Neue Rheinische Zeitung. Nr. 40. Köln, 10. Juli 1848.Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. No. 40. Köln, Montag 10. Juli 1848.Die "Neue Rheinische Zeitung" erscheint vom 1. Juni an täglich. Bestellungen für dies Quartal, Juli bis September, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an. Für Frankreich übernehmen Abonnements Herr G. A. Alexander, Nr. 28, Brandgasse in Straßburg, und 23, rue Notre Dame de Nazareth in Paris; so wie das königliche Ober-Post-Amt in Aachen. Für England die HH. J. J. Ewer & Comp. 72, Newgate Street in London. Für Belgien und Holland die respekt. königlichen Briefpost-Aemter und das Postbüreau zu Lüttich. Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf. Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung. (Zu Nro. 39 der neuen Rheinischen Zeitung wurde heute Morgen hier in Köln ein Extra-Blatt ausgegeben. Für unsre auswärtigen Abonnenten ist der Inhalt dieses Blattes unter [#] Köln, 9. Juli, in unsrem heutigen Blatt wieder abgedruckt.) Uebersicht. Deutschland. Köln (die Ministerkrisis. - Johnen's Verhaftung. - Die preußische Pacificirung und Reorganisation Posens. - Der Besuch des Gemeinderaths bei Herrn Camphausen). Düsseldorf (Haussuchung. Verhaftung). Berlin (Sitzung der Vereinbarer vom 7. Juli. - Truppen hergezogen. - v. Ratzmer. - Die Ostbahnarbeiter. - Proteste gegen Militaireinrücken). Potsdam (Meding abgetreten). Halle (die Constitutionellen). Eisleben (Behandlung der durchpassirenden Polen). Hannover (Aufregung in Göttingen). Butzbach (Erinnerung an Weidig's Tod). Frankfurt (Sitzung der Nationalversammlung). Polen. Warschau (Exekutionen). Ungarn. Pesth (Kossuth bleibt Minister. Stephan unbeschränkter Stellvertreter des Kaisers). Temeswar (Abschluß einer vorläufigen Konvention). Italien. Rom (Kammerdebatten. - Ein Cirkular der neapolitanischen Regierung). Neapel (neuer französischer Admiral. Aufstand der Provinz Reggio. A. Romeo). Florenz (Ueber den Krieg gegen Oestreich und das Wachsthum der Demokratie in Deutschland). Venedig (das Fort Malghera. Ein verdächtiger Herzog. - Wahrscheinlicher Anschluß an Karl Albert). Französische Republik. Paris (Brief Girardin's. - Brief Lamartine's. - Die "Reforme" über den Leichenzug. - Nationalversammlung vom 7. Juli. - Vermischtes). Großbritannien. London (v. Auerswald durch die Times dementirt. - Unterhaus. Humes Reform-Motion verworfen. Chartistenprozeß). Handelsnachrichten. Deutschland.
* Köln, 9. Juli. Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. * Köln, 7. Juli. Herr Tischlermeister Heinrich Johnen ersucht uns folgende Reklamation aufzunehmen: Am 6. Juli gegen 6 Uhr Morgens wurde an Johnen's Schlafzimmer geklopft und herein traten 3 Gendarmen und 2 Polizeidiener und erklärten dem Johnen, er sei im Namen des Gesetzes verhaftet. Johnen blieb indeß ruhig in seinem Bette liegen und gab den Heren zu verstehen, es müsse hier ein Irrthum obwalten, das müsse ein anderer Johnen sein. Dieser Meinung war auch der Polizeidiener Schwartz, welcher bei der Verhaftung zugegen; er berathschlagte sich mit den Gendarmen und die angefangene Jagd wurde nun bei einem andern Johnen fortgesetzt. Ungefähr eine Stunde später erschienen die Herren der heiligen Hermandad von neuem in seiner Wohnung mit dem Bemerken, er müsse mit, es könne kein anderer Johnen sein, als er. Da Johnen sich unschuldig wußte, so leistete er keinen ferneren Widerstand, er wurde sorgfältig in einen Fiaker gepackt und es wurde ihm bedeutet, er würde zum Instruktionsrichter geführt; der Wagen rollte indeß durch verschiedene Straßen und vor dem neuen Civilarresthause wurde Halt gemacht. Dort angekommen wurden die üblichen Formalitäten an ihm vollzogen und er alsdann in dem neuen nach pensylvanischer Art gebauten Flügel, in eine Zelle eingesperrt. Nicht lange währte es, so erschien ein Aufseher in seinem Käficht und brachte ihm Wolle zum Auseinanderzupfen, mit dem Bemerken, dies sei etwas um etwaige Grillen zu vertreiben. Nachher hatte er das Vergnügen, die Bekanntschaft des Hrn. Direktors und Inspektors der Anstalt zu machen, dieselben erkundigten sich nach seinem Namen und Stand u. s. w. Er protestirte gegen seine Verhaftung und ersuchte die Herren, ihn sobald wie möglich dem Instruktionsrichter vorführen zu lassen, um seine Unschuld zu beweisen. Dies letztere geschah gegen halb zehn Uhr. Das Interrogatoire begann wie gewöhnlich; der Herr Instruktionsrichter verwunderte sich, daß man mich arretirt habe, indem der Johnen, den man wirklich verhaften sollte, in der Foller- oder Weberstraße wohnen müsse. Zugleich wurde Johnen gefragt, ob er drei Jahre in Paris (welch groß Verbrechen, in Paris gewesen zu sein) und ob er in dem Wirthshause bei Hilgers in der Zollstraße aufrührerische Reden gehalten. Auf dies Alles gab Johnen verneinende Antwort, das Protokoll wurde geschlossen und trotzdem, daß der Instruktionsrichter die Ueberzeugung hatte, daß Johnen nicht der rechte sei, den man verhaften wollte, wurde derselbe erst gegen Abend sechs Uhr aus dem Arrest entlassen. Ist dies nicht wieder ein Beispielchen, auf welche Art und Weise die Staatsbehörde Arrestationen anordnet und ausführen läßt; gleichviel ob es der Rechte oder Unrechte ist, wird ein Bürger aus seinem Geschäft und von seiner Familie weggeholt, arretirt wie ein großer Verbrecher, dann wegen Mangel an Beweis, oder weil man einen Mißgriff gemacht hat, wieder in Freiheit gesetzt. 19 Köln, 9. Juli. (Forts. des gestr. Artikels).Es war ein eigenthümliches Geschick bei diesem merkwürdigen Pacifikationsverfahren, daß die ordnungswüthige Bureaukratie zur Bekämpfung der polnischen "Anarchistengelüste" sich der Anarchie in ihren eigenen Reihen bediente. Die gerühmte preußische Disziplin im Heere war verschwunden, der wohlgeordnete Beamtenstaat in voller Auflösung begriffen. Oder geschah es etwa mit Bewilligung der Oberbehörden, wenn der Assessor Göldner aus Schubin am 27. April ein Detaschement von 10 Husaren zu dem Gutsbesitzer Sadowski nach Slupy dirigirte, und denselben ohne den geringsten Anlaß, als er mit seiner Mutter und seiner Schwägerin am Tische saß, niederschießen und seine Leiche unter Spott und Gelächter verstümmeln ließ! Geschah es im Interesse der von dem Oberpräsidenten "angebahnten" Reorganisation, wenn der Regierungspräsident Schleinitz zu Bromberg die herausforderndsten Proklamationen erließ, und durch die willkürlichsten Verhaftungen, namentlich der Priester, in anfangs ruhigen Distrikten die wüthendste Erbitterung gegen die Deutschen hervorrief? Wo war die steife Zucht des vielgeliebten Kamaschenthums, wenn der General Hirschfeld (von Shrapnell) gleich einem Hüser von Mainz die an ihn gesendeten Parlamentäre einer bedrohten Stadt vor der Wuth seiner Soldaten nicht schützen zu können erklärte, und wenn diese Parlamentäre in seinem Beisein, Angesichts der Offiziere, von der wohldressirten Soldateska auf das Barbarischste gemißhandelt wurden? Die Offiziere achteten der wirklichen oder scheinbaren Befehle ihrer Vorgesetzten, der Konvention des kön. Kommissarius nicht mehr; ganze Banden durchstreiften auf eigene Hand raubend, plündernd, brandschatzend die Gegenden, und hausten überall wie in einem eroberten, vogelfreien Lande. Am 9. April überfiel eine Abtheilung Dragoner, von zwei Offizieren befehligt, die Stadt Miescisko, und schossen im Vorbeiziehen auf die grade vor der Kirche versammelte Menge, wobei ein Schulze todt blieb, und eine Frau schwer verwundet wurde. Ebenfalls am 9. April überfiel eine Abtheilung Infanterie die Stadt Znin, nachdem sie vorher schon in der Umgegend und namentlich in der Wohnung des Dekans in Gora die größten Exzesse getrieben hatte. Die vor der Kirche versammelte Menge wollte zu den Waffen greifen, aber der Graf Viktor Potocki forderte sie zur Ordnung auf, als Schüsse des Militärs ihn von hinten zu Boden streckten. Am 15. April drangen zwei Kompagnieen des 15. Landwehr-Regiments nach Wreschen, und in die Wohnung des Grafen Poninski, wo sie die hochschwangere Gräfin mit Bajonetten "kitzelten", und beim Abzug einen Beutel mit 150 Thalern fortführten. An demselben Tage rückte das 5. Husaren-Regiment nach dem Dorfe Nekla bei Wreschen und raubte dort bei dem Ortspfarrer, einem Förster, einem pensionirten Hauptmann und zwei Bürgern an Geld und Geldeswerth 1521 Thaler. Bei all diesem Treiben war in sofern zwar "Ordnung" nicht zu verkennen, daß die Anarchie nicht ausnahmsweise, sondern systematisch auf der Tagesordnung stand. Nicht bloß die unteren Offiziere und gemeinen Soldaten trieben ihr Geschäft auf eigne Hand, die Maßregeln des kön. Kommissarius wurden auch von den Generalen willkührlich verletzt oder systematisch durchkreuzt. Als die Kunde von dem ersten Bruch der Konvention durch den Angriff auf das Polen-Lager in Trzemeszno die Erbitterung in der drohendsten Weise steigerte, ersuchten die Polenführer, um den friedlichen Erfolg der Konvention nicht zu vereiteln, den kommandirenden General Colomb um eine dreitägige Verlängerung der Frist zur Auflösung der Lager. Der kommandirende General ging darauf ein; nichts destoweniger rückte der General Hirschfeld trotz des Befehls des Kommissarius, sich konventionsgemäß eine Meile von den Lagern entfernt zu halten, auf die Stadt Wreschen. Die Polen, um jede Veranlassung zu neuen blutigen Konflikten zu vermeiden, räumten die ihnen für ihre Stämme (Cadres) durch die Konvention zugewiesene Stadt und verlegten mit Bewilligung des Kommissarius ihre Cadres nach Neustadt. Der Kommissarius, um sich davon an Ort und Stelle zu überzeugen, wie weit die Bedingungen der Konvention von Seiten der Polen erfüllt waren, hatte die Cadres und alle Orte inspizirt, wo die polnischen Truppen stationirt waren. Ueberall hatte er Zucht und Ordnung gefunden, und die Versicherungen der Zufriedenheit der deutschen Einwohner erhalten; die deutschen Einwohner von Schroda gaben die schriftliche Erklärung, daß sie während der polnischen Kantonirung sich der größten Ordnung erfreut, von den preußischen Truppen aber nach ihrem Einrücken die blutigsten Exzesse zu erleiden gehabt; die Städte Neustadt, Miloslaw, Pleschen, Grätz gaben ähnliche Versicherungen und an der Spitze der Unterschriften der letztern Stadt stand der Name des Justizkommissarius Colomb, eines Neffen des kommandirenden Generals. Der Kommissarius erklärte hierauf in der Proklamation von Boguszyn v. 17. April, daß das Land pacifizirt sei und die Reorganisation beginnen solle, und gab dem General die Erfüllung der nach der Konvention obliegenden Bedingungen auf, nämlich 1) einen höhern preuß. Offizier zur Beaufsichtigung der polnischen Cadres zu bestimmen, 2) die polnischen Cadres selbst in die Posen'sche Division einzustellen und 3) alle militärischen Maßregeln zu fistiren. Der General Colomb fand für gut, von Alle dem nichts zu thun, und trotz wiederholter Aufforderungen des Generals Willisen blieben alle Bedingungen der Konvention unerfüllt. Welche Vollmachten aber konnten wohl den General Colomb berechtigen, den von dem kön. Kommissarius getroffenen Maßregeln auf eigene Hand entgegen zu treten und eine unerhörte schlächterartige Metzelei zu veranlassen? Und wenn er keine Autorisation hierzu besaß, wie konnte es geschehen, daß dieser Mensch trotz aller Reklamationen der Deutschen und Polen nicht zur Rechenschaft gezogen wurde? Diese Fragen treffen das Ministerium Camphausen-Schwerin-Auerswald, welches die Berichte des Erzbischofs von Gnesen und Posen, die Deputationen des polnischen Nationalcomite's und selbst die Anklagen von Deutschen gegen die Gräuel der fanatisirten Soldateska unbeachtet ließ. Das Ministerium Camphausen, wir hoffen es, wird eines Tages für alles durch seine Schuld in Polen vergossene Blut, für alle dort verübte Greuel noch verantwortlich gemacht werden. Hätte der General Colomb dem Befehl des Kommissarius gemäß rechtzeitig einen höhern Offizier zur Oberaufsicht der polnischen Kadres gesandt, so wäre manche Unordnung vermieden worden, die später als Vorwand eines Konventionsbruches diente; hätte er die polnischen Stämme in die Posensche Division eingestellt, so würden sie aufgehört haben Truppen zu bilden, die man später mit Kartätschen und Shrapnells niederzumetzeln für gut fand; hätte er die militärischen Maßregeln fistirt, d. h. die wüthenden, aller Subordination entbehrenden fliegenden Kolonnen zurückgezogen, die nach den Aussagen aller Deutschen Schrecken und Flucht verbreiten, so wäre alles Blutbad zwischen zwei bis dahin friedlich nebeneinanderwohnenden Nationalitäten vermieden worden. Der General Colomb, der von Anfang an die Absicht einer friedlichen Reorganisation nicht theilte, sondern die Polen auf dem Schlachtfelde zum Aufgeben ihrer nationalen Forderung zu zwingen entschlossen, konsequent, die Macht des kön. Kommissarius überall zu brechen. Als der Letztere beim Abschluß der Konvention in der in Belagerungszustand erklärten Stadt Posen von dem deutschen und jüdischen Lumpenproletariat beschimpft und seine Wohnung in Gegenwart der obersten Militärbehörden fast erstürmt worden wäre, erklärte ihm der General Colomb, der von den Haufen mit Hurrah begrüßt wurde, daß er ihn nicht schützen könne und ihm rathe, nach Berlin zurückzukehren. Die Beamten, die Landräthe, Kreiskommissäre, welche bei der Reorganisation auf die Straße gesetzt zu werden fürchteten, erklärten offen, daß sie von dem Kommissarius keine Befehle annähmen. Alle Vorbereitungen zu einer unbeschränkten Diktatur der dem Kommissarius untergeordneten Generäle, waren angebahnt. Der königl. Kommissarius sah die Unmöglichkeit ein, bei diesem Treiben der Behörden, seine Mission fortsetzen zu können, und entschloß sich, nach Berlin zu gehen, um dort die Sachlage darzulegen. Seine Abreise war die Losung zu allgemeinen offenen Gewaltthätigkeiten gegen die Polen. Die Generale Colomb, Wedell, Hirschfeld (von Shrapnells) waren des letzten schwachen Zügels enthoben, alle Berichte und Anklagen waren in Berlin ohne Rücksicht geblieben, und die losgelassene Meute der wüthenden Soldateska sollte den letzten Schrei des "pacificirten", wehrlosen Landes ersticken. (Schluß folgt.) 15 Köln, 7. Juli. Die "Köln. Ztg." erzählt in ihrer Nr. 188 ganz gemüthlich, daß der Gemeinderath von Köln in seiner Sitzung v. 3. d. beschlossen habe, eine Deputation an den Hrn. Minister (a. D.) Camphausen zu entsenden, um demselben "die dankende Anerkennung des Gemeinderathes für dessen politische Wirksamkeit auszusprechen." Der Umstand, daß Herr Dumont, Redakteur des fraglichen Blattes, in seiner Eigenschaft als Stadtrath persönlich zugegen war in der beregten Sitzung, so wie die Bestimmtheit mit der die ganze idyllische Feier mit allen ihren Nebenumständen erzählt wird, läßt eigentlich an der Wahrheit des Gesagten keinen Zweifel aufkommen, und dennoch ist die Hauptsache, das Motiv der Demonstration, - eine Lüge. - Der Gemeinderath hatte in seiner Mitte zu einem "kollegialischen Besuch" bei seinem frühern Mitgliede, des Hrn. Minister a. D. aufgefordert, und war die Sache auch in diesem Sinne verhandelt und beschlossen worden; von der politischen Wirksamkeit des Exministers war dabei durchaus nicht die Rede. Wären, was längst schon beschlossen worden ist, die Sitzungen unseres Gemeinderaths öffentlich, dann würde der zeitweilige Stadtrath und Zeitungs-Redakteur, Hr. Jos. Dumont sich wohl schwerlich eine solche arge Mystifikation des Publikums haben zu Schulden kommen lassen. Sollte übrigens die politische Wirksamkeit des Ministers a. D. wirklich eine derartige vielbedeutende Demonstration des Kölner Gemeinderaths verdient haben, dann war es Pflicht desselben, das Volk, was dieses Verdienst bestimmt nicht gekannt zu haben scheint, darüber durch irgend eine Proklamation gehörig aufzuklären; - die Katzenmusiken und Scandale vor dem Wohnhause des Ministers hier in Köln würden dann zweifelsohne nicht stattgefunden haben. - Das Zusammentreffen der Kölner Deputation mit den Abgeordneten der Stadt Mülheim an der Ruhr ist wichtig. Schade, daß die Kölner nicht einen Tag früher gekommen waren, dann hätten sie sogar den Herrn Exminister Eichhorn mit seinem Kollegen Camphausen in Konferenz treffen können - - - und das ist noch wichtiger! 9 Düsseldorf, 8. Juli. Hr. Julius Wulff, Präsident des hiesigen Volksklubbs, erhielt heute Morgen um 6 Uhr einen Besuch des Oberprokurators Hrn. Schnase, der sich bis jetzt (8 Uhr) in Gesellschaft zweier Schreiber mit Durchforschung der vorgefundenen Papiere beschäftigt. Zwei Polizeidiener und eine Droschke warten vor der Hausthüre, wonach es scheint als ob die Haussuchung wohl mit einer Verhaftung enden könnte. Ob man nach Hrn. Wulff die übrigen Mißliebigen der Reihe nach vernehmen wird, müssen wir erwarten. Nachschrift. Herr Wulff ist wirklich verhaftet worden. Man soll in seinen Papieren Nichts gefunden haben. Auch bei dem stellvertretenden Präsidenten, Herrn Rockmann, stattete der Oberprokurator Schnaase, ein Instruktionsrichter und mehre Polizeibeamte Besuch ab. Schon um halb sechs Uhr Morgens hatten sich zwei Polizeikommssäre bei demselben eingefunden, welche ihn bis zur Ankunft der bezeichneten Herren überwachten. Auch seine Papiere wurden durchsucht, nachdem man ihm vergebens sein Ehren- Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. No. 40. Köln, Montag 10. Juli 1848.Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an täglich. Bestellungen für dies Quartal, Juli bis September, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an. Für Frankreich übernehmen Abonnements Herr G. A. Alexander, Nr. 28, Brandgasse in Straßburg, und 23, rue Notre Dame de Nazareth in Paris; so wie das königliche Ober-Post-Amt in Aachen. Für England die HH. J. J. Ewer & Comp. 72, Newgate Street in London. Für Belgien und Holland die respekt. königlichen Briefpost-Aemter und das Postbüreau zu Lüttich. Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf. Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung. (Zu Nro. 39 der neuen Rheinischen Zeitung wurde heute Morgen hier in Köln ein Extra-Blatt ausgegeben. Für unsre auswärtigen Abonnenten ist der Inhalt dieses Blattes unter [#] Köln, 9. Juli, in unsrem heutigen Blatt wieder abgedruckt.) Uebersicht. Deutschland. Köln (die Ministerkrisis. ‒ Johnen's Verhaftung. ‒ Die preußische Pacificirung und Reorganisation Posens. ‒ Der Besuch des Gemeinderaths bei Herrn Camphausen). Düsseldorf (Haussuchung. Verhaftung). Berlin (Sitzung der Vereinbarer vom 7. Juli. ‒ Truppen hergezogen. ‒ v. Ratzmer. ‒ Die Ostbahnarbeiter. ‒ Proteste gegen Militaireinrücken). Potsdam (Meding abgetreten). Halle (die Constitutionellen). Eisleben (Behandlung der durchpassirenden Polen). Hannover (Aufregung in Göttingen). Butzbach (Erinnerung an Weidig's Tod). Frankfurt (Sitzung der Nationalversammlung). Polen. Warschau (Exekutionen). Ungarn. Pesth (Kossuth bleibt Minister. Stephan unbeschränkter Stellvertreter des Kaisers). Temeswar (Abschluß einer vorläufigen Konvention). Italien. Rom (Kammerdebatten. ‒ Ein Cirkular der neapolitanischen Regierung). Neapel (neuer französischer Admiral. Aufstand der Provinz Reggio. A. Romeo). Florenz (Ueber den Krieg gegen Oestreich und das Wachsthum der Demokratie in Deutschland). Venedig (das Fort Malghera. Ein verdächtiger Herzog. ‒ Wahrscheinlicher Anschluß an Karl Albert). Französische Republik. Paris (Brief Girardin's. ‒ Brief Lamartine's. ‒ Die „Reforme“ über den Leichenzug. ‒ Nationalversammlung vom 7. Juli. ‒ Vermischtes). Großbritannien. London (v. Auerswald durch die Times dementirt. ‒ Unterhaus. Humes Reform-Motion verworfen. Chartistenprozeß). Handelsnachrichten. Deutschland.
* Köln, 9. Juli. Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. * Köln, 7. Juli. Herr Tischlermeister Heinrich Johnen ersucht uns folgende Reklamation aufzunehmen: Am 6. Juli gegen 6 Uhr Morgens wurde an Johnen's Schlafzimmer geklopft und herein traten 3 Gendarmen und 2 Polizeidiener und erklärten dem Johnen, er sei im Namen des Gesetzes verhaftet. Johnen blieb indeß ruhig in seinem Bette liegen und gab den Heren zu verstehen, es müsse hier ein Irrthum obwalten, das müsse ein anderer Johnen sein. Dieser Meinung war auch der Polizeidiener Schwartz, welcher bei der Verhaftung zugegen; er berathschlagte sich mit den Gendarmen und die angefangene Jagd wurde nun bei einem andern Johnen fortgesetzt. Ungefähr eine Stunde später erschienen die Herren der heiligen Hermandad von neuem in seiner Wohnung mit dem Bemerken, er müsse mit, es könne kein anderer Johnen sein, als er. Da Johnen sich unschuldig wußte, so leistete er keinen ferneren Widerstand, er wurde sorgfältig in einen Fiaker gepackt und es wurde ihm bedeutet, er würde zum Instruktionsrichter geführt; der Wagen rollte indeß durch verschiedene Straßen und vor dem neuen Civilarresthause wurde Halt gemacht. Dort angekommen wurden die üblichen Formalitäten an ihm vollzogen und er alsdann in dem neuen nach pensylvanischer Art gebauten Flügel, in eine Zelle eingesperrt. Nicht lange währte es, so erschien ein Aufseher in seinem Käficht und brachte ihm Wolle zum Auseinanderzupfen, mit dem Bemerken, dies sei etwas um etwaige Grillen zu vertreiben. Nachher hatte er das Vergnügen, die Bekanntschaft des Hrn. Direktors und Inspektors der Anstalt zu machen, dieselben erkundigten sich nach seinem Namen und Stand u. s. w. Er protestirte gegen seine Verhaftung und ersuchte die Herren, ihn sobald wie möglich dem Instruktionsrichter vorführen zu lassen, um seine Unschuld zu beweisen. Dies letztere geschah gegen halb zehn Uhr. Das Interrogatoire begann wie gewöhnlich; der Herr Instruktionsrichter verwunderte sich, daß man mich arretirt habe, indem der Johnen, den man wirklich verhaften sollte, in der Foller- oder Weberstraße wohnen müsse. Zugleich wurde Johnen gefragt, ob er drei Jahre in Paris (welch groß Verbrechen, in Paris gewesen zu sein) und ob er in dem Wirthshause bei Hilgers in der Zollstraße aufrührerische Reden gehalten. Auf dies Alles gab Johnen verneinende Antwort, das Protokoll wurde geschlossen und trotzdem, daß der Instruktionsrichter die Ueberzeugung hatte, daß Johnen nicht der rechte sei, den man verhaften wollte, wurde derselbe erst gegen Abend sechs Uhr aus dem Arrest entlassen. Ist dies nicht wieder ein Beispielchen, auf welche Art und Weise die Staatsbehörde Arrestationen anordnet und ausführen läßt; gleichviel ob es der Rechte oder Unrechte ist, wird ein Bürger aus seinem Geschäft und von seiner Familie weggeholt, arretirt wie ein großer Verbrecher, dann wegen Mangel an Beweis, oder weil man einen Mißgriff gemacht hat, wieder in Freiheit gesetzt. 19 Köln, 9. Juli. (Forts. des gestr. Artikels).Es war ein eigenthümliches Geschick bei diesem merkwürdigen Pacifikationsverfahren, daß die ordnungswüthige Bureaukratie zur Bekämpfung der polnischen „Anarchistengelüste“ sich der Anarchie in ihren eigenen Reihen bediente. Die gerühmte preußische Disziplin im Heere war verschwunden, der wohlgeordnete Beamtenstaat in voller Auflösung begriffen. Oder geschah es etwa mit Bewilligung der Oberbehörden, wenn der Assessor Göldner aus Schubin am 27. April ein Detaschement von 10 Husaren zu dem Gutsbesitzer Sadowski nach Slupy dirigirte, und denselben ohne den geringsten Anlaß, als er mit seiner Mutter und seiner Schwägerin am Tische saß, niederschießen und seine Leiche unter Spott und Gelächter verstümmeln ließ! Geschah es im Interesse der von dem Oberpräsidenten „angebahnten“ Reorganisation, wenn der Regierungspräsident Schleinitz zu Bromberg die herausforderndsten Proklamationen erließ, und durch die willkürlichsten Verhaftungen, namentlich der Priester, in anfangs ruhigen Distrikten die wüthendste Erbitterung gegen die Deutschen hervorrief? Wo war die steife Zucht des vielgeliebten Kamaschenthums, wenn der General Hirschfeld (von Shrapnell) gleich einem Hüser von Mainz die an ihn gesendeten Parlamentäre einer bedrohten Stadt vor der Wuth seiner Soldaten nicht schützen zu können erklärte, und wenn diese Parlamentäre in seinem Beisein, Angesichts der Offiziere, von der wohldressirten Soldateska auf das Barbarischste gemißhandelt wurden? Die Offiziere achteten der wirklichen oder scheinbaren Befehle ihrer Vorgesetzten, der Konvention des kön. Kommissarius nicht mehr; ganze Banden durchstreiften auf eigene Hand raubend, plündernd, brandschatzend die Gegenden, und hausten überall wie in einem eroberten, vogelfreien Lande. Am 9. April überfiel eine Abtheilung Dragoner, von zwei Offizieren befehligt, die Stadt Miéscisko, und schossen im Vorbeiziehen auf die grade vor der Kirche versammelte Menge, wobei ein Schulze todt blieb, und eine Frau schwer verwundet wurde. Ebenfalls am 9. April überfiel eine Abtheilung Infanterie die Stadt Znin, nachdem sie vorher schon in der Umgegend und namentlich in der Wohnung des Dekans in Gora die größten Exzesse getrieben hatte. Die vor der Kirche versammelte Menge wollte zu den Waffen greifen, aber der Graf Viktor Potocki forderte sie zur Ordnung auf, als Schüsse des Militärs ihn von hinten zu Boden streckten. Am 15. April drangen zwei Kompagnieen des 15. Landwehr-Regiments nach Wreschen, und in die Wohnung des Grafen Poninski, wo sie die hochschwangere Gräfin mit Bajonetten „kitzelten“, und beim Abzug einen Beutel mit 150 Thalern fortführten. An demselben Tage rückte das 5. Husaren-Regiment nach dem Dorfe Nekla bei Wreschen und raubte dort bei dem Ortspfarrer, einem Förster, einem pensionirten Hauptmann und zwei Bürgern an Geld und Geldeswerth 1521 Thaler. Bei all diesem Treiben war in sofern zwar „Ordnung“ nicht zu verkennen, daß die Anarchie nicht ausnahmsweise, sondern systematisch auf der Tagesordnung stand. Nicht bloß die unteren Offiziere und gemeinen Soldaten trieben ihr Geschäft auf eigne Hand, die Maßregeln des kön. Kommissarius wurden auch von den Generalen willkührlich verletzt oder systematisch durchkreuzt. Als die Kunde von dem ersten Bruch der Konvention durch den Angriff auf das Polen-Lager in Trzemeszno die Erbitterung in der drohendsten Weise steigerte, ersuchten die Polenführer, um den friedlichen Erfolg der Konvention nicht zu vereiteln, den kommandirenden General Colomb um eine dreitägige Verlängerung der Frist zur Auflösung der Lager. Der kommandirende General ging darauf ein; nichts destoweniger rückte der General Hirschfeld trotz des Befehls des Kommissarius, sich konventionsgemäß eine Meile von den Lagern entfernt zu halten, auf die Stadt Wreschen. Die Polen, um jede Veranlassung zu neuen blutigen Konflikten zu vermeiden, räumten die ihnen für ihre Stämme (Cadres) durch die Konvention zugewiesene Stadt und verlegten mit Bewilligung des Kommissarius ihre Cadres nach Neustadt. Der Kommissarius, um sich davon an Ort und Stelle zu überzeugen, wie weit die Bedingungen der Konvention von Seiten der Polen erfüllt waren, hatte die Cadres und alle Orte inspizirt, wo die polnischen Truppen stationirt waren. Ueberall hatte er Zucht und Ordnung gefunden, und die Versicherungen der Zufriedenheit der deutschen Einwohner erhalten; die deutschen Einwohner von Schroda gaben die schriftliche Erklärung, daß sie während der polnischen Kantonirung sich der größten Ordnung erfreut, von den preußischen Truppen aber nach ihrem Einrücken die blutigsten Exzesse zu erleiden gehabt; die Städte Neustadt, Miloslaw, Pleschen, Grätz gaben ähnliche Versicherungen und an der Spitze der Unterschriften der letztern Stadt stand der Name des Justizkommissarius Colomb, eines Neffen des kommandirenden Generals. Der Kommissarius erklärte hierauf in der Proklamation von Boguszyn v. 17. April, daß das Land pacifizirt sei und die Reorganisation beginnen solle, und gab dem General die Erfüllung der nach der Konvention obliegenden Bedingungen auf, nämlich 1) einen höhern preuß. Offizier zur Beaufsichtigung der polnischen Cadres zu bestimmen, 2) die polnischen Cadres selbst in die Posen'sche Division einzustellen und 3) alle militärischen Maßregeln zu fistiren. Der General Colomb fand für gut, von Alle dem nichts zu thun, und trotz wiederholter Aufforderungen des Generals Willisen blieben alle Bedingungen der Konvention unerfüllt. Welche Vollmachten aber konnten wohl den General Colomb berechtigen, den von dem kön. Kommissarius getroffenen Maßregeln auf eigene Hand entgegen zu treten und eine unerhörte schlächterartige Metzelei zu veranlassen? Und wenn er keine Autorisation hierzu besaß, wie konnte es geschehen, daß dieser Mensch trotz aller Reklamationen der Deutschen und Polen nicht zur Rechenschaft gezogen wurde? Diese Fragen treffen das Ministerium Camphausen-Schwerin-Auerswald, welches die Berichte des Erzbischofs von Gnesen und Posen, die Deputationen des polnischen Nationalcomité's und selbst die Anklagen von Deutschen gegen die Gräuel der fanatisirten Soldateska unbeachtet ließ. Das Ministerium Camphausen, wir hoffen es, wird eines Tages für alles durch seine Schuld in Polen vergossene Blut, für alle dort verübte Greuel noch verantwortlich gemacht werden. Hätte der General Colomb dem Befehl des Kommissarius gemäß rechtzeitig einen höhern Offizier zur Oberaufsicht der polnischen Kadres gesandt, so wäre manche Unordnung vermieden worden, die später als Vorwand eines Konventionsbruches diente; hätte er die polnischen Stämme in die Posensche Division eingestellt, so würden sie aufgehört haben Truppen zu bilden, die man später mit Kartätschen und Shrapnells niederzumetzeln für gut fand; hätte er die militärischen Maßregeln fistirt, d. h. die wüthenden, aller Subordination entbehrenden fliegenden Kolonnen zurückgezogen, die nach den Aussagen aller Deutschen Schrecken und Flucht verbreiten, so wäre alles Blutbad zwischen zwei bis dahin friedlich nebeneinanderwohnenden Nationalitäten vermieden worden. Der General Colomb, der von Anfang an die Absicht einer friedlichen Reorganisation nicht theilte, sondern die Polen auf dem Schlachtfelde zum Aufgeben ihrer nationalen Forderung zu zwingen entschlossen, konsequent, die Macht des kön. Kommissarius überall zu brechen. Als der Letztere beim Abschluß der Konvention in der in Belagerungszustand erklärten Stadt Posen von dem deutschen und jüdischen Lumpenproletariat beschimpft und seine Wohnung in Gegenwart der obersten Militärbehörden fast erstürmt worden wäre, erklärte ihm der General Colomb, der von den Haufen mit Hurrah begrüßt wurde, daß er ihn nicht schützen könne und ihm rathe, nach Berlin zurückzukehren. Die Beamten, die Landräthe, Kreiskommissäre, welche bei der Reorganisation auf die Straße gesetzt zu werden fürchteten, erklärten offen, daß sie von dem Kommissarius keine Befehle annähmen. Alle Vorbereitungen zu einer unbeschränkten Diktatur der dem Kommissarius untergeordneten Generäle, waren angebahnt. Der königl. Kommissarius sah die Unmöglichkeit ein, bei diesem Treiben der Behörden, seine Mission fortsetzen zu können, und entschloß sich, nach Berlin zu gehen, um dort die Sachlage darzulegen. Seine Abreise war die Losung zu allgemeinen offenen Gewaltthätigkeiten gegen die Polen. Die Generale Colomb, Wedell, Hirschfeld (von Shrapnells) waren des letzten schwachen Zügels enthoben, alle Berichte und Anklagen waren in Berlin ohne Rücksicht geblieben, und die losgelassene Meute der wüthenden Soldateska sollte den letzten Schrei des „pacificirten“, wehrlosen Landes ersticken. (Schluß folgt.) 15 Köln, 7. Juli. Die „Köln. Ztg.“ erzählt in ihrer Nr. 188 ganz gemüthlich, daß der Gemeinderath von Köln in seiner Sitzung v. 3. d. beschlossen habe, eine Deputation an den Hrn. Minister (a. D.) Camphausen zu entsenden, um demselben „die dankende Anerkennung des Gemeinderathes für dessen politische Wirksamkeit auszusprechen.“ Der Umstand, daß Herr Dumont, Redakteur des fraglichen Blattes, in seiner Eigenschaft als Stadtrath persönlich zugegen war in der beregten Sitzung, so wie die Bestimmtheit mit der die ganze idyllische Feier mit allen ihren Nebenumständen erzählt wird, läßt eigentlich an der Wahrheit des Gesagten keinen Zweifel aufkommen, und dennoch ist die Hauptsache, das Motiv der Demonstration, ‒ eine Lüge. ‒ Der Gemeinderath hatte in seiner Mitte zu einem „kollegialischen Besuch“ bei seinem frühern Mitgliede, des Hrn. Minister a. D. aufgefordert, und war die Sache auch in diesem Sinne verhandelt und beschlossen worden; von der politischen Wirksamkeit des Exministers war dabei durchaus nicht die Rede. Wären, was längst schon beschlossen worden ist, die Sitzungen unseres Gemeinderaths öffentlich, dann würde der zeitweilige Stadtrath und Zeitungs-Redakteur, Hr. Jos. Dumont sich wohl schwerlich eine solche arge Mystifikation des Publikums haben zu Schulden kommen lassen. Sollte übrigens die politische Wirksamkeit des Ministers a. D. wirklich eine derartige vielbedeutende Demonstration des Kölner Gemeinderaths verdient haben, dann war es Pflicht desselben, das Volk, was dieses Verdienst bestimmt nicht gekannt zu haben scheint, darüber durch irgend eine Proklamation gehörig aufzuklären; ‒ die Katzenmusiken und Scandale vor dem Wohnhause des Ministers hier in Köln würden dann zweifelsohne nicht stattgefunden haben. ‒ Das Zusammentreffen der Kölner Deputation mit den Abgeordneten der Stadt Mülheim an der Ruhr ist wichtig. Schade, daß die Kölner nicht einen Tag früher gekommen waren, dann hätten sie sogar den Herrn Exminister Eichhorn mit seinem Kollegen Camphausen in Konferenz treffen können ‒ ‒ ‒ und das ist noch wichtiger! 9 Düsseldorf, 8. Juli. Hr. Julius Wulff, Präsident des hiesigen Volksklubbs, erhielt heute Morgen um 6 Uhr einen Besuch des Oberprokurators Hrn. Schnase, der sich bis jetzt (8 Uhr) in Gesellschaft zweier Schreiber mit Durchforschung der vorgefundenen Papiere beschäftigt. Zwei Polizeidiener und eine Droschke warten vor der Hausthüre, wonach es scheint als ob die Haussuchung wohl mit einer Verhaftung enden könnte. Ob man nach Hrn. Wulff die übrigen Mißliebigen der Reihe nach vernehmen wird, müssen wir erwarten. Nachschrift. Herr Wulff ist wirklich verhaftet worden. Man soll in seinen Papieren Nichts gefunden haben. Auch bei dem stellvertretenden Präsidenten, Herrn Rockmann, stattete der Oberprokurator Schnaase, ein Instruktionsrichter und mehre Polizeibeamte Besuch ab. Schon um halb sechs Uhr Morgens hatten sich zwei Polizeikommssäre bei demselben eingefunden, welche ihn bis zur Ankunft der bezeichneten Herren überwachten. Auch seine Papiere wurden durchsucht, nachdem man ihm vergebens sein Ehren- <TEI> <text> <pb facs="#f0001" n="0197"/> <front> <titlePage type="heading"> <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung.</titlePart> <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart> <docImprint> <docDate>No. 40. Köln, Montag 10. Juli 1848.</docDate> </docImprint> </titlePage> </front> <body> <div type="jExpedition"> <p>Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an täglich. Bestellungen für dies Quartal, Juli bis September, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an.</p> <p>Für Frankreich übernehmen Abonnements Herr <hi rendition="#g">G. A. Alexander,</hi> Nr. 28, Brandgasse in <hi rendition="#g">Straßburg,</hi> und 23, rue Notre Dame de Nazareth in Paris; so wie das königliche Ober-Post-Amt in Aachen. Für England die HH. J. J. <hi rendition="#g">Ewer</hi> & Comp. 72, Newgate Street in London. Für Belgien und Holland die respekt. königlichen Briefpost-Aemter und das Postbüreau zu Lüttich.</p> <p>Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. <hi rendition="#g">Inserate:</hi> die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf.</p> <p>Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung.</p> </div> <div n="1"> <p>(Zu Nro. 39 der neuen Rheinischen Zeitung wurde heute Morgen hier in Köln ein Extra-Blatt ausgegeben. Für unsre auswärtigen Abonnenten ist der Inhalt dieses Blattes unter [#] <hi rendition="#g">Köln,</hi> 9. Juli, in unsrem heutigen Blatt wieder abgedruckt.)</p> </div> <div type="contents" n="1"> <head>Uebersicht.</head> <p><hi rendition="#g">Deutschland.</hi> Köln (die Ministerkrisis. ‒ Johnen's Verhaftung. ‒ Die preußische Pacificirung und Reorganisation Posens. ‒ Der Besuch des Gemeinderaths bei Herrn Camphausen). Düsseldorf (Haussuchung. Verhaftung). Berlin (Sitzung der Vereinbarer vom 7. Juli. ‒ Truppen hergezogen. ‒ v. Ratzmer. ‒ Die Ostbahnarbeiter. ‒ Proteste gegen Militaireinrücken). Potsdam (Meding abgetreten). Halle (die Constitutionellen). Eisleben (Behandlung der durchpassirenden Polen). Hannover (Aufregung in Göttingen). Butzbach (Erinnerung an Weidig's Tod). Frankfurt (Sitzung der Nationalversammlung).</p> <p><hi rendition="#g">Polen.</hi> Warschau (Exekutionen).</p> <p><hi rendition="#g">Ungarn.</hi> Pesth (Kossuth bleibt Minister. Stephan unbeschränkter Stellvertreter des Kaisers). Temeswar (Abschluß einer vorläufigen Konvention).</p> <p><hi rendition="#g">Italien.</hi> Rom (Kammerdebatten. ‒ Ein Cirkular der neapolitanischen Regierung). Neapel (neuer französischer Admiral. Aufstand der Provinz Reggio. A. Romeo). Florenz (Ueber den Krieg gegen Oestreich und das Wachsthum der Demokratie in Deutschland). Venedig (das Fort Malghera. Ein verdächtiger Herzog. ‒ Wahrscheinlicher Anschluß an Karl Albert).</p> <p><hi rendition="#g">Französische Republik.</hi> Paris (Brief Girardin's. ‒ Brief Lamartine's. ‒ Die „Reforme“ über den Leichenzug. ‒ Nationalversammlung vom 7. Juli. ‒ Vermischtes).</p> <p><hi rendition="#g">Großbritannien.</hi> London (v. Auerswald durch die Times dementirt. ‒ Unterhaus. Humes Reform-Motion verworfen. Chartistenprozeß).</p> <p> <hi rendition="#g">Handelsnachrichten.</hi> </p> </div> <div n="1"> <head>Deutschland.</head> <div xml:id="ar040_001_c" type="jArticle"> <note type="editorial">Edition: <bibl>Karl Marx: Die Fortdauer der Ministerkrisis. In: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi> I/7. S. 297.</bibl></note> <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 9. Juli.</head> <gap reason="copyright"/> </div> <div xml:id="ar040_002" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 7. Juli.</head> <p>Herr Tischlermeister <hi rendition="#g">Heinrich Johnen</hi> ersucht uns folgende Reklamation aufzunehmen:</p> <p>Am 6. Juli gegen 6 Uhr Morgens wurde an Johnen's Schlafzimmer geklopft und herein traten 3 Gendarmen und 2 Polizeidiener und erklärten dem Johnen, er sei im Namen des Gesetzes verhaftet. Johnen blieb indeß ruhig in seinem Bette liegen und gab den Heren zu verstehen, es müsse hier ein Irrthum obwalten, das müsse ein anderer Johnen sein. Dieser Meinung war auch der Polizeidiener Schwartz, welcher bei der Verhaftung zugegen; er berathschlagte sich mit den Gendarmen und die angefangene Jagd wurde nun bei einem andern Johnen fortgesetzt.</p> <p>Ungefähr eine Stunde später erschienen die Herren der heiligen Hermandad von neuem in seiner Wohnung mit dem Bemerken, er müsse mit, es könne kein anderer Johnen sein, als er. Da Johnen sich unschuldig wußte, so leistete er keinen ferneren Widerstand, er wurde sorgfältig in einen Fiaker gepackt und es wurde ihm bedeutet, er würde zum Instruktionsrichter geführt; der Wagen rollte indeß durch verschiedene Straßen und vor dem neuen Civilarresthause wurde Halt gemacht.</p> <p>Dort angekommen wurden die üblichen Formalitäten an ihm vollzogen und er alsdann in dem neuen nach pensylvanischer Art gebauten Flügel, in eine Zelle eingesperrt.</p> <p>Nicht lange währte es, so erschien ein Aufseher in seinem Käficht und brachte ihm Wolle zum Auseinanderzupfen, mit dem Bemerken, dies sei etwas um etwaige Grillen zu vertreiben. Nachher hatte er das Vergnügen, die Bekanntschaft des Hrn. Direktors und Inspektors der Anstalt zu machen, dieselben erkundigten sich nach seinem Namen und Stand u. s. w. Er protestirte gegen seine Verhaftung und ersuchte die Herren, ihn sobald wie möglich dem Instruktionsrichter vorführen zu lassen, um seine Unschuld zu beweisen. Dies letztere geschah gegen halb zehn Uhr.</p> <p>Das Interrogatoire begann wie gewöhnlich; der Herr Instruktionsrichter verwunderte sich, daß man mich arretirt habe, indem der Johnen, den man wirklich verhaften sollte, in der Foller- oder Weberstraße wohnen müsse. Zugleich wurde Johnen gefragt, ob er drei Jahre in Paris <hi rendition="#g">(welch groß Verbrechen, in Paris gewesen zu sein)</hi> und ob er in dem Wirthshause bei Hilgers in der Zollstraße aufrührerische Reden gehalten. Auf dies Alles gab Johnen verneinende Antwort, das Protokoll wurde geschlossen und trotzdem, daß der Instruktionsrichter die Ueberzeugung hatte, daß Johnen nicht der rechte sei, den man verhaften wollte, wurde derselbe erst gegen Abend sechs Uhr aus dem Arrest entlassen.</p> <p>Ist dies nicht wieder ein Beispielchen, auf welche Art und Weise die Staatsbehörde Arrestationen anordnet und ausführen läßt; gleichviel ob es der Rechte oder Unrechte ist, wird ein Bürger aus seinem Geschäft und von seiner Familie weggeholt, arretirt wie ein großer Verbrecher, dann wegen Mangel an Beweis, oder weil man einen Mißgriff gemacht hat, wieder in Freiheit gesetzt.</p> </div> <div xml:id="ar040_003" type="jArticle"> <head><bibl><author>19</author></bibl> Köln, 9. Juli.</head> <p><ref type="link">(Forts. des gestr. Artikels).</ref>Es war ein eigenthümliches Geschick bei diesem merkwürdigen Pacifikationsverfahren, daß die ordnungswüthige Bureaukratie zur Bekämpfung der polnischen „Anarchistengelüste“ sich der Anarchie in ihren eigenen Reihen bediente. Die gerühmte preußische Disziplin im Heere war verschwunden, der wohlgeordnete Beamtenstaat in voller Auflösung begriffen.</p> <p>Oder geschah es etwa mit Bewilligung der Oberbehörden, wenn der Assessor Göldner aus Schubin am 27. April ein Detaschement von 10 Husaren zu dem Gutsbesitzer Sadowski nach Slupy dirigirte, und denselben ohne den geringsten Anlaß, als er mit seiner Mutter und seiner Schwägerin am Tische saß, niederschießen und seine Leiche unter Spott und Gelächter verstümmeln ließ!</p> <p>Geschah es im Interesse der von dem Oberpräsidenten „angebahnten“ Reorganisation, wenn der Regierungspräsident Schleinitz zu Bromberg die herausforderndsten Proklamationen erließ, und durch die willkürlichsten Verhaftungen, namentlich der Priester, in anfangs ruhigen Distrikten die wüthendste Erbitterung gegen die Deutschen hervorrief?</p> <p>Wo war die steife Zucht des vielgeliebten Kamaschenthums, wenn der General Hirschfeld (von Shrapnell) gleich einem Hüser von Mainz die an ihn gesendeten Parlamentäre einer bedrohten Stadt vor der Wuth seiner Soldaten nicht schützen zu können erklärte, und wenn diese Parlamentäre in seinem Beisein, Angesichts der Offiziere, von der wohldressirten Soldateska auf das Barbarischste gemißhandelt wurden?</p> <p>Die Offiziere achteten der wirklichen oder scheinbaren Befehle ihrer Vorgesetzten, der Konvention des kön. Kommissarius nicht mehr; ganze Banden durchstreiften auf eigene Hand raubend, plündernd, brandschatzend die Gegenden, und hausten überall wie in einem eroberten, vogelfreien Lande.</p> <p>Am 9. April überfiel eine Abtheilung Dragoner, von zwei Offizieren befehligt, die Stadt Miéscisko, und schossen im Vorbeiziehen auf die grade vor der Kirche versammelte Menge, wobei ein Schulze todt blieb, und eine Frau schwer verwundet wurde.</p> <p>Ebenfalls am 9. April überfiel eine Abtheilung Infanterie die Stadt Znin, nachdem sie vorher schon in der Umgegend und namentlich in der Wohnung des Dekans in Gora die größten Exzesse getrieben hatte. Die vor der Kirche versammelte Menge wollte zu den Waffen greifen, aber der Graf Viktor Potocki forderte sie zur Ordnung auf, als Schüsse des Militärs ihn von hinten zu Boden streckten.</p> <p>Am 15. April drangen zwei Kompagnieen des 15. Landwehr-Regiments nach Wreschen, und in die Wohnung des Grafen Poninski, wo sie die hochschwangere Gräfin mit Bajonetten „kitzelten“, und beim Abzug einen Beutel mit 150 Thalern fortführten.</p> <p>An demselben Tage rückte das 5. Husaren-Regiment nach dem Dorfe Nekla bei Wreschen und raubte dort bei dem Ortspfarrer, einem Förster, einem pensionirten Hauptmann und zwei Bürgern an Geld und Geldeswerth 1521 Thaler.</p> <p>Bei all diesem Treiben war in sofern zwar „Ordnung“ nicht zu verkennen, daß die Anarchie nicht ausnahmsweise, sondern systematisch auf der Tagesordnung stand. Nicht bloß die unteren Offiziere und gemeinen Soldaten trieben ihr Geschäft auf eigne Hand, die Maßregeln des kön. Kommissarius wurden auch von den Generalen willkührlich verletzt oder systematisch durchkreuzt.</p> <p>Als die Kunde von dem ersten Bruch der Konvention durch den Angriff auf das Polen-Lager in Trzemeszno die Erbitterung in der drohendsten Weise steigerte, ersuchten die Polenführer, um den friedlichen Erfolg der Konvention nicht zu vereiteln, den kommandirenden General Colomb um eine dreitägige Verlängerung der Frist zur Auflösung der Lager. Der kommandirende General ging darauf ein; nichts destoweniger rückte der General Hirschfeld trotz des Befehls des Kommissarius, sich konventionsgemäß eine Meile von den Lagern entfernt zu halten, auf die Stadt Wreschen. Die Polen, um jede Veranlassung zu neuen blutigen Konflikten zu vermeiden, räumten die ihnen für ihre Stämme (Cadres) durch die Konvention zugewiesene Stadt und verlegten mit Bewilligung des Kommissarius ihre Cadres nach Neustadt.</p> <p>Der Kommissarius, um sich davon an Ort und Stelle zu überzeugen, wie weit die Bedingungen der Konvention von Seiten der Polen erfüllt waren, hatte die Cadres und alle Orte inspizirt, wo die polnischen Truppen stationirt waren. Ueberall hatte er Zucht und Ordnung gefunden, und die Versicherungen der Zufriedenheit der deutschen Einwohner erhalten; die <hi rendition="#g">deutschen</hi> Einwohner von Schroda gaben die schriftliche Erklärung, daß sie während der polnischen Kantonirung sich der größten Ordnung erfreut, von den preußischen Truppen aber nach ihrem Einrücken die blutigsten Exzesse zu erleiden gehabt; die Städte Neustadt, Miloslaw, Pleschen, Grätz gaben ähnliche Versicherungen und an der Spitze der Unterschriften der letztern Stadt stand der Name des Justizkommissarius Colomb, eines Neffen des kommandirenden Generals. Der Kommissarius erklärte hierauf in der Proklamation von Boguszyn v. 17. April, daß das Land pacifizirt sei und die Reorganisation beginnen solle, und gab dem General die Erfüllung der nach der Konvention obliegenden Bedingungen auf, nämlich 1) einen höhern preuß. Offizier zur Beaufsichtigung der polnischen Cadres zu bestimmen, 2) die polnischen Cadres selbst in die Posen'sche Division einzustellen und 3) alle militärischen Maßregeln zu fistiren.</p> <p>Der General Colomb fand für gut, von Alle dem nichts zu thun, und trotz wiederholter Aufforderungen des Generals Willisen blieben alle Bedingungen der Konvention unerfüllt.</p> <p>Welche Vollmachten aber konnten wohl den General Colomb berechtigen, den von dem kön. Kommissarius getroffenen Maßregeln auf eigene Hand entgegen zu treten und eine unerhörte schlächterartige Metzelei zu veranlassen?</p> <p>Und wenn er keine Autorisation hierzu besaß, wie konnte es geschehen, daß dieser Mensch trotz aller Reklamationen der Deutschen und Polen nicht zur Rechenschaft gezogen wurde?</p> <p>Diese Fragen treffen das Ministerium Camphausen-Schwerin-Auerswald, welches die Berichte des Erzbischofs von Gnesen und Posen, die Deputationen des polnischen Nationalcomité's und selbst die Anklagen von Deutschen gegen die Gräuel der fanatisirten Soldateska unbeachtet ließ. Das Ministerium Camphausen, wir hoffen es, wird eines Tages für alles durch seine Schuld in Polen vergossene Blut, für alle dort verübte Greuel noch verantwortlich gemacht werden.</p> <p>Hätte der General Colomb dem Befehl des Kommissarius gemäß rechtzeitig einen höhern Offizier zur Oberaufsicht der polnischen Kadres gesandt, so wäre manche Unordnung vermieden worden, die später als Vorwand eines Konventionsbruches diente;</p> <p>hätte er die polnischen Stämme in die Posensche Division eingestellt, so würden sie aufgehört haben Truppen zu bilden, die man später mit Kartätschen und Shrapnells niederzumetzeln für gut fand;</p> <p>hätte er die militärischen Maßregeln fistirt, d. h. die wüthenden, aller Subordination entbehrenden fliegenden Kolonnen zurückgezogen, die nach den Aussagen aller Deutschen Schrecken und Flucht verbreiten, so wäre alles Blutbad zwischen zwei bis dahin friedlich nebeneinanderwohnenden Nationalitäten vermieden worden.</p> <p>Der General Colomb, der von Anfang an die Absicht einer friedlichen Reorganisation nicht theilte, sondern die Polen auf dem Schlachtfelde zum Aufgeben ihrer nationalen Forderung zu zwingen entschlossen, konsequent, die Macht des kön. Kommissarius überall zu brechen.</p> <p>Als der Letztere beim Abschluß der Konvention in der in Belagerungszustand erklärten Stadt Posen von dem deutschen und jüdischen Lumpenproletariat beschimpft und seine Wohnung in Gegenwart der obersten Militärbehörden fast erstürmt worden wäre, erklärte ihm der General Colomb, der von den Haufen mit Hurrah begrüßt wurde, daß er ihn nicht schützen könne und ihm rathe, <hi rendition="#g">nach Berlin zurückzukehren.</hi> Die Beamten, die Landräthe, Kreiskommissäre, welche bei der Reorganisation auf die Straße gesetzt zu werden fürchteten, erklärten offen, daß sie von dem Kommissarius keine Befehle annähmen. Alle Vorbereitungen zu einer unbeschränkten Diktatur der dem Kommissarius untergeordneten Generäle, waren angebahnt.</p> <p>Der königl. Kommissarius sah die Unmöglichkeit ein, bei diesem Treiben der Behörden, seine Mission fortsetzen zu können, und entschloß sich, nach Berlin zu gehen, um dort die Sachlage darzulegen.</p> <p>Seine Abreise war die Losung zu allgemeinen offenen Gewaltthätigkeiten gegen die Polen. Die Generale Colomb, Wedell, Hirschfeld (von Shrapnells) waren des letzten schwachen Zügels enthoben, alle Berichte und Anklagen waren in Berlin ohne Rücksicht geblieben, und die losgelassene Meute der wüthenden Soldateska sollte den letzten Schrei des „pacificirten“, wehrlosen Landes ersticken.</p> <p> <ref type="link">(Schluß folgt.)</ref> </p> </div> <div xml:id="ar040_004" type="jArticle"> <head><bibl><author>15</author></bibl> Köln, 7. Juli.</head> <p>Die „Köln. Ztg.“ erzählt in ihrer Nr. 188 ganz gemüthlich, daß der Gemeinderath von Köln in seiner Sitzung v. 3. d. beschlossen habe, eine Deputation an den Hrn. Minister (a. D.) Camphausen zu entsenden, um demselben „<hi rendition="#g">die dankende Anerkennung des Gemeinderathes für dessen politische Wirksamkeit auszusprechen.</hi>“ Der Umstand, daß Herr Dumont, Redakteur des fraglichen Blattes, in seiner Eigenschaft als Stadtrath persönlich zugegen war in der beregten Sitzung, so wie die Bestimmtheit mit der die ganze idyllische Feier mit allen ihren Nebenumständen erzählt wird, läßt eigentlich an der Wahrheit des Gesagten keinen Zweifel aufkommen, und dennoch ist die Hauptsache, das Motiv der Demonstration, ‒ <hi rendition="#g">eine Lüge.</hi> ‒ Der Gemeinderath hatte in seiner Mitte zu einem „kollegialischen Besuch“ bei seinem frühern Mitgliede, des Hrn. Minister a. D. aufgefordert, und war die Sache auch in diesem Sinne verhandelt und beschlossen worden; von der politischen Wirksamkeit des Exministers war dabei <hi rendition="#g">durchaus nicht die Rede.</hi></p> <p>Wären, was längst schon beschlossen worden ist, die Sitzungen unseres Gemeinderaths öffentlich, dann würde der zeitweilige Stadtrath und Zeitungs-Redakteur, Hr. Jos. Dumont sich wohl schwerlich eine solche arge Mystifikation des Publikums haben zu Schulden kommen lassen.</p> <p>Sollte übrigens die politische Wirksamkeit des Ministers a. D. wirklich eine derartige vielbedeutende Demonstration des Kölner Gemeinderaths verdient haben, dann war es Pflicht desselben, das Volk, was dieses Verdienst bestimmt nicht gekannt zu haben scheint, darüber durch irgend eine Proklamation gehörig aufzuklären; ‒ die Katzenmusiken und Scandale vor dem Wohnhause des Ministers hier in Köln würden dann zweifelsohne nicht stattgefunden haben. ‒</p> <p>Das Zusammentreffen der Kölner Deputation mit den Abgeordneten der Stadt Mülheim an der Ruhr ist wichtig. Schade, daß die Kölner nicht einen Tag früher gekommen waren, dann hätten sie sogar den Herrn Exminister Eichhorn mit seinem Kollegen Camphausen in Konferenz treffen können ‒ ‒ ‒ und das ist noch wichtiger!</p> </div> <div xml:id="ar040_005" type="jArticle"> <head><bibl><author>9</author></bibl> Düsseldorf, 8. Juli.</head> <p>Hr. Julius Wulff, Präsident des hiesigen Volksklubbs, erhielt heute Morgen um 6 Uhr einen Besuch des Oberprokurators Hrn. Schnase, der sich bis jetzt (8 Uhr) in Gesellschaft zweier Schreiber mit Durchforschung der vorgefundenen Papiere beschäftigt. Zwei Polizeidiener und eine Droschke warten vor der Hausthüre, wonach es scheint als ob die Haussuchung wohl mit einer Verhaftung enden könnte. Ob man nach Hrn. Wulff die übrigen Mißliebigen der Reihe nach vernehmen wird, müssen wir erwarten.</p> <p><hi rendition="#g">Nachschrift.</hi> Herr Wulff ist wirklich verhaftet worden. Man soll in seinen Papieren Nichts gefunden haben. Auch bei dem stellvertretenden Präsidenten, Herrn Rockmann, stattete der Oberprokurator Schnaase, ein Instruktionsrichter und mehre Polizeibeamte Besuch ab. Schon um halb sechs Uhr Morgens hatten sich zwei Polizeikommssäre bei demselben eingefunden, welche ihn bis zur Ankunft der bezeichneten Herren überwachten. Auch seine Papiere wurden durchsucht, nachdem man ihm vergebens sein Ehren- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0197/0001]
Neue Rheinische Zeitung.Organ der Demokratie.No. 40. Köln, Montag 10. Juli 1848. Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an täglich. Bestellungen für dies Quartal, Juli bis September, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an.
Für Frankreich übernehmen Abonnements Herr G. A. Alexander, Nr. 28, Brandgasse in Straßburg, und 23, rue Notre Dame de Nazareth in Paris; so wie das königliche Ober-Post-Amt in Aachen. Für England die HH. J. J. Ewer & Comp. 72, Newgate Street in London. Für Belgien und Holland die respekt. königlichen Briefpost-Aemter und das Postbüreau zu Lüttich.
Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf.
Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung.
(Zu Nro. 39 der neuen Rheinischen Zeitung wurde heute Morgen hier in Köln ein Extra-Blatt ausgegeben. Für unsre auswärtigen Abonnenten ist der Inhalt dieses Blattes unter [#] Köln, 9. Juli, in unsrem heutigen Blatt wieder abgedruckt.)
Uebersicht. Deutschland. Köln (die Ministerkrisis. ‒ Johnen's Verhaftung. ‒ Die preußische Pacificirung und Reorganisation Posens. ‒ Der Besuch des Gemeinderaths bei Herrn Camphausen). Düsseldorf (Haussuchung. Verhaftung). Berlin (Sitzung der Vereinbarer vom 7. Juli. ‒ Truppen hergezogen. ‒ v. Ratzmer. ‒ Die Ostbahnarbeiter. ‒ Proteste gegen Militaireinrücken). Potsdam (Meding abgetreten). Halle (die Constitutionellen). Eisleben (Behandlung der durchpassirenden Polen). Hannover (Aufregung in Göttingen). Butzbach (Erinnerung an Weidig's Tod). Frankfurt (Sitzung der Nationalversammlung).
Polen. Warschau (Exekutionen).
Ungarn. Pesth (Kossuth bleibt Minister. Stephan unbeschränkter Stellvertreter des Kaisers). Temeswar (Abschluß einer vorläufigen Konvention).
Italien. Rom (Kammerdebatten. ‒ Ein Cirkular der neapolitanischen Regierung). Neapel (neuer französischer Admiral. Aufstand der Provinz Reggio. A. Romeo). Florenz (Ueber den Krieg gegen Oestreich und das Wachsthum der Demokratie in Deutschland). Venedig (das Fort Malghera. Ein verdächtiger Herzog. ‒ Wahrscheinlicher Anschluß an Karl Albert).
Französische Republik. Paris (Brief Girardin's. ‒ Brief Lamartine's. ‒ Die „Reforme“ über den Leichenzug. ‒ Nationalversammlung vom 7. Juli. ‒ Vermischtes).
Großbritannien. London (v. Auerswald durch die Times dementirt. ‒ Unterhaus. Humes Reform-Motion verworfen. Chartistenprozeß).
Handelsnachrichten.
Deutschland. * Köln, 9. Juli. _ * Köln, 7. Juli. Herr Tischlermeister Heinrich Johnen ersucht uns folgende Reklamation aufzunehmen:
Am 6. Juli gegen 6 Uhr Morgens wurde an Johnen's Schlafzimmer geklopft und herein traten 3 Gendarmen und 2 Polizeidiener und erklärten dem Johnen, er sei im Namen des Gesetzes verhaftet. Johnen blieb indeß ruhig in seinem Bette liegen und gab den Heren zu verstehen, es müsse hier ein Irrthum obwalten, das müsse ein anderer Johnen sein. Dieser Meinung war auch der Polizeidiener Schwartz, welcher bei der Verhaftung zugegen; er berathschlagte sich mit den Gendarmen und die angefangene Jagd wurde nun bei einem andern Johnen fortgesetzt.
Ungefähr eine Stunde später erschienen die Herren der heiligen Hermandad von neuem in seiner Wohnung mit dem Bemerken, er müsse mit, es könne kein anderer Johnen sein, als er. Da Johnen sich unschuldig wußte, so leistete er keinen ferneren Widerstand, er wurde sorgfältig in einen Fiaker gepackt und es wurde ihm bedeutet, er würde zum Instruktionsrichter geführt; der Wagen rollte indeß durch verschiedene Straßen und vor dem neuen Civilarresthause wurde Halt gemacht.
Dort angekommen wurden die üblichen Formalitäten an ihm vollzogen und er alsdann in dem neuen nach pensylvanischer Art gebauten Flügel, in eine Zelle eingesperrt.
Nicht lange währte es, so erschien ein Aufseher in seinem Käficht und brachte ihm Wolle zum Auseinanderzupfen, mit dem Bemerken, dies sei etwas um etwaige Grillen zu vertreiben. Nachher hatte er das Vergnügen, die Bekanntschaft des Hrn. Direktors und Inspektors der Anstalt zu machen, dieselben erkundigten sich nach seinem Namen und Stand u. s. w. Er protestirte gegen seine Verhaftung und ersuchte die Herren, ihn sobald wie möglich dem Instruktionsrichter vorführen zu lassen, um seine Unschuld zu beweisen. Dies letztere geschah gegen halb zehn Uhr.
Das Interrogatoire begann wie gewöhnlich; der Herr Instruktionsrichter verwunderte sich, daß man mich arretirt habe, indem der Johnen, den man wirklich verhaften sollte, in der Foller- oder Weberstraße wohnen müsse. Zugleich wurde Johnen gefragt, ob er drei Jahre in Paris (welch groß Verbrechen, in Paris gewesen zu sein) und ob er in dem Wirthshause bei Hilgers in der Zollstraße aufrührerische Reden gehalten. Auf dies Alles gab Johnen verneinende Antwort, das Protokoll wurde geschlossen und trotzdem, daß der Instruktionsrichter die Ueberzeugung hatte, daß Johnen nicht der rechte sei, den man verhaften wollte, wurde derselbe erst gegen Abend sechs Uhr aus dem Arrest entlassen.
Ist dies nicht wieder ein Beispielchen, auf welche Art und Weise die Staatsbehörde Arrestationen anordnet und ausführen läßt; gleichviel ob es der Rechte oder Unrechte ist, wird ein Bürger aus seinem Geschäft und von seiner Familie weggeholt, arretirt wie ein großer Verbrecher, dann wegen Mangel an Beweis, oder weil man einen Mißgriff gemacht hat, wieder in Freiheit gesetzt.
19 Köln, 9. Juli. (Forts. des gestr. Artikels).Es war ein eigenthümliches Geschick bei diesem merkwürdigen Pacifikationsverfahren, daß die ordnungswüthige Bureaukratie zur Bekämpfung der polnischen „Anarchistengelüste“ sich der Anarchie in ihren eigenen Reihen bediente. Die gerühmte preußische Disziplin im Heere war verschwunden, der wohlgeordnete Beamtenstaat in voller Auflösung begriffen.
Oder geschah es etwa mit Bewilligung der Oberbehörden, wenn der Assessor Göldner aus Schubin am 27. April ein Detaschement von 10 Husaren zu dem Gutsbesitzer Sadowski nach Slupy dirigirte, und denselben ohne den geringsten Anlaß, als er mit seiner Mutter und seiner Schwägerin am Tische saß, niederschießen und seine Leiche unter Spott und Gelächter verstümmeln ließ!
Geschah es im Interesse der von dem Oberpräsidenten „angebahnten“ Reorganisation, wenn der Regierungspräsident Schleinitz zu Bromberg die herausforderndsten Proklamationen erließ, und durch die willkürlichsten Verhaftungen, namentlich der Priester, in anfangs ruhigen Distrikten die wüthendste Erbitterung gegen die Deutschen hervorrief?
Wo war die steife Zucht des vielgeliebten Kamaschenthums, wenn der General Hirschfeld (von Shrapnell) gleich einem Hüser von Mainz die an ihn gesendeten Parlamentäre einer bedrohten Stadt vor der Wuth seiner Soldaten nicht schützen zu können erklärte, und wenn diese Parlamentäre in seinem Beisein, Angesichts der Offiziere, von der wohldressirten Soldateska auf das Barbarischste gemißhandelt wurden?
Die Offiziere achteten der wirklichen oder scheinbaren Befehle ihrer Vorgesetzten, der Konvention des kön. Kommissarius nicht mehr; ganze Banden durchstreiften auf eigene Hand raubend, plündernd, brandschatzend die Gegenden, und hausten überall wie in einem eroberten, vogelfreien Lande.
Am 9. April überfiel eine Abtheilung Dragoner, von zwei Offizieren befehligt, die Stadt Miéscisko, und schossen im Vorbeiziehen auf die grade vor der Kirche versammelte Menge, wobei ein Schulze todt blieb, und eine Frau schwer verwundet wurde.
Ebenfalls am 9. April überfiel eine Abtheilung Infanterie die Stadt Znin, nachdem sie vorher schon in der Umgegend und namentlich in der Wohnung des Dekans in Gora die größten Exzesse getrieben hatte. Die vor der Kirche versammelte Menge wollte zu den Waffen greifen, aber der Graf Viktor Potocki forderte sie zur Ordnung auf, als Schüsse des Militärs ihn von hinten zu Boden streckten.
Am 15. April drangen zwei Kompagnieen des 15. Landwehr-Regiments nach Wreschen, und in die Wohnung des Grafen Poninski, wo sie die hochschwangere Gräfin mit Bajonetten „kitzelten“, und beim Abzug einen Beutel mit 150 Thalern fortführten.
An demselben Tage rückte das 5. Husaren-Regiment nach dem Dorfe Nekla bei Wreschen und raubte dort bei dem Ortspfarrer, einem Förster, einem pensionirten Hauptmann und zwei Bürgern an Geld und Geldeswerth 1521 Thaler.
Bei all diesem Treiben war in sofern zwar „Ordnung“ nicht zu verkennen, daß die Anarchie nicht ausnahmsweise, sondern systematisch auf der Tagesordnung stand. Nicht bloß die unteren Offiziere und gemeinen Soldaten trieben ihr Geschäft auf eigne Hand, die Maßregeln des kön. Kommissarius wurden auch von den Generalen willkührlich verletzt oder systematisch durchkreuzt.
Als die Kunde von dem ersten Bruch der Konvention durch den Angriff auf das Polen-Lager in Trzemeszno die Erbitterung in der drohendsten Weise steigerte, ersuchten die Polenführer, um den friedlichen Erfolg der Konvention nicht zu vereiteln, den kommandirenden General Colomb um eine dreitägige Verlängerung der Frist zur Auflösung der Lager. Der kommandirende General ging darauf ein; nichts destoweniger rückte der General Hirschfeld trotz des Befehls des Kommissarius, sich konventionsgemäß eine Meile von den Lagern entfernt zu halten, auf die Stadt Wreschen. Die Polen, um jede Veranlassung zu neuen blutigen Konflikten zu vermeiden, räumten die ihnen für ihre Stämme (Cadres) durch die Konvention zugewiesene Stadt und verlegten mit Bewilligung des Kommissarius ihre Cadres nach Neustadt.
Der Kommissarius, um sich davon an Ort und Stelle zu überzeugen, wie weit die Bedingungen der Konvention von Seiten der Polen erfüllt waren, hatte die Cadres und alle Orte inspizirt, wo die polnischen Truppen stationirt waren. Ueberall hatte er Zucht und Ordnung gefunden, und die Versicherungen der Zufriedenheit der deutschen Einwohner erhalten; die deutschen Einwohner von Schroda gaben die schriftliche Erklärung, daß sie während der polnischen Kantonirung sich der größten Ordnung erfreut, von den preußischen Truppen aber nach ihrem Einrücken die blutigsten Exzesse zu erleiden gehabt; die Städte Neustadt, Miloslaw, Pleschen, Grätz gaben ähnliche Versicherungen und an der Spitze der Unterschriften der letztern Stadt stand der Name des Justizkommissarius Colomb, eines Neffen des kommandirenden Generals. Der Kommissarius erklärte hierauf in der Proklamation von Boguszyn v. 17. April, daß das Land pacifizirt sei und die Reorganisation beginnen solle, und gab dem General die Erfüllung der nach der Konvention obliegenden Bedingungen auf, nämlich 1) einen höhern preuß. Offizier zur Beaufsichtigung der polnischen Cadres zu bestimmen, 2) die polnischen Cadres selbst in die Posen'sche Division einzustellen und 3) alle militärischen Maßregeln zu fistiren.
Der General Colomb fand für gut, von Alle dem nichts zu thun, und trotz wiederholter Aufforderungen des Generals Willisen blieben alle Bedingungen der Konvention unerfüllt.
Welche Vollmachten aber konnten wohl den General Colomb berechtigen, den von dem kön. Kommissarius getroffenen Maßregeln auf eigene Hand entgegen zu treten und eine unerhörte schlächterartige Metzelei zu veranlassen?
Und wenn er keine Autorisation hierzu besaß, wie konnte es geschehen, daß dieser Mensch trotz aller Reklamationen der Deutschen und Polen nicht zur Rechenschaft gezogen wurde?
Diese Fragen treffen das Ministerium Camphausen-Schwerin-Auerswald, welches die Berichte des Erzbischofs von Gnesen und Posen, die Deputationen des polnischen Nationalcomité's und selbst die Anklagen von Deutschen gegen die Gräuel der fanatisirten Soldateska unbeachtet ließ. Das Ministerium Camphausen, wir hoffen es, wird eines Tages für alles durch seine Schuld in Polen vergossene Blut, für alle dort verübte Greuel noch verantwortlich gemacht werden.
Hätte der General Colomb dem Befehl des Kommissarius gemäß rechtzeitig einen höhern Offizier zur Oberaufsicht der polnischen Kadres gesandt, so wäre manche Unordnung vermieden worden, die später als Vorwand eines Konventionsbruches diente;
hätte er die polnischen Stämme in die Posensche Division eingestellt, so würden sie aufgehört haben Truppen zu bilden, die man später mit Kartätschen und Shrapnells niederzumetzeln für gut fand;
hätte er die militärischen Maßregeln fistirt, d. h. die wüthenden, aller Subordination entbehrenden fliegenden Kolonnen zurückgezogen, die nach den Aussagen aller Deutschen Schrecken und Flucht verbreiten, so wäre alles Blutbad zwischen zwei bis dahin friedlich nebeneinanderwohnenden Nationalitäten vermieden worden.
Der General Colomb, der von Anfang an die Absicht einer friedlichen Reorganisation nicht theilte, sondern die Polen auf dem Schlachtfelde zum Aufgeben ihrer nationalen Forderung zu zwingen entschlossen, konsequent, die Macht des kön. Kommissarius überall zu brechen.
Als der Letztere beim Abschluß der Konvention in der in Belagerungszustand erklärten Stadt Posen von dem deutschen und jüdischen Lumpenproletariat beschimpft und seine Wohnung in Gegenwart der obersten Militärbehörden fast erstürmt worden wäre, erklärte ihm der General Colomb, der von den Haufen mit Hurrah begrüßt wurde, daß er ihn nicht schützen könne und ihm rathe, nach Berlin zurückzukehren. Die Beamten, die Landräthe, Kreiskommissäre, welche bei der Reorganisation auf die Straße gesetzt zu werden fürchteten, erklärten offen, daß sie von dem Kommissarius keine Befehle annähmen. Alle Vorbereitungen zu einer unbeschränkten Diktatur der dem Kommissarius untergeordneten Generäle, waren angebahnt.
Der königl. Kommissarius sah die Unmöglichkeit ein, bei diesem Treiben der Behörden, seine Mission fortsetzen zu können, und entschloß sich, nach Berlin zu gehen, um dort die Sachlage darzulegen.
Seine Abreise war die Losung zu allgemeinen offenen Gewaltthätigkeiten gegen die Polen. Die Generale Colomb, Wedell, Hirschfeld (von Shrapnells) waren des letzten schwachen Zügels enthoben, alle Berichte und Anklagen waren in Berlin ohne Rücksicht geblieben, und die losgelassene Meute der wüthenden Soldateska sollte den letzten Schrei des „pacificirten“, wehrlosen Landes ersticken.
(Schluß folgt.)
15 Köln, 7. Juli. Die „Köln. Ztg.“ erzählt in ihrer Nr. 188 ganz gemüthlich, daß der Gemeinderath von Köln in seiner Sitzung v. 3. d. beschlossen habe, eine Deputation an den Hrn. Minister (a. D.) Camphausen zu entsenden, um demselben „die dankende Anerkennung des Gemeinderathes für dessen politische Wirksamkeit auszusprechen.“ Der Umstand, daß Herr Dumont, Redakteur des fraglichen Blattes, in seiner Eigenschaft als Stadtrath persönlich zugegen war in der beregten Sitzung, so wie die Bestimmtheit mit der die ganze idyllische Feier mit allen ihren Nebenumständen erzählt wird, läßt eigentlich an der Wahrheit des Gesagten keinen Zweifel aufkommen, und dennoch ist die Hauptsache, das Motiv der Demonstration, ‒ eine Lüge. ‒ Der Gemeinderath hatte in seiner Mitte zu einem „kollegialischen Besuch“ bei seinem frühern Mitgliede, des Hrn. Minister a. D. aufgefordert, und war die Sache auch in diesem Sinne verhandelt und beschlossen worden; von der politischen Wirksamkeit des Exministers war dabei durchaus nicht die Rede.
Wären, was längst schon beschlossen worden ist, die Sitzungen unseres Gemeinderaths öffentlich, dann würde der zeitweilige Stadtrath und Zeitungs-Redakteur, Hr. Jos. Dumont sich wohl schwerlich eine solche arge Mystifikation des Publikums haben zu Schulden kommen lassen.
Sollte übrigens die politische Wirksamkeit des Ministers a. D. wirklich eine derartige vielbedeutende Demonstration des Kölner Gemeinderaths verdient haben, dann war es Pflicht desselben, das Volk, was dieses Verdienst bestimmt nicht gekannt zu haben scheint, darüber durch irgend eine Proklamation gehörig aufzuklären; ‒ die Katzenmusiken und Scandale vor dem Wohnhause des Ministers hier in Köln würden dann zweifelsohne nicht stattgefunden haben. ‒
Das Zusammentreffen der Kölner Deputation mit den Abgeordneten der Stadt Mülheim an der Ruhr ist wichtig. Schade, daß die Kölner nicht einen Tag früher gekommen waren, dann hätten sie sogar den Herrn Exminister Eichhorn mit seinem Kollegen Camphausen in Konferenz treffen können ‒ ‒ ‒ und das ist noch wichtiger!
9 Düsseldorf, 8. Juli. Hr. Julius Wulff, Präsident des hiesigen Volksklubbs, erhielt heute Morgen um 6 Uhr einen Besuch des Oberprokurators Hrn. Schnase, der sich bis jetzt (8 Uhr) in Gesellschaft zweier Schreiber mit Durchforschung der vorgefundenen Papiere beschäftigt. Zwei Polizeidiener und eine Droschke warten vor der Hausthüre, wonach es scheint als ob die Haussuchung wohl mit einer Verhaftung enden könnte. Ob man nach Hrn. Wulff die übrigen Mißliebigen der Reihe nach vernehmen wird, müssen wir erwarten.
Nachschrift. Herr Wulff ist wirklich verhaftet worden. Man soll in seinen Papieren Nichts gefunden haben. Auch bei dem stellvertretenden Präsidenten, Herrn Rockmann, stattete der Oberprokurator Schnaase, ein Instruktionsrichter und mehre Polizeibeamte Besuch ab. Schon um halb sechs Uhr Morgens hatten sich zwei Polizeikommssäre bei demselben eingefunden, welche ihn bis zur Ankunft der bezeichneten Herren überwachten. Auch seine Papiere wurden durchsucht, nachdem man ihm vergebens sein Ehren-
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Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML
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(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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