Neue Rheinische Zeitung. Nr. 30. Köln, 30. Juni 1848.Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. No. 30. Köln, Freitag 30. Juni 1848.Die "Neue Rheinische Zeitung" erscheint vom 1. Juni an täglich. Bestellungen für das nächste Quartal, Juli bis September, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an. Für Frankreich übernehmen Abonnements Herr G. A. Alexandre, Nr. 28, Brandgasse in Straßburg, und 23, rue Notre Dame de Nazareth in Paris; so wie das königliche Ober-Post-Amt in Aachen. Für England die HH. J. J. Ewer & Comp. 72, Newgate Street in London. Für Belgien und Holland die respekt. königlichen Briefpost-Aemter und das Postbüreau zu Lüttich. Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Außerhalb Preußens mit Zuschlag des fremden Zeitungsportos. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf. Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung. Uebersicht. Französische Republik. Paris (Emil Girardin's zwei letzte Artikel in "la Presse." - Schluß der Sitzung der Nationalversammlung vom 26. Juni. - Korrespondenz vom 27. Juni. - Nationalversammlung vom 27. Juni. - Letzte Augenblicke der Insurrektion. - Vermischtes). Deutschland. Köln (Crawall). Berlin (Vereinigungs-Sitzung vom 25. Juni). Königsberg (Emeute in Petersburg). München (Zwangsanleihe). Prag (Aufstand in Brünn bewältigt). Wien (Wessenberg abgetreten). Frankfurt (Nationalversammlung). Großbritannien. London (Oberhaus und Unterhaus. Westindische Kolonien. Zuckerzoll). Holland. Amsterdam (Physiognomie von Holland). Spanien. Madrid (Finanzmaßregeln. - Die Ferdinandsbank). Portugal. Lissabon (Verschwörungs-Gerüchte). Italien. Neapel (die Insurrektion in den Provinzen). Rom (Kammerverhandlungen). Brasilien. (Die Thronrede wegen der Streitigkeiten mit der argentinischen Republik). Amtliche Nachrichten.
Berlin, den 26. Juni. Se. Maj. der König haben Allergnädigst allergnädigst geruht: Den Kreisdeputirten, Frhrn. v. Hamelberg auf Heidefeld, zum Landrath des Kreises Borken, im Reg.-Bez. Münster, zu ernennen. Bekanntmachung. In Verfolg unserer Bekanntmachung vom 18. Mai d. J. bringen wir hiermit zur öffentlichen Kenntniß, daß von den nach der Allerhöchsten Kabinetsordre vom 15. April d. J. (Gesetzsammlung Nr. 2957) auszufertigenden neuen Darlehns-Kassenscheinen nunmehr auch die unten näher beschriebenen Appoints zu 1 Thlr. Behufs der Verausgabung mit unserm Kontrollstempel versehen worden. Berlin, den 22. Juni 1848. Königl. Immediatkommission zur Kontrollirung der Banknoten. Costenoble. H. C. Carl. Sametzki. Beschreibung der Darlehns-Kassenscheine a 1 Thlr. Die Darlehns-Kassenscheine a 1 Thlr. sind 41/6 preußische Zolle breit und 2 11/12 preußische Zolle hoch und bestehen aus einem bläulichen Papiere mit in braungelb aufgedrucktem künstlichen Wasserzeichen. I. Die Schau- oder Vorderseite, in schwarzer Farbe gedruckt, enthält: Französische Republik.
7Paris, 28. Juni. Emil v. Girardin wurde am 25. Abends auf die Polizeipräfektur geführt in Folge eines vom Diktator Cavaignac erlassenen Dekrets, das den Redakteur des Journals "La Presse" zu verhaften und letztere zu unterdrücken befahl. Nächste Veranlassung jenes Dekrets war die Sonntagsnummer des gedachten Journals, die auf Befehl Cavaignacs mit Beschlag belegt worden. Es finden sich darin zwei Artikel, deren Form und Inhalt den jetzigen Machthabern natürlich nicht in ihren Kram passen konnte. Der eine dieser Aufsätze lautet: "Endlich haben sie (der Vollziehungsausschuß und die Minister) abgedankt; was sag' ich, abgedankt? Die Blutwoge hat sie herangespült und in ihrem Zurückweichen wieder davon getragen. Sie hatten sich am 24. Februar der Gewalt in unwürdiger Weise bemächtigt und jämmerlich ist sie den 24. Juni ihren Händen entschlüpft. Das Reich ihrer Ohnmacht hat 120 Tage gewährt... Nach 30 Jahren, wenn auch beschränkter, doch gesicherter Freiheit sind wir wieder dem Säbeldespotismus verfallen und zum Uebermaaß unserer Erniedrigung sind wir dahin gekommen, diesen Despotismus als eine Wohlthat zu betrachten. Alle Freiheiten suspendirt! die persönliche Freiheit wie die der Presse! Ein übel gedeutetes Wort, ein Druckfehler genügt, um Euch zu füsiliren. Paris ist im Belagerungszustande! Welchen Angriffen var nicht von Seiten des "National" die Juliregierung ausgesetzt, daß sie Paris in Belagerungszustand erklärt! Und jetzt? Kaum daß der "National" 4 Monate regiert und herrscht, so sehen wir, bis zu welchem Aeußersten es mit uns gekommen! Wo wird er auf diesem Abhang einhalten? Bis wohin wird er uns fortrollen? Wer könnte das sagen, wer es voraussehen? Es steht Alles zu befürchten. Man täusche sich nicht. Die Schwierigkeiten werden die jetzige Gefahr überdauern, die Frage auch nach Wegräumung der Barrikaden aufrecht stehen bleiben. Wenn man von beiden Seiten seine Blessirten verbunden, seine Gebliebenen beerdigt haben wird, so ist dadurch weder das Mißtrauen beschwichtigt noch das Problem gelöst, das drei Monate im Luxembourg verhandelt worden. Welch entsetzlicher Tag! Seit des Morgens 3 Uhr hat der Kanonendonner, hat das Pelotonfeuer noch keinen Augenblick aufgehört. Nur in der Uniform eines Nationalgardisten oder unter militärischer Bedeckung kann man von einer Straße bis zur andern gelangen; nur so ist noch die Passage erlaubt. Welche Masse von Todten und Verwundeten auf beiden Seiten! Das ist die Freiheit und Brüderlichkeit, die uns von den Republikanern "von gestern" verschafft worden! Der zweite Artikel Girardins spricht sich in folgender Art aus: "Wie sollen wir diese Rasenden, Unerschrockenen nennen, welche am 23. Juni die Barrikaden des 23. Febr. hergestellt haben? wollen wir sie mit dem Maire von Paris "eine kleine Anzahl unruhiger Köpfe" nennen? Dies hieße den Muth der Nationalgarde und der Armee beschimpfen, die seit 30 Stunden mit Gefahr ihres Lebens den Aufstand bekämpfen und ihn bis jetzt nicht haben besiegen können! Werden wir sie "Aufhetzer" nennen? Männer, die vor den Kartätschenkugeln nicht zurückweichen, sind keine bloßen Aufhetzer. Werden wir sie, wie Hr. Flocon gestern that, vom Ausland oder von Prätendenten "besoldete Agenten" nennen? Agenten findet man nicht zu Tausenden; sie färben nicht das Pflaster mit ihrem eigenen Blut und ihretwegen setzen sich nicht ganze Viertel von Paris dem ganzen Jammer, der ganzen Strenge eines Belagerungszustandes aus. Werden wir sie endlich "Emeutiers", "Faktiosen", "Insurgenten" nennen? Aber jede Insurrektion setzt eine Regierung voraus, die man stürzen, eine Regierung, die man gründen will. Nun, gestehen wir's: wir haben uns unter viele Gruppen gemischt, eine Menge Erkundigungen eingezogen: überall hörten wir mit Verachtung von der Unfähigkeit, von der offenliegenden Ohnmacht der aus den Bureaus des "National" und der "Reforme" hervorgegangenen Regierung, aber nirgends davon sprechen, daß man die republikanische Staatsform aufgeben und zum monarchischen Regime zurückkehren wollte. Die Rasenden, die in solcher Art seit gestern Morgen Paris mit Schrecken und Trauer erfüllen, die seinen Ruin vollenden, die das Elend verschlimmern, die Paris entehren, die sich im vollen Frieden dem Despotismus des Säbels überliefern: diese Leute werden also sehr ungenau mit den Namen von "unruhigen Köpfen", "Aufhetzern", "bezahlten Agenten", "Emeutiers", "Faktiosen" und "Insurgenten" bezeichnet. Es sind unerbittliche Gläub ger, die der Republik drei Monate Elend auf Kredit gegeben und ihre Verpflichtung treu erfüllt haben, die aber jetzt ihrer Seits verlangen, daß man die Wechsel honorire, die ihnen in Form von Dekreten am 25. Februar, am 1. und 2. März auf dem Stadthause mit allem Bedacht ausgestellt worden, ausgestellt von Verschwendern, denen 4 Monate hingereicht, um alle Quellen nationaler Größe und des öffentlichen Wohlstandes zu verschütten, die Gewalt in den Koth zu ziehen, die Freiheit in Mißkredit zu bringen, den Bürgerkrieg anzufachen und aus Paris das Grab der Civilisation zu machen! Merkwürdige und neue Lektion! Sie beweist, daß man dem Volke nie etwas anderes versprechen muß, als was man ihm halten zu können sicher ist. Den Wortbruch verzeiht das Volk am wenigsten. . . . . Unbedachte Unterzeichner von Dekreten, die Ihr nicht unterzeichnen durftet und die ihr protestiren ließet: auf Euch und auf Euch allein wird und muß die Verantwortlichkeit dieser beiden schrecklichen Tage zurückfallen. Wie wagt Ihr von "der verbrecherischen Aufsetzigkeit einiger irregeleiteten Arbeiter" zu sprechen? Seid Ihr es denn nicht, die die Ihr sie am 1. März irregeleitet, als Ihr in einem Dekret zu ihnen sagtet: "Es ist Zeit, den langen und unbilligen Leiden der Arbeiter ein Ende zu machen?" Waret Ihr es nicht, die Ihr am 2. März sehr zur Unzeit die tägliche Arbeitsdauer um 1 Stunde verkürztet und als Grund angabt: "Eine zu lang dauernde körperliche Arbeit untergräbt nicht allein die Gesundheit des Arbeiters, sondern hindert ihn auch an Ausbildung seiner Intelligenz und ist seiner Würde als Mensch zuwider?" Wenn die Leiden der Arbeiter vor dem 24. Februar, als Arbeit im Ueberfluß vorhanden und als der Ueberfluß auf die Höhe des Salairs günstig einwirkte, reell waren und Euch unbillig schie nen: um wie viel reeller sind sie jetzt und um wie viel unbilliger müssen sie Euch heute erscheinen, wo alle Arbeit aufgehört und Ihr so viele grausam zerstörte Illusionen in ihnen erweckt habt! Besitzet drum mindestens so viel Schaamhaftigkeit, um zu schweigen! Ueberlaßt Andern, die das Volk nicht betrogen haben, die Sorge und die Pflicht, ihm die Wahrheit zu sagen. Das ist ein Recht, das Ihr verscherzt habt." "Emile de Girardin." 16 Paris, 27. Juni. Mit dem Siege der Bourgeoisie wächst ihre Kühnheit; sie wird gar übermüthig werden. Die Insurgenten sind zwar noch in der Banlieue in der Gegend von Villejuif unfern Vincennes, wo die Bauern ihnen eine Schlacht liefern werden. Die Hetzjagd geht aufs prächtigste; Pardon wird im Durchschnitt nicht gegeben, und man hört überall auf Straßen und in Kafe's, im Familienkreise und in der Wachtstube die fraternellsten Aeußerungen. Ganz naiv machen Bourgeoisdamen den Vorschlag, alle Brigands (d. h. Arbeiter der Nationalateliers) zu fusiliren. Ein feiner Monsieur im Kafe de France (rue Bussy) betheuerte, die Ouvriers müßten sämmtlich todt gemacht werden, und da man ihm bescheiden bemerkte, Ouvriers seien gewissermassen dennoch nothwendig, ward er sehr verdrießlich. Die Herren Studiosen und Polytechniker haben sich diesmal nicht ganz die chevaleresken Sporen verdient wie im Februar und 1830; diese armen Jünglinge zitterten gar zu sehr vor dem infernalen Zorn des Proletariats, das eine schwarze Riesenfahne mit einem weißen Todtenkopf auf die Barrikaden im Faubourg St. Denis gesteckt; aber desto mehr renommiren sie nach dem Kampfe und verlangen Füsillaren en Masse; so unglaublich dies klingt, es ist leider wahr. Die lieben Knaben hatten von den 1793. Exekutionen gelesen, die der Konventsdelegirte in Lyon und Nantes gegen die damaligen Volksfeinde kommandirte. Wie schön wenn man das Ding 1848 umkehrte! notabene im Namen der republique honnete. Dies ist der funkelnagelneue Titel durch den unsre frischgebackene jeunesse doree den garstigen Ausdruck: republique democratique et sociale zu verdrängen strebt. Mehrmals vernahm man gestern aus den Gruppen der Bourgeoisdemoisellen und bourgeoisirten Ouvrieren, die vor den Hausthüren sitzend emsiglich Charpie zupfen die liebevolle Phrase: "wüßte ich daß dies für die Brigands bestimmt sei, ich wollte keinen Finger rühren." Eine dieser Bourgeoisen Xten Grades sah sich jedoch deswegen von einem Poleizeichef, einem Freunde Caussidiere's, hart zurecht gewiesen; noch ist allerdings das demokratische Gift nicht aus allen Beamten ausgemerzt. In Marseille wehte, wie Privatbriefe melden, eine ungeheure Trauerfahne zwischen zwei blutrothen mit der Inschrift: "Die marseiller Proletarier und Proletarierinnen wollen ewige Abschaffung des Diebstahls, der Prostitution, des Elends und der Unwissenheit"; große Affischen auf schwarzem Papier mit weißen und rothen Lettern sprachen ähnliches aus, mit dem Schluß: "da die jetzige Repräsentantenkammer total unfähig sei, wollten sie lieber den Schlachtentod sterben als den infamen Tod der Demoralisation und Misere". Fast buchstäblich dieselben Sätze standen auf Flugzetteln, welche seit 8 Tagen in den Faubourgs von Paris kursirten. Einer derselben sagte: "Arbeiterinnen, ihr armen Geschöpfe in Lumpen oder, was noch ärger, in seidnen Kleidern, die ihr mit Vermiethung eurer körperlichen Schönheit dem Geldkasten der Bourgeois abgerungen habt; Arbeiterinnen aller Geschäfte, die ihr eure Augen blind arbeitet oder blind weint, und frohlocken müßt, wenn ein Lord von der Finanz (lord de la financerie) oder sein Vasall euch den Hof Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. No. 30. Köln, Freitag 30. Juni 1848.Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an täglich. Bestellungen für das nächste Quartal, Juli bis September, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an. Für Frankreich übernehmen Abonnements Herr G. A. Alexandre, Nr. 28, Brandgasse in Straßburg, und 23, rue Notre Dame de Nazareth in Paris; so wie das königliche Ober-Post-Amt in Aachen. Für England die HH. J. J. Ewer & Comp. 72, Newgate Street in London. Für Belgien und Holland die respekt. königlichen Briefpost-Aemter und das Postbüreau zu Lüttich. Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Außerhalb Preußens mit Zuschlag des fremden Zeitungsportos. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf. Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung. Uebersicht. Französische Republik. Paris (Emil Girardin's zwei letzte Artikel in „la Presse.“ ‒ Schluß der Sitzung der Nationalversammlung vom 26. Juni. ‒ Korrespondenz vom 27. Juni. ‒ Nationalversammlung vom 27. Juni. ‒ Letzte Augenblicke der Insurrektion. ‒ Vermischtes). Deutschland. Köln (Crawall). Berlin (Vereinigungs-Sitzung vom 25. Juni). Königsberg (Emeute in Petersburg). München (Zwangsanleihe). Prag (Aufstand in Brünn bewältigt). Wien (Wessenberg abgetreten). Frankfurt (Nationalversammlung). Großbritannien. London (Oberhaus und Unterhaus. Westindische Kolonien. Zuckerzoll). Holland. Amsterdam (Physiognomie von Holland). Spanien. Madrid (Finanzmaßregeln. ‒ Die Ferdinandsbank). Portugal. Lissabon (Verschwörungs-Gerüchte). Italien. Neapel (die Insurrektion in den Provinzen). Rom (Kammerverhandlungen). Brasilien. (Die Thronrede wegen der Streitigkeiten mit der argentinischen Republik). Amtliche Nachrichten.
Berlin, den 26. Juni. Se. Maj. der König haben Allergnädigst allergnädigst geruht: Den Kreisdeputirten, Frhrn. v. Hamelberg auf Heidefeld, zum Landrath des Kreises Borken, im Reg.-Bez. Münster, zu ernennen. Bekanntmachung. In Verfolg unserer Bekanntmachung vom 18. Mai d. J. bringen wir hiermit zur öffentlichen Kenntniß, daß von den nach der Allerhöchsten Kabinetsordre vom 15. April d. J. (Gesetzsammlung Nr. 2957) auszufertigenden neuen Darlehns-Kassenscheinen nunmehr auch die unten näher beschriebenen Appoints zu 1 Thlr. Behufs der Verausgabung mit unserm Kontrollstempel versehen worden. Berlin, den 22. Juni 1848. Königl. Immediatkommission zur Kontrollirung der Banknoten. Costenoble. H. C. Carl. Sametzki. Beschreibung der Darlehns-Kassenscheine à 1 Thlr. Die Darlehns-Kassenscheine à 1 Thlr. sind 41/6 preußische Zolle breit und 2 11/12 preußische Zolle hoch und bestehen aus einem bläulichen Papiere mit in braungelb aufgedrucktem künstlichen Wasserzeichen. I. Die Schau- oder Vorderseite, in schwarzer Farbe gedruckt, enthält: Französische Republik.
7Paris, 28. Juni. Emil v. Girardin wurde am 25. Abends auf die Polizeipräfektur geführt in Folge eines vom Diktator Cavaignac erlassenen Dekrets, das den Redakteur des Journals „La Presse“ zu verhaften und letztere zu unterdrücken befahl. Nächste Veranlassung jenes Dekrets war die Sonntagsnummer des gedachten Journals, die auf Befehl Cavaignacs mit Beschlag belegt worden. Es finden sich darin zwei Artikel, deren Form und Inhalt den jetzigen Machthabern natürlich nicht in ihren Kram passen konnte. Der eine dieser Aufsätze lautet: „Endlich haben sie (der Vollziehungsausschuß und die Minister) abgedankt; was sag' ich, abgedankt? Die Blutwoge hat sie herangespült und in ihrem Zurückweichen wieder davon getragen. Sie hatten sich am 24. Februar der Gewalt in unwürdiger Weise bemächtigt und jämmerlich ist sie den 24. Juni ihren Händen entschlüpft. Das Reich ihrer Ohnmacht hat 120 Tage gewährt… Nach 30 Jahren, wenn auch beschränkter, doch gesicherter Freiheit sind wir wieder dem Säbeldespotismus verfallen und zum Uebermaaß unserer Erniedrigung sind wir dahin gekommen, diesen Despotismus als eine Wohlthat zu betrachten. Alle Freiheiten suspendirt! die persönliche Freiheit wie die der Presse! Ein übel gedeutetes Wort, ein Druckfehler genügt, um Euch zu füsiliren. Paris ist im Belagerungszustande! Welchen Angriffen var nicht von Seiten des „National“ die Juliregierung ausgesetzt, daß sie Paris in Belagerungszustand erklärt! Und jetzt? Kaum daß der „National“ 4 Monate regiert und herrscht, so sehen wir, bis zu welchem Aeußersten es mit uns gekommen! Wo wird er auf diesem Abhang einhalten? Bis wohin wird er uns fortrollen? Wer könnte das sagen, wer es voraussehen? Es steht Alles zu befürchten. Man täusche sich nicht. Die Schwierigkeiten werden die jetzige Gefahr überdauern, die Frage auch nach Wegräumung der Barrikaden aufrecht stehen bleiben. Wenn man von beiden Seiten seine Blessirten verbunden, seine Gebliebenen beerdigt haben wird, so ist dadurch weder das Mißtrauen beschwichtigt noch das Problem gelöst, das drei Monate im Luxembourg verhandelt worden. Welch entsetzlicher Tag! Seit des Morgens 3 Uhr hat der Kanonendonner, hat das Pelotonfeuer noch keinen Augenblick aufgehört. Nur in der Uniform eines Nationalgardisten oder unter militärischer Bedeckung kann man von einer Straße bis zur andern gelangen; nur so ist noch die Passage erlaubt. Welche Masse von Todten und Verwundeten auf beiden Seiten! Das ist die Freiheit und Brüderlichkeit, die uns von den Republikanern „von gestern“ verschafft worden! Der zweite Artikel Girardins spricht sich in folgender Art aus: „Wie sollen wir diese Rasenden, Unerschrockenen nennen, welche am 23. Juni die Barrikaden des 23. Febr. hergestellt haben? wollen wir sie mit dem Maire von Paris „eine kleine Anzahl unruhiger Köpfe“ nennen? Dies hieße den Muth der Nationalgarde und der Armee beschimpfen, die seit 30 Stunden mit Gefahr ihres Lebens den Aufstand bekämpfen und ihn bis jetzt nicht haben besiegen können! Werden wir sie „Aufhetzer“ nennen? Männer, die vor den Kartätschenkugeln nicht zurückweichen, sind keine bloßen Aufhetzer. Werden wir sie, wie Hr. Flocon gestern that, vom Ausland oder von Prätendenten „besoldete Agenten“ nennen? Agenten findet man nicht zu Tausenden; sie färben nicht das Pflaster mit ihrem eigenen Blut und ihretwegen setzen sich nicht ganze Viertel von Paris dem ganzen Jammer, der ganzen Strenge eines Belagerungszustandes aus. Werden wir sie endlich „Emeutiers“, „Faktiosen“, „Insurgenten“ nennen? Aber jede Insurrektion setzt eine Regierung voraus, die man stürzen, eine Regierung, die man gründen will. Nun, gestehen wir's: wir haben uns unter viele Gruppen gemischt, eine Menge Erkundigungen eingezogen: überall hörten wir mit Verachtung von der Unfähigkeit, von der offenliegenden Ohnmacht der aus den Bureaus des „National“ und der „Reforme“ hervorgegangenen Regierung, aber nirgends davon sprechen, daß man die republikanische Staatsform aufgeben und zum monarchischen Regime zurückkehren wollte. Die Rasenden, die in solcher Art seit gestern Morgen Paris mit Schrecken und Trauer erfüllen, die seinen Ruin vollenden, die das Elend verschlimmern, die Paris entehren, die sich im vollen Frieden dem Despotismus des Säbels überliefern: diese Leute werden also sehr ungenau mit den Namen von „unruhigen Köpfen“, „Aufhetzern“, „bezahlten Agenten“, „Emeutiers“, „Faktiosen“ und „Insurgenten“ bezeichnet. Es sind unerbittliche Gläub ger, die der Republik drei Monate Elend auf Kredit gegeben und ihre Verpflichtung treu erfüllt haben, die aber jetzt ihrer Seits verlangen, daß man die Wechsel honorire, die ihnen in Form von Dekreten am 25. Februar, am 1. und 2. März auf dem Stadthause mit allem Bedacht ausgestellt worden, ausgestellt von Verschwendern, denen 4 Monate hingereicht, um alle Quellen nationaler Größe und des öffentlichen Wohlstandes zu verschütten, die Gewalt in den Koth zu ziehen, die Freiheit in Mißkredit zu bringen, den Bürgerkrieg anzufachen und aus Paris das Grab der Civilisation zu machen! Merkwürdige und neue Lektion! Sie beweist, daß man dem Volke nie etwas anderes versprechen muß, als was man ihm halten zu können sicher ist. Den Wortbruch verzeiht das Volk am wenigsten. . . . . Unbedachte Unterzeichner von Dekreten, die Ihr nicht unterzeichnen durftet und die ihr protestiren ließet: auf Euch und auf Euch allein wird und muß die Verantwortlichkeit dieser beiden schrecklichen Tage zurückfallen. Wie wagt Ihr von „der verbrecherischen Aufsetzigkeit einiger irregeleiteten Arbeiter“ zu sprechen? Seid Ihr es denn nicht, die die Ihr sie am 1. März irregeleitet, als Ihr in einem Dekret zu ihnen sagtet: „Es ist Zeit, den langen und unbilligen Leiden der Arbeiter ein Ende zu machen?“ Waret Ihr es nicht, die Ihr am 2. März sehr zur Unzeit die tägliche Arbeitsdauer um 1 Stunde verkürztet und als Grund angabt: „Eine zu lang dauernde körperliche Arbeit untergräbt nicht allein die Gesundheit des Arbeiters, sondern hindert ihn auch an Ausbildung seiner Intelligenz und ist seiner Würde als Mensch zuwider?“ Wenn die Leiden der Arbeiter vor dem 24. Februar, als Arbeit im Ueberfluß vorhanden und als der Ueberfluß auf die Höhe des Salairs günstig einwirkte, reell waren und Euch unbillig schie nen: um wie viel reeller sind sie jetzt und um wie viel unbilliger müssen sie Euch heute erscheinen, wo alle Arbeit aufgehört und Ihr so viele grausam zerstörte Illusionen in ihnen erweckt habt! Besitzet drum mindestens so viel Schaamhaftigkeit, um zu schweigen! Ueberlaßt Andern, die das Volk nicht betrogen haben, die Sorge und die Pflicht, ihm die Wahrheit zu sagen. Das ist ein Recht, das Ihr verscherzt habt.“ „Emile de Girardin.“ 16 Paris, 27. Juni. Mit dem Siege der Bourgeoisie wächst ihre Kühnheit; sie wird gar übermüthig werden. Die Insurgenten sind zwar noch in der Banlieue in der Gegend von Villejuif unfern Vincennes, wo die Bauern ihnen eine Schlacht liefern werden. Die Hetzjagd geht aufs prächtigste; Pardon wird im Durchschnitt nicht gegeben, und man hört überall auf Straßen und in Kafe's, im Familienkreise und in der Wachtstube die fraternellsten Aeußerungen. Ganz naiv machen Bourgeoisdamen den Vorschlag, alle Brigands (d. h. Arbeiter der Nationalateliers) zu fusiliren. Ein feiner Monsieur im Kafe de France (rue Bussy) betheuerte, die Ouvriers müßten sämmtlich todt gemacht werden, und da man ihm bescheiden bemerkte, Ouvriers seien gewissermassen dennoch nothwendig, ward er sehr verdrießlich. Die Herren Studiosen und Polytechniker haben sich diesmal nicht ganz die chevaleresken Sporen verdient wie im Februar und 1830; diese armen Jünglinge zitterten gar zu sehr vor dem infernalen Zorn des Proletariats, das eine schwarze Riesenfahne mit einem weißen Todtenkopf auf die Barrikaden im Faubourg St. Denis gesteckt; aber desto mehr renommiren sie nach dem Kampfe und verlangen Füsillaren en Masse; so unglaublich dies klingt, es ist leider wahr. Die lieben Knaben hatten von den 1793. Exekutionen gelesen, die der Konventsdelegirte in Lyon und Nantes gegen die damaligen Volksfeinde kommandirte. Wie schön wenn man das Ding 1848 umkehrte! notabene im Namen der république honnête. Dies ist der funkelnagelneue Titel durch den unsre frischgebackene jeunesse dorée den garstigen Ausdruck: république démocratique et sociale zu verdrängen strebt. Mehrmals vernahm man gestern aus den Gruppen der Bourgeoisdemoisellen und bourgeoisirten Ouvriéren, die vor den Hausthüren sitzend emsiglich Charpie zupfen die liebevolle Phrase: „wüßte ich daß dies für die Brigands bestimmt sei, ich wollte keinen Finger rühren.“ Eine dieser Bourgeoisen Xten Grades sah sich jedoch deswegen von einem Poleizeichef, einem Freunde Caussidiere's, hart zurecht gewiesen; noch ist allerdings das demokratische Gift nicht aus allen Beamten ausgemerzt. In Marseille wehte, wie Privatbriefe melden, eine ungeheure Trauerfahne zwischen zwei blutrothen mit der Inschrift: „Die marseiller Proletarier und Proletarierinnen wollen ewige Abschaffung des Diebstahls, der Prostitution, des Elends und der Unwissenheit“; große Affischen auf schwarzem Papier mit weißen und rothen Lettern sprachen ähnliches aus, mit dem Schluß: „da die jetzige Repräsentantenkammer total unfähig sei, wollten sie lieber den Schlachtentod sterben als den infamen Tod der Demoralisation und Misere“. Fast buchstäblich dieselben Sätze standen auf Flugzetteln, welche seit 8 Tagen in den Faubourgs von Paris kursirten. 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J. bringen wir hiermit zur öffentlichen Kenntniß, daß von den nach der Allerhöchsten Kabinetsordre vom 15. April d. J. (Gesetzsammlung Nr. 2957) auszufertigenden neuen Darlehns-Kassenscheinen nunmehr auch die unten näher beschriebenen Appoints zu 1 Thlr. Behufs der Verausgabung mit unserm Kontrollstempel versehen worden.</p> <p>Berlin, den 22. Juni 1848.</p> <p>Königl. Immediatkommission zur Kontrollirung der Banknoten.</p> <p> <hi rendition="#g">Costenoble. H. C. Carl. Sametzki.</hi> </p> </div> <div xml:id="ar030_003" type="jArticle"> <head>Beschreibung der Darlehns-Kassenscheine à 1 Thlr.</head> <p>Die Darlehns-Kassenscheine à 1 Thlr. sind 41/6 preußische Zolle breit und 2 11/12 preußische Zolle hoch und bestehen aus einem bläulichen Papiere mit in braungelb aufgedrucktem künstlichen Wasserzeichen.</p> <p rendition="#et">I. Die Schau- oder Vorderseite, in schwarzer Farbe gedruckt, enthält:<lb/> A. als Einfassung:<lb/> 1) in den vier Ecken heraldische Adler mit Krone, Scepter und Reichsapfel und F. R. auf der Brust, in Lorbeerkränzen, welche mit Schraffirungen umzogen sind;<lb/> 2) in dem Oberbalken die Bezeichnung: „Darlehns-Kassenschein“ auf schraffirtem Schilde, das mit einer Arabeske mit oben in der Mitte und in den 4 Ecken angebrachten Kronen umgeben ist, die unter dem Hauptschilde in einem besondern kleinern Felde die Worte: „Gesetz vom 15. April 1848“ aufnimmt;<lb/> 3) in dem Unterbalken die Strafandrohung in gothischer Diamantschrift auf hellem Schilde, das mit einer Arabeske mit gleichfalls oben in der Mitte und in den 4 Ecken angebrachten Kronen umgeben ist;<lb/> 4) in den Seitenbalken weibliche Figuren mit Ruder und Füllhorn in den Händen und Burgerkronen auf ihren Häuptern, von welchen als Hintergrund Schleier herabwallen. Ueber jeder Krone erheben sich Palmette und Verzierungen mit Rosetten.<lb/> B. als Text:<lb/> 1) oben: „Ein Thaler Courant,“ in Frakturschrift;<lb/> 2) darunter: „nach dem Münzfuße von 1764“ in Diamant-Antiqua;<lb/> 3) in der Mitte in einem verzierten Kreise und auf dem Grundtone des Papiers, einen trockenen Stempel mit heraldischem Adler und der Unterschrift „Control-Commission;“<lb/> 4) zu beiden Seiten des Control-Stempels auf schraffirtem Grunde, in verzierten Schilden „1 Thlr.“ ebenfalls an der Grundfarbe des Papiers;<lb/> 5) unter dem Control-Stempel: „Berlin, den 15. April 1848“ in geschriebener stehender Schrift;<lb/> 6) hierunter: „Hauptverwaltung der Darlehns-Kassen“ in Lapidarschrift;<lb/> 7) endlich die Unterschriften in Facisimle „von Lamprecht, von Rabe, Meyen, Woywod.“<lb/> II. Die Kehr- oder Rückseite, in schwarzer Farbe gedruckt, enthält:<lb/> 1) oben: „Darlehns-Kassenschein“ in verzierten lateinischen Initialen;<lb/> 2) unten: „Ein Thaler Courant“ in anderen verzierten lateinischen Initialen;<lb/> 3) links und rechts die gleich großen Ziffern „1“ mit Werth-Angabe. „Ein Thaler„ in dem inneren Felde derselben, in Antiquarschrift, von Zügen umgeben;<lb/> 4) in der Mitte eine Arabeske, den schwarz geschriebenen Namen eines Beamten, die gedruckte Serie, Nummer und Litera und die Rückseite des Control-Stempel umgebend. Nummer, Name des Beamten und Control-Stempel stehen auf dem Grundtone des Papiers.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Französische Republik.</head> <div xml:id="ar030_004" type="jArticle"> <head><bibl><author>7</author></bibl>Paris, 28. Juni.</head> <p>Emil v. Girardin wurde am 25. Abends auf die Polizeipräfektur geführt in Folge eines vom Diktator Cavaignac erlassenen Dekrets, das den Redakteur des Journals „La Presse“ zu verhaften und letztere zu unterdrücken befahl. Nächste Veranlassung jenes Dekrets war die Sonntagsnummer des gedachten Journals, die auf Befehl Cavaignacs mit Beschlag belegt worden. Es finden sich darin zwei Artikel, deren Form und Inhalt den jetzigen Machthabern natürlich nicht in ihren Kram passen konnte. Der eine dieser Aufsätze lautet:</p> <p>„Endlich haben sie (der Vollziehungsausschuß und die Minister) abgedankt; was sag' ich, abgedankt? Die Blutwoge hat sie herangespült und in ihrem Zurückweichen wieder davon getragen. Sie hatten sich am 24. Februar der Gewalt in unwürdiger Weise bemächtigt und jämmerlich ist sie den 24. Juni ihren Händen entschlüpft. Das Reich ihrer Ohnmacht hat 120 Tage gewährt… Nach 30 Jahren, wenn auch beschränkter, doch gesicherter Freiheit sind wir wieder dem Säbeldespotismus verfallen und zum Uebermaaß unserer Erniedrigung sind wir dahin gekommen, diesen Despotismus als eine Wohlthat zu betrachten.</p> <p>Alle Freiheiten suspendirt! die persönliche Freiheit wie die der Presse! Ein übel gedeutetes Wort, ein Druckfehler genügt, um Euch zu füsiliren. Paris ist im Belagerungszustande! Welchen Angriffen var nicht von Seiten des „National“ die Juliregierung ausgesetzt, daß sie Paris in Belagerungszustand erklärt! Und jetzt? Kaum daß der „National“ 4 Monate regiert und herrscht, so sehen wir, bis zu welchem Aeußersten es mit uns gekommen!</p> <p>Wo wird er auf diesem Abhang einhalten? Bis wohin wird er uns fortrollen? Wer könnte das sagen, wer es voraussehen? Es steht Alles zu befürchten. Man täusche sich nicht. Die Schwierigkeiten werden die jetzige Gefahr überdauern, die Frage auch nach Wegräumung der Barrikaden aufrecht stehen bleiben. Wenn man von beiden Seiten seine Blessirten verbunden, seine Gebliebenen beerdigt haben wird, so ist dadurch weder das Mißtrauen beschwichtigt noch das Problem gelöst, das drei Monate im Luxembourg verhandelt worden.</p> <p>Welch entsetzlicher Tag! Seit des Morgens 3 Uhr hat der Kanonendonner, hat das Pelotonfeuer noch keinen Augenblick aufgehört. Nur in der Uniform eines Nationalgardisten oder unter militärischer Bedeckung kann man von einer Straße bis zur andern gelangen; nur so ist noch die Passage erlaubt.</p> <p>Welche Masse von Todten und Verwundeten auf beiden Seiten!</p> <p>Das ist die Freiheit und Brüderlichkeit, die uns von den Republikanern „von gestern“ verschafft worden!</p> <p>Der zweite Artikel Girardins spricht sich in folgender Art aus:</p> <p>„Wie sollen wir diese Rasenden, Unerschrockenen nennen, welche am 23. Juni die Barrikaden des 23. Febr. hergestellt haben? wollen wir sie mit dem Maire von Paris „eine kleine Anzahl unruhiger Köpfe“ nennen? Dies hieße den Muth der Nationalgarde und der Armee beschimpfen, die seit 30 Stunden mit Gefahr ihres Lebens den Aufstand bekämpfen und ihn bis jetzt nicht haben besiegen können! Werden wir sie „Aufhetzer“ nennen? Männer, die vor den Kartätschenkugeln nicht zurückweichen, sind keine bloßen Aufhetzer.</p> <p>Werden wir sie, wie Hr. Flocon gestern that, vom Ausland oder von Prätendenten „besoldete Agenten“ nennen? Agenten findet man nicht zu Tausenden; sie färben nicht das Pflaster mit ihrem eigenen Blut und ihretwegen setzen sich nicht ganze Viertel von Paris dem ganzen Jammer, der ganzen Strenge eines Belagerungszustandes aus.</p> <p>Werden wir sie endlich „Emeutiers“, „Faktiosen“, „Insurgenten“ nennen? Aber jede Insurrektion setzt eine Regierung voraus, die man stürzen, eine Regierung, die man gründen will. Nun, gestehen wir's: wir haben uns unter viele Gruppen gemischt, eine Menge Erkundigungen eingezogen: überall hörten wir mit Verachtung von der Unfähigkeit, von der offenliegenden Ohnmacht der aus den Bureaus des „National“ und der „Reforme“ hervorgegangenen Regierung, <hi rendition="#g">aber nirgends davon sprechen, daß man die republikanische Staatsform aufgeben und zum monarchischen Regime zurückkehren wollte.</hi></p> <p>Die Rasenden, die in solcher Art seit gestern Morgen Paris mit Schrecken und Trauer erfüllen, die seinen Ruin vollenden, die das Elend verschlimmern, die Paris entehren, die sich im vollen Frieden dem Despotismus des Säbels überliefern: diese Leute werden also sehr ungenau mit den Namen von „unruhigen Köpfen“, „Aufhetzern“, „bezahlten Agenten“, „Emeutiers“, „Faktiosen“ und „Insurgenten“ bezeichnet. Es sind unerbittliche Gläub ger, die der Republik drei Monate Elend auf Kredit gegeben und ihre Verpflichtung treu erfüllt haben, die aber jetzt ihrer Seits verlangen, daß man die Wechsel honorire, die ihnen in Form von Dekreten am 25. Februar, am 1. und 2. März auf dem Stadthause mit allem Bedacht ausgestellt worden, ausgestellt von Verschwendern, denen 4 Monate hingereicht, um alle Quellen nationaler Größe und des öffentlichen Wohlstandes zu verschütten, die Gewalt in den Koth zu ziehen, die Freiheit in Mißkredit zu bringen, den Bürgerkrieg anzufachen und aus Paris das Grab der Civilisation zu machen!</p> <p>Merkwürdige und neue Lektion! Sie beweist, daß man dem Volke nie etwas anderes versprechen muß, als was man ihm halten zu können sicher ist. Den Wortbruch verzeiht das Volk am wenigsten. . . . .</p> <p>Unbedachte Unterzeichner von Dekreten, die Ihr nicht unterzeichnen durftet und die ihr protestiren ließet: auf Euch und auf Euch allein wird und muß die Verantwortlichkeit dieser beiden schrecklichen Tage zurückfallen.</p> <p>Wie wagt Ihr von „der verbrecherischen Aufsetzigkeit einiger irregeleiteten Arbeiter“ zu sprechen? Seid Ihr es denn nicht, die die Ihr sie am 1. März irregeleitet, als Ihr in einem Dekret zu ihnen sagtet: „<hi rendition="#g">Es ist Zeit, den langen und unbilligen Leiden der Arbeiter ein Ende zu machen?</hi>“ Waret Ihr es nicht, die Ihr am 2. März sehr zur Unzeit die tägliche Arbeitsdauer um 1 Stunde verkürztet und als Grund angabt: „Eine zu lang dauernde körperliche Arbeit untergräbt nicht allein die Gesundheit des Arbeiters, sondern hindert ihn auch an Ausbildung seiner Intelligenz und ist seiner Würde als Mensch zuwider?“</p> <p>Wenn die Leiden der Arbeiter <hi rendition="#g">vor</hi> dem 24. Februar, als Arbeit im Ueberfluß vorhanden und als der Ueberfluß auf die Höhe des Salairs günstig einwirkte, reell waren und Euch unbillig schie nen: um wie viel reeller sind sie jetzt und um wie viel unbilliger müssen sie Euch heute erscheinen, wo alle Arbeit aufgehört und Ihr so viele grausam zerstörte Illusionen in ihnen erweckt habt!</p> <p>Besitzet drum mindestens so viel Schaamhaftigkeit, um zu schweigen! Ueberlaßt Andern, die das Volk nicht betrogen haben, die Sorge und die Pflicht, ihm die Wahrheit zu sagen. Das ist ein Recht, das Ihr verscherzt habt.“</p> <p> <hi rendition="#g">„Emile de Girardin.“</hi> </p> </div> <div xml:id="ar030_005" type="jArticle"> <head><bibl><author>16</author></bibl> Paris, 27. Juni.</head> <p>Mit dem Siege der Bourgeoisie wächst ihre Kühnheit; sie wird gar übermüthig werden. Die Insurgenten sind zwar noch in der Banlieue in der Gegend von Villejuif unfern Vincennes, wo die Bauern ihnen eine Schlacht liefern werden. Die Hetzjagd geht aufs prächtigste; Pardon wird im Durchschnitt nicht gegeben, und man hört überall auf Straßen und in Kafe's, im Familienkreise und in der Wachtstube die fraternellsten Aeußerungen. Ganz naiv machen Bourgeoisdamen den Vorschlag, alle Brigands (d. h. Arbeiter der Nationalateliers) zu fusiliren. Ein feiner Monsieur im Kafe de France (rue Bussy) betheuerte, die Ouvriers müßten sämmtlich todt gemacht werden, und da man ihm bescheiden bemerkte, Ouvriers seien gewissermassen dennoch nothwendig, ward er sehr verdrießlich. Die Herren Studiosen und Polytechniker haben sich diesmal nicht ganz die chevaleresken Sporen verdient wie im Februar und 1830; diese armen Jünglinge zitterten gar zu sehr vor dem infernalen Zorn des Proletariats, das <hi rendition="#g">eine schwarze Riesenfahne mit einem weißen Todtenkopf</hi> auf die Barrikaden im Faubourg St. Denis gesteckt; aber desto mehr renommiren sie nach dem Kampfe und verlangen Füsillaren en Masse; so unglaublich dies klingt, es ist leider wahr. Die lieben Knaben hatten von den 1793. Exekutionen gelesen, die der Konventsdelegirte in Lyon und Nantes gegen die damaligen Volksfeinde kommandirte. Wie schön wenn man das Ding 1848 umkehrte! notabene im Namen der république honnête. Dies ist der funkelnagelneue Titel durch den unsre frischgebackene jeunesse dorée den garstigen Ausdruck: république démocratique et sociale zu verdrängen strebt. Mehrmals vernahm man gestern aus den Gruppen der Bourgeoisdemoisellen und bourgeoisirten Ouvriéren, die vor den Hausthüren sitzend emsiglich Charpie zupfen die liebevolle Phrase: „wüßte ich daß dies für die Brigands bestimmt sei, ich wollte keinen Finger rühren.“ Eine dieser Bourgeoisen Xten Grades sah sich jedoch deswegen von einem Poleizeichef, einem Freunde Caussidiere's, hart zurecht gewiesen; noch ist allerdings das demokratische Gift nicht aus allen Beamten ausgemerzt. In Marseille wehte, wie Privatbriefe melden, eine ungeheure Trauerfahne zwischen zwei blutrothen mit der Inschrift:</p> <p>„Die marseiller Proletarier und Proletarierinnen wollen ewige Abschaffung des <hi rendition="#g">Diebstahls, der Prostitution,</hi> des <hi rendition="#g">Elends</hi> und der <hi rendition="#g">Unwissenheit</hi>“; große Affischen auf schwarzem Papier mit weißen und rothen Lettern sprachen ähnliches aus, mit dem Schluß: „da die jetzige Repräsentantenkammer total unfähig sei, wollten sie lieber den Schlachtentod sterben als den infamen Tod der Demoralisation und Misere“. Fast buchstäblich dieselben Sätze standen auf Flugzetteln, welche seit 8 Tagen in den Faubourgs von Paris kursirten. Einer derselben sagte: „Arbeiterinnen, ihr armen Geschöpfe in Lumpen oder, was noch ärger, in seidnen Kleidern, die ihr mit Vermiethung eurer körperlichen Schönheit dem Geldkasten der Bourgeois abgerungen habt; Arbeiterinnen aller Geschäfte, die ihr eure Augen blind arbeitet oder blind weint, und frohlocken müßt, wenn ein Lord von der Finanz (lord de la financerie) oder sein Vasall euch den Hof </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0143/0001]
Neue Rheinische Zeitung.Organ der Demokratie.No. 30. Köln, Freitag 30. Juni 1848. Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an täglich. Bestellungen für das nächste Quartal, Juli bis September, wolle man baldigst machen.
Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an.
Für Frankreich übernehmen Abonnements Herr G. A. Alexandre, Nr. 28, Brandgasse in Straßburg, und 23, rue Notre Dame de Nazareth in Paris; so wie das königliche Ober-Post-Amt in Aachen. Für England die HH. J. J. Ewer & Comp. 72, Newgate Street in London. Für Belgien und Holland die respekt. königlichen Briefpost-Aemter und das Postbüreau zu Lüttich.
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Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung.
Uebersicht. Französische Republik. Paris (Emil Girardin's zwei letzte Artikel in „la Presse.“ ‒ Schluß der Sitzung der Nationalversammlung vom 26. Juni. ‒ Korrespondenz vom 27. Juni. ‒ Nationalversammlung vom 27. Juni. ‒ Letzte Augenblicke der Insurrektion. ‒ Vermischtes).
Deutschland. Köln (Crawall). Berlin (Vereinigungs-Sitzung vom 25. Juni). Königsberg (Emeute in Petersburg). München (Zwangsanleihe). Prag (Aufstand in Brünn bewältigt). Wien (Wessenberg abgetreten). Frankfurt (Nationalversammlung).
Großbritannien. London (Oberhaus und Unterhaus. Westindische Kolonien. Zuckerzoll).
Holland. Amsterdam (Physiognomie von Holland).
Spanien. Madrid (Finanzmaßregeln. ‒ Die Ferdinandsbank).
Portugal. Lissabon (Verschwörungs-Gerüchte).
Italien. Neapel (die Insurrektion in den Provinzen). Rom (Kammerverhandlungen).
Brasilien. (Die Thronrede wegen der Streitigkeiten mit der argentinischen Republik).
Amtliche Nachrichten. Berlin, den 26. Juni. Se. Maj. der König haben Allergnädigst allergnädigst geruht:
Den Kreisdeputirten, Frhrn. v. Hamelberg auf Heidefeld, zum Landrath des Kreises Borken, im Reg.-Bez. Münster, zu ernennen.
Bekanntmachung. In Verfolg unserer Bekanntmachung vom 18. Mai d. J. bringen wir hiermit zur öffentlichen Kenntniß, daß von den nach der Allerhöchsten Kabinetsordre vom 15. April d. J. (Gesetzsammlung Nr. 2957) auszufertigenden neuen Darlehns-Kassenscheinen nunmehr auch die unten näher beschriebenen Appoints zu 1 Thlr. Behufs der Verausgabung mit unserm Kontrollstempel versehen worden.
Berlin, den 22. Juni 1848.
Königl. Immediatkommission zur Kontrollirung der Banknoten.
Costenoble. H. C. Carl. Sametzki.
Beschreibung der Darlehns-Kassenscheine à 1 Thlr. Die Darlehns-Kassenscheine à 1 Thlr. sind 41/6 preußische Zolle breit und 2 11/12 preußische Zolle hoch und bestehen aus einem bläulichen Papiere mit in braungelb aufgedrucktem künstlichen Wasserzeichen.
I. Die Schau- oder Vorderseite, in schwarzer Farbe gedruckt, enthält:
A. als Einfassung:
1) in den vier Ecken heraldische Adler mit Krone, Scepter und Reichsapfel und F. R. auf der Brust, in Lorbeerkränzen, welche mit Schraffirungen umzogen sind;
2) in dem Oberbalken die Bezeichnung: „Darlehns-Kassenschein“ auf schraffirtem Schilde, das mit einer Arabeske mit oben in der Mitte und in den 4 Ecken angebrachten Kronen umgeben ist, die unter dem Hauptschilde in einem besondern kleinern Felde die Worte: „Gesetz vom 15. April 1848“ aufnimmt;
3) in dem Unterbalken die Strafandrohung in gothischer Diamantschrift auf hellem Schilde, das mit einer Arabeske mit gleichfalls oben in der Mitte und in den 4 Ecken angebrachten Kronen umgeben ist;
4) in den Seitenbalken weibliche Figuren mit Ruder und Füllhorn in den Händen und Burgerkronen auf ihren Häuptern, von welchen als Hintergrund Schleier herabwallen. Ueber jeder Krone erheben sich Palmette und Verzierungen mit Rosetten.
B. als Text:
1) oben: „Ein Thaler Courant,“ in Frakturschrift;
2) darunter: „nach dem Münzfuße von 1764“ in Diamant-Antiqua;
3) in der Mitte in einem verzierten Kreise und auf dem Grundtone des Papiers, einen trockenen Stempel mit heraldischem Adler und der Unterschrift „Control-Commission;“
4) zu beiden Seiten des Control-Stempels auf schraffirtem Grunde, in verzierten Schilden „1 Thlr.“ ebenfalls an der Grundfarbe des Papiers;
5) unter dem Control-Stempel: „Berlin, den 15. April 1848“ in geschriebener stehender Schrift;
6) hierunter: „Hauptverwaltung der Darlehns-Kassen“ in Lapidarschrift;
7) endlich die Unterschriften in Facisimle „von Lamprecht, von Rabe, Meyen, Woywod.“
II. Die Kehr- oder Rückseite, in schwarzer Farbe gedruckt, enthält:
1) oben: „Darlehns-Kassenschein“ in verzierten lateinischen Initialen;
2) unten: „Ein Thaler Courant“ in anderen verzierten lateinischen Initialen;
3) links und rechts die gleich großen Ziffern „1“ mit Werth-Angabe. „Ein Thaler„ in dem inneren Felde derselben, in Antiquarschrift, von Zügen umgeben;
4) in der Mitte eine Arabeske, den schwarz geschriebenen Namen eines Beamten, die gedruckte Serie, Nummer und Litera und die Rückseite des Control-Stempel umgebend. Nummer, Name des Beamten und Control-Stempel stehen auf dem Grundtone des Papiers.
Französische Republik. 7Paris, 28. Juni. Emil v. Girardin wurde am 25. Abends auf die Polizeipräfektur geführt in Folge eines vom Diktator Cavaignac erlassenen Dekrets, das den Redakteur des Journals „La Presse“ zu verhaften und letztere zu unterdrücken befahl. Nächste Veranlassung jenes Dekrets war die Sonntagsnummer des gedachten Journals, die auf Befehl Cavaignacs mit Beschlag belegt worden. Es finden sich darin zwei Artikel, deren Form und Inhalt den jetzigen Machthabern natürlich nicht in ihren Kram passen konnte. Der eine dieser Aufsätze lautet:
„Endlich haben sie (der Vollziehungsausschuß und die Minister) abgedankt; was sag' ich, abgedankt? Die Blutwoge hat sie herangespült und in ihrem Zurückweichen wieder davon getragen. Sie hatten sich am 24. Februar der Gewalt in unwürdiger Weise bemächtigt und jämmerlich ist sie den 24. Juni ihren Händen entschlüpft. Das Reich ihrer Ohnmacht hat 120 Tage gewährt… Nach 30 Jahren, wenn auch beschränkter, doch gesicherter Freiheit sind wir wieder dem Säbeldespotismus verfallen und zum Uebermaaß unserer Erniedrigung sind wir dahin gekommen, diesen Despotismus als eine Wohlthat zu betrachten.
Alle Freiheiten suspendirt! die persönliche Freiheit wie die der Presse! Ein übel gedeutetes Wort, ein Druckfehler genügt, um Euch zu füsiliren. Paris ist im Belagerungszustande! Welchen Angriffen var nicht von Seiten des „National“ die Juliregierung ausgesetzt, daß sie Paris in Belagerungszustand erklärt! Und jetzt? Kaum daß der „National“ 4 Monate regiert und herrscht, so sehen wir, bis zu welchem Aeußersten es mit uns gekommen!
Wo wird er auf diesem Abhang einhalten? Bis wohin wird er uns fortrollen? Wer könnte das sagen, wer es voraussehen? Es steht Alles zu befürchten. Man täusche sich nicht. Die Schwierigkeiten werden die jetzige Gefahr überdauern, die Frage auch nach Wegräumung der Barrikaden aufrecht stehen bleiben. Wenn man von beiden Seiten seine Blessirten verbunden, seine Gebliebenen beerdigt haben wird, so ist dadurch weder das Mißtrauen beschwichtigt noch das Problem gelöst, das drei Monate im Luxembourg verhandelt worden.
Welch entsetzlicher Tag! Seit des Morgens 3 Uhr hat der Kanonendonner, hat das Pelotonfeuer noch keinen Augenblick aufgehört. Nur in der Uniform eines Nationalgardisten oder unter militärischer Bedeckung kann man von einer Straße bis zur andern gelangen; nur so ist noch die Passage erlaubt.
Welche Masse von Todten und Verwundeten auf beiden Seiten!
Das ist die Freiheit und Brüderlichkeit, die uns von den Republikanern „von gestern“ verschafft worden!
Der zweite Artikel Girardins spricht sich in folgender Art aus:
„Wie sollen wir diese Rasenden, Unerschrockenen nennen, welche am 23. Juni die Barrikaden des 23. Febr. hergestellt haben? wollen wir sie mit dem Maire von Paris „eine kleine Anzahl unruhiger Köpfe“ nennen? Dies hieße den Muth der Nationalgarde und der Armee beschimpfen, die seit 30 Stunden mit Gefahr ihres Lebens den Aufstand bekämpfen und ihn bis jetzt nicht haben besiegen können! Werden wir sie „Aufhetzer“ nennen? Männer, die vor den Kartätschenkugeln nicht zurückweichen, sind keine bloßen Aufhetzer.
Werden wir sie, wie Hr. Flocon gestern that, vom Ausland oder von Prätendenten „besoldete Agenten“ nennen? Agenten findet man nicht zu Tausenden; sie färben nicht das Pflaster mit ihrem eigenen Blut und ihretwegen setzen sich nicht ganze Viertel von Paris dem ganzen Jammer, der ganzen Strenge eines Belagerungszustandes aus.
Werden wir sie endlich „Emeutiers“, „Faktiosen“, „Insurgenten“ nennen? Aber jede Insurrektion setzt eine Regierung voraus, die man stürzen, eine Regierung, die man gründen will. Nun, gestehen wir's: wir haben uns unter viele Gruppen gemischt, eine Menge Erkundigungen eingezogen: überall hörten wir mit Verachtung von der Unfähigkeit, von der offenliegenden Ohnmacht der aus den Bureaus des „National“ und der „Reforme“ hervorgegangenen Regierung, aber nirgends davon sprechen, daß man die republikanische Staatsform aufgeben und zum monarchischen Regime zurückkehren wollte.
Die Rasenden, die in solcher Art seit gestern Morgen Paris mit Schrecken und Trauer erfüllen, die seinen Ruin vollenden, die das Elend verschlimmern, die Paris entehren, die sich im vollen Frieden dem Despotismus des Säbels überliefern: diese Leute werden also sehr ungenau mit den Namen von „unruhigen Köpfen“, „Aufhetzern“, „bezahlten Agenten“, „Emeutiers“, „Faktiosen“ und „Insurgenten“ bezeichnet. Es sind unerbittliche Gläub ger, die der Republik drei Monate Elend auf Kredit gegeben und ihre Verpflichtung treu erfüllt haben, die aber jetzt ihrer Seits verlangen, daß man die Wechsel honorire, die ihnen in Form von Dekreten am 25. Februar, am 1. und 2. März auf dem Stadthause mit allem Bedacht ausgestellt worden, ausgestellt von Verschwendern, denen 4 Monate hingereicht, um alle Quellen nationaler Größe und des öffentlichen Wohlstandes zu verschütten, die Gewalt in den Koth zu ziehen, die Freiheit in Mißkredit zu bringen, den Bürgerkrieg anzufachen und aus Paris das Grab der Civilisation zu machen!
Merkwürdige und neue Lektion! Sie beweist, daß man dem Volke nie etwas anderes versprechen muß, als was man ihm halten zu können sicher ist. Den Wortbruch verzeiht das Volk am wenigsten. . . . .
Unbedachte Unterzeichner von Dekreten, die Ihr nicht unterzeichnen durftet und die ihr protestiren ließet: auf Euch und auf Euch allein wird und muß die Verantwortlichkeit dieser beiden schrecklichen Tage zurückfallen.
Wie wagt Ihr von „der verbrecherischen Aufsetzigkeit einiger irregeleiteten Arbeiter“ zu sprechen? Seid Ihr es denn nicht, die die Ihr sie am 1. März irregeleitet, als Ihr in einem Dekret zu ihnen sagtet: „Es ist Zeit, den langen und unbilligen Leiden der Arbeiter ein Ende zu machen?“ Waret Ihr es nicht, die Ihr am 2. März sehr zur Unzeit die tägliche Arbeitsdauer um 1 Stunde verkürztet und als Grund angabt: „Eine zu lang dauernde körperliche Arbeit untergräbt nicht allein die Gesundheit des Arbeiters, sondern hindert ihn auch an Ausbildung seiner Intelligenz und ist seiner Würde als Mensch zuwider?“
Wenn die Leiden der Arbeiter vor dem 24. Februar, als Arbeit im Ueberfluß vorhanden und als der Ueberfluß auf die Höhe des Salairs günstig einwirkte, reell waren und Euch unbillig schie nen: um wie viel reeller sind sie jetzt und um wie viel unbilliger müssen sie Euch heute erscheinen, wo alle Arbeit aufgehört und Ihr so viele grausam zerstörte Illusionen in ihnen erweckt habt!
Besitzet drum mindestens so viel Schaamhaftigkeit, um zu schweigen! Ueberlaßt Andern, die das Volk nicht betrogen haben, die Sorge und die Pflicht, ihm die Wahrheit zu sagen. Das ist ein Recht, das Ihr verscherzt habt.“
„Emile de Girardin.“
16 Paris, 27. Juni. Mit dem Siege der Bourgeoisie wächst ihre Kühnheit; sie wird gar übermüthig werden. Die Insurgenten sind zwar noch in der Banlieue in der Gegend von Villejuif unfern Vincennes, wo die Bauern ihnen eine Schlacht liefern werden. Die Hetzjagd geht aufs prächtigste; Pardon wird im Durchschnitt nicht gegeben, und man hört überall auf Straßen und in Kafe's, im Familienkreise und in der Wachtstube die fraternellsten Aeußerungen. Ganz naiv machen Bourgeoisdamen den Vorschlag, alle Brigands (d. h. Arbeiter der Nationalateliers) zu fusiliren. Ein feiner Monsieur im Kafe de France (rue Bussy) betheuerte, die Ouvriers müßten sämmtlich todt gemacht werden, und da man ihm bescheiden bemerkte, Ouvriers seien gewissermassen dennoch nothwendig, ward er sehr verdrießlich. Die Herren Studiosen und Polytechniker haben sich diesmal nicht ganz die chevaleresken Sporen verdient wie im Februar und 1830; diese armen Jünglinge zitterten gar zu sehr vor dem infernalen Zorn des Proletariats, das eine schwarze Riesenfahne mit einem weißen Todtenkopf auf die Barrikaden im Faubourg St. Denis gesteckt; aber desto mehr renommiren sie nach dem Kampfe und verlangen Füsillaren en Masse; so unglaublich dies klingt, es ist leider wahr. Die lieben Knaben hatten von den 1793. Exekutionen gelesen, die der Konventsdelegirte in Lyon und Nantes gegen die damaligen Volksfeinde kommandirte. Wie schön wenn man das Ding 1848 umkehrte! notabene im Namen der république honnête. Dies ist der funkelnagelneue Titel durch den unsre frischgebackene jeunesse dorée den garstigen Ausdruck: république démocratique et sociale zu verdrängen strebt. Mehrmals vernahm man gestern aus den Gruppen der Bourgeoisdemoisellen und bourgeoisirten Ouvriéren, die vor den Hausthüren sitzend emsiglich Charpie zupfen die liebevolle Phrase: „wüßte ich daß dies für die Brigands bestimmt sei, ich wollte keinen Finger rühren.“ Eine dieser Bourgeoisen Xten Grades sah sich jedoch deswegen von einem Poleizeichef, einem Freunde Caussidiere's, hart zurecht gewiesen; noch ist allerdings das demokratische Gift nicht aus allen Beamten ausgemerzt. In Marseille wehte, wie Privatbriefe melden, eine ungeheure Trauerfahne zwischen zwei blutrothen mit der Inschrift:
„Die marseiller Proletarier und Proletarierinnen wollen ewige Abschaffung des Diebstahls, der Prostitution, des Elends und der Unwissenheit“; große Affischen auf schwarzem Papier mit weißen und rothen Lettern sprachen ähnliches aus, mit dem Schluß: „da die jetzige Repräsentantenkammer total unfähig sei, wollten sie lieber den Schlachtentod sterben als den infamen Tod der Demoralisation und Misere“. Fast buchstäblich dieselben Sätze standen auf Flugzetteln, welche seit 8 Tagen in den Faubourgs von Paris kursirten. Einer derselben sagte: „Arbeiterinnen, ihr armen Geschöpfe in Lumpen oder, was noch ärger, in seidnen Kleidern, die ihr mit Vermiethung eurer körperlichen Schönheit dem Geldkasten der Bourgeois abgerungen habt; Arbeiterinnen aller Geschäfte, die ihr eure Augen blind arbeitet oder blind weint, und frohlocken müßt, wenn ein Lord von der Finanz (lord de la financerie) oder sein Vasall euch den Hof
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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