Neue Rheinische Zeitung. Nr. 37. Köln, 7. Juli 1848.Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. No. 37. Köln, Freitag 7. Juli 1848.Die "Neue Rheinische Zeitung" erscheint vom 1. Juni an täglich. Bestellungen für dies Quartal, Juli bis September, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an. Für Frankreich übernehmen Abonnements Herr G. A. Alexander, Nr. 28, Brandgasse in Straßburg, und 23, rue Notre Dame de Nazareth in Paris; so wie das königliche Ober-Post-Amt in Aachen. Für England die HH. J. J. Ewer & Comp. 72, Newgate Street in London. Für Belgien und Holland die respekt. königlichen Briefpost-Aemter und das Postbüreau zu Lüttich. Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf. Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung. Zu Nro. 36 der Neuen Rheinischen Zeitung wurde gestern Morgen eine Extra Beilage ausgegeben. Uebersicht. Deutschland. Köln (gerichtliche Untersuchung gegen die "Neue Rheinische Zeitung." - Reklamationen der schleswig-holstein'schen Freischärler. - Berliner Vereinbarungsdebatten). Berlin (Konstabler. Die Spielbanken. Reaktionäre Lügen. Hansemann und das Geschwornengericht). Frankfurt (Sitzung der Nationalversammlung). Landau (Militäraufruhr). Wien (ein Urtheil über Hansemann. - Die Reichstagsdeputirten, besonders die polnischen). Prag (Hausdurchsuchungen. Unruhen in Beraun). Ungarn. Vincovie (ein Türkenkordon). Temesvar (Weißkirchen überfallen). Frankreich. Paris (Korrespondenz. - Sitzung der Nationalversammlung vom 9. Juni. - Der "Bien public." - Der "Peuple constituant." - Die "Nouvelles du Jour." Spanien. (Hofgeschichten). Italien. Neapel (Vorfälle in der Hauptstadt und in den Provinzen. Rom "Il Contemperaneo" über den Slavenkongreß). Großbritannien. London (Parlament). Dublin. (Ein Artikel in "The Nation)." Neueste Nachrichten. Deutschland.
* Köln, 6. Juli. Wir erhalten so eben folgende Entgegnung auf den in der gestrigen Rheinischen Zeitung abgedruckten Artikel, de dato Köln, 4. Juli, betreffend die Verhaftung der HH. Dr. Gottschalk und Anneke. Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. ** Köln, 6. Juli. Wir beeilen uns folgende Reklamationen dem Publikum mitzutheilen: Herr Redakteur! Aus beiliegendem Schreiben an den Deputirten der Nationalversammlung, Herrn Gladbach, werden Sie über das Schicksal aufgeklärt, welches meinem in unserem gestrigen Verwahrsam abgefaßten Berichte beschieden war. Ich überschicke Ihnen das Schreiben an Herrn Gladbach sowohl, wie ein Gesuch an den Oberpräsidenten in Koblenz zur Veröffentlichung. Ich möchte, daß die Neuwieder Polizeigardisten dadurch ein wenig aufgeklärt würden über ihre Bürgerpflicht und einsehen lernten, wie arg sie sich haben mißbrauchen lassen. Wehe, wenn das schöne Institut der Bürgerwehr sich herabwürdigen läßt, zu einer blinden, willenlosen und diensteifrigen Polizeidienerschaft. Sie sollen, die bewaffneten Bürger, immerhin für ihr Eigenthum und die Ordnung stehen; aber sie sollen es nur da thun, wo sie sehen, daß jene gefährdet werden. Die Neuwieder Bürger haben noch nicht gelernt, als freie Männer die Wehr zu handhaben; die Kölnische Zeitung, das Blatt, welches sie am Gärgelbande führt, wird sie nie von ihrem Polizeigeiste befreien. An den Abgeordneten zur preußischen Nationalversammlung, Herrn Gladbach in Berlin. Geehrter Herr! Was in Spandau an unseren Kameraden verübt worden, dasselbe ist an uns, dem Reste der VI. Kompagnie auf eine noch tausendmal perfidere und barbarischere Weise am freien deutschen Rhein geschehen! Empfangen Sie, werthester Herr, zunächst den wärmsten Dank für die Theilnahme und die schönen Worte, welche Sie unserer ungerechter Weise niedergedrückten Sache geliehen haben. Wir kennen keinen Ort, wo wir Gerechtigkeit finden könnten, wenn es die Nationalversammlung nicht ist, nur möge sich dieselbe nicht abschrecken lassen von der Bahn des Wahren und des Rechten, durch eine in die Luft gesprochene unwahre Beschuldigung, als ob wir junge, im Kampfe für ein undankbares Vaterland erprobten Leute anarchische Bestrebungen hätten! Fragen Sie nach Beweisen, oder ist es zu geringfügig, dafür bewiesene Motive statt Lügen zu verlangen, wenn die muthigsten, männlichsten Söhne des Vaterland's wie Straßenräuber behandelt werden? Wer wird noch eine Waffe ergreifen, wenn einem Staate Gefahr droht der nichts für seine Kämpfer übrig hat, als abgeschmackte Lügen und polizeilich militärische Maßregeln; wer wagt es zu gestehen, einem solchen Staate gedient zu haben, ohne zu erröthen? - Wir sind, wie Sie wissen, aus dem Tannschen Korps ausgetreten, weil wir uns dem alten Soldatengeiste, der darin zur Herrschaft gelangt war, nicht unterwerfen wollten; wir sind ehrenvoll aus dem Korps geschieden, und waren selbst damals noch geblieben, als wir Ursache genug hatten, unser Blut nicht länger aufs Spiel zu setzen, um die durch den Rückzug aus Jütland gemachten Fehler der Kabinetspolitik abzuwaschen. Vermittelst freier Eisenbahnbeförderung gelangten wir nach Köln, wo die Dampfschifffahrtsgesellschaft die von uns beanspruchte und von dem Bureau der Freiwilligen in Altona erbetene freie Fahrt nicht gestattete. So fuhren wir denn auf unsere Kosten per Eisenbahn nach Bonn, von wo aus wir zu Fuß rheinaufwärts marschirten. In den Orten, in welchen wir übernachteten, in Königswinter, Linz und auch anderswo, wie auf einem Hofe bei Plittersdorf, durch welchen Ort wir marschirten, wurden wir von den Bewohnern auf das freundlichste aufgenommen und bewirthet. Auch in Neuwied begrüßten uns die Bürger herzlich, und waren gegen uns so lange freundschaftlich, bis sie durch ausgesprengte Lügen uns feindlich werden mußten. Wir übernachteten in dieser Stadt und zogen in aller Ordnung, begleitet von unseren gastfreien Wirthen an den Rhein herunter, um uns übersetzen zu lassen und gen Koblenz auszurücken. Eben als wir im Begriff waren, die Kähne zu besteigen, erschollen in allen Straßen die Alarmtrompeten, und als wir eben vom Ufer abstoßen wollten, stürzte in der größten Hast ein Hauptmann der augenblicklich in Neuwied stationirenden preußischen Jägerabtheilung herbei, laut schreiend, nicht abfahren, nicht abfahren. Hinter ihm hatten sich im Nu die Soldaten und die Bürgerwehr, erstere 150, letztere 3 400 an der Zahl aufgepflanzt, auf dem linken Rheinufer bewegte sich ein Trupp Dragoner. Sie können sich denken, daß wir überrascht von einer so großartigen militärischen Machtentfaltung wurden, und es fehlte nichts als rothe Röcke, um uns zu überzeugen, daß die Dänen aus Schleswig nach Neuwied gekommen. Soldaten und Bürger luden ihre Gewehre mit nicht verkennbarem Muthe und der augenscheinliche Freude darüber, einmal auch etwas zu thun zu bekommen. Wir standen im Kahne, die Polizeimannschaft schußfertig, umgeben von einer Masse unbewaffneten Volkes, von Frauen und Kindern. - Ein Augenblick, dem Entsetzliches hätte folgen können, besonders, da wir den vernünftigen Theil des Volkes auf unserre Seite hatten, und da der preußische Hauptmann von einem der Männer aus dem Volke unangenehm berührt, und in den Rhein gewandert wäre, hätten ihn nicht zwei der unsrigen aus den Händen des Volkes befreit. Wir stiegen nach und nach ans Land und gaben unter Thränen die Waffen an die Bürgerwehr, die Waffen, welche wir aus unserer Heimath nach Jütland getragen, welche wir im Dänenkampfe geweiht, und welche unsere Brüder in Schleswig-Holstein uns mit Eichenlaub geschmückt hatten. Ich habe gesehen, daß einer von uns ohnmächtig in Krämpfen auf die Erde niederfiel, als er seine Büchse hinreichte. Die bewaffnete 500 Mann starke Macht, nahm unsre unbewaffnete 48 Mann starke Schaar in ihre Mitte, führte uns über die Straßen in einen engen Hofraum, zwängte uns in die Mitte zahlreicher Bajonette, und ließ uns den gaffenden Blicken der Nachbarschaft ausgesetzt den ganzen Tag bis 7 Uhr Abends unter freiem Himmel. Um diese Stunde kam ein Regierungs-Assessor aus Koblenz an, da erst erfuhren wir, was wir verbrochen haben sollten. Denn die vielen Gerüchte, welche den Tag über in unser Ohr drangen, und derenthalber uns die Umgebung mit abscheuvollen Blicken ansah, die Gerüchte, daß wir Dörfer in Brand gesteckt und Frauen und Kinder ermordet etc., waren zwar aus jener offiziellen Lüge entsprungen, welche scheinbar unsere Verhaftung veranlaßte, aber sie lagen der Ordre des Vicepräsidiums dennoch nicht zum Grunde. Diese beschränkte sich auf die offenbar erlogene Anschuldigung, wir hätten in Plittersdorf gebrandschatzt. - Das Verhör dauerte bis in die Nacht hinein und endete heute Morgen um 10 Uhr. Resultat: Jeder wird per Zwangspaß nach seinem Geburtsort befördert. Nun waren aber viele unserer Kameraden nicht von ihrem Geburtsorte aus nach Schleswig-Holstein gezogen; andere sind Künstler und gedachten den freudigen Rückmarsch aus dem Kampfe zugleich als eine Studienreise an dem freien deutschen Rhein zu benutzen; andere sind Handwerker, welche in ihrer Heimath das nicht wieder finden, was sie aus Vaterlandsliebe bei ihrem Auszuge auf das Feld der Ehre zurückgelassen hatten und weiche sich am freien deutschen Rhein Arbeit suchen wollten; andere wollten aus Anhänglichkeit und Kameradschaft die heimkehrende rheinische Kompagnie bis Koblenz begleiten, in welcher Stadt der Hauptman St. Aug. Reifferscheid zu Hause ist. Unsere Waffen mußten wir in Neuwied zurück lassen und uns mit dem Versprechen genügen, dieselben sollten in unsere Heimathsörter an die Polizeibehörden geschickt werden. Geehrter Herr, ich habe Ihnen der vollen Wahrheit gemäß, die Schmach erzählt, mit der unsere Regierung uns behandelte; ich habe Einzelhei ten nicht einmal berührt, ich habe nicht angeführt, daß man mir in unserer Gefangenschaft nicht erlaubte, einen Aufruf an die Köln. Ztg. zu schreiben, wodurch ich die Bewohner des Rheins, welche uns auf dem Marsche gesehen, zum Zeugnißablegen auffordern wollte, und als ich doch geschrieben hatte, man mir die Briefe weg nahm; ich habe nicht erwähnt, wie die Bürgergardisten in ihrem Polizeieifer so weit gingen, daß sie die Wohnung eines Privatmannes gewaltsam erbrachen, um unsere Waffen aufzusuchen, und ich enthebe mich der Mühe, den Beweis für unsere Unschuld und für die Lügenhaftigkeit unserer Anschuldigung zu liefern. Die 6te Kompagnie, geehrter Herr, appellirt an Sie und durch Sie an die Nationalversammlung, und bittet Sie um die gerechte Theilnahme und Fürsprache, welche Sie schon einmal für dieselbe an den Tag gelegt haben. Dulden Sie nicht, daß diese himmelschreiende Ungerechtigkeit ungerächt, dulden Sie nicht, daß wir länger unter einem Volke leben müssen, welches durch Lügen verführt wurde, die Kämpfer von Hostrup zu verachten. Der Unterzeichnete hat diese Zeilen an Sie gerichtet, weil er in der 6ten Komp. das Amt des Ehrenvorsitzers geführt, er hofft gemeinsam mit seinen Kameraden, nicht vergebens an einen Deputirten der Nationalversammlung, und an diese selbst appellirt zu haben, und zeichnet mit aller Achtung ergebenst Coblenz d. 3. Juli 1848. P. Imandt, Stud. Phil. aus Trier. Herr Eichmann! Der Unterzeichnete verwaltete in der VI. Comp. des v. d. Tann'schen Freicorps das Amt des Ehrenraths-Vorsitzers, woher ihm die Verpflichtung erwächst, sich in einer Sache an Sie zu wenden, welche die ganze VI. Comp. betrifft. Aus der ministeriellen Antwort, welche dem Deputirten der National-Versammlung, Herrn Gladbach, wurde und aus manchen andern kann über die Motive, aus welchen das preußische Ministerium einen Theil der VI. Comp. in Spandau und einen anderen in Neuwied zu entwaffnen befohlen hat, kein Zweifel mehr herrschen. Anderswo hoffe ich, wird das Nöthige geschehen, um der Oeffentlichkeit gegenüber zu zeigen, wie ganz ohne Grund jener Befehl selbst gegeben wurde. Bei unserer Entwaffnung und polizeilich-militärischen Gefangennahme und Einsperrung, wozu Sie die Ordre gegeben haben, spielte die unwahre Beschuldigung, daß wir in Plittersdorf bei Bonn gebrandschatzt und wer weiß was sonst noch gethan hätten, eine nicht unbedeutende Rolle, indem sie die diensteifrige Neuwieder Bürgerwehr gegen uns als die vermeintlichen Verletzer des Eigenthums aufbrachte und zu hundert andern wunderlichen Gerüchten die Veranlassung gab. Dem Verhaftungsbefehl hat die bezeichnete Lüge wirklich offiziell zu Grunde gelegen und die ganze, ungerechte und unwürdige Behandlung, welche uns wiederfuhr, ist aus ihr hervorgegangen. Herr Oberpräsident, es ist nothwendig, daß so bald als möglich jene Unwahrheit, wodurch wir schmachvoll behandelt wurden, offen dem Volke vor die Augen gelegt wird, für das wir unser Leben den dänischen Kugeln preisgaben und in dessen Mitte wir leben. Daher gebe ich diesen Zeilen die Form eines gehorsamen Gesuchs an Sie, daß Sie ein amtliches Zeugniß des Mannes öffentlich vorlegen lassen mögen, in dessen Hause wir gebrandschatzt haben und unterzeichne P. Imandt, Stud. phil. Coblenz, den 3. Juli 1848. Die Brandschatzung, welche die Freischärler im Auerhof bei Plittersdorf verübt haben sollen und welche als Grund ihrer Entwaffnung und Verhaftung in Neuwied vorgeschoben wurde, erhält durch folgende freie Zeugnisse Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. No. 37. Köln, Freitag 7. Juli 1848.Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an täglich. Bestellungen für dies Quartal, Juli bis September, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an. Für Frankreich übernehmen Abonnements Herr G. A. Alexander, Nr. 28, Brandgasse in Straßburg, und 23, rue Notre Dame de Nazareth in Paris; so wie das königliche Ober-Post-Amt in Aachen. Für England die HH. J. J. Ewer & Comp. 72, Newgate Street in London. Für Belgien und Holland die respekt. königlichen Briefpost-Aemter und das Postbüreau zu Lüttich. Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf. Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung. Zu Nro. 36 der Neuen Rheinischen Zeitung wurde gestern Morgen eine Extra Beilage ausgegeben. Uebersicht. Deutschland. Köln (gerichtliche Untersuchung gegen die „Neue Rheinische Zeitung.“ ‒ Reklamationen der schleswig-holstein'schen Freischärler. ‒ Berliner Vereinbarungsdebatten). Berlin (Konstabler. Die Spielbanken. Reaktionäre Lügen. Hansemann und das Geschwornengericht). Frankfurt (Sitzung der Nationalversammlung). Landau (Militäraufruhr). Wien (ein Urtheil über Hansemann. ‒ Die Reichstagsdeputirten, besonders die polnischen). Prag (Hausdurchsuchungen. Unruhen in Beraun). Ungarn. Vincovie (ein Türkenkordon). Temesvar (Weißkirchen überfallen). Frankreich. Paris (Korrespondenz. ‒ Sitzung der Nationalversammlung vom 9. Juni. ‒ Der „Bien public.“ ‒ Der „Peuple constituant.“ ‒ Die „Nouvelles du Jour.“ Spanien. (Hofgeschichten). Italien. Neapel (Vorfälle in der Hauptstadt und in den Provinzen. Rom „Il Contemperaneo“ über den Slavenkongreß). Großbritannien. London (Parlament). Dublin. (Ein Artikel in „The Nation).“ Neueste Nachrichten. Deutschland.
* Köln, 6. Juli. Wir erhalten so eben folgende Entgegnung auf den in der gestrigen Rheinischen Zeitung abgedruckten Artikel, de dato Köln, 4. Juli, betreffend die Verhaftung der HH. Dr. Gottschalk und Anneke. Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. ** Köln, 6. Juli. Wir beeilen uns folgende Reklamationen dem Publikum mitzutheilen: Herr Redakteur! Aus beiliegendem Schreiben an den Deputirten der Nationalversammlung, Herrn Gladbach, werden Sie über das Schicksal aufgeklärt, welches meinem in unserem gestrigen Verwahrsam abgefaßten Berichte beschieden war. Ich überschicke Ihnen das Schreiben an Herrn Gladbach sowohl, wie ein Gesuch an den Oberpräsidenten in Koblenz zur Veröffentlichung. Ich möchte, daß die Neuwieder Polizeigardisten dadurch ein wenig aufgeklärt würden über ihre Bürgerpflicht und einsehen lernten, wie arg sie sich haben mißbrauchen lassen. Wehe, wenn das schöne Institut der Bürgerwehr sich herabwürdigen läßt, zu einer blinden, willenlosen und diensteifrigen Polizeidienerschaft. Sie sollen, die bewaffneten Bürger, immerhin für ihr Eigenthum und die Ordnung stehen; aber sie sollen es nur da thun, wo sie sehen, daß jene gefährdet werden. Die Neuwieder Bürger haben noch nicht gelernt, als freie Männer die Wehr zu handhaben; die Kölnische Zeitung, das Blatt, welches sie am Gärgelbande führt, wird sie nie von ihrem Polizeigeiste befreien. An den Abgeordneten zur preußischen Nationalversammlung, Herrn Gladbach in Berlin. Geehrter Herr! Was in Spandau an unseren Kameraden verübt worden, dasselbe ist an uns, dem Reste der VI. Kompagnie auf eine noch tausendmal perfidere und barbarischere Weise am freien deutschen Rhein geschehen! Empfangen Sie, werthester Herr, zunächst den wärmsten Dank für die Theilnahme und die schönen Worte, welche Sie unserer ungerechter Weise niedergedrückten Sache geliehen haben. Wir kennen keinen Ort, wo wir Gerechtigkeit finden könnten, wenn es die Nationalversammlung nicht ist, nur möge sich dieselbe nicht abschrecken lassen von der Bahn des Wahren und des Rechten, durch eine in die Luft gesprochene unwahre Beschuldigung, als ob wir junge, im Kampfe für ein undankbares Vaterland erprobten Leute anarchische Bestrebungen hätten! Fragen Sie nach Beweisen, oder ist es zu geringfügig, dafür bewiesene Motive statt Lügen zu verlangen, wenn die muthigsten, männlichsten Söhne des Vaterland's wie Straßenräuber behandelt werden? Wer wird noch eine Waffe ergreifen, wenn einem Staate Gefahr droht der nichts für seine Kämpfer übrig hat, als abgeschmackte Lügen und polizeilich militärische Maßregeln; wer wagt es zu gestehen, einem solchen Staate gedient zu haben, ohne zu erröthen? ‒ Wir sind, wie Sie wissen, aus dem Tannschen Korps ausgetreten, weil wir uns dem alten Soldatengeiste, der darin zur Herrschaft gelangt war, nicht unterwerfen wollten; wir sind ehrenvoll aus dem Korps geschieden, und waren selbst damals noch geblieben, als wir Ursache genug hatten, unser Blut nicht länger aufs Spiel zu setzen, um die durch den Rückzug aus Jütland gemachten Fehler der Kabinetspolitik abzuwaschen. Vermittelst freier Eisenbahnbeförderung gelangten wir nach Köln, wo die Dampfschifffahrtsgesellschaft die von uns beanspruchte und von dem Bureau der Freiwilligen in Altona erbetene freie Fahrt nicht gestattete. So fuhren wir denn auf unsere Kosten per Eisenbahn nach Bonn, von wo aus wir zu Fuß rheinaufwärts marschirten. In den Orten, in welchen wir übernachteten, in Königswinter, Linz und auch anderswo, wie auf einem Hofe bei Plittersdorf, durch welchen Ort wir marschirten, wurden wir von den Bewohnern auf das freundlichste aufgenommen und bewirthet. Auch in Neuwied begrüßten uns die Bürger herzlich, und waren gegen uns so lange freundschaftlich, bis sie durch ausgesprengte Lügen uns feindlich werden mußten. Wir übernachteten in dieser Stadt und zogen in aller Ordnung, begleitet von unseren gastfreien Wirthen an den Rhein herunter, um uns übersetzen zu lassen und gen Koblenz auszurücken. Eben als wir im Begriff waren, die Kähne zu besteigen, erschollen in allen Straßen die Alarmtrompeten, und als wir eben vom Ufer abstoßen wollten, stürzte in der größten Hast ein Hauptmann der augenblicklich in Neuwied stationirenden preußischen Jägerabtheilung herbei, laut schreiend, nicht abfahren, nicht abfahren. Hinter ihm hatten sich im Nu die Soldaten und die Bürgerwehr, erstere 150, letztere 3 400 an der Zahl aufgepflanzt, auf dem linken Rheinufer bewegte sich ein Trupp Dragoner. Sie können sich denken, daß wir überrascht von einer so großartigen militärischen Machtentfaltung wurden, und es fehlte nichts als rothe Röcke, um uns zu überzeugen, daß die Dänen aus Schleswig nach Neuwied gekommen. Soldaten und Bürger luden ihre Gewehre mit nicht verkennbarem Muthe und der augenscheinliche Freude darüber, einmal auch etwas zu thun zu bekommen. Wir standen im Kahne, die Polizeimannschaft schußfertig, umgeben von einer Masse unbewaffneten Volkes, von Frauen und Kindern. ‒ Ein Augenblick, dem Entsetzliches hätte folgen können, besonders, da wir den vernünftigen Theil des Volkes auf unserre Seite hatten, und da der preußische Hauptmann von einem der Männer aus dem Volke unangenehm berührt, und in den Rhein gewandert wäre, hätten ihn nicht zwei der unsrigen aus den Händen des Volkes befreit. Wir stiegen nach und nach ans Land und gaben unter Thränen die Waffen an die Bürgerwehr, die Waffen, welche wir aus unserer Heimath nach Jütland getragen, welche wir im Dänenkampfe geweiht, und welche unsere Brüder in Schleswig-Holstein uns mit Eichenlaub geschmückt hatten. Ich habe gesehen, daß einer von uns ohnmächtig in Krämpfen auf die Erde niederfiel, als er seine Büchse hinreichte. Die bewaffnete 500 Mann starke Macht, nahm unsre unbewaffnete 48 Mann starke Schaar in ihre Mitte, führte uns über die Straßen in einen engen Hofraum, zwängte uns in die Mitte zahlreicher Bajonette, und ließ uns den gaffenden Blicken der Nachbarschaft ausgesetzt den ganzen Tag bis 7 Uhr Abends unter freiem Himmel. Um diese Stunde kam ein Regierungs-Assessor aus Koblenz an, da erst erfuhren wir, was wir verbrochen haben sollten. Denn die vielen Gerüchte, welche den Tag über in unser Ohr drangen, und derenthalber uns die Umgebung mit abscheuvollen Blicken ansah, die Gerüchte, daß wir Dörfer in Brand gesteckt und Frauen und Kinder ermordet etc., waren zwar aus jener offiziellen Lüge entsprungen, welche scheinbar unsere Verhaftung veranlaßte, aber sie lagen der Ordre des Vicepräsidiums dennoch nicht zum Grunde. Diese beschränkte sich auf die offenbar erlogene Anschuldigung, wir hätten in Plittersdorf gebrandschatzt. ‒ Das Verhör dauerte bis in die Nacht hinein und endete heute Morgen um 10 Uhr. Resultat: Jeder wird per Zwangspaß nach seinem Geburtsort befördert. Nun waren aber viele unserer Kameraden nicht von ihrem Geburtsorte aus nach Schleswig-Holstein gezogen; andere sind Künstler und gedachten den freudigen Rückmarsch aus dem Kampfe zugleich als eine Studienreise an dem freien deutschen Rhein zu benutzen; andere sind Handwerker, welche in ihrer Heimath das nicht wieder finden, was sie aus Vaterlandsliebe bei ihrem Auszuge auf das Feld der Ehre zurückgelassen hatten und weiche sich am freien deutschen Rhein Arbeit suchen wollten; andere wollten aus Anhänglichkeit und Kameradschaft die heimkehrende rheinische Kompagnie bis Koblenz begleiten, in welcher Stadt der Hauptman St. Aug. Reifferscheid zu Hause ist. Unsere Waffen mußten wir in Neuwied zurück lassen und uns mit dem Versprechen genügen, dieselben sollten in unsere Heimathsörter an die Polizeibehörden geschickt werden. Geehrter Herr, ich habe Ihnen der vollen Wahrheit gemäß, die Schmach erzählt, mit der unsere Regierung uns behandelte; ich habe Einzelhei ten nicht einmal berührt, ich habe nicht angeführt, daß man mir in unserer Gefangenschaft nicht erlaubte, einen Aufruf an die Köln. Ztg. zu schreiben, wodurch ich die Bewohner des Rheins, welche uns auf dem Marsche gesehen, zum Zeugnißablegen auffordern wollte, und als ich doch geschrieben hatte, man mir die Briefe weg nahm; ich habe nicht erwähnt, wie die Bürgergardisten in ihrem Polizeieifer so weit gingen, daß sie die Wohnung eines Privatmannes gewaltsam erbrachen, um unsere Waffen aufzusuchen, und ich enthebe mich der Mühe, den Beweis für unsere Unschuld und für die Lügenhaftigkeit unserer Anschuldigung zu liefern. Die 6te Kompagnie, geehrter Herr, appellirt an Sie und durch Sie an die Nationalversammlung, und bittet Sie um die gerechte Theilnahme und Fürsprache, welche Sie schon einmal für dieselbe an den Tag gelegt haben. Dulden Sie nicht, daß diese himmelschreiende Ungerechtigkeit ungerächt, dulden Sie nicht, daß wir länger unter einem Volke leben müssen, welches durch Lügen verführt wurde, die Kämpfer von Hostrup zu verachten. Der Unterzeichnete hat diese Zeilen an Sie gerichtet, weil er in der 6ten Komp. das Amt des Ehrenvorsitzers geführt, er hofft gemeinsam mit seinen Kameraden, nicht vergebens an einen Deputirten der Nationalversammlung, und an diese selbst appellirt zu haben, und zeichnet mit aller Achtung ergebenst Coblenz d. 3. Juli 1848. P. Imandt, Stud. Phil. aus Trier. Herr Eichmann! Der Unterzeichnete verwaltete in der VI. Comp. des v. d. Tann'schen Freicorps das Amt des Ehrenraths-Vorsitzers, woher ihm die Verpflichtung erwächst, sich in einer Sache an Sie zu wenden, welche die ganze VI. Comp. betrifft. Aus der ministeriellen Antwort, welche dem Deputirten der National-Versammlung, Herrn Gladbach, wurde und aus manchen andern kann über die Motive, aus welchen das preußische Ministerium einen Theil der VI. Comp. in Spandau und einen anderen in Neuwied zu entwaffnen befohlen hat, kein Zweifel mehr herrschen. Anderswo hoffe ich, wird das Nöthige geschehen, um der Oeffentlichkeit gegenüber zu zeigen, wie ganz ohne Grund jener Befehl selbst gegeben wurde. Bei unserer Entwaffnung und polizeilich-militärischen Gefangennahme und Einsperrung, wozu Sie die Ordre gegeben haben, spielte die unwahre Beschuldigung, daß wir in Plittersdorf bei Bonn gebrandschatzt und wer weiß was sonst noch gethan hätten, eine nicht unbedeutende Rolle, indem sie die diensteifrige Neuwieder Bürgerwehr gegen uns als die vermeintlichen Verletzer des Eigenthums aufbrachte und zu hundert andern wunderlichen Gerüchten die Veranlassung gab. Dem Verhaftungsbefehl hat die bezeichnete Lüge wirklich offiziell zu Grunde gelegen und die ganze, ungerechte und unwürdige Behandlung, welche uns wiederfuhr, ist aus ihr hervorgegangen. Herr Oberpräsident, es ist nothwendig, daß so bald als möglich jene Unwahrheit, wodurch wir schmachvoll behandelt wurden, offen dem Volke vor die Augen gelegt wird, für das wir unser Leben den dänischen Kugeln preisgaben und in dessen Mitte wir leben. Daher gebe ich diesen Zeilen die Form eines gehorsamen Gesuchs an Sie, daß Sie ein amtliches Zeugniß des Mannes öffentlich vorlegen lassen mögen, in dessen Hause wir gebrandschatzt haben und unterzeichne P. Imandt, Stud. phil. Coblenz, den 3. Juli 1848. 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Die Neuwieder Bürger haben noch nicht gelernt, als freie Männer die Wehr zu handhaben; die Kölnische Zeitung, das Blatt, welches sie am Gärgelbande führt, wird sie nie von ihrem Polizeigeiste befreien.</p> <p>An den Abgeordneten zur preußischen Nationalversammlung, Herrn <hi rendition="#g">Gladbach</hi> in Berlin.</p> <p> <hi rendition="#g">Geehrter Herr!</hi> </p> <p>Was in Spandau an unseren Kameraden verübt worden, dasselbe ist an uns, dem Reste der VI. Kompagnie auf eine noch tausendmal perfidere und barbarischere Weise am <hi rendition="#g">freien</hi> deutschen Rhein geschehen! Empfangen Sie, werthester Herr, zunächst den wärmsten Dank für die Theilnahme und die schönen Worte, welche Sie unserer ungerechter Weise niedergedrückten Sache geliehen haben.</p> <p>Wir kennen keinen Ort, wo wir Gerechtigkeit finden könnten, wenn es die Nationalversammlung nicht ist, nur möge sich dieselbe nicht abschrecken lassen von der Bahn des Wahren und des Rechten, durch eine in die Luft gesprochene unwahre Beschuldigung, als ob wir junge, im Kampfe für ein undankbares Vaterland erprobten Leute anarchische Bestrebungen hätten! Fragen Sie nach Beweisen, oder ist es zu geringfügig, dafür bewiesene Motive statt Lügen zu verlangen, wenn die muthigsten, männlichsten Söhne des Vaterland's wie Straßenräuber behandelt werden? Wer wird noch eine Waffe ergreifen, wenn einem Staate Gefahr droht der nichts für seine Kämpfer übrig hat, als abgeschmackte Lügen und polizeilich militärische Maßregeln; wer wagt es zu gestehen, einem solchen Staate gedient zu haben, ohne zu erröthen? ‒ Wir sind, wie Sie wissen, aus dem Tannschen Korps ausgetreten, weil wir uns dem alten Soldatengeiste, der darin zur Herrschaft gelangt war, nicht unterwerfen wollten; wir sind ehrenvoll aus dem Korps geschieden, und waren selbst damals noch geblieben, als wir Ursache genug hatten, unser Blut nicht länger aufs Spiel zu setzen, um die durch den Rückzug aus Jütland gemachten Fehler der Kabinetspolitik abzuwaschen. Vermittelst freier Eisenbahnbeförderung gelangten wir nach Köln, wo die Dampfschifffahrtsgesellschaft die von uns beanspruchte und von dem Bureau der Freiwilligen in Altona erbetene freie Fahrt nicht gestattete. So fuhren wir denn auf unsere Kosten per Eisenbahn nach Bonn, von wo aus wir zu Fuß rheinaufwärts marschirten. In den Orten, in welchen wir übernachteten, in Königswinter, Linz und auch anderswo, wie auf einem Hofe bei Plittersdorf, durch welchen Ort wir marschirten, wurden wir von den Bewohnern auf das freundlichste aufgenommen und bewirthet. Auch in Neuwied begrüßten uns die Bürger herzlich, und waren gegen uns so lange freundschaftlich, bis sie durch ausgesprengte Lügen uns feindlich werden mußten. Wir übernachteten in dieser Stadt und zogen in aller Ordnung, begleitet von unseren gastfreien Wirthen an den Rhein herunter, um uns übersetzen zu lassen und gen Koblenz auszurücken. Eben als wir im Begriff waren, die Kähne zu besteigen, erschollen in allen Straßen die Alarmtrompeten, und als wir eben vom Ufer abstoßen wollten, stürzte in der größten Hast ein Hauptmann der augenblicklich in Neuwied stationirenden preußischen Jägerabtheilung herbei, laut schreiend, nicht abfahren, nicht abfahren. Hinter ihm hatten sich im Nu die Soldaten und die Bürgerwehr, erstere 150, letztere 3 400 an der Zahl aufgepflanzt, auf dem linken Rheinufer bewegte sich ein Trupp Dragoner. Sie können sich denken, daß wir überrascht von einer so großartigen militärischen Machtentfaltung wurden, und es fehlte nichts als rothe Röcke, um uns zu überzeugen, daß die Dänen aus Schleswig nach Neuwied gekommen. Soldaten und Bürger luden ihre Gewehre mit nicht verkennbarem Muthe und der augenscheinliche Freude darüber, einmal auch etwas zu thun zu bekommen. Wir standen im Kahne, die Polizeimannschaft schußfertig, umgeben von einer Masse unbewaffneten Volkes, von Frauen und Kindern. ‒ Ein Augenblick, dem Entsetzliches hätte folgen können, besonders, da wir den vernünftigen Theil des Volkes auf unserre Seite hatten, und da der preußische Hauptmann von einem der Männer aus dem Volke unangenehm berührt, und in den Rhein gewandert wäre, hätten ihn nicht zwei der unsrigen aus den Händen des Volkes befreit. Wir stiegen nach und nach ans Land und gaben unter Thränen die Waffen an die Bürgerwehr, die Waffen, welche wir aus unserer Heimath nach Jütland getragen, welche wir im Dänenkampfe geweiht, und welche unsere Brüder in Schleswig-Holstein uns mit Eichenlaub geschmückt hatten. Ich habe gesehen, daß einer von uns ohnmächtig in Krämpfen auf die Erde niederfiel, als er seine Büchse hinreichte. Die bewaffnete 500 Mann starke Macht, nahm unsre unbewaffnete 48 Mann starke Schaar in ihre Mitte, führte uns über die Straßen in einen engen Hofraum, zwängte uns in die Mitte zahlreicher Bajonette, und ließ uns den gaffenden Blicken der Nachbarschaft ausgesetzt den ganzen Tag bis 7 Uhr Abends unter freiem Himmel. Um diese Stunde kam ein Regierungs-Assessor aus Koblenz an, da erst erfuhren wir, was wir verbrochen haben sollten. Denn die vielen Gerüchte, welche den Tag über in unser Ohr drangen, und derenthalber uns die Umgebung mit abscheuvollen Blicken ansah, die Gerüchte, daß wir Dörfer in Brand gesteckt und Frauen und Kinder ermordet etc., waren zwar aus jener offiziellen Lüge entsprungen, welche scheinbar unsere Verhaftung veranlaßte, aber sie lagen der Ordre des Vicepräsidiums dennoch nicht zum Grunde. Diese beschränkte sich auf die offenbar erlogene Anschuldigung, wir hätten in Plittersdorf gebrandschatzt. ‒ Das Verhör dauerte bis in die Nacht hinein und endete heute Morgen um 10 Uhr. Resultat: Jeder wird per Zwangspaß nach seinem Geburtsort befördert. Nun waren aber viele unserer Kameraden nicht von ihrem Geburtsorte aus nach Schleswig-Holstein gezogen; andere sind Künstler und gedachten den freudigen Rückmarsch aus dem Kampfe zugleich als eine Studienreise an dem <hi rendition="#g">freien</hi> deutschen Rhein zu benutzen; andere sind Handwerker, welche in ihrer Heimath das nicht wieder finden, was sie aus Vaterlandsliebe bei ihrem Auszuge auf das Feld der Ehre zurückgelassen hatten und weiche sich am <hi rendition="#g">freien</hi> deutschen Rhein Arbeit suchen wollten; andere wollten aus Anhänglichkeit und Kameradschaft die heimkehrende rheinische Kompagnie bis Koblenz begleiten, in welcher Stadt der Hauptman St. Aug. Reifferscheid zu Hause ist. Unsere Waffen mußten wir in Neuwied zurück lassen und uns mit dem Versprechen genügen, dieselben sollten in unsere Heimathsörter an die Polizeibehörden geschickt werden.</p> <p>Geehrter Herr, ich habe Ihnen der vollen Wahrheit gemäß, die Schmach erzählt, mit der unsere Regierung uns behandelte; ich habe Einzelhei ten nicht einmal berührt, ich habe nicht angeführt, daß man mir in unserer Gefangenschaft nicht erlaubte, einen Aufruf an die Köln. Ztg. zu schreiben, wodurch ich die Bewohner des Rheins, welche uns auf dem Marsche gesehen, zum Zeugnißablegen auffordern wollte, und als ich doch geschrieben hatte, man mir die Briefe weg nahm; ich habe nicht erwähnt, wie die Bürgergardisten in ihrem Polizeieifer so weit gingen, daß sie die Wohnung eines Privatmannes gewaltsam erbrachen, um unsere Waffen aufzusuchen, und ich enthebe mich der Mühe, den Beweis für unsere Unschuld und für die Lügenhaftigkeit unserer Anschuldigung zu liefern.</p> <p>Die 6te Kompagnie, geehrter Herr, appellirt an Sie und durch Sie an die Nationalversammlung, und bittet Sie um die gerechte Theilnahme und Fürsprache, welche Sie schon einmal für dieselbe an den Tag gelegt haben. Dulden Sie nicht, daß diese himmelschreiende Ungerechtigkeit ungerächt, dulden Sie nicht, daß wir länger unter einem Volke leben müssen, welches durch Lügen verführt wurde, die Kämpfer von Hostrup zu verachten.</p> <p>Der Unterzeichnete hat diese Zeilen an Sie gerichtet, weil er in der 6ten Komp. das Amt des Ehrenvorsitzers geführt, er hofft gemeinsam mit seinen Kameraden, nicht vergebens an einen Deputirten der Nationalversammlung, und an diese selbst appellirt zu haben, und zeichnet mit aller Achtung ergebenst</p> <p>Coblenz d. 3. Juli 1848. <hi rendition="#g">P. Imandt,</hi> Stud. Phil. aus Trier.</p> <p>Herr Eichmann!</p> <p>Der Unterzeichnete verwaltete in der VI. Comp. des v. d. Tann'schen Freicorps das Amt des Ehrenraths-Vorsitzers, woher ihm die Verpflichtung erwächst, sich in einer Sache an Sie zu wenden, welche die ganze VI. Comp. betrifft.</p> <p>Aus der ministeriellen Antwort, welche dem Deputirten der National-Versammlung, Herrn Gladbach, wurde und aus manchen andern kann über die Motive, aus welchen das preußische Ministerium einen Theil der VI. Comp. in Spandau und einen anderen in Neuwied zu entwaffnen befohlen hat, kein Zweifel mehr herrschen. Anderswo hoffe ich, wird das Nöthige geschehen, um der Oeffentlichkeit gegenüber zu zeigen, wie ganz ohne Grund jener Befehl selbst gegeben wurde.</p> <p>Bei unserer Entwaffnung und polizeilich-militärischen Gefangennahme und Einsperrung, wozu Sie die Ordre gegeben haben, spielte die unwahre Beschuldigung, daß wir in Plittersdorf bei Bonn gebrandschatzt und wer weiß was sonst noch gethan hätten, eine nicht unbedeutende Rolle, indem sie die diensteifrige Neuwieder Bürgerwehr gegen uns als die vermeintlichen Verletzer des Eigenthums aufbrachte und zu hundert andern wunderlichen Gerüchten die Veranlassung gab. Dem Verhaftungsbefehl hat die bezeichnete Lüge wirklich offiziell zu Grunde gelegen und die ganze, ungerechte und unwürdige Behandlung, welche uns wiederfuhr, ist aus ihr hervorgegangen.</p> <p>Herr Oberpräsident, es ist nothwendig, daß so bald als möglich jene Unwahrheit, wodurch wir schmachvoll behandelt wurden, offen dem Volke vor die Augen gelegt wird, für das wir unser Leben den dänischen Kugeln preisgaben und in dessen Mitte wir leben.</p> <p>Daher gebe ich diesen Zeilen die Form eines gehorsamen Gesuchs an Sie, daß Sie ein amtliches Zeugniß des Mannes öffentlich vorlegen lassen mögen, in dessen Hause wir gebrandschatzt haben und unterzeichne</p> <p>P. <hi rendition="#g">Imandt,</hi> Stud. phil.</p> <p>Coblenz, den 3. Juli 1848.</p> <p>Die Brandschatzung, welche die Freischärler im Auerhof bei Plittersdorf verübt haben sollen und welche als Grund ihrer Entwaffnung und Verhaftung in Neuwied vorgeschoben wurde, erhält durch folgende freie Zeugnisse </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0183/0001]
Neue Rheinische Zeitung.Organ der Demokratie.No. 37. Köln, Freitag 7. Juli 1848. Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an täglich. Bestellungen für dies Quartal, Juli bis September, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an.
Für Frankreich übernehmen Abonnements Herr G. A. Alexander, Nr. 28, Brandgasse in Straßburg, und 23, rue Notre Dame de Nazareth in Paris; so wie das königliche Ober-Post-Amt in Aachen. Für England die HH. J. J. Ewer & Comp. 72, Newgate Street in London. Für Belgien und Holland die respekt. königlichen Briefpost-Aemter und das Postbüreau zu Lüttich.
Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf.
Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung.
Zu Nro. 36 der Neuen Rheinischen Zeitung wurde gestern Morgen eine Extra Beilage ausgegeben.
Uebersicht. Deutschland. Köln (gerichtliche Untersuchung gegen die „Neue Rheinische Zeitung.“ ‒ Reklamationen der schleswig-holstein'schen Freischärler. ‒ Berliner Vereinbarungsdebatten). Berlin (Konstabler. Die Spielbanken. Reaktionäre Lügen. Hansemann und das Geschwornengericht). Frankfurt (Sitzung der Nationalversammlung). Landau (Militäraufruhr). Wien (ein Urtheil über Hansemann. ‒ Die Reichstagsdeputirten, besonders die polnischen). Prag (Hausdurchsuchungen. Unruhen in Beraun).
Ungarn. Vincovie (ein Türkenkordon). Temesvar (Weißkirchen überfallen).
Frankreich. Paris (Korrespondenz. ‒ Sitzung der Nationalversammlung vom 9. Juni. ‒ Der „Bien public.“ ‒ Der „Peuple constituant.“ ‒ Die „Nouvelles du Jour.“
Spanien. (Hofgeschichten).
Italien. Neapel (Vorfälle in der Hauptstadt und in den Provinzen. Rom „Il Contemperaneo“ über den Slavenkongreß).
Großbritannien. London (Parlament). Dublin. (Ein Artikel in „The Nation).“
Neueste Nachrichten.
Deutschland. * Köln, 6. Juli. Wir erhalten so eben folgende Entgegnung auf den in der gestrigen Rheinischen Zeitung abgedruckten Artikel, de dato Köln, 4. Juli, betreffend die Verhaftung der HH. Dr. Gottschalk und Anneke.
_ ** Köln, 6. Juli. Wir beeilen uns folgende Reklamationen dem Publikum mitzutheilen:
Herr Redakteur!
Aus beiliegendem Schreiben an den Deputirten der Nationalversammlung, Herrn Gladbach, werden Sie über das Schicksal aufgeklärt, welches meinem in unserem gestrigen Verwahrsam abgefaßten Berichte beschieden war. Ich überschicke Ihnen das Schreiben an Herrn Gladbach sowohl, wie ein Gesuch an den Oberpräsidenten in Koblenz zur Veröffentlichung. Ich möchte, daß die Neuwieder Polizeigardisten dadurch ein wenig aufgeklärt würden über ihre Bürgerpflicht und einsehen lernten, wie arg sie sich haben mißbrauchen lassen. Wehe, wenn das schöne Institut der Bürgerwehr sich herabwürdigen läßt, zu einer blinden, willenlosen und diensteifrigen Polizeidienerschaft. Sie sollen, die bewaffneten Bürger, immerhin für ihr Eigenthum und die Ordnung stehen; aber sie sollen es nur da thun, wo sie sehen, daß jene gefährdet werden. Die Neuwieder Bürger haben noch nicht gelernt, als freie Männer die Wehr zu handhaben; die Kölnische Zeitung, das Blatt, welches sie am Gärgelbande führt, wird sie nie von ihrem Polizeigeiste befreien.
An den Abgeordneten zur preußischen Nationalversammlung, Herrn Gladbach in Berlin.
Geehrter Herr!
Was in Spandau an unseren Kameraden verübt worden, dasselbe ist an uns, dem Reste der VI. Kompagnie auf eine noch tausendmal perfidere und barbarischere Weise am freien deutschen Rhein geschehen! Empfangen Sie, werthester Herr, zunächst den wärmsten Dank für die Theilnahme und die schönen Worte, welche Sie unserer ungerechter Weise niedergedrückten Sache geliehen haben.
Wir kennen keinen Ort, wo wir Gerechtigkeit finden könnten, wenn es die Nationalversammlung nicht ist, nur möge sich dieselbe nicht abschrecken lassen von der Bahn des Wahren und des Rechten, durch eine in die Luft gesprochene unwahre Beschuldigung, als ob wir junge, im Kampfe für ein undankbares Vaterland erprobten Leute anarchische Bestrebungen hätten! Fragen Sie nach Beweisen, oder ist es zu geringfügig, dafür bewiesene Motive statt Lügen zu verlangen, wenn die muthigsten, männlichsten Söhne des Vaterland's wie Straßenräuber behandelt werden? Wer wird noch eine Waffe ergreifen, wenn einem Staate Gefahr droht der nichts für seine Kämpfer übrig hat, als abgeschmackte Lügen und polizeilich militärische Maßregeln; wer wagt es zu gestehen, einem solchen Staate gedient zu haben, ohne zu erröthen? ‒ Wir sind, wie Sie wissen, aus dem Tannschen Korps ausgetreten, weil wir uns dem alten Soldatengeiste, der darin zur Herrschaft gelangt war, nicht unterwerfen wollten; wir sind ehrenvoll aus dem Korps geschieden, und waren selbst damals noch geblieben, als wir Ursache genug hatten, unser Blut nicht länger aufs Spiel zu setzen, um die durch den Rückzug aus Jütland gemachten Fehler der Kabinetspolitik abzuwaschen. Vermittelst freier Eisenbahnbeförderung gelangten wir nach Köln, wo die Dampfschifffahrtsgesellschaft die von uns beanspruchte und von dem Bureau der Freiwilligen in Altona erbetene freie Fahrt nicht gestattete. So fuhren wir denn auf unsere Kosten per Eisenbahn nach Bonn, von wo aus wir zu Fuß rheinaufwärts marschirten. In den Orten, in welchen wir übernachteten, in Königswinter, Linz und auch anderswo, wie auf einem Hofe bei Plittersdorf, durch welchen Ort wir marschirten, wurden wir von den Bewohnern auf das freundlichste aufgenommen und bewirthet. Auch in Neuwied begrüßten uns die Bürger herzlich, und waren gegen uns so lange freundschaftlich, bis sie durch ausgesprengte Lügen uns feindlich werden mußten. Wir übernachteten in dieser Stadt und zogen in aller Ordnung, begleitet von unseren gastfreien Wirthen an den Rhein herunter, um uns übersetzen zu lassen und gen Koblenz auszurücken. Eben als wir im Begriff waren, die Kähne zu besteigen, erschollen in allen Straßen die Alarmtrompeten, und als wir eben vom Ufer abstoßen wollten, stürzte in der größten Hast ein Hauptmann der augenblicklich in Neuwied stationirenden preußischen Jägerabtheilung herbei, laut schreiend, nicht abfahren, nicht abfahren. Hinter ihm hatten sich im Nu die Soldaten und die Bürgerwehr, erstere 150, letztere 3 400 an der Zahl aufgepflanzt, auf dem linken Rheinufer bewegte sich ein Trupp Dragoner. Sie können sich denken, daß wir überrascht von einer so großartigen militärischen Machtentfaltung wurden, und es fehlte nichts als rothe Röcke, um uns zu überzeugen, daß die Dänen aus Schleswig nach Neuwied gekommen. Soldaten und Bürger luden ihre Gewehre mit nicht verkennbarem Muthe und der augenscheinliche Freude darüber, einmal auch etwas zu thun zu bekommen. Wir standen im Kahne, die Polizeimannschaft schußfertig, umgeben von einer Masse unbewaffneten Volkes, von Frauen und Kindern. ‒ Ein Augenblick, dem Entsetzliches hätte folgen können, besonders, da wir den vernünftigen Theil des Volkes auf unserre Seite hatten, und da der preußische Hauptmann von einem der Männer aus dem Volke unangenehm berührt, und in den Rhein gewandert wäre, hätten ihn nicht zwei der unsrigen aus den Händen des Volkes befreit. Wir stiegen nach und nach ans Land und gaben unter Thränen die Waffen an die Bürgerwehr, die Waffen, welche wir aus unserer Heimath nach Jütland getragen, welche wir im Dänenkampfe geweiht, und welche unsere Brüder in Schleswig-Holstein uns mit Eichenlaub geschmückt hatten. Ich habe gesehen, daß einer von uns ohnmächtig in Krämpfen auf die Erde niederfiel, als er seine Büchse hinreichte. Die bewaffnete 500 Mann starke Macht, nahm unsre unbewaffnete 48 Mann starke Schaar in ihre Mitte, führte uns über die Straßen in einen engen Hofraum, zwängte uns in die Mitte zahlreicher Bajonette, und ließ uns den gaffenden Blicken der Nachbarschaft ausgesetzt den ganzen Tag bis 7 Uhr Abends unter freiem Himmel. Um diese Stunde kam ein Regierungs-Assessor aus Koblenz an, da erst erfuhren wir, was wir verbrochen haben sollten. Denn die vielen Gerüchte, welche den Tag über in unser Ohr drangen, und derenthalber uns die Umgebung mit abscheuvollen Blicken ansah, die Gerüchte, daß wir Dörfer in Brand gesteckt und Frauen und Kinder ermordet etc., waren zwar aus jener offiziellen Lüge entsprungen, welche scheinbar unsere Verhaftung veranlaßte, aber sie lagen der Ordre des Vicepräsidiums dennoch nicht zum Grunde. Diese beschränkte sich auf die offenbar erlogene Anschuldigung, wir hätten in Plittersdorf gebrandschatzt. ‒ Das Verhör dauerte bis in die Nacht hinein und endete heute Morgen um 10 Uhr. Resultat: Jeder wird per Zwangspaß nach seinem Geburtsort befördert. Nun waren aber viele unserer Kameraden nicht von ihrem Geburtsorte aus nach Schleswig-Holstein gezogen; andere sind Künstler und gedachten den freudigen Rückmarsch aus dem Kampfe zugleich als eine Studienreise an dem freien deutschen Rhein zu benutzen; andere sind Handwerker, welche in ihrer Heimath das nicht wieder finden, was sie aus Vaterlandsliebe bei ihrem Auszuge auf das Feld der Ehre zurückgelassen hatten und weiche sich am freien deutschen Rhein Arbeit suchen wollten; andere wollten aus Anhänglichkeit und Kameradschaft die heimkehrende rheinische Kompagnie bis Koblenz begleiten, in welcher Stadt der Hauptman St. Aug. Reifferscheid zu Hause ist. Unsere Waffen mußten wir in Neuwied zurück lassen und uns mit dem Versprechen genügen, dieselben sollten in unsere Heimathsörter an die Polizeibehörden geschickt werden.
Geehrter Herr, ich habe Ihnen der vollen Wahrheit gemäß, die Schmach erzählt, mit der unsere Regierung uns behandelte; ich habe Einzelhei ten nicht einmal berührt, ich habe nicht angeführt, daß man mir in unserer Gefangenschaft nicht erlaubte, einen Aufruf an die Köln. Ztg. zu schreiben, wodurch ich die Bewohner des Rheins, welche uns auf dem Marsche gesehen, zum Zeugnißablegen auffordern wollte, und als ich doch geschrieben hatte, man mir die Briefe weg nahm; ich habe nicht erwähnt, wie die Bürgergardisten in ihrem Polizeieifer so weit gingen, daß sie die Wohnung eines Privatmannes gewaltsam erbrachen, um unsere Waffen aufzusuchen, und ich enthebe mich der Mühe, den Beweis für unsere Unschuld und für die Lügenhaftigkeit unserer Anschuldigung zu liefern.
Die 6te Kompagnie, geehrter Herr, appellirt an Sie und durch Sie an die Nationalversammlung, und bittet Sie um die gerechte Theilnahme und Fürsprache, welche Sie schon einmal für dieselbe an den Tag gelegt haben. Dulden Sie nicht, daß diese himmelschreiende Ungerechtigkeit ungerächt, dulden Sie nicht, daß wir länger unter einem Volke leben müssen, welches durch Lügen verführt wurde, die Kämpfer von Hostrup zu verachten.
Der Unterzeichnete hat diese Zeilen an Sie gerichtet, weil er in der 6ten Komp. das Amt des Ehrenvorsitzers geführt, er hofft gemeinsam mit seinen Kameraden, nicht vergebens an einen Deputirten der Nationalversammlung, und an diese selbst appellirt zu haben, und zeichnet mit aller Achtung ergebenst
Coblenz d. 3. Juli 1848. P. Imandt, Stud. Phil. aus Trier.
Herr Eichmann!
Der Unterzeichnete verwaltete in der VI. Comp. des v. d. Tann'schen Freicorps das Amt des Ehrenraths-Vorsitzers, woher ihm die Verpflichtung erwächst, sich in einer Sache an Sie zu wenden, welche die ganze VI. Comp. betrifft.
Aus der ministeriellen Antwort, welche dem Deputirten der National-Versammlung, Herrn Gladbach, wurde und aus manchen andern kann über die Motive, aus welchen das preußische Ministerium einen Theil der VI. Comp. in Spandau und einen anderen in Neuwied zu entwaffnen befohlen hat, kein Zweifel mehr herrschen. Anderswo hoffe ich, wird das Nöthige geschehen, um der Oeffentlichkeit gegenüber zu zeigen, wie ganz ohne Grund jener Befehl selbst gegeben wurde.
Bei unserer Entwaffnung und polizeilich-militärischen Gefangennahme und Einsperrung, wozu Sie die Ordre gegeben haben, spielte die unwahre Beschuldigung, daß wir in Plittersdorf bei Bonn gebrandschatzt und wer weiß was sonst noch gethan hätten, eine nicht unbedeutende Rolle, indem sie die diensteifrige Neuwieder Bürgerwehr gegen uns als die vermeintlichen Verletzer des Eigenthums aufbrachte und zu hundert andern wunderlichen Gerüchten die Veranlassung gab. Dem Verhaftungsbefehl hat die bezeichnete Lüge wirklich offiziell zu Grunde gelegen und die ganze, ungerechte und unwürdige Behandlung, welche uns wiederfuhr, ist aus ihr hervorgegangen.
Herr Oberpräsident, es ist nothwendig, daß so bald als möglich jene Unwahrheit, wodurch wir schmachvoll behandelt wurden, offen dem Volke vor die Augen gelegt wird, für das wir unser Leben den dänischen Kugeln preisgaben und in dessen Mitte wir leben.
Daher gebe ich diesen Zeilen die Form eines gehorsamen Gesuchs an Sie, daß Sie ein amtliches Zeugniß des Mannes öffentlich vorlegen lassen mögen, in dessen Hause wir gebrandschatzt haben und unterzeichne
P. Imandt, Stud. phil.
Coblenz, den 3. Juli 1848.
Die Brandschatzung, welche die Freischärler im Auerhof bei Plittersdorf verübt haben sollen und welche als Grund ihrer Entwaffnung und Verhaftung in Neuwied vorgeschoben wurde, erhält durch folgende freie Zeugnisse
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(2017-03-20T13:08:10Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML
(2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat
(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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