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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 52. Köln, 22. Juli 1848.

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men, ging dem Volke entgegen, und es gelang ihm, dasselbe durch Ermahnungen und Zureden zu beruhigen. Er allein war auch nur im Stande, das auf den Dörfern über die Soldaten empörte Volk zum Rückzuge zu bewegen. Das Blutbad wäre furchtbar geworden. Man muß bedenken, daß die hiesige katholische Pfarrei allein über 6000 Seelen zählt und die Sturmglocke wurde auch in den Nachbarkirchen geläutet. Das Militär mußte die ganze Nacht bivouaquiren. Zum Arsenal wurden etliche beim Militär befindliche Polen beordert. Diese fingen in der Nacht an, das polnische Lied: Zu Dir, o Herr! flehen wir u. s. w. zu singen. Dem Major gefiel das gar nicht; er eilte herbei und sagte: Kerle, singt doch nicht solche Bettellieder, hier habt ihr einen Thaler auf Schnaps, und singt lieber: Schier dreißig Jahre bist du alt, hast manchen Sturm erlebt!- Man wartet hier mit Sehnsucht auf günstige Beschlüsse der Nationalversammlung zu Berlin; aber Hoffen und Harren macht die Polen noch immer zu Narren. Das liebenswürdige (!) Ministerium und die Rechte der Vereinbarungskammer und die furchtbaren (!) Reden des Abgeordneten Bauer aus Krotoschin, sowie des Abgeordneten Bußmann aus Gnesen machen freilich den Polen wenig Hoffnung; aber ein herzlicher Dank sei der Linken und zum Theil dem Centrum von dem unglücklichen, verrathenen, gemordeten und geprügelten Volke für das letzthin in der Vereinbarungskammer dargelegte Gerechtigkeitsgefühl hiermit ausgesprochen.

Worms, 16. Juli.

Gestern Abend haben hier Unruhen stattgefunden. Es wurde nämlich der vierte Wagen mit gefesselten gefangenen Freischärlern hierher gebracht, um den anderen Tag weiter transportirt zu werden. Das Volk, durch den traurigen Anblick der drei früheren Wagen bereits heftig bewegt, sprach bei Ankunft des vierten davon, die Gefangenen, vor deren Aufbewahrungsort sich große Massen gesammelt hatten, zu befreien. Der Kreisrath requirirte nun ein Delachement Soldaten statt Bürgerwehr zur Bewachung des Gefängnisses, und erregte vollends den Unwillen des Volkes. Es ertönte der Ruf: "Bürgerwehr heraus!" Ein Theil derselben nebst der Turner-Kompagnie erschien und es wurde nun nochmals nachdrücklich der Abzug des Militärs von dem der Stadt gehörigen und deshalb nur von Bürgerwehr zu schützenden Gebäude verlangt, welche auch endlich erfolgte. Die Wache wurde der Bürgerwehr übergeben. Gegen 12 Uhr verlief sich die Masse; nachdem noch Geld zur Unterstützung der Freischärler gesammelt worden war.

* Speyer, 18. Juli.

Das geknechtete Deutschland wurde mit Rothstift, das befreite, souveräne deutsche Volk wird mit dem Säbel zensirt. Das ist unsere Errungenschaft auf "breitester demokratischer Grundlage." Dieses modernste Censurwesen wird, wo möglich noch einen größern Auffschwung nehmen, sobald die Vermehrung des stehenden Heeres im "einigen und freien" Deutschland durch 2 Proz. von der gesammten Bevölkerung und die Ernährung des hinzukommenden Ueberschusses durch 100 Millionen Tblr. neuer Steuern zu Stande gebracht ist. Doch kommen wir auf die neue Censur zurück! Im Schaufenster einer hiesigen Buchhandlung hing das Bildniß Heckers. Eine Masse Soldaten, klug aufgereizt, und angefeuert, solche Missethat nicht zu dulden schlugen gestern Abend nicht blos die betreffenden Fenster ein, sondern hieben auch tapfer auf Civilisten los. Nachdem Einige der letzteren verwundet wurden und die Aufregung stieg, kamen einige der Herren Offiziere herbei redeten ihnen zu und bewogen sie nach Hause zu gehen. Das gelang ihnen, so daß um 10 Uhr die Straßen ziemlich ruhig waren. Ich brauche Ihnen wohl kaum zu bemerken, daß nach der modernsten Redensart"eine strenge Untersuchung" eingeleitet werden soll.

Nach den neuesten Berichten italienischer Blätter läßt Se. bombardirende Majestät in Neapel ganz auf dieselbe Weise die bewaffnete Censur auf schlagende Weise ausüben. Die blos streichende hat sich überlebt.

Dieses noblen Gewerbes zum Vorschein. Ein neues Beispiel davon liefert die "Fr. O. P. A. Z." in folgendem Artikel:

Freiburg, 17. Juli,

Abends 10. Uhr.

So eben haben wir einen kleinen Militärtumult gehabt, indem sich würtembergische Soldaten vor einem Antiquariatsladen sammelten und Miene machten, denselben zu zerstören, weil am Fenster ein gegen sie gerichtetes Schmähgedicht ausgesteckt war. General Baumbach erschien aber bald auf dem Platze, um die Soldaten zu beschwichtigen, was ihm auch gelang. Indessen vermehrte sich die Zahl der Zuschauer. Nun rief die Trommel die Soldaten auf die Sammelplätze, wo ihnen abermals ruhiges Verhalten empfohlen wurde, was jedoch nichts half, indem sie schnell wieder dahin sich begaben, wo man sie muthwillig zu reizen sich bemüht hatte. Die Läden wurden aufgerissen, die Fenster zertrümmert und das Schmachgedicht herausgeholt. Den herbeigeeilten Offizieren und dem Einschreiten der Polizei gelang es endlich die Menge zu zerstreuen. Der Veranlasser des Tumults, Antiquar Butz, hat sich flüchtig gemacht. Die Würtemberger marschiren morgen früh um 5 Uhr von hier nach ihrer Heimath.

* Rendsburg, 16. Juli.

Wie es heißt, hat die provisorische Regierung dem Hauptmann Wobeser, der vom Freikorps an sie geschickt worden, erklärt, sie werde in eine schmachvolle Auflösung des Korps nicht willigen; übrigens sei es leicht möglich, daß die Auflösung überhaupt nicht stattfinde, da der Krieg vielleicht fortgesetzt (?) werde.

Rendsburg, 19. Juli.

In der gestrigen Sitzung der schleswig-holsteinischen Stände-Versammlung kam die Angelegenheit wegen des Waffenstillstandes zur Sprache, Der Kommissar erklärte dabei unter Anderem: Aus vertraulichen Mittheilungen weiß die provisorische Regierung, daß zwei Punkte in den Waffenstillstands-Bedingungen zur Frage stehen. Der erste betrifft das Fortbestehen oder Abtreten der provisorischen Regierung, und über diesen Punkt habe ich mich bereits dahin ausgesprochen, daß die provisorische Regierung, so lange sie sich des Vertrauens des schleswig-holsteinischen Volkes versichert halten darf, nur im Einverständniß mit der Centralgewalt, oder auf Aufforderung des Reichsverwesers abtreten wird. Der zweite Punkt betrifft die Stellung und das Verhältniß der schleswig-holsteinischen Truppen, und in Bezug auf diesen Punkt wird die provisorische nie einwilligen, daß dieselben während des Waffenstillstandes ganz oder theilweise aufgelöst werden, vielmehr erkennt sie es als nothwendig an, daß sie zur Disposition der Landesregierung gestellt bleiben, welche über ihre Uebungen, Cantonnements u. dgl. zu bestimmen haben muß. Brackel: Ich glaube, daß die frühere Erklärung der provisorischen Regierung wegen ihres Nichtabtretens sowohl in dieser Versammlung, wie im ganzen Lande, die freudigste Zustimmung gefunden hat. Dieselbe Ueberzeugung hege ich von der eben vernommenen Erklärung derselben in Betreff der Stellung und des Verhältnisses der schleswig-holsteinischen Truppen. Ich erlaube mir daher den Antrag zu stellen, daß die Versammlung durch Aufstehen der provisorischen Regierung ihren Dank für beide Erklärungen votiren möge. Blome ist dagegen; es wäre patriotischer von der provisorischen Regierung, wenn sie freiwillig abtrete. (Ungeheurer Unwillen im Saale wie auf den Tribünen macht sich Luft.) Der Präsident ermahnt zur Ruhe unter der Drohung, die Sitzung widrigenfalls schließen zu müssen, und bringt dann den Antrag Brackel's zur Abstimmung, welcher mit 53 Stimmen gegen 13 angenommen wird.

(Schl. Holst. Z.)
Dänemark.
* Kopenhagen.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
Großbritannien.
* London, 19. Juli.

Die gestrigen Parlamentsverhandlungen waren von wenig Bedeutung. Der Herzog von Richmond machte eine Motion in Betreff der vom Auslande importirten Schafe und Lord Wharncliffe reichte eine Petition wegen der Bankrutt-Gesetze ein. Im Unterhause debattirte man eine Bill in Betreff des Straßenbau's. In der heutigen Sitzung des Unterhauses kamen die Zuckergesetze zur Sprache und Lord John Russel bemerkte, daß er am nächsten Freitag das jährliche Budget des Landes dem Hause vorlegen werde.

Aus Dublin hört man, daß Lord Clarendon im Laufe dieser Woche hierher reisen wird, um sich mit dem Gouvernement in Betreff des alarmirenden Zustandes von Irland zu berathen und wirksamere Maßregeln gegen die revolutionären Klubs u. s. w. zu verlangen.

- Der Chartist Dr. M'Douall, der vor Kurzem in Ashton-under-Lyne wegen aufrührerischer Reden verhaftet wurde, ist vor die Assisen verwiesen. Nachdem er 600 Pfund St. Bürgschaft gestellt hatte, wurde er einstweilen wieder in Freiheit gesetzt.

Dublin, 18. Juli.

Der Lord-Lieutenant von Irland hat heute erklärt, daß der jüngste Akt in Betreff revolutionärer Vorgänge: auf Land und Stadt Dublin, Drogheda, Sadt Cork, Waterford und mehrere andere Bezirke anwendbar sei. Nach diesem Akte müssen auf Verlangen der Behörde alle Waffen u. s. w. ausgeliefert werden.

- In Carrik-on-Suir wurde gestern der katholische Pfarrer Herr Byrne wegen aufrührerischer Reden verhaftet und nach Bridewell abgeführt. Das Volk versammelte sich aber in großen Massen und stürmte das Gefängniß, indem es sowohl Hr. Byrne wie alle übrigen Gefangenen in Freiheit setzte.

Die Abreise Lord Clarendon's ist für einige Tage aufgeschoben.

* Dublin, 17. Juli.

Die Zeitungsverkäufer hatten am Sonnabend morgen aus Furcht vor der überall aufgestellten und wachsamen Polizei, wie aus Angst vor den hohen Strafandrohungen sich geweigert, Nummern des "Irisch Felou" (des "irischen Verbrechers") zu verkaufen. Als aber des Nachmittags und besonders gegen Abend die Nachfrage immer größer wurde und Tausende von Menschen Nummern verlangten und theilweis sogar große Summen dafür anboten, konnten die Verkäufer diesem Anreiz nicht länger widerstehen. In einer Viertelstunde waren viele Tausende Exemplare abgesetzt und bald verschlungen - im bildlichen Sinne. Mehrere von den Verkäufern wurden später verhaftet. Heute standen sie vor Gericht. Man wagte nicht, sie zu bestrafen. Sie wurden ernstlich verwarnt und entlassen. Die Folge davon ist daß auch heute nach der Sonnabend-Nummer des "Felon" außerordentlich verlangt und jede Summe geboten wird, wofern man nur ein Exemplar dafür erhält.

Französische Republik.
16 Paris, 19. Juli.

Sechs und vierzig Unterpräfekten auf einmal hat der Minister des Innern entsetzt, und drei; Präfekten; freilich Ledrü-Rollin hatte sie ernannt. Und wie scharfäugig die Trabanten des Thiers ("dessen Geist gleich einer Fackel": Constitutionnel) sind. Dem abgesetzten Präfekten Düfraisse vom Indredepartment haben sie nachgeforscht, daß er vor zwölf Jahren einen Brief an Blanqui's Freund Gay geschrieben und den Guillotinentod des greisen Morey, der in das Fieschi'sche Attentat auf Louis Philippe verwickelt war, einen Märtyrertod genannt. Den Präfekten des Aisnedepartements fordert das Thiersjournal dieser Provinz folgendermaßen heraus: "Er hat öffentlich gesagt, wenn die Arbeiterklasse jetzt noch ein Mal besiegt wird, so ist es das letzte Mal, und dann kommt die Reihe an die Bourgeoisklasse; ja, das unerhörte Wort hat er gesagt, er träumt wohl das provisorische Gouvernement bestehe noch? aber er soll bald seinen Anachronismus bereuen, und um ihm dahin zu verhelfen denunciren wir ihn bis er uns denuncirt; die honnetten Bürger dieses Departments haben gelobt, nicht zu ruhen bis der gefährliche Beamte gestürzt ist, und schicken sofort die mit Unterschriften beglaubigte Anzeige nach Paris an die Untersuchungs-Kommission der National-Versammlung." Mehrere Souspräfekten im Süden hatten Klubs geleitet, worin über Theismus und Atheismus diskutirt und votirt ward; obschon der erstere eine (sehr schmale) Majorität vereinigte, ist der Staatsbeamte kassirt worden. "Wenn wir diesmal die Arme unterschlagen, ruft L'Avenir National, so ist das wahre Frankreich verloren; nur dadurch können wir den, ach so theuer! errungenen Sieg festhalten, daß wir an Energie die frevelhafte (impie) Partei des Provisoriums übertreffen." Dazu wird allerdings nicht viel gehören.- Jetzt geht das Verhaften an die Frauen; mehrere Marketenderinnen sind gestern nachträglich arretirt; auch Mätressen von Duvriers, die in Mannskleidern Barrikaden bauten und die Sturmglocken zogen. In der Rue Laharpe arretirte gestern die honnette Gerechtigkeit ein Weib, welches in den Schlachttagen Kugeln gegossen; die Denunzianten hatten drei volle Wochen gebraucht. Täglich verpackt und versendet man unhonnette Duvriers in ihre Heimath; nach Paris wird keiner zugelassen, Viertausend schaffte man nach Bordeaux, worüber das dortige Bourgeoisblatt Zeter anstimmt und zu "energischem Empfange dieser Herumtreiber" auffordert, "zumal mindestens zweitausend ganz ohne pecuniäre Unterstützung wären." Dasselbe Gironde-Journal predigt wieder Föderalismus, Abschaffung der Zölle (von wegen der Girondeweine) und schließt mit einem mühseligen historischen Sermon über die Misere republikanischer Centralisation; nur Henri V. wolle "den Provinzen neues Leben einhauchen," und der Graf von Paris werde "gewiß" nicht abgeneigt sein in diesem Systeme des kinderlosen Fürsten dermaleinst fortzufahren. Also Allianz der Karlisten mit den Philippisten, klar ausgesprochen bei Gelegenheit des Bordeaurweins.- Der Verkehr auf dem Pariser Pflaster ist wieder unbehindert; alle Parks sind wieder offen; die Räuber, die in dem nämlichen Tunnel der Tuilerien durch den Louis Philippe entfloh, zusammengestaucht lagen, sind längst "kasematirt," und die Bourgeois promeniren ungestört am Bassin der Goldfischlein. Wohin mit der gefangenen Armee? Diese Frage wird vom "Avenir National" in recht nationaler Weise mit dem Vorschlage beantwortet, diese "Brigands" vermöge Geldvergütung den Engländern zur Deportation abzutreten; was Herr Thiers für annoch unnütz erklärt, "da Frankreich die üppig grünenden Fluren am Oyapok und das paradisische Tropenland Cayenne glücklicherweise besitze." So sprach er sich in den Bureaux aus. Sehr bezeichnend ist, daß seit Juni keine der in den Bureau-Kommissionen gehaltenen Reden mehr in voller Ausdehnung gedruckt werden darf; Lamartine hatte die seinige publicirt und mußte dafür publike Abbitte leisten. - Der Enthusiasmus der französischen Bourgeois für "das biedere, gesetzmäßig strebende" Deutschland wächst rührend seit der Wahl des Reichsverwesers; im traulichen Zirkel der Rue Poitiers ist bereits eine Spezial-Adresse an "den würdigen Greis" angeregt worden, "dessen Avenement mit dem brillanten Junisiege merveilleuser Weise zusammentreffe." Diese Machiavellisten der Rue Poitiers, lauter glatzhäuptige wackelige Messieurs "in dem besten Mannesalter," nennen sich in vollem Ernst "die jungen Politiker." Thiers hatte bekanntlich im März geäußert, ihn ekele Europa an und er wolle nach Amerika wandern; da besuchte ihn Barrot (trotzdem daß dessen Frau gesagt: ich sähe meinen Mann lieber mit einer Straßendirne als mit Herrn Thiers,) und beschwor ihn das Vaterland zu retten. Endlich rief der kleine Held: "ja, die Jakobiner haben uns die Regentschaft [#], wir können ihnen noch einmal ihre Republik konfisziren, " und sie setzen sich rüstig ans noble Werk.

- Der Schluß der gestrigen Sitzung der Nationalversammlung war außerordentlich stürmisch. Der Sturz des Kriegsministers, Lamoriciere, hing an Einem Haare. An der Tagesordnung war bekanntlich der kostenfreie Besuch in den Polytechnischen- und Militärschulen, den die sogenannten Moderirten, mit ihren Feldwebeln Baraguey d'Hilliers, L'Espinasse etc. an der Spitze, durchaus nicht zugeben wollten, weil dadurch alle Welt Zutritt erhielte und ein solcher Zulauf zu sehr demokratisire. Die alte Exekutivgewalt hatte den Plan gefaßt, Jedermann den Zutritt gratis zu gestatten; Lamoriciere hatte diesen Plan zu dem seinigen gemacht und der Kriegsausschuß verlangte durch sein Organ Tredern zunächst die Summe von 214,550 Franken, um am 1. Okt. 1848 in die Schulen Ecole polytechnique und Ecole de St. Cyr eine größere Zahl aufzunehmen. Der Antrag auf vollständige Kostenfreiheit wurde daher von allen Anhängern des alten Regime benutzt, um die Republik in der Person Lamoricieres zu bekämpfen. Lamoriciere hielt indessen am Antrage fest und machte Miene, diese scheinbare Kleinigkeit zur Kabinetsfrage zu erheben. Er sagte, es käme ihm nicht auf sofortige Zulassung aller Befähigten an und man könne sie seinetwegen bis zum Neujahr 1850 verschieben; allein er halte am Prinzipe fest und protestire gegen jede Vertagung, die einer Niederlage gleichsehe. Man schritt zur Abstimmung. Zweifelhaftes Resultat. Das Votum per Devision wird verlangt. Zum Unglück liegen aber keine Stimmzettel auf den Bänken und man muß zum geheimen Skrutinium zurückgehen. Das geheime Skrutinium geschieht bekanntlich durch Kugeln, wobei sich Niemand kompromittirt, während das Votum zur Division die Namen auf jedem Zettel trägt. Der Lärm und das Geschrei werden entsetzlich. Alle Welt ist dem Ersticken nahe. Unter diesem Lärmen und Gestikuliren verkündete Vicepräsident Portalis um 71/4 Uhr endlich das Resultat der Abstimmung.

men, ging dem Volke entgegen, und es gelang ihm, dasselbe durch Ermahnungen und Zureden zu beruhigen. Er allein war auch nur im Stande, das auf den Dörfern über die Soldaten empörte Volk zum Rückzuge zu bewegen. Das Blutbad wäre furchtbar geworden. Man muß bedenken, daß die hiesige katholische Pfarrei allein über 6000 Seelen zählt und die Sturmglocke wurde auch in den Nachbarkirchen geläutet. Das Militär mußte die ganze Nacht bivouaquiren. Zum Arsenal wurden etliche beim Militär befindliche Polen beordert. Diese fingen in der Nacht an, das polnische Lied: Zu Dir, o Herr! flehen wir u. s. w. zu singen. Dem Major gefiel das gar nicht; er eilte herbei und sagte: Kerle, singt doch nicht solche Bettellieder, hier habt ihr einen Thaler auf Schnaps, und singt lieber: Schier dreißig Jahre bist du alt, hast manchen Sturm erlebt!‒ Man wartet hier mit Sehnsucht auf günstige Beschlüsse der Nationalversammlung zu Berlin; aber Hoffen und Harren macht die Polen noch immer zu Narren. Das liebenswürdige (!) Ministerium und die Rechte der Vereinbarungskammer und die furchtbaren (!) Reden des Abgeordneten Bauer aus Krotoschin, sowie des Abgeordneten Bußmann aus Gnesen machen freilich den Polen wenig Hoffnung; aber ein herzlicher Dank sei der Linken und zum Theil dem Centrum von dem unglücklichen, verrathenen, gemordeten und geprügelten Volke für das letzthin in der Vereinbarungskammer dargelegte Gerechtigkeitsgefühl hiermit ausgesprochen.

Worms, 16. Juli.

Gestern Abend haben hier Unruhen stattgefunden. Es wurde nämlich der vierte Wagen mit gefesselten gefangenen Freischärlern hierher gebracht, um den anderen Tag weiter transportirt zu werden. Das Volk, durch den traurigen Anblick der drei früheren Wagen bereits heftig bewegt, sprach bei Ankunft des vierten davon, die Gefangenen, vor deren Aufbewahrungsort sich große Massen gesammelt hatten, zu befreien. Der Kreisrath requirirte nun ein Delachement Soldaten statt Bürgerwehr zur Bewachung des Gefängnisses, und erregte vollends den Unwillen des Volkes. Es ertönte der Ruf: „Bürgerwehr heraus!“ Ein Theil derselben nebst der Turner-Kompagnie erschien und es wurde nun nochmals nachdrücklich der Abzug des Militärs von dem der Stadt gehörigen und deshalb nur von Bürgerwehr zu schützenden Gebäude verlangt, welche auch endlich erfolgte. Die Wache wurde der Bürgerwehr übergeben. Gegen 12 Uhr verlief sich die Masse; nachdem noch Geld zur Unterstützung der Freischärler gesammelt worden war.

* Speyer, 18. Juli.

Das geknechtete Deutschland wurde mit Rothstift, das befreite, souveräne deutsche Volk wird mit dem Säbel zensirt. Das ist unsere Errungenschaft auf „breitester demokratischer Grundlage.“ Dieses modernste Censurwesen wird, wo möglich noch einen größern Auffschwung nehmen, sobald die Vermehrung des stehenden Heeres im „einigen und freien“ Deutschland durch 2 Proz. von der gesammten Bevölkerung und die Ernährung des hinzukommenden Ueberschusses durch 100 Millionen Tblr. neuer Steuern zu Stande gebracht ist. Doch kommen wir auf die neue Censur zurück! Im Schaufenster einer hiesigen Buchhandlung hing das Bildniß Heckers. Eine Masse Soldaten, klug aufgereizt, und angefeuert, solche Missethat nicht zu dulden schlugen gestern Abend nicht blos die betreffenden Fenster ein, sondern hieben auch tapfer auf Civilisten los. Nachdem Einige der letzteren verwundet wurden und die Aufregung stieg, kamen einige der Herren Offiziere herbei redeten ihnen zu und bewogen sie nach Hause zu gehen. Das gelang ihnen, so daß um 10 Uhr die Straßen ziemlich ruhig waren. Ich brauche Ihnen wohl kaum zu bemerken, daß nach der modernsten Redensart„eine strenge Untersuchung“ eingeleitet werden soll.

Nach den neuesten Berichten italienischer Blätter läßt Se. bombardirende Majestät in Neapel ganz auf dieselbe Weise die bewaffnete Censur auf schlagende Weise ausüben. Die blos streichende hat sich überlebt.

Dieses noblen Gewerbes zum Vorschein. Ein neues Beispiel davon liefert die „Fr. O. P. A. Z.“ in folgendem Artikel:

Freiburg, 17. Juli,

Abends 10. Uhr.

So eben haben wir einen kleinen Militärtumult gehabt, indem sich würtembergische Soldaten vor einem Antiquariatsladen sammelten und Miene machten, denselben zu zerstören, weil am Fenster ein gegen sie gerichtetes Schmähgedicht ausgesteckt war. General Baumbach erschien aber bald auf dem Platze, um die Soldaten zu beschwichtigen, was ihm auch gelang. Indessen vermehrte sich die Zahl der Zuschauer. Nun rief die Trommel die Soldaten auf die Sammelplätze, wo ihnen abermals ruhiges Verhalten empfohlen wurde, was jedoch nichts half, indem sie schnell wieder dahin sich begaben, wo man sie muthwillig zu reizen sich bemüht hatte. Die Läden wurden aufgerissen, die Fenster zertrümmert und das Schmachgedicht herausgeholt. Den herbeigeeilten Offizieren und dem Einschreiten der Polizei gelang es endlich die Menge zu zerstreuen. Der Veranlasser des Tumults, Antiquar Butz, hat sich flüchtig gemacht. Die Würtemberger marschiren morgen früh um 5 Uhr von hier nach ihrer Heimath.

* Rendsburg, 16. Juli.

Wie es heißt, hat die provisorische Regierung dem Hauptmann Wobeser, der vom Freikorps an sie geschickt worden, erklärt, sie werde in eine schmachvolle Auflösung des Korps nicht willigen; übrigens sei es leicht möglich, daß die Auflösung überhaupt nicht stattfinde, da der Krieg vielleicht fortgesetzt (?) werde.

Rendsburg, 19. Juli.

In der gestrigen Sitzung der schleswig-holsteinischen Stände-Versammlung kam die Angelegenheit wegen des Waffenstillstandes zur Sprache, Der Kommissar erklärte dabei unter Anderem: Aus vertraulichen Mittheilungen weiß die provisorische Regierung, daß zwei Punkte in den Waffenstillstands-Bedingungen zur Frage stehen. Der erste betrifft das Fortbestehen oder Abtreten der provisorischen Regierung, und über diesen Punkt habe ich mich bereits dahin ausgesprochen, daß die provisorische Regierung, so lange sie sich des Vertrauens des schleswig-holsteinischen Volkes versichert halten darf, nur im Einverständniß mit der Centralgewalt, oder auf Aufforderung des Reichsverwesers abtreten wird. Der zweite Punkt betrifft die Stellung und das Verhältniß der schleswig-holsteinischen Truppen, und in Bezug auf diesen Punkt wird die provisorische nie einwilligen, daß dieselben während des Waffenstillstandes ganz oder theilweise aufgelöst werden, vielmehr erkennt sie es als nothwendig an, daß sie zur Disposition der Landesregierung gestellt bleiben, welche über ihre Uebungen, Cantonnements u. dgl. zu bestimmen haben muß. Brackel: Ich glaube, daß die frühere Erklärung der provisorischen Regierung wegen ihres Nichtabtretens sowohl in dieser Versammlung, wie im ganzen Lande, die freudigste Zustimmung gefunden hat. Dieselbe Ueberzeugung hege ich von der eben vernommenen Erklärung derselben in Betreff der Stellung und des Verhältnisses der schleswig-holsteinischen Truppen. Ich erlaube mir daher den Antrag zu stellen, daß die Versammlung durch Aufstehen der provisorischen Regierung ihren Dank für beide Erklärungen votiren möge. Blome ist dagegen; es wäre patriotischer von der provisorischen Regierung, wenn sie freiwillig abtrete. (Ungeheurer Unwillen im Saale wie auf den Tribünen macht sich Luft.) Der Präsident ermahnt zur Ruhe unter der Drohung, die Sitzung widrigenfalls schließen zu müssen, und bringt dann den Antrag Brackel's zur Abstimmung, welcher mit 53 Stimmen gegen 13 angenommen wird.

(Schl. Holst. Z.)
Dänemark.
* Kopenhagen.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
Großbritannien.
* London, 19. Juli.

Die gestrigen Parlamentsverhandlungen waren von wenig Bedeutung. Der Herzog von Richmond machte eine Motion in Betreff der vom Auslande importirten Schafe und Lord Wharncliffe reichte eine Petition wegen der Bankrutt-Gesetze ein. Im Unterhause debattirte man eine Bill in Betreff des Straßenbau's. In der heutigen Sitzung des Unterhauses kamen die Zuckergesetze zur Sprache und Lord John Russel bemerkte, daß er am nächsten Freitag das jährliche Budget des Landes dem Hause vorlegen werde.

Aus Dublin hört man, daß Lord Clarendon im Laufe dieser Woche hierher reisen wird, um sich mit dem Gouvernement in Betreff des alarmirenden Zustandes von Irland zu berathen und wirksamere Maßregeln gegen die revolutionären Klubs u. s. w. zu verlangen.

‒ Der Chartist Dr. M'Douall, der vor Kurzem in Ashton-under-Lyne wegen aufrührerischer Reden verhaftet wurde, ist vor die Assisen verwiesen. Nachdem er 600 Pfund St. Bürgschaft gestellt hatte, wurde er einstweilen wieder in Freiheit gesetzt.

Dublin, 18. Juli.

Der Lord-Lieutenant von Irland hat heute erklärt, daß der jüngste Akt in Betreff revolutionärer Vorgänge: auf Land und Stadt Dublin, Drogheda, Sadt Cork, Waterford und mehrere andere Bezirke anwendbar sei. Nach diesem Akte müssen auf Verlangen der Behörde alle Waffen u. s. w. ausgeliefert werden.

‒ In Carrik-on-Suir wurde gestern der katholische Pfarrer Herr Byrne wegen aufrührerischer Reden verhaftet und nach Bridewell abgeführt. Das Volk versammelte sich aber in großen Massen und stürmte das Gefängniß, indem es sowohl Hr. Byrne wie alle übrigen Gefangenen in Freiheit setzte.

Die Abreise Lord Clarendon's ist für einige Tage aufgeschoben.

* Dublin, 17. Juli.

Die Zeitungsverkäufer hatten am Sonnabend morgen aus Furcht vor der überall aufgestellten und wachsamen Polizei, wie aus Angst vor den hohen Strafandrohungen sich geweigert, Nummern des „Irisch Felou“ (des „irischen Verbrechers“) zu verkaufen. Als aber des Nachmittags und besonders gegen Abend die Nachfrage immer größer wurde und Tausende von Menschen Nummern verlangten und theilweis sogar große Summen dafür anboten, konnten die Verkäufer diesem Anreiz nicht länger widerstehen. In einer Viertelstunde waren viele Tausende Exemplare abgesetzt und bald verschlungen ‒ im bildlichen Sinne. Mehrere von den Verkäufern wurden später verhaftet. Heute standen sie vor Gericht. Man wagte nicht, sie zu bestrafen. Sie wurden ernstlich verwarnt und entlassen. Die Folge davon ist daß auch heute nach der Sonnabend-Nummer des „Felon“ außerordentlich verlangt und jede Summe geboten wird, wofern man nur ein Exemplar dafür erhält.

Französische Republik.
16 Paris, 19. Juli.

Sechs und vierzig Unterpräfekten auf einmal hat der Minister des Innern entsetzt, und drei; Präfekten; freilich Ledrü-Rollin hatte sie ernannt. Und wie scharfäugig die Trabanten des Thiers („dessen Geist gleich einer Fackel“: Constitutionnel) sind. Dem abgesetzten Präfekten Düfraisse vom Indredepartment haben sie nachgeforscht, daß er vor zwölf Jahren einen Brief an Blanqui's Freund Gay geschrieben und den Guillotinentod des greisen Morey, der in das Fieschi'sche Attentat auf Louis Philippe verwickelt war, einen Märtyrertod genannt. Den Präfekten des Aisnedepartements fordert das Thiersjournal dieser Provinz folgendermaßen heraus: „Er hat öffentlich gesagt, wenn die Arbeiterklasse jetzt noch ein Mal besiegt wird, so ist es das letzte Mal, und dann kommt die Reihe an die Bourgeoisklasse; ja, das unerhörte Wort hat er gesagt, er träumt wohl das provisorische Gouvernement bestehe noch? aber er soll bald seinen Anachronismus bereuen, und um ihm dahin zu verhelfen denunciren wir ihn bis er uns denuncirt; die honnetten Bürger dieses Departments haben gelobt, nicht zu ruhen bis der gefährliche Beamte gestürzt ist, und schicken sofort die mit Unterschriften beglaubigte Anzeige nach Paris an die Untersuchungs-Kommission der National-Versammlung.“ Mehrere Souspräfekten im Süden hatten Klubs geleitet, worin über Theismus und Atheismus diskutirt und votirt ward; obschon der erstere eine (sehr schmale) Majorität vereinigte, ist der Staatsbeamte kassirt worden. „Wenn wir diesmal die Arme unterschlagen, ruft L'Avenir National, so ist das wahre Frankreich verloren; nur dadurch können wir den, ach so theuer! errungenen Sieg festhalten, daß wir an Energie die frevelhafte (impie) Partei des Provisoriums übertreffen.“ Dazu wird allerdings nicht viel gehören.‒ Jetzt geht das Verhaften an die Frauen; mehrere Marketenderinnen sind gestern nachträglich arretirt; auch Mätressen von Duvriers, die in Mannskleidern Barrikaden bauten und die Sturmglocken zogen. In der Rue Laharpe arretirte gestern die honnette Gerechtigkeit ein Weib, welches in den Schlachttagen Kugeln gegossen; die Denunzianten hatten drei volle Wochen gebraucht. Täglich verpackt und versendet man unhonnette Duvriers in ihre Heimath; nach Paris wird keiner zugelassen, Viertausend schaffte man nach Bordeaux, worüber das dortige Bourgeoisblatt Zeter anstimmt und zu „energischem Empfange dieser Herumtreiber“ auffordert, „zumal mindestens zweitausend ganz ohne pecuniäre Unterstützung wären.“ Dasselbe Gironde-Journal predigt wieder Föderalismus, Abschaffung der Zölle (von wegen der Girondeweine) und schließt mit einem mühseligen historischen Sermon über die Misere republikanischer Centralisation; nur Henri V. wolle „den Provinzen neues Leben einhauchen,“ und der Graf von Paris werde „gewiß“ nicht abgeneigt sein in diesem Systeme des kinderlosen Fürsten dermaleinst fortzufahren. Also Allianz der Karlisten mit den Philippisten, klar ausgesprochen bei Gelegenheit des Bordeaurweins.‒ Der Verkehr auf dem Pariser Pflaster ist wieder unbehindert; alle Parks sind wieder offen; die Räuber, die in dem nämlichen Tunnel der Tuilerien durch den Louis Philippe entfloh, zusammengestaucht lagen, sind längst „kasematirt,“ und die Bourgeois promeniren ungestört am Bassin der Goldfischlein. Wohin mit der gefangenen Armee? Diese Frage wird vom „Avenir National“ in recht nationaler Weise mit dem Vorschlage beantwortet, diese „Brigands“ vermöge Geldvergütung den Engländern zur Deportation abzutreten; was Herr Thiers für annoch unnütz erklärt, „da Frankreich die üppig grünenden Fluren am Oyapok und das paradisische Tropenland Cayenne glücklicherweise besitze.“ So sprach er sich in den Bureaux aus. Sehr bezeichnend ist, daß seit Juni keine der in den Bureau-Kommissionen gehaltenen Reden mehr in voller Ausdehnung gedruckt werden darf; Lamartine hatte die seinige publicirt und mußte dafür publike Abbitte leisten. ‒ Der Enthusiasmus der französischen Bourgeois für „das biedere, gesetzmäßig strebende“ Deutschland wächst rührend seit der Wahl des Reichsverwesers; im traulichen Zirkel der Rue Poitiers ist bereits eine Spezial-Adresse an „den würdigen Greis“ angeregt worden, „dessen Avenement mit dem brillanten Junisiege merveilleuser Weise zusammentreffe.“ Diese Machiavellisten der Rue Poitiers, lauter glatzhäuptige wackelige Messieurs „in dem besten Mannesalter,“ nennen sich in vollem Ernst „die jungen Politiker.“ Thiers hatte bekanntlich im März geäußert, ihn ekele Europa an und er wolle nach Amerika wandern; da besuchte ihn Barrot (trotzdem daß dessen Frau gesagt: ich sähe meinen Mann lieber mit einer Straßendirne als mit Herrn Thiers,) und beschwor ihn das Vaterland zu retten. Endlich rief der kleine Held: „ja, die Jakobiner haben uns die Regentschaft [#], wir können ihnen noch einmal ihre Republik konfisziren, „ und sie setzen sich rüstig ans noble Werk.

‒ Der Schluß der gestrigen Sitzung der Nationalversammlung war außerordentlich stürmisch. Der Sturz des Kriegsministers, Lamoricière, hing an Einem Haare. An der Tagesordnung war bekanntlich der kostenfreie Besuch in den Polytechnischen- und Militärschulen, den die sogenannten Moderirten, mit ihren Feldwebeln Baraguey d'Hilliers, L'Espinasse etc. an der Spitze, durchaus nicht zugeben wollten, weil dadurch alle Welt Zutritt erhielte und ein solcher Zulauf zu sehr demokratisire. Die alte Exekutivgewalt hatte den Plan gefaßt, Jedermann den Zutritt gratis zu gestatten; Lamoricière hatte diesen Plan zu dem seinigen gemacht und der Kriegsausschuß verlangte durch sein Organ Tredern zunächst die Summe von 214,550 Franken, um am 1. Okt. 1848 in die Schulen Ecole polytechnique und Ecole de St. Cyr eine größere Zahl aufzunehmen. Der Antrag auf vollständige Kostenfreiheit wurde daher von allen Anhängern des alten Regime benutzt, um die Republik in der Person Lamoricières zu bekämpfen. Lamoricière hielt indessen am Antrage fest und machte Miene, diese scheinbare Kleinigkeit zur Kabinetsfrage zu erheben. Er sagte, es käme ihm nicht auf sofortige Zulassung aller Befähigten an und man könne sie seinetwegen bis zum Neujahr 1850 verschieben; allein er halte am Prinzipe fest und protestire gegen jede Vertagung, die einer Niederlage gleichsehe. Man schritt zur Abstimmung. Zweifelhaftes Resultat. Das Votum per Devision wird verlangt. Zum Unglück liegen aber keine Stimmzettel auf den Bänken und man muß zum geheimen Skrutinium zurückgehen. Das geheime Skrutinium geschieht bekanntlich durch Kugeln, wobei sich Niemand kompromittirt, während das Votum zur Division die Namen auf jedem Zettel trägt. Der Lärm und das Geschrei werden entsetzlich. Alle Welt ist dem Ersticken nahe. Unter diesem Lärmen und Gestikuliren verkündete Vicepräsident Portalis um 71/4 Uhr endlich das Resultat der Abstimmung.

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          <p><pb facs="#f0003" n="0259"/>
men, ging dem Volke entgegen, und es gelang ihm, dasselbe durch Ermahnungen             und Zureden zu beruhigen. Er allein war auch nur im Stande, das auf den Dörfern über die             Soldaten empörte Volk zum Rückzuge zu bewegen. Das Blutbad wäre furchtbar geworden. Man             muß bedenken, daß die hiesige katholische Pfarrei allein über 6000 Seelen zählt und die             Sturmglocke wurde auch in den Nachbarkirchen geläutet. Das Militär mußte die ganze Nacht             bivouaquiren. Zum Arsenal wurden etliche beim Militär befindliche Polen beordert. Diese             fingen in der Nacht an, das polnische Lied: Zu Dir, o Herr! flehen wir u. s. w. zu             singen. Dem Major gefiel das gar nicht; er eilte herbei und sagte: Kerle, singt doch             nicht solche Bettellieder, hier habt ihr einen Thaler auf Schnaps, und singt lieber:             Schier dreißig Jahre bist du alt, hast manchen Sturm erlebt!&#x2012; Man wartet hier mit             Sehnsucht auf günstige Beschlüsse der Nationalversammlung zu Berlin; aber Hoffen und             Harren macht die Polen noch immer zu Narren. Das liebenswürdige (!) Ministerium und die             Rechte der Vereinbarungskammer und die furchtbaren (!) Reden des Abgeordneten Bauer aus             Krotoschin, sowie des Abgeordneten Bußmann aus Gnesen machen freilich den Polen wenig             Hoffnung; aber ein herzlicher Dank sei der Linken und zum Theil dem Centrum von dem             unglücklichen, verrathenen, gemordeten und geprügelten Volke für das letzthin in der             Vereinbarungskammer dargelegte Gerechtigkeitsgefühl hiermit ausgesprochen.</p>
        </div>
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          <head>Worms, 16. Juli.</head>
          <p>Gestern Abend haben hier Unruhen stattgefunden. Es wurde nämlich der vierte Wagen mit             gefesselten gefangenen Freischärlern hierher gebracht, um den anderen Tag weiter             transportirt zu werden. Das Volk, durch den traurigen Anblick der drei früheren Wagen             bereits heftig bewegt, sprach bei Ankunft des vierten davon, die Gefangenen, vor deren             Aufbewahrungsort sich große Massen gesammelt hatten, zu befreien. Der Kreisrath             requirirte nun ein Delachement Soldaten statt Bürgerwehr zur Bewachung des Gefängnisses,             und erregte vollends den Unwillen des Volkes. Es ertönte der Ruf: &#x201E;Bürgerwehr heraus!&#x201C;             Ein Theil derselben nebst der Turner-Kompagnie erschien und es wurde nun nochmals             nachdrücklich der Abzug des Militärs von dem der Stadt gehörigen und deshalb nur von             Bürgerwehr zu schützenden Gebäude verlangt, welche auch endlich erfolgte. Die Wache             wurde der Bürgerwehr übergeben. Gegen 12 Uhr verlief sich die Masse; nachdem noch Geld             zur Unterstützung der Freischärler gesammelt worden war.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar052_011" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Speyer, 18. Juli.</head>
          <p>Das geknechtete Deutschland wurde mit Rothstift, das befreite, souveräne deutsche Volk             wird mit dem Säbel zensirt. Das ist unsere Errungenschaft auf &#x201E;breitester demokratischer             Grundlage.&#x201C; Dieses modernste Censurwesen wird, wo möglich noch einen größern Auffschwung             nehmen, sobald die Vermehrung des stehenden Heeres im &#x201E;einigen und freien&#x201C; Deutschland             durch 2 Proz. von der gesammten Bevölkerung und die Ernährung des hinzukommenden             Ueberschusses durch 100 Millionen Tblr. neuer Steuern zu Stande gebracht ist. Doch             kommen wir auf die neue Censur zurück! Im Schaufenster einer hiesigen Buchhandlung hing             das Bildniß Heckers. Eine Masse Soldaten, klug aufgereizt, und angefeuert, solche             Missethat nicht zu dulden schlugen gestern Abend nicht blos die betreffenden Fenster             ein, sondern hieben auch tapfer auf Civilisten los. Nachdem Einige der letzteren             verwundet wurden und die Aufregung stieg, kamen einige der Herren Offiziere herbei             redeten ihnen zu und bewogen sie nach Hause zu gehen. Das gelang ihnen, so daß um 10 Uhr             die Straßen ziemlich ruhig waren. Ich brauche Ihnen wohl kaum zu bemerken, daß nach der             modernsten Redensart&#x201E;eine strenge Untersuchung&#x201C; eingeleitet werden soll.</p>
          <p>Nach den neuesten Berichten italienischer Blätter läßt Se. bombardirende Majestät in             Neapel ganz auf dieselbe Weise die bewaffnete Censur auf schlagende Weise ausüben. Die             blos streichende hat sich überlebt.</p>
          <p>Dieses noblen Gewerbes zum Vorschein. Ein neues Beispiel davon liefert die &#x201E;Fr. O. P.             A. Z.&#x201C; in folgendem Artikel:</p>
        </div>
        <div xml:id="ar052_012" type="jArticle">
          <head>Freiburg, 17. Juli,</head>
          <p>Abends 10. Uhr.</p>
          <p>So eben haben wir einen kleinen Militärtumult gehabt, indem sich würtembergische             Soldaten vor einem Antiquariatsladen sammelten und Miene machten, denselben zu             zerstören, weil am Fenster ein gegen sie gerichtetes Schmähgedicht ausgesteckt war.             General Baumbach erschien aber bald auf dem Platze, um die Soldaten zu beschwichtigen,             was ihm auch gelang. Indessen vermehrte sich die Zahl der Zuschauer. Nun rief die             Trommel die Soldaten auf die Sammelplätze, wo ihnen abermals ruhiges Verhalten empfohlen             wurde, was jedoch nichts half, indem sie schnell wieder dahin sich begaben, wo man sie             muthwillig zu reizen sich bemüht hatte. Die Läden wurden aufgerissen, die Fenster             zertrümmert und das Schmachgedicht herausgeholt. Den herbeigeeilten Offizieren und dem             Einschreiten der Polizei gelang es endlich die Menge zu zerstreuen. Der Veranlasser des             Tumults, Antiquar Butz, hat sich flüchtig gemacht. Die Würtemberger marschiren morgen             früh um 5 Uhr von hier nach ihrer Heimath.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar052_013" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Rendsburg, 16. Juli.</head>
          <p>Wie es heißt, hat die provisorische Regierung dem Hauptmann Wobeser, der vom Freikorps             an sie geschickt worden, erklärt, sie werde in eine schmachvolle Auflösung des Korps             nicht willigen; übrigens sei es leicht möglich, daß die Auflösung überhaupt nicht             stattfinde, da der Krieg vielleicht fortgesetzt (?) werde.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar052_014" type="jArticle">
          <head>Rendsburg, 19. Juli.</head>
          <p>In der gestrigen Sitzung der schleswig-holsteinischen Stände-Versammlung kam die             Angelegenheit wegen des Waffenstillstandes zur Sprache, Der Kommissar erklärte dabei             unter Anderem: Aus vertraulichen Mittheilungen weiß die provisorische Regierung, daß             zwei Punkte in den Waffenstillstands-Bedingungen zur Frage stehen. Der erste betrifft             das <hi rendition="#g">Fortbestehen oder Abtreten der provisorischen Regierung,</hi> und             über diesen Punkt habe ich mich bereits dahin ausgesprochen, daß die provisorische             Regierung, so lange sie sich des Vertrauens des schleswig-holsteinischen Volkes             versichert halten darf, nur im Einverständniß mit der Centralgewalt, oder auf             Aufforderung des Reichsverwesers abtreten wird. Der zweite Punkt betrifft <hi rendition="#g">die Stellung und das Verhältniß der schleswig-holsteinischen               Truppen,</hi> und in Bezug auf diesen Punkt wird die provisorische <hi rendition="#g">nie einwilligen, daß dieselben während des Waffenstillstandes ganz oder theilweise               aufgelöst werden,</hi> vielmehr erkennt sie es als nothwendig an, daß sie zur             Disposition der Landesregierung gestellt bleiben, welche über ihre Uebungen,             Cantonnements u. dgl. zu bestimmen haben muß. <hi rendition="#g">Brackel:</hi> Ich             glaube, daß die frühere Erklärung der provisorischen Regierung wegen ihres             Nichtabtretens sowohl in dieser Versammlung, wie im ganzen Lande, die freudigste             Zustimmung gefunden hat. Dieselbe Ueberzeugung hege ich von der eben vernommenen             Erklärung derselben in Betreff der Stellung und des Verhältnisses der             schleswig-holsteinischen Truppen. Ich erlaube mir daher den Antrag zu stellen, daß die             Versammlung durch Aufstehen der provisorischen Regierung ihren Dank für beide             Erklärungen votiren möge. <hi rendition="#g">Blome</hi> ist dagegen; es wäre             patriotischer von der provisorischen Regierung, wenn sie freiwillig abtrete. (Ungeheurer             Unwillen im Saale wie auf den Tribünen macht sich Luft.) Der Präsident ermahnt zur Ruhe             unter der Drohung, die Sitzung widrigenfalls schließen zu müssen, und bringt dann den             Antrag Brackel's zur Abstimmung, welcher mit 53 Stimmen gegen 13 angenommen wird.</p>
          <bibl>(Schl. Holst. Z.)</bibl>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Dänemark.</head>
        <div xml:id="ar052_015_c" type="jArticle">
          <note type="editorial">Edition: <bibl>Friedrich Engels: Der Waffenstillstand. Übersetzung. In: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi> I/7. S. 797.</bibl></note>
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Kopenhagen.</head>
          <gap reason="copyright"/>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Großbritannien.</head>
        <div xml:id="ar052_016" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> London, 19. Juli.</head>
          <p>Die gestrigen Parlamentsverhandlungen waren von wenig Bedeutung. Der Herzog von             Richmond machte eine Motion in Betreff der vom Auslande importirten Schafe und Lord             Wharncliffe reichte eine Petition wegen der Bankrutt-Gesetze ein. Im Unterhause             debattirte man eine Bill in Betreff des Straßenbau's. In der heutigen Sitzung des             Unterhauses kamen die Zuckergesetze zur Sprache und Lord John Russel bemerkte, daß er am             nächsten Freitag das jährliche Budget des Landes dem Hause vorlegen werde.</p>
          <p>Aus Dublin hört man, daß Lord Clarendon im Laufe dieser Woche hierher reisen wird, um             sich mit dem Gouvernement in Betreff des alarmirenden Zustandes von Irland zu berathen             und wirksamere Maßregeln gegen die revolutionären Klubs u. s. w. zu verlangen.</p>
          <p>&#x2012; Der Chartist Dr. M'Douall, der vor Kurzem in Ashton-under-Lyne wegen aufrührerischer             Reden verhaftet wurde, ist vor die Assisen verwiesen. Nachdem er 600 Pfund St.             Bürgschaft gestellt hatte, wurde er einstweilen wieder in Freiheit gesetzt.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar052_017" type="jArticle">
          <head>Dublin, 18. Juli.</head>
          <p>Der Lord-Lieutenant von Irland hat heute erklärt, daß der jüngste Akt in Betreff             revolutionärer Vorgänge: auf Land und Stadt Dublin, Drogheda, Sadt Cork, Waterford und             mehrere andere Bezirke anwendbar sei. Nach diesem Akte müssen auf Verlangen der Behörde             alle Waffen u. s. w. ausgeliefert werden.</p>
          <p>&#x2012; In Carrik-on-Suir wurde gestern der katholische Pfarrer Herr Byrne wegen             aufrührerischer Reden verhaftet und nach Bridewell abgeführt. Das Volk versammelte sich             aber in großen Massen und stürmte das Gefängniß, indem es sowohl Hr. Byrne wie alle             übrigen Gefangenen in Freiheit setzte.</p>
          <p>Die Abreise Lord Clarendon's ist für einige Tage aufgeschoben.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar052_018" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Dublin, 17. Juli.</head>
          <p>Die Zeitungsverkäufer hatten am Sonnabend morgen aus Furcht vor der überall             aufgestellten und wachsamen Polizei, wie aus Angst vor den hohen Strafandrohungen sich             geweigert, Nummern des &#x201E;Irisch Felou&#x201C; (des &#x201E;irischen Verbrechers&#x201C;) zu verkaufen. Als             aber des Nachmittags und besonders gegen Abend die Nachfrage immer größer wurde und             Tausende von Menschen Nummern verlangten und theilweis sogar große Summen dafür anboten,             konnten die Verkäufer diesem Anreiz nicht länger widerstehen. In einer Viertelstunde             waren viele Tausende Exemplare abgesetzt und bald verschlungen &#x2012; im bildlichen Sinne.             Mehrere von den Verkäufern wurden später verhaftet. Heute standen sie vor Gericht. Man             wagte nicht, sie zu bestrafen. Sie wurden ernstlich verwarnt und entlassen. Die Folge             davon ist daß auch heute nach der Sonnabend-Nummer des &#x201E;Felon&#x201C; außerordentlich verlangt             und jede Summe geboten wird, wofern man nur ein Exemplar dafür erhält.</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Französische Republik.</head>
        <div xml:id="ar052_019" type="jArticle">
          <head><bibl><author>16</author></bibl> Paris, 19. Juli. </head>
          <p>Sechs und vierzig Unterpräfekten auf einmal hat der Minister des Innern entsetzt, und             drei; Präfekten; freilich Ledrü-Rollin hatte sie ernannt. Und wie scharfäugig die             Trabanten des Thiers (&#x201E;dessen Geist gleich einer Fackel&#x201C;: Constitutionnel) sind. Dem             abgesetzten Präfekten Düfraisse vom Indredepartment haben sie nachgeforscht, daß er vor             zwölf Jahren einen Brief an Blanqui's Freund Gay geschrieben und den Guillotinentod des             greisen Morey, der in das Fieschi'sche Attentat auf Louis Philippe verwickelt war, einen             Märtyrertod genannt. Den Präfekten des Aisnedepartements fordert das Thiersjournal             dieser Provinz folgendermaßen heraus: &#x201E;Er hat öffentlich gesagt, wenn die Arbeiterklasse             jetzt noch ein Mal besiegt wird, so ist es das letzte Mal, und dann kommt die Reihe an             die Bourgeoisklasse; ja, das unerhörte Wort hat er gesagt, er träumt wohl das             provisorische Gouvernement bestehe noch? aber er soll bald seinen Anachronismus bereuen,             und um ihm dahin zu verhelfen <hi rendition="#g">denunciren wir ihn bis er uns               denuncirt;</hi> die honnetten Bürger dieses Departments haben gelobt, nicht zu ruhen             bis der gefährliche Beamte gestürzt ist, und schicken sofort die mit Unterschriften             beglaubigte Anzeige nach Paris an die Untersuchungs-Kommission der             National-Versammlung.&#x201C; Mehrere Souspräfekten im Süden hatten Klubs geleitet, worin über             Theismus und Atheismus diskutirt und votirt ward; obschon der erstere eine (sehr             schmale) Majorität vereinigte, ist der Staatsbeamte kassirt worden. &#x201E;Wenn wir diesmal             die Arme unterschlagen, ruft L'Avenir National, so ist das <hi rendition="#g">wahre</hi> Frankreich verloren; nur dadurch können wir den, ach so theuer! errungenen Sieg             festhalten, daß wir an <hi rendition="#g">Energie</hi> die frevelhafte (impie) Partei             des Provisoriums übertreffen.&#x201C; Dazu wird allerdings nicht viel gehören.&#x2012; Jetzt geht das             Verhaften an die Frauen; mehrere Marketenderinnen sind gestern nachträglich arretirt;             auch Mätressen von Duvriers, die in Mannskleidern Barrikaden bauten und die Sturmglocken             zogen. In der Rue Laharpe arretirte gestern die <hi rendition="#g">honnette</hi> Gerechtigkeit ein Weib, welches in den Schlachttagen Kugeln gegossen; die Denunzianten             hatten drei volle Wochen gebraucht. Täglich verpackt und versendet man <hi rendition="#g">unhonnette</hi> Duvriers in ihre Heimath; nach Paris wird keiner             zugelassen, Viertausend schaffte man nach Bordeaux, worüber das dortige Bourgeoisblatt             Zeter anstimmt und zu &#x201E;energischem Empfange dieser Herumtreiber&#x201C; auffordert, &#x201E;zumal <hi rendition="#g">mindestens zweitausend</hi> ganz ohne pecuniäre Unterstützung wären.&#x201C;             Dasselbe Gironde-Journal predigt wieder Föderalismus, Abschaffung der Zölle (von wegen             der Girondeweine) und schließt mit einem mühseligen historischen Sermon über die Misere             republikanischer Centralisation; nur Henri V. wolle &#x201E;den Provinzen neues Leben             einhauchen,&#x201C; und der Graf von Paris werde &#x201E;gewiß&#x201C; nicht abgeneigt sein in diesem Systeme             des kinderlosen Fürsten dermaleinst fortzufahren. <hi rendition="#g">Also Allianz der               Karlisten mit den Philippisten,</hi> klar ausgesprochen bei Gelegenheit des             Bordeaurweins.&#x2012; Der Verkehr auf dem Pariser Pflaster ist wieder unbehindert; alle Parks             sind wieder offen; die Räuber, die in dem nämlichen Tunnel der Tuilerien durch den Louis             Philippe entfloh, zusammengestaucht lagen, sind längst &#x201E;kasematirt,&#x201C; und die Bourgeois             promeniren ungestört am Bassin der Goldfischlein. Wohin mit der gefangenen Armee? Diese             Frage wird vom &#x201E;Avenir National&#x201C; in recht nationaler Weise mit dem Vorschlage             beantwortet, diese &#x201E;Brigands&#x201C; vermöge Geldvergütung den Engländern zur Deportation             abzutreten; was Herr Thiers für annoch unnütz erklärt, &#x201E;da Frankreich die üppig             grünenden Fluren am Oyapok und das paradisische Tropenland Cayenne glücklicherweise             besitze.&#x201C; So sprach er sich in den Bureaux aus. Sehr bezeichnend ist, daß seit Juni             keine der in den Bureau-Kommissionen gehaltenen Reden mehr <hi rendition="#g">in voller               Ausdehnung</hi> gedruckt werden darf; Lamartine hatte die seinige publicirt und mußte             dafür publike Abbitte leisten. &#x2012; Der Enthusiasmus der französischen Bourgeois für &#x201E;das             biedere, gesetzmäßig strebende&#x201C; Deutschland wächst rührend seit der Wahl des             Reichsverwesers; im traulichen Zirkel der Rue Poitiers ist bereits eine Spezial-Adresse             an &#x201E;den würdigen Greis&#x201C; angeregt worden, &#x201E;dessen Avenement mit dem brillanten Junisiege             merveilleuser Weise zusammentreffe.&#x201C; Diese Machiavellisten der Rue Poitiers, lauter             glatzhäuptige wackelige Messieurs &#x201E;in dem besten Mannesalter,&#x201C; nennen sich in vollem             Ernst &#x201E;die jungen Politiker.&#x201C; Thiers hatte bekanntlich im März geäußert, ihn ekele             Europa an und er wolle nach Amerika wandern; da besuchte ihn Barrot (trotzdem daß dessen             Frau gesagt: ich sähe meinen Mann lieber mit einer Straßendirne als mit Herrn Thiers,)             und beschwor ihn das Vaterland zu retten. Endlich rief der kleine Held: &#x201E;ja, die             Jakobiner haben uns die Regentschaft [#], wir können ihnen noch einmal ihre Republik             konfisziren, &#x201E; und sie setzen sich rüstig ans noble Werk.</p>
          <p>&#x2012; Der Schluß der gestrigen Sitzung der Nationalversammlung war außerordentlich             stürmisch. Der Sturz des Kriegsministers, Lamoricière, hing an Einem Haare. An der             Tagesordnung war bekanntlich der <hi rendition="#g">kostenfreie</hi> Besuch in den             Polytechnischen- und Militärschulen, den die sogenannten Moderirten, mit ihren             Feldwebeln Baraguey d'Hilliers, L'Espinasse etc. an der Spitze, durchaus nicht zugeben             wollten, weil dadurch alle Welt Zutritt erhielte und ein solcher Zulauf zu sehr             demokratisire. Die alte Exekutivgewalt hatte den Plan gefaßt, Jedermann den Zutritt             gratis zu gestatten; Lamoricière hatte diesen Plan zu dem seinigen gemacht und der             Kriegsausschuß verlangte durch sein Organ Tredern zunächst die Summe von 214,550             Franken, um am 1. Okt. 1848 in die Schulen Ecole polytechnique und Ecole de St. Cyr eine             größere Zahl aufzunehmen. Der Antrag auf vollständige Kostenfreiheit wurde daher von             allen Anhängern des alten Regime benutzt, um die Republik in der Person Lamoricières zu             bekämpfen. Lamoricière hielt indessen am Antrage fest und machte Miene, diese scheinbare             Kleinigkeit zur Kabinetsfrage zu erheben. Er sagte, es käme ihm nicht auf <hi rendition="#g">sofortige</hi> Zulassung aller Befähigten an und man könne sie             seinetwegen bis zum Neujahr 1850 verschieben; allein er halte am Prinzipe fest und             protestire gegen jede Vertagung, die einer Niederlage gleichsehe. Man schritt zur             Abstimmung. Zweifelhaftes Resultat. Das Votum per Devision wird verlangt. Zum Unglück             liegen aber keine Stimmzettel auf den Bänken und man muß zum geheimen Skrutinium             zurückgehen. Das geheime Skrutinium geschieht bekanntlich durch Kugeln, wobei sich             Niemand kompromittirt, während das Votum zur Division die Namen auf jedem Zettel trägt.             Der Lärm und das Geschrei werden entsetzlich. Alle Welt ist dem Ersticken nahe. Unter             diesem Lärmen und Gestikuliren verkündete Vicepräsident Portalis um 71/4 Uhr endlich das             Resultat der Abstimmung.</p>
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[0259/0003] men, ging dem Volke entgegen, und es gelang ihm, dasselbe durch Ermahnungen und Zureden zu beruhigen. Er allein war auch nur im Stande, das auf den Dörfern über die Soldaten empörte Volk zum Rückzuge zu bewegen. Das Blutbad wäre furchtbar geworden. Man muß bedenken, daß die hiesige katholische Pfarrei allein über 6000 Seelen zählt und die Sturmglocke wurde auch in den Nachbarkirchen geläutet. Das Militär mußte die ganze Nacht bivouaquiren. Zum Arsenal wurden etliche beim Militär befindliche Polen beordert. Diese fingen in der Nacht an, das polnische Lied: Zu Dir, o Herr! flehen wir u. s. w. zu singen. Dem Major gefiel das gar nicht; er eilte herbei und sagte: Kerle, singt doch nicht solche Bettellieder, hier habt ihr einen Thaler auf Schnaps, und singt lieber: Schier dreißig Jahre bist du alt, hast manchen Sturm erlebt!‒ Man wartet hier mit Sehnsucht auf günstige Beschlüsse der Nationalversammlung zu Berlin; aber Hoffen und Harren macht die Polen noch immer zu Narren. Das liebenswürdige (!) Ministerium und die Rechte der Vereinbarungskammer und die furchtbaren (!) Reden des Abgeordneten Bauer aus Krotoschin, sowie des Abgeordneten Bußmann aus Gnesen machen freilich den Polen wenig Hoffnung; aber ein herzlicher Dank sei der Linken und zum Theil dem Centrum von dem unglücklichen, verrathenen, gemordeten und geprügelten Volke für das letzthin in der Vereinbarungskammer dargelegte Gerechtigkeitsgefühl hiermit ausgesprochen. Worms, 16. Juli.Gestern Abend haben hier Unruhen stattgefunden. Es wurde nämlich der vierte Wagen mit gefesselten gefangenen Freischärlern hierher gebracht, um den anderen Tag weiter transportirt zu werden. Das Volk, durch den traurigen Anblick der drei früheren Wagen bereits heftig bewegt, sprach bei Ankunft des vierten davon, die Gefangenen, vor deren Aufbewahrungsort sich große Massen gesammelt hatten, zu befreien. Der Kreisrath requirirte nun ein Delachement Soldaten statt Bürgerwehr zur Bewachung des Gefängnisses, und erregte vollends den Unwillen des Volkes. Es ertönte der Ruf: „Bürgerwehr heraus!“ Ein Theil derselben nebst der Turner-Kompagnie erschien und es wurde nun nochmals nachdrücklich der Abzug des Militärs von dem der Stadt gehörigen und deshalb nur von Bürgerwehr zu schützenden Gebäude verlangt, welche auch endlich erfolgte. Die Wache wurde der Bürgerwehr übergeben. Gegen 12 Uhr verlief sich die Masse; nachdem noch Geld zur Unterstützung der Freischärler gesammelt worden war. * Speyer, 18. Juli.Das geknechtete Deutschland wurde mit Rothstift, das befreite, souveräne deutsche Volk wird mit dem Säbel zensirt. Das ist unsere Errungenschaft auf „breitester demokratischer Grundlage.“ Dieses modernste Censurwesen wird, wo möglich noch einen größern Auffschwung nehmen, sobald die Vermehrung des stehenden Heeres im „einigen und freien“ Deutschland durch 2 Proz. von der gesammten Bevölkerung und die Ernährung des hinzukommenden Ueberschusses durch 100 Millionen Tblr. neuer Steuern zu Stande gebracht ist. Doch kommen wir auf die neue Censur zurück! Im Schaufenster einer hiesigen Buchhandlung hing das Bildniß Heckers. Eine Masse Soldaten, klug aufgereizt, und angefeuert, solche Missethat nicht zu dulden schlugen gestern Abend nicht blos die betreffenden Fenster ein, sondern hieben auch tapfer auf Civilisten los. Nachdem Einige der letzteren verwundet wurden und die Aufregung stieg, kamen einige der Herren Offiziere herbei redeten ihnen zu und bewogen sie nach Hause zu gehen. Das gelang ihnen, so daß um 10 Uhr die Straßen ziemlich ruhig waren. Ich brauche Ihnen wohl kaum zu bemerken, daß nach der modernsten Redensart„eine strenge Untersuchung“ eingeleitet werden soll. Nach den neuesten Berichten italienischer Blätter läßt Se. bombardirende Majestät in Neapel ganz auf dieselbe Weise die bewaffnete Censur auf schlagende Weise ausüben. Die blos streichende hat sich überlebt. Dieses noblen Gewerbes zum Vorschein. Ein neues Beispiel davon liefert die „Fr. O. P. A. Z.“ in folgendem Artikel: Freiburg, 17. Juli,Abends 10. Uhr. So eben haben wir einen kleinen Militärtumult gehabt, indem sich würtembergische Soldaten vor einem Antiquariatsladen sammelten und Miene machten, denselben zu zerstören, weil am Fenster ein gegen sie gerichtetes Schmähgedicht ausgesteckt war. General Baumbach erschien aber bald auf dem Platze, um die Soldaten zu beschwichtigen, was ihm auch gelang. Indessen vermehrte sich die Zahl der Zuschauer. Nun rief die Trommel die Soldaten auf die Sammelplätze, wo ihnen abermals ruhiges Verhalten empfohlen wurde, was jedoch nichts half, indem sie schnell wieder dahin sich begaben, wo man sie muthwillig zu reizen sich bemüht hatte. Die Läden wurden aufgerissen, die Fenster zertrümmert und das Schmachgedicht herausgeholt. Den herbeigeeilten Offizieren und dem Einschreiten der Polizei gelang es endlich die Menge zu zerstreuen. Der Veranlasser des Tumults, Antiquar Butz, hat sich flüchtig gemacht. Die Würtemberger marschiren morgen früh um 5 Uhr von hier nach ihrer Heimath. * Rendsburg, 16. Juli.Wie es heißt, hat die provisorische Regierung dem Hauptmann Wobeser, der vom Freikorps an sie geschickt worden, erklärt, sie werde in eine schmachvolle Auflösung des Korps nicht willigen; übrigens sei es leicht möglich, daß die Auflösung überhaupt nicht stattfinde, da der Krieg vielleicht fortgesetzt (?) werde. Rendsburg, 19. Juli.In der gestrigen Sitzung der schleswig-holsteinischen Stände-Versammlung kam die Angelegenheit wegen des Waffenstillstandes zur Sprache, Der Kommissar erklärte dabei unter Anderem: Aus vertraulichen Mittheilungen weiß die provisorische Regierung, daß zwei Punkte in den Waffenstillstands-Bedingungen zur Frage stehen. Der erste betrifft das Fortbestehen oder Abtreten der provisorischen Regierung, und über diesen Punkt habe ich mich bereits dahin ausgesprochen, daß die provisorische Regierung, so lange sie sich des Vertrauens des schleswig-holsteinischen Volkes versichert halten darf, nur im Einverständniß mit der Centralgewalt, oder auf Aufforderung des Reichsverwesers abtreten wird. Der zweite Punkt betrifft die Stellung und das Verhältniß der schleswig-holsteinischen Truppen, und in Bezug auf diesen Punkt wird die provisorische nie einwilligen, daß dieselben während des Waffenstillstandes ganz oder theilweise aufgelöst werden, vielmehr erkennt sie es als nothwendig an, daß sie zur Disposition der Landesregierung gestellt bleiben, welche über ihre Uebungen, Cantonnements u. dgl. zu bestimmen haben muß. Brackel: Ich glaube, daß die frühere Erklärung der provisorischen Regierung wegen ihres Nichtabtretens sowohl in dieser Versammlung, wie im ganzen Lande, die freudigste Zustimmung gefunden hat. Dieselbe Ueberzeugung hege ich von der eben vernommenen Erklärung derselben in Betreff der Stellung und des Verhältnisses der schleswig-holsteinischen Truppen. Ich erlaube mir daher den Antrag zu stellen, daß die Versammlung durch Aufstehen der provisorischen Regierung ihren Dank für beide Erklärungen votiren möge. Blome ist dagegen; es wäre patriotischer von der provisorischen Regierung, wenn sie freiwillig abtrete. (Ungeheurer Unwillen im Saale wie auf den Tribünen macht sich Luft.) Der Präsident ermahnt zur Ruhe unter der Drohung, die Sitzung widrigenfalls schließen zu müssen, und bringt dann den Antrag Brackel's zur Abstimmung, welcher mit 53 Stimmen gegen 13 angenommen wird. (Schl. Holst. Z.) Dänemark. * Kopenhagen. _ Großbritannien. * London, 19. Juli.Die gestrigen Parlamentsverhandlungen waren von wenig Bedeutung. Der Herzog von Richmond machte eine Motion in Betreff der vom Auslande importirten Schafe und Lord Wharncliffe reichte eine Petition wegen der Bankrutt-Gesetze ein. Im Unterhause debattirte man eine Bill in Betreff des Straßenbau's. In der heutigen Sitzung des Unterhauses kamen die Zuckergesetze zur Sprache und Lord John Russel bemerkte, daß er am nächsten Freitag das jährliche Budget des Landes dem Hause vorlegen werde. Aus Dublin hört man, daß Lord Clarendon im Laufe dieser Woche hierher reisen wird, um sich mit dem Gouvernement in Betreff des alarmirenden Zustandes von Irland zu berathen und wirksamere Maßregeln gegen die revolutionären Klubs u. s. w. zu verlangen. ‒ Der Chartist Dr. M'Douall, der vor Kurzem in Ashton-under-Lyne wegen aufrührerischer Reden verhaftet wurde, ist vor die Assisen verwiesen. Nachdem er 600 Pfund St. Bürgschaft gestellt hatte, wurde er einstweilen wieder in Freiheit gesetzt. Dublin, 18. Juli.Der Lord-Lieutenant von Irland hat heute erklärt, daß der jüngste Akt in Betreff revolutionärer Vorgänge: auf Land und Stadt Dublin, Drogheda, Sadt Cork, Waterford und mehrere andere Bezirke anwendbar sei. Nach diesem Akte müssen auf Verlangen der Behörde alle Waffen u. s. w. ausgeliefert werden. ‒ In Carrik-on-Suir wurde gestern der katholische Pfarrer Herr Byrne wegen aufrührerischer Reden verhaftet und nach Bridewell abgeführt. Das Volk versammelte sich aber in großen Massen und stürmte das Gefängniß, indem es sowohl Hr. Byrne wie alle übrigen Gefangenen in Freiheit setzte. Die Abreise Lord Clarendon's ist für einige Tage aufgeschoben. * Dublin, 17. Juli.Die Zeitungsverkäufer hatten am Sonnabend morgen aus Furcht vor der überall aufgestellten und wachsamen Polizei, wie aus Angst vor den hohen Strafandrohungen sich geweigert, Nummern des „Irisch Felou“ (des „irischen Verbrechers“) zu verkaufen. Als aber des Nachmittags und besonders gegen Abend die Nachfrage immer größer wurde und Tausende von Menschen Nummern verlangten und theilweis sogar große Summen dafür anboten, konnten die Verkäufer diesem Anreiz nicht länger widerstehen. In einer Viertelstunde waren viele Tausende Exemplare abgesetzt und bald verschlungen ‒ im bildlichen Sinne. Mehrere von den Verkäufern wurden später verhaftet. Heute standen sie vor Gericht. Man wagte nicht, sie zu bestrafen. Sie wurden ernstlich verwarnt und entlassen. Die Folge davon ist daß auch heute nach der Sonnabend-Nummer des „Felon“ außerordentlich verlangt und jede Summe geboten wird, wofern man nur ein Exemplar dafür erhält. Französische Republik. 16 Paris, 19. Juli. Sechs und vierzig Unterpräfekten auf einmal hat der Minister des Innern entsetzt, und drei; Präfekten; freilich Ledrü-Rollin hatte sie ernannt. Und wie scharfäugig die Trabanten des Thiers („dessen Geist gleich einer Fackel“: Constitutionnel) sind. Dem abgesetzten Präfekten Düfraisse vom Indredepartment haben sie nachgeforscht, daß er vor zwölf Jahren einen Brief an Blanqui's Freund Gay geschrieben und den Guillotinentod des greisen Morey, der in das Fieschi'sche Attentat auf Louis Philippe verwickelt war, einen Märtyrertod genannt. Den Präfekten des Aisnedepartements fordert das Thiersjournal dieser Provinz folgendermaßen heraus: „Er hat öffentlich gesagt, wenn die Arbeiterklasse jetzt noch ein Mal besiegt wird, so ist es das letzte Mal, und dann kommt die Reihe an die Bourgeoisklasse; ja, das unerhörte Wort hat er gesagt, er träumt wohl das provisorische Gouvernement bestehe noch? aber er soll bald seinen Anachronismus bereuen, und um ihm dahin zu verhelfen denunciren wir ihn bis er uns denuncirt; die honnetten Bürger dieses Departments haben gelobt, nicht zu ruhen bis der gefährliche Beamte gestürzt ist, und schicken sofort die mit Unterschriften beglaubigte Anzeige nach Paris an die Untersuchungs-Kommission der National-Versammlung.“ Mehrere Souspräfekten im Süden hatten Klubs geleitet, worin über Theismus und Atheismus diskutirt und votirt ward; obschon der erstere eine (sehr schmale) Majorität vereinigte, ist der Staatsbeamte kassirt worden. „Wenn wir diesmal die Arme unterschlagen, ruft L'Avenir National, so ist das wahre Frankreich verloren; nur dadurch können wir den, ach so theuer! errungenen Sieg festhalten, daß wir an Energie die frevelhafte (impie) Partei des Provisoriums übertreffen.“ Dazu wird allerdings nicht viel gehören.‒ Jetzt geht das Verhaften an die Frauen; mehrere Marketenderinnen sind gestern nachträglich arretirt; auch Mätressen von Duvriers, die in Mannskleidern Barrikaden bauten und die Sturmglocken zogen. In der Rue Laharpe arretirte gestern die honnette Gerechtigkeit ein Weib, welches in den Schlachttagen Kugeln gegossen; die Denunzianten hatten drei volle Wochen gebraucht. Täglich verpackt und versendet man unhonnette Duvriers in ihre Heimath; nach Paris wird keiner zugelassen, Viertausend schaffte man nach Bordeaux, worüber das dortige Bourgeoisblatt Zeter anstimmt und zu „energischem Empfange dieser Herumtreiber“ auffordert, „zumal mindestens zweitausend ganz ohne pecuniäre Unterstützung wären.“ Dasselbe Gironde-Journal predigt wieder Föderalismus, Abschaffung der Zölle (von wegen der Girondeweine) und schließt mit einem mühseligen historischen Sermon über die Misere republikanischer Centralisation; nur Henri V. wolle „den Provinzen neues Leben einhauchen,“ und der Graf von Paris werde „gewiß“ nicht abgeneigt sein in diesem Systeme des kinderlosen Fürsten dermaleinst fortzufahren. Also Allianz der Karlisten mit den Philippisten, klar ausgesprochen bei Gelegenheit des Bordeaurweins.‒ Der Verkehr auf dem Pariser Pflaster ist wieder unbehindert; alle Parks sind wieder offen; die Räuber, die in dem nämlichen Tunnel der Tuilerien durch den Louis Philippe entfloh, zusammengestaucht lagen, sind längst „kasematirt,“ und die Bourgeois promeniren ungestört am Bassin der Goldfischlein. Wohin mit der gefangenen Armee? Diese Frage wird vom „Avenir National“ in recht nationaler Weise mit dem Vorschlage beantwortet, diese „Brigands“ vermöge Geldvergütung den Engländern zur Deportation abzutreten; was Herr Thiers für annoch unnütz erklärt, „da Frankreich die üppig grünenden Fluren am Oyapok und das paradisische Tropenland Cayenne glücklicherweise besitze.“ So sprach er sich in den Bureaux aus. Sehr bezeichnend ist, daß seit Juni keine der in den Bureau-Kommissionen gehaltenen Reden mehr in voller Ausdehnung gedruckt werden darf; Lamartine hatte die seinige publicirt und mußte dafür publike Abbitte leisten. ‒ Der Enthusiasmus der französischen Bourgeois für „das biedere, gesetzmäßig strebende“ Deutschland wächst rührend seit der Wahl des Reichsverwesers; im traulichen Zirkel der Rue Poitiers ist bereits eine Spezial-Adresse an „den würdigen Greis“ angeregt worden, „dessen Avenement mit dem brillanten Junisiege merveilleuser Weise zusammentreffe.“ Diese Machiavellisten der Rue Poitiers, lauter glatzhäuptige wackelige Messieurs „in dem besten Mannesalter,“ nennen sich in vollem Ernst „die jungen Politiker.“ Thiers hatte bekanntlich im März geäußert, ihn ekele Europa an und er wolle nach Amerika wandern; da besuchte ihn Barrot (trotzdem daß dessen Frau gesagt: ich sähe meinen Mann lieber mit einer Straßendirne als mit Herrn Thiers,) und beschwor ihn das Vaterland zu retten. Endlich rief der kleine Held: „ja, die Jakobiner haben uns die Regentschaft [#], wir können ihnen noch einmal ihre Republik konfisziren, „ und sie setzen sich rüstig ans noble Werk. ‒ Der Schluß der gestrigen Sitzung der Nationalversammlung war außerordentlich stürmisch. Der Sturz des Kriegsministers, Lamoricière, hing an Einem Haare. An der Tagesordnung war bekanntlich der kostenfreie Besuch in den Polytechnischen- und Militärschulen, den die sogenannten Moderirten, mit ihren Feldwebeln Baraguey d'Hilliers, L'Espinasse etc. an der Spitze, durchaus nicht zugeben wollten, weil dadurch alle Welt Zutritt erhielte und ein solcher Zulauf zu sehr demokratisire. Die alte Exekutivgewalt hatte den Plan gefaßt, Jedermann den Zutritt gratis zu gestatten; Lamoricière hatte diesen Plan zu dem seinigen gemacht und der Kriegsausschuß verlangte durch sein Organ Tredern zunächst die Summe von 214,550 Franken, um am 1. Okt. 1848 in die Schulen Ecole polytechnique und Ecole de St. Cyr eine größere Zahl aufzunehmen. Der Antrag auf vollständige Kostenfreiheit wurde daher von allen Anhängern des alten Regime benutzt, um die Republik in der Person Lamoricières zu bekämpfen. Lamoricière hielt indessen am Antrage fest und machte Miene, diese scheinbare Kleinigkeit zur Kabinetsfrage zu erheben. Er sagte, es käme ihm nicht auf sofortige Zulassung aller Befähigten an und man könne sie seinetwegen bis zum Neujahr 1850 verschieben; allein er halte am Prinzipe fest und protestire gegen jede Vertagung, die einer Niederlage gleichsehe. Man schritt zur Abstimmung. Zweifelhaftes Resultat. Das Votum per Devision wird verlangt. Zum Unglück liegen aber keine Stimmzettel auf den Bänken und man muß zum geheimen Skrutinium zurückgehen. Das geheime Skrutinium geschieht bekanntlich durch Kugeln, wobei sich Niemand kompromittirt, während das Votum zur Division die Namen auf jedem Zettel trägt. Der Lärm und das Geschrei werden entsetzlich. Alle Welt ist dem Ersticken nahe. Unter diesem Lärmen und Gestikuliren verkündete Vicepräsident Portalis um 71/4 Uhr endlich das Resultat der Abstimmung.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 52. Köln, 22. Juli 1848, S. 0259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz052_1848/3>, abgerufen am 20.04.2024.