das Strafmaaß werden einem besondern Gesetze vorbehalten.

Tit. V.

Von den Kammern.

§. 55.

Die gesetzgebende Gewalt wird gemeinschaftlich durch den König, durch die Volkskammer und durch den Senat ausgeübt.

Die Uebereinstimmung des Königs und beider Kammern ist zu jedem Gesetze erforderlich.

Wird jedoch ein Gesetzesvorschlag unverändert von beiden Kammern zum dritten Male angenommen, so erhält er durch die dritte Annahme Gesetzeskraft.

§. 56.

Die zweite Kammer (Volkskammer) besteht aus 350 Mitgliedern. Die Wahlbezirke werden nach Maßgabe der Bevölkerung festgestellt.

§. 57.

Jeder Preuße, welcher das 24. Lebensjahr vollendet, und nicht den Vollbesitz der bürgerlichen Rechte in Folge rechtskräftigen richterlichen Erkenntnisses verloren hat, ist in der Gemeinde, worin er seit sechs Monaten seinen Wohnsitz oder Aufenthalt hat, stimmberechtigter Urwähler, insofern er nicht aus öffentlichen Mitteln Armen-Unterstützung bezieht.

§. 58.

Die Urwähler einer jeden Gemeinde wählen auf jede Volkszahl von 250 Seelen ihrer Bevölkerung einen Wahlmann. Es ist nicht erforderlich, daß der Wahlmann schreibenskundig sei.

§. 59.

Die Abgeordneten werden durch die Wahlmänner erwählt. Die Wahlbezirke sollen so organisirt werden, daß mindestens zwei Abgeordnete von einem Wahlkörper gewählt werden.

§. 60.

Das Nähere über die Ausführung der Wahlen bestimmt ein besonderes Wahl-Ausführungs-Gesetz.

§. 61.

Nach Ablauf von zwei Legislatur-Perioden der zweiten Kammer können direkte Wahlen zur zweiten Kammer durch das Gesetz eingeführt werden.

§. 62.

Die Legislatur-Periode der zweiten Kammer wird auf 3 Jahre festgesetzt. Nach Ablauf dieser Periode wird die Kammer neu gewählt. Ein Gleiches geschieht im Fall der Auflösung der Kammer. In beiden Fällen sind die bisherigen Mitglieder wieder wählbar.

§. 63.

Zum Abgeordneten der zweiten Kammer ist jeder Preuße wählbar, der das dreißigste Lebensjahr vollendet, den Vollbesitz der bürgerlichen Rechte nicht verloren hat und bereits ein Jahr lang in Preußen seinen Wohnsitz hat.

(Hierzu eine Beilage.)

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          <p>Der Verfassungs-Entwurf, wie er aus den Berathungen der                         Verfassungs-Kommission hervorgegangen:</p>
          <p>Verfassungs-Urkunde für <hi rendition="#b">den preußischen Staat.</hi> </p>
          <p>Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen, thun kund und                         fügen hiermit zu wissen, daß Wir mit den nach dem Wahlgesetze vom 8. April                         1848 gewählten und demnächst von uns zusammenberufenen Vertretern unseres                         Volkes die nachstehende Verfassung vereinbart haben, welche Wir demnach                         verkünden.</p>
          <p> <hi rendition="#b">Titel I.</hi> </p>
          <p>§. 1.</p>
          <p>Alle Landestheile der preußischen Monarchie in ihrem gegenwärtigen Umfange                         bilden das preußische Staatsgebiet.</p>
          <p>§. 2.</p>
          <p>Die Gränzen dieses Staatsgebiets können nur durch ein Gesetz vereinbart                         werden.</p>
          <p> <hi rendition="#b">Titel II.</hi> </p>
          <p>Von den Rechten der preußischen Staatsbürger.</p>
          <p>§. 1.</p>
          <p>Die Bedingungen für die Erwerbung und den Verlust der Eigenschaft eines                         Preußen, so wie jene der Ausübung der staatsbürgerlichen Rechte werden durch                         die Verfassung und besondere Gesetze bestimmt.</p>
          <p>§. 2.</p>
          <p>Es giebt im Staate weder Standes-Unterschiede noch Standes-Vorrechte. Alle                         Preußen sind vor dem Gesetze gleich.</p>
          <p>Der Adel ist abgeschafft.</p>
          <p>§. 3.</p>
          <p>Die persönliche Freiheit ist gewährleistet.</p>
          <p>Außer dem Falle der Ergreifung auf frischer That kann eine Verhaftung nur                         Kraft eines schriftlichen, die Anschuldigung bezeichnenden, richterlichen                         Befehls bewirkt werden. Dieser Befehl muß entweder bei der Verhaftung oder                         spätestens innerhalb 24 Stunden zugestellt werden. In gleicher Frist ist das                         Erforderliche zu veranlassen, um den Verhafteten dem zuständigen Richter                         vorzuführen.</p>
          <p>§. 4.</p>
          <p>Niemand kann wider seinen Willen vor einem Anderen, als den im Gesetze                         bezeichneten Richter gestellt werden.</p>
          <p>Ausnahmsgerichte und außerordentliche Kommissionen sind unstatthaft.</p>
          <p>Keine Strafe kann angedroht oder verhängt werden, als in Gemäßheit eines                         Gesetzes.</p>
          <p>§. 5.</p>
          <p>Die Wohnung ist unverletzlich; Haussuchungen dürfen nur unter Mitwirkung des                         Richters oder gerichtlicher Polizei in den Fällen und nach den Formen des                         Gesetzes vorgenommen werden.</p>
          <p>§. 6.</p>
          <p>Die Strafe des bürgerlichen Todes und diejenige der Vermögens-Konfiskation                         findet nicht Statt.</p>
          <p>§. 7.</p>
          <p>Die Auswanderungsfreiheit ist von Staatswegen nicht beschränkt. Abzugsgelder                         dürfen nicht erhoben werden.</p>
          <p>§. 8.</p>
          <p>Die Freiheit der Presse und Rede darf durch kein Gesetz beschränkt werden.                         Die Censur bleibt für immer aufgehoben.</p>
          <p>§. 9.</p>
          <p>Der Mißbrauch der Presse und Rede wird nach den allgemeinen Landesgesetzen                         bestraft. Bis zur erfolgten Erlassung eines revidirten Strafrechts bestimmt                         darüber ein besonderes transitorisches Gesetz.</p>
          <p>§. 10.</p>
          <p>Ist der Verfasser einer Schrift bekannt und in Preußen bei Einleitung des                         gerichtlichen Verfahrens wohnhaft und anwesend, so dürfen Drucker, Verleger                         und Vertheiler, wenn deren Mitschuld nicht durch andere Thatsachen begründet                         wird, nicht verfolgt werden.</p>
          <p>Eine Sicherheitsleistung von Seiten der Schriftsteller, Verleger oder Drucker                         darf nicht verlangt werden.</p>
          <p>§. 11.</p>
          <p>Alle Preußen sind berechtigt, sich friedlich und ohne Waffen in geschlossenen                         Räumen zu versammeln. Wer eine Versammlung unter freiem Himmel                         zusammenberuft, muß davon sofort der Ortspolizei-Behörde Anzeige machen,                         welche dieselbe wegen dringender Gefahr für die öffentliche Ordnung und                         Sicherheit verbieten kann.</p>
          <p>§. 12.</p>
          <p>Alle Preußen sind berechtigt, sich ohne vorgängige obrigkeitliche Erlaubniß                         zu solchen Zwecken, welche den Strafgesetzen nicht zuwiderlaufen, in                         Gesellschaften zu vereinigen.</p>
          <p>§. 13.</p>
          <p>Das Petitionsrecht steht allen Preußen zu. Petitionen unter einem                         Gesammtnamen sind nur Behörden und Korporationen gestattet.</p>
          <p>§. 14.</p>
          <p>Die Bedingungen, unter welchem Korporationsrechte ertheilt oder verweigert                         werden, können bestimmt das Gesetz.</p>
          <p>§. 15.</p>
          <p>Das Briefgeheimniß ist unverletzlich. Die bei strafgerichtlichen                         Untersuchungen und in Kriegsfällen nothwendigen Beschränkungen sind durch                         die Gesetzgebung festzustellen.</p>
          <p>Die Beschlagnahme von Briefen und Papieren darf nur auf Grund eines                         richterlichen Befehls vorgenommen werden.</p>
          <p>§. 16.</p>
          <p>Durch das religiöse Bekenntniß und die Theilnahme an irgend einer                         Religionsgesellschaft wird der Genuß der bürgerlichen und staatsbürgerlichen                         Rechte weder bedingt noch beschränkt. Den bürgerlichen und                         staatsbürgerlichen Pflichten darf dadurch kein Abbruch geschehen. Allen                         Preußen wird die Freiheit des religiösen Bekenntnisses und gemeinsamer                         öffentlicher Religionsübung zugesichert.</p>
          <p>§. 17.</p>
          <p>Jede Religionsgesellschaft ist in Betreff ihrer inneren Angelegenheiten und                         der Verwaltung ihres Vermögens der Staatsgewalt gegenüber frei und                         selbstständig.</p>
          <p>Der Verkehr der Religionsgesellschaften mit ihren Oberen ist unbehindert. Der                         Erlaß und die Bekanntmachung ihrer Anordnungen ist nur denjenigen                         Beschränkungen unterworfen, welchen alle übrigen Veröffentlichungen                         unterliegen.</p>
          <p>§. 18.</p>
          <p>Das Kirchenpatronat sowohl des Staats als der Privaten soll aufgehoben                         werden. Die Aufhebung regelt ein besonderes Gesetz.</p>
          <p>§. 19.</p>
          <p>Die bürgerliche Gültigkeit der Ehe wird durch deren Abschließung vor dem dazu                         von der Staats-Gesetzgebung bestimmten Civil-Beamten bedingt.</p>
          <p>§. 20.</p>
          <p>Unterricht zu ertheilen und Unterrichts-Anstalten zu gründen, steht Jedem                         frei. Vorbeugende, beengende Maßregeln sind untersagt. Die Eltern oder                         Vormünder sind verpflichtet, ihre Kinder oder Pflegebefohlenen in den                         Elementargegenständen unterrichten zu lassen. Die Befugniß der Eltern oder                         Vormünder, darüber zu bestimmen, wo ihre Kinder oder Pflegebefohlenen                         unterrichtet oder erzogen werden sollen, darf auf keine Weise beschränkt                         werden.</p>
          <p>§. 21.</p>
          <p>Die Mittel zur Errichtung, Unterhaltung und Erweiterung der Volksschule                         werden von den Gemeinden und aushülfsweise von den Gemeindeverbänden und vom                         Staate aufgebracht. In der öffentlichen Volksschule wird der Unterricht                         unentgeldlich ertheilt.</p>
          <p>§. 22.</p>
          <p>Die öffentlichen Volksschulen, so wie alle übrigen öffentlichen                         Unterrichts-Anstalten stehen unter Aufsicht eigener Behörden und sind von                         jeder kirchlichen Aufsicht befreit.</p>
          <p>§. 23.</p>
          <p>Ein Unterrichtsgesetz regelt das ganze öffentliche Unterrichtswesen auf Grund                         vorstehender Bestimmungen.</p>
          <p>§. 24.</p>
          <p>Jeder Preuße ist nach vollendetem zwanzigsten Jahre berechtigt, Waffen zu                         tragen. Die Ausnahmefälle bestimmt das Gesetz. Jeder waffenberechtigte                         Preuße ist dem Staate wehrpflichtig. Ausnahmen dürfen nur eintreten wegen                         körperlicher Unfähigkeit oder aus Rücksichten des Gemeinwohls nach Maßgabe                         eines besonderen Gesetzes.</p>
          <p>§. 25.</p>
          <p>Die bewaffnete Macht besteht:</p>
          <p>1) aus dem stehenden Heere; 2) der Landwehr; 3) der Volkswehr;</p>
          <p>Besondere Gesetze regeln die Art und Weise der Einstellung und die                         Dienstzeit.</p>
          <p>§. 26.</p>
          <p>Die bewaffnete Macht wird auf die Verfassung verpflichtet. Sie kann zur                         Unterdrückung innerer Unruhen nur auf Requisition der Civilbehörden und in                         den vom Gesetze bestimmten Fällen und Formen verwendet werden.</p>
          <p>§. 27.</p>
          <p>Die Volkswehr besteht aus denjenigen wehrhaften Männern vom vollendeten                         21sten bis zurückgelegtem 50sten Lebensjahre, welche nicht im aktiven                         Dienste stehen. Sie hat vorzugsweise die Pflicht, die konstituirten Gewalten                         zu schätzen und für die Aufrechthaltung der Ordnung und der                         verfassungsmäßigen Rechte des Volks zu wachen. Im Kriege kann sie zur                         Unterstützung des stehenden Heeres und der Landwehr, jedoch nur im Innern                         des Landes, nach Maßgabe des Gesetzes, verwendet werden.</p>
          <p>§. 28.</p>
          <p>Die Volkswehr hat das Recht, ihre Führer, bis zu den Chefs der Bataillone                         einschließlich, selbst zu wählen; sind höhere Führer erforderlich, so hat                         die Regierung das Recht der Wahl unter drei von der Volkswehr                         vorgeschlagenen Kandidaten. Der Landwehr steht das Recht der Wahl nur bis                         zum Grade des Hauptmanns einschließlich zu. Die Art der Wahl bestimmt das                         Gesetz.</p>
          <p>§. 29.</p>
          <p>Die bewaffnete Macht steht außer dem Kriege und Dienste unter dem                         bürgerlichen Gesetz. Die militärische Disziplin im Kriege und Frieden                         bestimmt das Gesetz.</p>
          <p>§. 30.</p>
          <p>Kein bewaffnetes Korps kann delibriren.</p>
          <p>§. 31.</p>
          <p>Das Eigenthum kann nur aus Gründen des öffentlichen Wohls gegen vorgängige,                         in dringenden Fällen wenigstens vorläufig festzustellende Entschädigung nach                         Maßgabe des Gesetzes entzogen oder beschränkt werden.</p>
          <p>§. 32.</p>
          <p>Die Einrichtung von Lehen und Stiftung von Familienfideikommissen für die                         Zukunft untersagt. Die bestehenden Lehen und Familienfideikommisse werden                         freies Eigenthum in der Person desjenigen, welchem am Tage der Verkündigung                         des gegenwärtigen Verfassungsgesetzes das Lehen oder Fideikommiß angefallen                         war.</p>
          <p>§. 33.</p>
          <p>Die Aufhebung der Lehnsherrlichkeit erfolgt ohne Entschädigung.</p>
          <p>§. 34.</p>
          <p>Die Rechtsverhältnisse der Thronlehen des Königlichen Haus- und Prinzlichen                         Fideikommisses, der außerhalb des Staates belegenen Sachen, endlich der                         durch das deutsche Bundesrecht gewährleisteten Sachen- und Fideikommisse der                         Standesherren werden durch besondere Gesetze regulirt.</p>
          <p>§. 35.</p>
          <p>1) Das Recht auf freie Verfügung über das Eigenthum, die uneingeschränkte                         Theilbarkeit des Grund-Eigenthums und Ablösbarkeit der auf letzterem                         haftenden Verpflichtungen werden gewährleistet.</p>
          <p>2) Aufgehoben ohne Entschädigung sind:</p>
          <p>a) die Gerichtsherrlichkeit, die gutsherrliche Polizei und obrigkeitliche                         Gewalt, so wie die gewissen Grundstücken zustehenden Hoheitsrechte und                         Privilegien, wogegen die Lasten und Leistungen wegfallen, die den bisher                         Berechtigten oblagen;</p>
          <p>b) die aus diesen Befugnissen, aus der Schutzherrlichkeit, der früheren                         Erbunterthänigkeit, der früheren Steuer- und Gewerbeverfassung herstammenden                         Verpflichtungen.</p>
          <p>3) Welche einzelnen auf dem Grundeigenthum haftenden Lasten nach diesen                         Grundsätzen oder aus anderen Gründen ohne Entschädigung aufzuheben oder                         ablösbar sind, wird der besonderen Gesetzgebung vorbehalten.</p>
          <p>4) Die Gesetzgebung läßt in Zukunft bei erblicher Ueberlassung eines                         Grundstücks nur die Form der Uebertragung des vollen Eigenthums, jedoch auch                         hier unter Vorbehalt eines festen jeder Zeit unablösbaren Zinses zu.</p>
          <p> <hi rendition="#b">Tit. III.</hi> </p>
          <p>Vom Könige.</p>
          <p>§. 38.</p>
          <p>Die königliche Gewalt ist erblich in dem Mannesstamme des königlichen Hauses                         nach dem Rechte der Erstgeburt und der agnatischen Linealfolge.</p>
          <p>§. 39.</p>
          <p>Der König ist mit Vollendung des 18. Lebensjahres volljährig. Er leistet vor                         Ergreifung der königlichen Gewalt im Schooß der vereinigten Kammern                         folgenden Eid:</p>
          <p>&#x201E;Ich schwöre, die Verfassung des Königreichs fest und unverbrüchlich zu                         halten und in Uebereinstimmung mit derselben und den Gesetzen zu                         regieren.&#x201C;</p>
          <p>§. 40.</p>
          <p>Ohne Einwilligung beider Kammern kann der König nicht zugleich Herrscher                         eines anderen Staates werden.</p>
          <p>§. 41.</p>
          <p>Im Falle der Minderjährigkeit des Königs versammeln sich beide Kammern zu                         einer Versammlung, um die Regentschaft und die Vormundschaft anzuordnen,                         insofern nicht schon durch ein besonderes Gesetz für Beides Vorsorge                         getroffen ist.</p>
          <p>§. 42.</p>
          <p>Ist der König in der Unmöglichkeit zu regieren, so beruft das Ministerium                         sofort beide Kammern, um in Gemäßheit des §. 41 zu handeln.</p>
          <p>§. 43.</p>
          <p>Die Regentschaft kann nur Einer Person übertragen werden. Der Regent schwört                         vor Antretung der Regentschaft den im §. 39 vorgeschriebenen Eid.</p>
          <p>Während der Regentschaft ist eine Aenderung der Verfassung nicht                         gestattet.</p>
          <p>§. 44.</p>
          <p>Die Person des Königs ist unverletzlich. Seine Minister sind                         verantwortlich.</p>
          <p>Alle Regierungsakte des Königs bedürfen zu ihrer Gültigkeit der                         Gegenzeichnung eines Ministers, welcher dadurch die Verantwortlichkeit                         übernimmt.</p>
          <p>§. 45.</p>
          <p>Dem Könige steht die vollziehende Gewalt zu. Er ernennt und entläßt die                         Minister. Er befiehlt die Verkündigung der Gesetze und erläßt die zu deren                         Ausführung nöthigen Verordnungen, ohne jemals die Vollziehung der Ersten                         aufschieben oder erlassen zu können.</p>
          <p>§. 46.</p>
          <p>Der König führt den Oberbefehl über das Heer und besetzt alle Stellen in                         demselben, so wie in den übrigen Zweigen des Staatsdienstes, insofern nicht                         die Verfassungs-Urkunde oder das Gesetz ein Anderes verordnet.</p>
          <p>§. 47.</p>
          <p>Der König hat das Recht, Krieg zu erklären, Frieden zu schließen und Verträge                         mit fremden Regierungen zu errichten, insofern dies Recht nicht durch das                         deutsche Bundesrecht beschränkt ist oder werden wird.</p>
          <p>Unter dieser letzteren Beschränkung bedürfen alle Verträge und                         Friedensschlüsse mit fremden Staaten zu ihrer Gültigkeit der Zustimmung oder                         der nachträglichen Genehmigung der Kammern.</p>
          <p>§. 48.</p>
          <p>Der König hat das Recht der Begnadigung und der Strafmilderung.</p>
          <p>Zu Gunsten eines wegen seiner Amtsführung verurtheilten Ministers kann dies                         Recht nur auf Antrag derjenigen Kammer, von welcher die Anklage ausgegangen                         ist, ausgeübt werden.</p>
          <p>Er kann bereits eingeleitete Untersuchungen nur auf Grund eines besonderen                         Gesetzes niederschlagen.</p>
          <p>§. 49.</p>
          <p>Dem Könige steht die Verleihung von Orden und anderen mit keinen Privilegien                         versehenen Auszeichnungen zu.</p>
          <p>Er übt das Münzrecht nach Maßgabe des Gesetzes.</p>
          <p>§. 50.</p>
          <p>Das Gesetz bestimmt die Civilliste für die Dauer jeder Regierung.</p>
          <p>§. 51.</p>
          <p>Der König beruft die Kammern und schließt ihre Sitzungen. Er kann sie                         entweder beide zugleich oder nur eine auflösen. In der Auflösungsurkunde muß                         der Tag der neuen Wahlen und der Berufung der Kammern bestimmt und die                         desfallsige Frist für die ersteren nicht über 40, für die letzteren nicht                         über 60 Tage ausgedehnt werden.</p>
          <p>§. 52.</p>
          <p>Der König kann die Kammern vertagen. Ohne deren Zustimmung kann diese                         Vertagung die Frist von 30 Tagen nicht übersteigen und während derselben                         Session nicht wiederholt werden.</p>
          <p> <hi rendition="#b">Tit. IV.</hi> </p>
          <p>Von den Ministern.</p>
          <p>§. 53.</p>
          <p>Die Minister, so wie die zu ihrer Vertretung abgeordneten Staatsbeamten haben                         Zutritt zu jeder Kammer und müssen auf ihr Verlangen gehört werden.</p>
          <p>Jede Kammer kann die Gegenwart der Minister verlangen.</p>
          <p>Die Minister haben in einer oder der anderen Kammer nur dann Stimmrecht, wenn                         sie Mitglied derselben sind.</p>
          <p>§. 54.</p>
          <p>Die Minister können durch Beschluß einer Kammer wegen des Verbrechens der                         Verfassungsverletzung, der Bestechung und des Verraths angeklagt werden.                         Ueber solche Anklagen entscheidet der oberste Gerichtshof der Monarchie in                         vereinigten Kammern; so lange noch 2 oberste Gerichtshöfe bestehen, treten                         dieselben zu obigen Zwecken zusammen.</p>
          <p>Die näheren Bestimmungen über die Fälle der Verantwortlichkeit, über das                         Verfahren und das Strafmaaß werden einem besondern Gesetze vorbehalten.</p>
          <p> <hi rendition="#b">Tit. V.</hi> </p>
          <p>Von den Kammern.</p>
          <p>§. 55.</p>
          <p>Die gesetzgebende Gewalt wird gemeinschaftlich durch den König, durch die                         Volkskammer und durch den Senat ausgeübt.</p>
          <p>Die Uebereinstimmung des Königs und beider Kammern ist zu jedem Gesetze                         erforderlich.</p>
          <p>Wird jedoch ein Gesetzesvorschlag unverändert von beiden Kammern zum dritten                         Male angenommen, so erhält er durch die dritte Annahme Gesetzeskraft.</p>
          <p>§. 56.</p>
          <p>Die zweite Kammer (Volkskammer) besteht aus 350 Mitgliedern. Die Wahlbezirke                         werden nach Maßgabe der Bevölkerung festgestellt.</p>
          <p>§. 57.</p>
          <p>Jeder Preuße, welcher das 24. Lebensjahr vollendet, und nicht den Vollbesitz                         der bürgerlichen Rechte in Folge rechtskräftigen richterlichen Erkenntnisses                         verloren hat, ist in der Gemeinde, worin er seit sechs Monaten seinen                         Wohnsitz oder Aufenthalt hat, stimmberechtigter Urwähler, insofern er nicht                         aus öffentlichen Mitteln Armen-Unterstützung bezieht.</p>
          <p>§. 58.</p>
          <p>Die Urwähler einer jeden Gemeinde wählen auf jede Volkszahl von 250 Seelen                         ihrer Bevölkerung einen Wahlmann. Es ist nicht erforderlich, daß der                         Wahlmann schreibenskundig sei.</p>
          <p>§. 59.</p>
          <p>Die Abgeordneten werden durch die Wahlmänner erwählt. Die Wahlbezirke sollen                         so organisirt werden, daß mindestens zwei Abgeordnete von einem Wahlkörper                         gewählt werden.</p>
          <p>§. 60.</p>
          <p>Das Nähere über die Ausführung der Wahlen bestimmt ein besonderes                         Wahl-Ausführungs-Gesetz.</p>
          <p>§. 61.</p>
          <p>Nach Ablauf von zwei Legislatur-Perioden der zweiten Kammer können direkte                         Wahlen zur zweiten Kammer durch das Gesetz eingeführt werden.</p>
          <p>§. 62.</p>
          <p>Die Legislatur-Periode der zweiten Kammer wird auf 3 Jahre festgesetzt. Nach                         Ablauf dieser Periode wird die Kammer neu gewählt. Ein Gleiches geschieht im                         Fall der Auflösung der Kammer. In beiden Fällen sind die bisherigen                         Mitglieder wieder wählbar.</p>
          <p>§. 63.</p>
          <p>Zum Abgeordneten der zweiten Kammer ist jeder Preuße wählbar, der das                         dreißigste Lebensjahr vollendet, den Vollbesitz der bürgerlichen Rechte                         nicht verloren hat und bereits ein Jahr lang in Preußen seinen Wohnsitz                         hat.</p>
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        <p>
          <ref type="link">(Hierzu eine Beilage.)</ref>
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</TEI>
[0284/0004] Berlin. Der Verfassungs-Entwurf, wie er aus den Berathungen der Verfassungs-Kommission hervorgegangen: Verfassungs-Urkunde für den preußischen Staat. Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen, thun kund und fügen hiermit zu wissen, daß Wir mit den nach dem Wahlgesetze vom 8. April 1848 gewählten und demnächst von uns zusammenberufenen Vertretern unseres Volkes die nachstehende Verfassung vereinbart haben, welche Wir demnach verkünden. Titel I. §. 1. Alle Landestheile der preußischen Monarchie in ihrem gegenwärtigen Umfange bilden das preußische Staatsgebiet. §. 2. Die Gränzen dieses Staatsgebiets können nur durch ein Gesetz vereinbart werden. Titel II. Von den Rechten der preußischen Staatsbürger. §. 1. Die Bedingungen für die Erwerbung und den Verlust der Eigenschaft eines Preußen, so wie jene der Ausübung der staatsbürgerlichen Rechte werden durch die Verfassung und besondere Gesetze bestimmt. §. 2. Es giebt im Staate weder Standes-Unterschiede noch Standes-Vorrechte. Alle Preußen sind vor dem Gesetze gleich. Der Adel ist abgeschafft. §. 3. Die persönliche Freiheit ist gewährleistet. Außer dem Falle der Ergreifung auf frischer That kann eine Verhaftung nur Kraft eines schriftlichen, die Anschuldigung bezeichnenden, richterlichen Befehls bewirkt werden. Dieser Befehl muß entweder bei der Verhaftung oder spätestens innerhalb 24 Stunden zugestellt werden. In gleicher Frist ist das Erforderliche zu veranlassen, um den Verhafteten dem zuständigen Richter vorzuführen. §. 4. Niemand kann wider seinen Willen vor einem Anderen, als den im Gesetze bezeichneten Richter gestellt werden. Ausnahmsgerichte und außerordentliche Kommissionen sind unstatthaft. Keine Strafe kann angedroht oder verhängt werden, als in Gemäßheit eines Gesetzes. §. 5. Die Wohnung ist unverletzlich; Haussuchungen dürfen nur unter Mitwirkung des Richters oder gerichtlicher Polizei in den Fällen und nach den Formen des Gesetzes vorgenommen werden. §. 6. Die Strafe des bürgerlichen Todes und diejenige der Vermögens-Konfiskation findet nicht Statt. §. 7. Die Auswanderungsfreiheit ist von Staatswegen nicht beschränkt. Abzugsgelder dürfen nicht erhoben werden. §. 8. Die Freiheit der Presse und Rede darf durch kein Gesetz beschränkt werden. Die Censur bleibt für immer aufgehoben. §. 9. Der Mißbrauch der Presse und Rede wird nach den allgemeinen Landesgesetzen bestraft. Bis zur erfolgten Erlassung eines revidirten Strafrechts bestimmt darüber ein besonderes transitorisches Gesetz. §. 10. Ist der Verfasser einer Schrift bekannt und in Preußen bei Einleitung des gerichtlichen Verfahrens wohnhaft und anwesend, so dürfen Drucker, Verleger und Vertheiler, wenn deren Mitschuld nicht durch andere Thatsachen begründet wird, nicht verfolgt werden. Eine Sicherheitsleistung von Seiten der Schriftsteller, Verleger oder Drucker darf nicht verlangt werden. §. 11. Alle Preußen sind berechtigt, sich friedlich und ohne Waffen in geschlossenen Räumen zu versammeln. Wer eine Versammlung unter freiem Himmel zusammenberuft, muß davon sofort der Ortspolizei-Behörde Anzeige machen, welche dieselbe wegen dringender Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit verbieten kann. §. 12. Alle Preußen sind berechtigt, sich ohne vorgängige obrigkeitliche Erlaubniß zu solchen Zwecken, welche den Strafgesetzen nicht zuwiderlaufen, in Gesellschaften zu vereinigen. §. 13. Das Petitionsrecht steht allen Preußen zu. Petitionen unter einem Gesammtnamen sind nur Behörden und Korporationen gestattet. §. 14. Die Bedingungen, unter welchem Korporationsrechte ertheilt oder verweigert werden, können bestimmt das Gesetz. §. 15. Das Briefgeheimniß ist unverletzlich. Die bei strafgerichtlichen Untersuchungen und in Kriegsfällen nothwendigen Beschränkungen sind durch die Gesetzgebung festzustellen. Die Beschlagnahme von Briefen und Papieren darf nur auf Grund eines richterlichen Befehls vorgenommen werden. §. 16. Durch das religiöse Bekenntniß und die Theilnahme an irgend einer Religionsgesellschaft wird der Genuß der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte weder bedingt noch beschränkt. Den bürgerlichen und staatsbürgerlichen Pflichten darf dadurch kein Abbruch geschehen. Allen Preußen wird die Freiheit des religiösen Bekenntnisses und gemeinsamer öffentlicher Religionsübung zugesichert. §. 17. Jede Religionsgesellschaft ist in Betreff ihrer inneren Angelegenheiten und der Verwaltung ihres Vermögens der Staatsgewalt gegenüber frei und selbstständig. Der Verkehr der Religionsgesellschaften mit ihren Oberen ist unbehindert. Der Erlaß und die Bekanntmachung ihrer Anordnungen ist nur denjenigen Beschränkungen unterworfen, welchen alle übrigen Veröffentlichungen unterliegen. §. 18. Das Kirchenpatronat sowohl des Staats als der Privaten soll aufgehoben werden. Die Aufhebung regelt ein besonderes Gesetz. §. 19. Die bürgerliche Gültigkeit der Ehe wird durch deren Abschließung vor dem dazu von der Staats-Gesetzgebung bestimmten Civil-Beamten bedingt. §. 20. Unterricht zu ertheilen und Unterrichts-Anstalten zu gründen, steht Jedem frei. Vorbeugende, beengende Maßregeln sind untersagt. Die Eltern oder Vormünder sind verpflichtet, ihre Kinder oder Pflegebefohlenen in den Elementargegenständen unterrichten zu lassen. Die Befugniß der Eltern oder Vormünder, darüber zu bestimmen, wo ihre Kinder oder Pflegebefohlenen unterrichtet oder erzogen werden sollen, darf auf keine Weise beschränkt werden. §. 21. Die Mittel zur Errichtung, Unterhaltung und Erweiterung der Volksschule werden von den Gemeinden und aushülfsweise von den Gemeindeverbänden und vom Staate aufgebracht. In der öffentlichen Volksschule wird der Unterricht unentgeldlich ertheilt. §. 22. Die öffentlichen Volksschulen, so wie alle übrigen öffentlichen Unterrichts-Anstalten stehen unter Aufsicht eigener Behörden und sind von jeder kirchlichen Aufsicht befreit. §. 23. Ein Unterrichtsgesetz regelt das ganze öffentliche Unterrichtswesen auf Grund vorstehender Bestimmungen. §. 24. Jeder Preuße ist nach vollendetem zwanzigsten Jahre berechtigt, Waffen zu tragen. Die Ausnahmefälle bestimmt das Gesetz. Jeder waffenberechtigte Preuße ist dem Staate wehrpflichtig. Ausnahmen dürfen nur eintreten wegen körperlicher Unfähigkeit oder aus Rücksichten des Gemeinwohls nach Maßgabe eines besonderen Gesetzes. §. 25. Die bewaffnete Macht besteht: 1) aus dem stehenden Heere; 2) der Landwehr; 3) der Volkswehr; Besondere Gesetze regeln die Art und Weise der Einstellung und die Dienstzeit. §. 26. Die bewaffnete Macht wird auf die Verfassung verpflichtet. Sie kann zur Unterdrückung innerer Unruhen nur auf Requisition der Civilbehörden und in den vom Gesetze bestimmten Fällen und Formen verwendet werden. §. 27. Die Volkswehr besteht aus denjenigen wehrhaften Männern vom vollendeten 21sten bis zurückgelegtem 50sten Lebensjahre, welche nicht im aktiven Dienste stehen. Sie hat vorzugsweise die Pflicht, die konstituirten Gewalten zu schätzen und für die Aufrechthaltung der Ordnung und der verfassungsmäßigen Rechte des Volks zu wachen. Im Kriege kann sie zur Unterstützung des stehenden Heeres und der Landwehr, jedoch nur im Innern des Landes, nach Maßgabe des Gesetzes, verwendet werden. §. 28. Die Volkswehr hat das Recht, ihre Führer, bis zu den Chefs der Bataillone einschließlich, selbst zu wählen; sind höhere Führer erforderlich, so hat die Regierung das Recht der Wahl unter drei von der Volkswehr vorgeschlagenen Kandidaten. Der Landwehr steht das Recht der Wahl nur bis zum Grade des Hauptmanns einschließlich zu. Die Art der Wahl bestimmt das Gesetz. §. 29. Die bewaffnete Macht steht außer dem Kriege und Dienste unter dem bürgerlichen Gesetz. Die militärische Disziplin im Kriege und Frieden bestimmt das Gesetz. §. 30. Kein bewaffnetes Korps kann delibriren. §. 31. Das Eigenthum kann nur aus Gründen des öffentlichen Wohls gegen vorgängige, in dringenden Fällen wenigstens vorläufig festzustellende Entschädigung nach Maßgabe des Gesetzes entzogen oder beschränkt werden. §. 32. Die Einrichtung von Lehen und Stiftung von Familienfideikommissen für die Zukunft untersagt. Die bestehenden Lehen und Familienfideikommisse werden freies Eigenthum in der Person desjenigen, welchem am Tage der Verkündigung des gegenwärtigen Verfassungsgesetzes das Lehen oder Fideikommiß angefallen war. §. 33. Die Aufhebung der Lehnsherrlichkeit erfolgt ohne Entschädigung. §. 34. Die Rechtsverhältnisse der Thronlehen des Königlichen Haus- und Prinzlichen Fideikommisses, der außerhalb des Staates belegenen Sachen, endlich der durch das deutsche Bundesrecht gewährleisteten Sachen- und Fideikommisse der Standesherren werden durch besondere Gesetze regulirt. §. 35. 1) Das Recht auf freie Verfügung über das Eigenthum, die uneingeschränkte Theilbarkeit des Grund-Eigenthums und Ablösbarkeit der auf letzterem haftenden Verpflichtungen werden gewährleistet. 2) Aufgehoben ohne Entschädigung sind: a) die Gerichtsherrlichkeit, die gutsherrliche Polizei und obrigkeitliche Gewalt, so wie die gewissen Grundstücken zustehenden Hoheitsrechte und Privilegien, wogegen die Lasten und Leistungen wegfallen, die den bisher Berechtigten oblagen; b) die aus diesen Befugnissen, aus der Schutzherrlichkeit, der früheren Erbunterthänigkeit, der früheren Steuer- und Gewerbeverfassung herstammenden Verpflichtungen. 3) Welche einzelnen auf dem Grundeigenthum haftenden Lasten nach diesen Grundsätzen oder aus anderen Gründen ohne Entschädigung aufzuheben oder ablösbar sind, wird der besonderen Gesetzgebung vorbehalten. 4) Die Gesetzgebung läßt in Zukunft bei erblicher Ueberlassung eines Grundstücks nur die Form der Uebertragung des vollen Eigenthums, jedoch auch hier unter Vorbehalt eines festen jeder Zeit unablösbaren Zinses zu. Tit. III. Vom Könige. §. 38. Die königliche Gewalt ist erblich in dem Mannesstamme des königlichen Hauses nach dem Rechte der Erstgeburt und der agnatischen Linealfolge. §. 39. Der König ist mit Vollendung des 18. Lebensjahres volljährig. Er leistet vor Ergreifung der königlichen Gewalt im Schooß der vereinigten Kammern folgenden Eid: „Ich schwöre, die Verfassung des Königreichs fest und unverbrüchlich zu halten und in Uebereinstimmung mit derselben und den Gesetzen zu regieren.“ §. 40. Ohne Einwilligung beider Kammern kann der König nicht zugleich Herrscher eines anderen Staates werden. §. 41. Im Falle der Minderjährigkeit des Königs versammeln sich beide Kammern zu einer Versammlung, um die Regentschaft und die Vormundschaft anzuordnen, insofern nicht schon durch ein besonderes Gesetz für Beides Vorsorge getroffen ist. §. 42. Ist der König in der Unmöglichkeit zu regieren, so beruft das Ministerium sofort beide Kammern, um in Gemäßheit des §. 41 zu handeln. §. 43. Die Regentschaft kann nur Einer Person übertragen werden. Der Regent schwört vor Antretung der Regentschaft den im §. 39 vorgeschriebenen Eid. Während der Regentschaft ist eine Aenderung der Verfassung nicht gestattet. §. 44. Die Person des Königs ist unverletzlich. Seine Minister sind verantwortlich. Alle Regierungsakte des Königs bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung eines Ministers, welcher dadurch die Verantwortlichkeit übernimmt. §. 45. Dem Könige steht die vollziehende Gewalt zu. Er ernennt und entläßt die Minister. Er befiehlt die Verkündigung der Gesetze und erläßt die zu deren Ausführung nöthigen Verordnungen, ohne jemals die Vollziehung der Ersten aufschieben oder erlassen zu können. §. 46. Der König führt den Oberbefehl über das Heer und besetzt alle Stellen in demselben, so wie in den übrigen Zweigen des Staatsdienstes, insofern nicht die Verfassungs-Urkunde oder das Gesetz ein Anderes verordnet. §. 47. Der König hat das Recht, Krieg zu erklären, Frieden zu schließen und Verträge mit fremden Regierungen zu errichten, insofern dies Recht nicht durch das deutsche Bundesrecht beschränkt ist oder werden wird. Unter dieser letzteren Beschränkung bedürfen alle Verträge und Friedensschlüsse mit fremden Staaten zu ihrer Gültigkeit der Zustimmung oder der nachträglichen Genehmigung der Kammern. §. 48. Der König hat das Recht der Begnadigung und der Strafmilderung. Zu Gunsten eines wegen seiner Amtsführung verurtheilten Ministers kann dies Recht nur auf Antrag derjenigen Kammer, von welcher die Anklage ausgegangen ist, ausgeübt werden. Er kann bereits eingeleitete Untersuchungen nur auf Grund eines besonderen Gesetzes niederschlagen. §. 49. Dem Könige steht die Verleihung von Orden und anderen mit keinen Privilegien versehenen Auszeichnungen zu. Er übt das Münzrecht nach Maßgabe des Gesetzes. §. 50. Das Gesetz bestimmt die Civilliste für die Dauer jeder Regierung. §. 51. Der König beruft die Kammern und schließt ihre Sitzungen. Er kann sie entweder beide zugleich oder nur eine auflösen. In der Auflösungsurkunde muß der Tag der neuen Wahlen und der Berufung der Kammern bestimmt und die desfallsige Frist für die ersteren nicht über 40, für die letzteren nicht über 60 Tage ausgedehnt werden. §. 52. Der König kann die Kammern vertagen. Ohne deren Zustimmung kann diese Vertagung die Frist von 30 Tagen nicht übersteigen und während derselben Session nicht wiederholt werden. Tit. IV. Von den Ministern. §. 53. Die Minister, so wie die zu ihrer Vertretung abgeordneten Staatsbeamten haben Zutritt zu jeder Kammer und müssen auf ihr Verlangen gehört werden. Jede Kammer kann die Gegenwart der Minister verlangen. Die Minister haben in einer oder der anderen Kammer nur dann Stimmrecht, wenn sie Mitglied derselben sind. §. 54. Die Minister können durch Beschluß einer Kammer wegen des Verbrechens der Verfassungsverletzung, der Bestechung und des Verraths angeklagt werden. Ueber solche Anklagen entscheidet der oberste Gerichtshof der Monarchie in vereinigten Kammern; so lange noch 2 oberste Gerichtshöfe bestehen, treten dieselben zu obigen Zwecken zusammen. Die näheren Bestimmungen über die Fälle der Verantwortlichkeit, über das Verfahren und das Strafmaaß werden einem besondern Gesetze vorbehalten. Tit. V. Von den Kammern. §. 55. Die gesetzgebende Gewalt wird gemeinschaftlich durch den König, durch die Volkskammer und durch den Senat ausgeübt. Die Uebereinstimmung des Königs und beider Kammern ist zu jedem Gesetze erforderlich. Wird jedoch ein Gesetzesvorschlag unverändert von beiden Kammern zum dritten Male angenommen, so erhält er durch die dritte Annahme Gesetzeskraft. §. 56. Die zweite Kammer (Volkskammer) besteht aus 350 Mitgliedern. Die Wahlbezirke werden nach Maßgabe der Bevölkerung festgestellt. §. 57. Jeder Preuße, welcher das 24. Lebensjahr vollendet, und nicht den Vollbesitz der bürgerlichen Rechte in Folge rechtskräftigen richterlichen Erkenntnisses verloren hat, ist in der Gemeinde, worin er seit sechs Monaten seinen Wohnsitz oder Aufenthalt hat, stimmberechtigter Urwähler, insofern er nicht aus öffentlichen Mitteln Armen-Unterstützung bezieht. §. 58. Die Urwähler einer jeden Gemeinde wählen auf jede Volkszahl von 250 Seelen ihrer Bevölkerung einen Wahlmann. Es ist nicht erforderlich, daß der Wahlmann schreibenskundig sei. §. 59. Die Abgeordneten werden durch die Wahlmänner erwählt. Die Wahlbezirke sollen so organisirt werden, daß mindestens zwei Abgeordnete von einem Wahlkörper gewählt werden. §. 60. Das Nähere über die Ausführung der Wahlen bestimmt ein besonderes Wahl-Ausführungs-Gesetz. §. 61. Nach Ablauf von zwei Legislatur-Perioden der zweiten Kammer können direkte Wahlen zur zweiten Kammer durch das Gesetz eingeführt werden. §. 62. Die Legislatur-Periode der zweiten Kammer wird auf 3 Jahre festgesetzt. Nach Ablauf dieser Periode wird die Kammer neu gewählt. Ein Gleiches geschieht im Fall der Auflösung der Kammer. In beiden Fällen sind die bisherigen Mitglieder wieder wählbar. §. 63. Zum Abgeordneten der zweiten Kammer ist jeder Preuße wählbar, der das dreißigste Lebensjahr vollendet, den Vollbesitz der bürgerlichen Rechte nicht verloren hat und bereits ein Jahr lang in Preußen seinen Wohnsitz hat. (Hierzu eine Beilage.)

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

Weitere Informationen:

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 57. Köln, 27. Juli 1848, S. 0284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz057_1848/4>, abgerufen am 16.04.2024.