Neue Rheinische Zeitung. Nr. 23. Köln, 23. Juni 1848.Für den Antrag der äußersten Linken sprachen Simon aus Trier, Hensel und v. Trützschler. Letzterer erklärt: Die Souverainität abgeben, heiße, sich des Hochverraths schuldig machen; existire dafür auch noch kein Gerichtshof, so könne sich doch leicht einer schaffen lassen. Herr v. Beckerath erklärt sich darauf selbst für einen Hochverräther im Sinne des vorigen Redners. Von Allen die glänzenste Rede, der selbst die rechte Seite ihren Beifall nicht versagen konnte, hielt Robert Blum. Er antwortete den Gegnern auf alle Einwürfe, er vernichtete, er zerrieb sie mit der kältesten Ruhe; nur in einem Punkte war er schwach, weil es auch ihm an der vollen Entschiedenheit fehlt. Auch er wollte uns von der Möglichkeit des friedlichen Nebeneinanderbestehens einer kräftigen Centralgewalt und der Einzelstaaten überzeugen, er behauptete wenigstens die Möglichkeit. "Wir wollen die Republik für den Gesammtstaat, weil wir die Verhältnisse in Deutschland nicht auflösen, sondern befestigen wollen." Immerhin aber stellt er sich auf den revolutionären Boden, und will mit den Fürsten nicht unterhandeln, und ihren Sonderinteressen kräftig entgegentreten. "Sie dürfen mit den Fürsten nicht unterhandeln, ruft er der Versammlung zu, eher müßten Sie ihr Mandat niederlegen. Sollten aber die Fürsten ihre Sonderinteressen vertreten wollen, ein Volk von 40 Millionen würde nicht unterhandeln können mit diesen Fürsten." Er hält einen innigen Anschluß an die Revolution für das einzige Mittel, der Anarchie ein Ende zu machen, und bezeichnet den Entwurf des Ausschusses als kontrerevolutionär und reaktionär, und sieht hinter dem verantwortlichen Triumvirat 3 Kronen hervorschimmern. Den fanatischen Anhängern des historischen Rechtsboden gibt er schließlich zu bedenken, daß vor nicht gar langer Zeit ein Staat, der auf dem historischen Rechtsboden festbegründet war, unter dem Fuße einer Tänzerin bis in seine tiefsten Grundfesten hinein erschüttert worden; daß, während man dem revolutionären Frankreich die Ernährung von 80,000 Arbeitern zum Vorwurf mache, deren Kosten bei Weitem die Vergeudungen eines verschwenderischen Hofes nicht erreichten, auf dessen historischem Rechtsboden Tausende an der Hungerpest zu Grunde gingen. Der Schluß der Sitzung erhielt noch einiges Interesse, als die Debatte auf die Prager Ereignisse kam. Der Bundespräsident Schmerling zeigte an, daß der Bundestag Maßregeln getroffen habe, um Böhmen nöthigenfalls mit bairischen, sächsischen und preußischen Truppen zu überschwemmen. Wiesner entgegnete ihm in einer heftigen Rede, worin er ausrief, der Bundespräsident wolle dem Bundestag einen Glorienschein um's Haupt winden, während derselbe doch nichts thue. Vogt, Jordan, Beseler, Lichnowsky sprechen in verschiedenem Sinne. Lichnowsky erklärt natürlich den Einmarsch der Truppen in Böhmen für eine ebenso heilsame als nothwendige Maßregel; Jordan bezeichnet den Fürsten Windisch-Grätz als den deutschen Alba. Zuletzt nach stürmischen Debatten wurde auf Beseler's Antrag beschlossen, die Kommission für die slavischen Verhältnisse zur schleunigen Berichterstattung aufzufordern. 25 Breslau, 19. Juni. In Neiße hat sich folgender Vorfall ereignet, der ein helles Licht über die noch bestehende Bureaukratie verbreitet. Die Primaner der dortigen Realschule ersuchten die Vorsteher der Schulbibliothek, Bücher anzuschaffen, die den Geist der neuern Zeit athmen. Wegen dieses ganz ungesetzlichen Verfahrens wurde eine Disciplinaruntersuchung eingeleitet und die Betreffenden aus der Schule - verwiesen. Als diese nun öffentlich Gerechtigkeit verlangten, wurde ihnen von der Polizei der fernere Aufenthalt im Orte verboten, und zwar sollten die Auswärtigen binnen 24 Stunden die Stadt verlassen. - - - - Dieß Betragen war doch auch den Neißern zu arg, und - sie schützten diese jungen Männer gegen die Polizei-Willkühr. Dieses Faktum gab Veranlassung zur Gründung eines demokratischen Vereins. Die Wahl eines Oberbürgermeisters für Breslau beschäftigt schon lange viele Gemüther. Vergebens wurde schon früher vom demokratischen und demokratisch-konstitutionellen Klub Proteste eingelegt, die das Verlangen aussprachen, man möge die Wahl so lange sistiren, bis die neue Städteordnung emanirt wäre. Mit Gelächter wurden diese Gesuche aufgenommen und - ad acta gelegt. Die Väter (?) der Stadt erklärten, sie könnten Schriftstücke, die von politischen (sic) Parteien ausgehen, ihrer Würde gemäß nicht beachten und machten die nöthigen Vorbereitungen zur Wahl. Auf der Kandidaten-Liste stehen unter andern die Namen Justizrath Gräff und Landgerichtsrath Fuchs, beide Herren Mitglieder des konstitutionellen Centralvereins. Der letzte Schritt in der Wahl soll heute um 4 Uhr geschehen, drei Tage vor dem Ausscheiden des dritten Theils der Stadtverordneten ! ! Gegen dieses Verfahren soll jetzt entschieden protestirt werden, und zwar nicht durch Vereine politischer Farben, sondern durch eine große Menge von Bürgern selbst. Das Mittel dazu wird wahrscheinlich eine Volksversammlung sein. Man trägt sich heute mit dem Gerüchte herum, es seien gestern 3-4 russische Emissäre verhaftet worden, als sie eben durch Geldbestechung Unruhen hervorrufen wollten. 24 Leipzig, 18. Juni. Wegen der Vorfälle in Altenburg wurde heute Mittag eine Menge Militär von hier auf der Eisenbahn dahin geschafft. Auch von andern Orten, z. B. von Zwickau, ist dem Altenburger Herzog militärische Hülfe zugesandt worden. Es ist wahrhaft schmählich, daß ganz, wie in früheren Zeiten, die Soldaten unter den deutschen Herren "von Gottes Gnaden" ein "Bischen" geliehen werden, um dem Volkswillen nach wie vor trotzen zu können. Oberschlesische Gränze, 18. Juni. In diesem Augenblick geht uns auf zuverläßigem Wege die Nachricht zu, daß der Uebertritt der Russen auf Preußisches Gebiet von Czenstochau aus, also zunächst in die Landrathskreise Lublinitz, Rosenberg, Beuthen, in den nächsten Tagen als ganz bestimmt anzunehmen sei, da die Marsch-Kolonnen sich schon zu den verschiedenen Uebergangs-Punkten über das Gränzflüßchen Prossna formiren, Pontons dazu an die Gränze gerückt, und die Wege dazu auf Polnischem Gebiet mit großen Menschenmassen in Stand gesetzt werden; - ferner sollen in den Polnischen Gränz-Ortschaften schon Fuhren bestellt sein zum Marsch nach Schlesien. Eben geht auch die Nachricht ein, daß in den nächsten Tagen mehrere Landwehr-Bataillone in Oberschlesien zusammengezogen werden sollen. (Ostsee-Z.)* Wien, 18. Juni. Gestern machte das Ministerium bekannt, daß der Kaiser, von der Nothwendigkeit seiner baldigen Rückkehr nach Wien durchdrungen, schon am 17. von Innsbruck habe abreisen wollen. Da habe ihn aber, dessen Gesundheit in dem ungewohnten Klima bereits gelitten, ein bedeutendes Unwohlsein ergriffen und einen Aufschub seiner Abreise nothwendig gemacht. Inzwischen hat der Kaiser den Erzherzog Franz Karl als seinen Stellvertreter mit ausgedehnten Vollmachten hieher abgeordnet. Letzterer wird am 19. d. von Innsbruck abreisen und am 23. in Wien eintreffen. - Aus Prag trifft diesen Augenblick die Nachricht ein, daß das Bombardement aufgehört, die Stadt sich auf Gnade und Ungnade ergeben und 40 Geißeln als Bürgschaft für ihr ruhiges Verhalten gestellt hat. Französische Republik.
Paris, 20. Juni. Louis Bonaparte ist, wie wir hören, zum Obersten der 2. Legion an Alton Shee's Stelle gewählt. - Die Schriftsetzer und Drucker von ganz Paris, selbst die des Moniteur, haben in einer vorgestern zu Montmartre abgehaltenen Generalversammlung den einstimmigen Beschluß gefaßt, ihre Arbeit einzustellen, wenn die Zeitungskautionen, diese Bleigewichte der Preßfreiheit, wieder eingeführt würden. Um die Arbeiter im Falle einer wirklichen allgemeinen Arbeitseinstellung von Hunger zu schützen, sind Subscriptionen eröffnet. Der Representant du peuple hat für 50 Franken unterschrieben. - Die hier so eben eingetroffene Estafette du midi meldet den Ausbruch eines Volksaufstandes in Savoyen. Man stürme in Stadt und Land unter dem Rufe: "Es lebe die italienische Republik! Tod dem König Karl Albert!" - Die Vollziehungsgewalt scheint fest entschlossen, ihren ganzen Einfluß aufzubieten, um die Proklamirung Karl Alberts als Lombardenkönig zu hintertreiben. Der National sagt: "Nichts widerspräche wohl der allgemeinen Hoffnung auf ein endliches Vereinigtes Italien mehr als die Gründung einer Monarchie, die sich nur bis an die Gränze von Toscana erstreckte. Aus den Staaten Italiens einen Bund von Republiken zu machen, lasse sich hören; aber Italien in einen einzigen Staat durch Assoziation der Fürsten verwandeln zu wollen, sei eine Chimäre. Das 1815 dergestalt rekonstruirte Deutschland ist die genügendste Warnung." - Am Schlusse der gestrigen Nationalversammlung legte der Kriegsminister Cavaignac den Entwurf eines "mobilen" Gendarmeriekorps von 800 Mann nieder. Das Mobile scheint bei uns Glück zu machen. Alles wird bei uns mobilisirt. - Goudchaux liquidirt seine Bankgeschäfte. Der große Finanzminister will sich ganz der Politik widmen. - Calais wird in Kriegsstand versetzt und an den dortigen Festungen fleißig gearbeitet. - Duclerc, interimistischer Finanzminister, heirathet die Tochter seines Herrn und Meisters, Garnier-Pages. - Zwischen der Pariser Garnison und der Mobilgarde herrscht große Spannung. Der Linie bleibt bekanntlich täglich 1 Sous; der Mobilgarde dagegen ein Reinertrag von 7-14 Sous (nach Abzug aller Unkosten). Diese Lohnungleichheit ruft eine gewisse Erbitterung hervor, welche Louis Bonaparte in London vortrefflich ausbeutet. - Aus dem Justizministerium soll gestern der Befehl abgegangen sein, Madame Laffarge, die Heldin von Glandier, in Freiheit zu setzen. - Nationalversammlung. Sitzung vom 20. Juni. Vicepräsident Portalis eröffnet sie um 1 Uhr. Pierre Leroux protestirt gegen die Rede, mit der gestern der interimistische Staatsbautenminister Trelat sein Verlangen eines neuen Kredits von 3,000,000 Franken für die Nationalwerkstätten begleitete, und in welcher er dem P. Leroux die Vaterschaft der Ereignisse in Limoges vorwarf, weil er schon seit 1820 dem dortigen Proletariat kommunistische Lehren gepredigt. Diese Protestation, in welche der Redner dem Minister absichtliche Entstellung oder Unkenntniß seiner kommunistischen Grundsätze vorhielt, erregte einigen Lärm, hatte aber weiter keine Folgen, da Trelat noch nicht anwesend war. - Duprat wünschte, daß man seinen Antrag auf Befreiung der Zeitungspresse von allen fiskalischen Maßregeln, als dringend erkläre, fiel aber damit durch. - Latrade trug dann darauf an, seinen Antrag, rücksichtlich der Arbeiter-Associationen, als dringend zu erklären. Dies geschah, und derselbe wird nächstens zur Diskussion kommen. - Clement Thomas bestieg dann die Bühne, um seine Demission zu geben. "Bürger Repräsentanten!" sagte er, "Ihr habt mich am 15. Mai zum Oberbefehlshaber der Bürgerwehr ernannt. Ich fühle mich veranlaßt, diese Stelle niederzulegen. Ich habe die Vollziehungsgewalt davon benachrichtigt. Da ich jedoch dieselbe direkt von Euch erhielt, so glaubte ich Euch meinen Entschluß anzeigen zu müssen." (Aufsehen). - Cavaignac, Kriegsminister, legt einen Entwurf vor, laut welchem vom 1. Oktober 1848 an der Zutritt in die Militairschule von St. Cyr kostenfrei sein soll. - Der Präsident liest einen Brief von Thiers vor, laut welchem er anzeigt, daß er für das Unterseine-Departement (Rouen) die Deputirtenstelle annehme. Also nicht für Paris. - Sainte Beuve legt seinen Assekuranzbericht vor und Jules Favre will die Concordats amiables zwischen Schuldnern und Gläubigern möglichst schleunigst auf die Tagesordnung gestellt wissen, weil Gefahr im Verzuge. Zehntausend Handelshäuser ständen auf dem Punkte nicht mehr zu zahlen; der Gegenstand sei also dringend. Diese Erklärung zog, und die Dringlichkeit wurde entschieden. - Türck will die Vollziehungsgewalt rücksichtlich der Lage des Landes interpelliren und erhält dafür Erlaubniß nach Vollendung der Eisenbahnfrage. - Victor Hugo benützt die auf der Tagesordnung befindlichen Nationalwerkstätten, um eine lange und schrecklich langweilige Jungfernrede gegen den Sozialismus zu halten. - Leon Faucher zog nicht weniger erbaulich gegen diese Anstalten zu Felde und rief sogar eine Reklamation des Finanzministers hervor, die einen Geldstreit wegen Stadtbauten zwischen den Stadträthen Ternaux, Considerant, Falloux und Marrast zum Gegenstand hatte. Die Diskussion des Kredits von 3000,000 Franken für die Nationalwerkstätten dauerte bis gegen 6 Uhr. Die Versammlung zeigte sich von dem Wunsche beseelt, sich zu jedem Preise sobald als möglich dieser Pflanzschule der Februar-Revolution zu entledigen. Sie sieht in ihnen ein wahres Demoklesschwert, das über ihrem Haupte schwebt. Der Vorschläge regnete es daher in Menge. Larochejaquelin wünscht, der Staat möge den Häuserspekulatoren 15,000.000 Fr. vorschießen, damit sie Häuser auf Spekulation bauen und somit 50,000 Arbeiter beschäftigen. Caussidiere hielt ebenfalls eine ziemlich schwerfällige Rede. Er schlug vor, man solle die heimische Fabrikation und Manufaktur durch Ausfuhrprämien ermuntern, wüste Ländereien in Algerien und den Süddepartements urbar machen lassen u. s. w. Sein Humor gefiel sehr. Waldeck-Rousseau und Goudchaux rächten sich für die herben Erwidrungen, die sie von den Socialisten, den natürlichen Vertheidigern der Nationalwerkstätten erfahren und schilderten wiederholt die Nothwendigkeit ihrer Auflösung. Sturm pflichtete dieser Ansicht vollkommen bei, und unterstützte vorzüglich seinen Vorgänger in dem Plane durch indirekte Steuern dem Handel und der Industrie d. i. der Produktion zu Hülfe zu kommen. Duclerc, Finanzminister, hielt das indirekte Steuersystem hiefür unzureichend. Die Ansicht der Regierung habe sich bereits für das direkte ausgesprochen v. Felloux reinigte sich noch einmal von dem Vorwurfe, die Regierung schwächen zu wollen und dafür die Frage den Nationalwerkstätten ausgebeutet zu haben. Die 300,000 Fr. werden endlich genehmigt und die Versammlung wollte zur Fortsetzung der Getränkediskussion schreiten, verschob sie jedoch bis morgen. Ein Antrag, die Verfassung erst Montags in den Büreaus zu diskutiren, fiel durch und die Sitzung wurde um 6 Uhr geschlossen. Großbritannien.
19 London, 19. Juni. Daß die Chartisten am Pfingstmontage eine Anzahl gleichzeitiger Meetings abzuhalten beabsichtigten, war schon lange zuvor dem ganzen Publikum bekannt. Solche Meetings sind allen Agitationen gemeinsam gewesen und haben nie zu Verfolgungen Anlaß gegeben. Es war ausdrücklich bestimmt worden, daß die auf Montag zusammenberufenen Meetings lediglich die Uebereichung des Memorials an die Königin und die Antwort darauf, falls eine solche erfolgt wäre, in Betracht ziehen sollten. Lord J. Russell's lügenhafte Behauptung, als sei dem Volk die Reformfrage völlig gleichgültig und als trage es kein Verlangen nach der "Charter", konnte nur als eine Herausforderung des Volkes betrachtet und mußte von letzterem durch öffentliche Meetings beantwortet werden. Grade dies verhinderte der kleine Lord. Erst verläumdete er das Volk und hernach beugte er einer Antwort desselben durch Anwendung brutaler Gewalt vor. Die Regierung wußte sehr wohl, daß kein wirklicher Grund zu Besorgnissen vorhanden war. Drum benutzte sie die Preß-Bande, um falschen Allarm zu schlagen. Diese saubern Janitscharen wurden abermals, wie bei Gelegenheit des 10. April in Thätigkeit gesetzt, schrieben und druckten Lügen nach der Elle, um so das Einschreiten der Regierung zu rechtfertigen. Es gelang ihnen allerlei Gerüchte in Umlauf zu bringen. Die Regierung that, als ob sie nun ebenfalls Besorgniß hege und ergriff "kräftige Maßregeln" zur Unterdrückung des freien Versammlungsrechtes. Obgleich in der "Metropole der Welt" keine Revolution vorgefallen ist, so leben wir doch unter einer "provisorischen Regierung", provisorisch bis dahin, wo "das Volk sich sein Recht zurück erobern wird." Die Mitglieder dieser Regierung sind weder Dichter, noch Astronomen, noch Geschichtschreiber; es sind einfach - Häscher. In der That, das Volk von London, deren Vorfahren den Edikten des Tyrannen Karl Widerstand leisteten, unterwerfen sich den Ukasen eines Maine und Rowan! Ja ein großer Theil der Londoner ist ganz glücklich in Anerkennung der Polizei-Könige, deren "Kundmachungen" und "Proklamationen" an die Stelle der altväterlichen vom Parlament ausgehenden Gesetzgebung getreten sind. Am 10. d. erschienen demnach die Proklamationen, die das Meeting auf Bonner's Fields untersagten. "Alle nöthigen Maßregeln" zu seiner Verhinderung würden ergriffen werden. Sie bestanden, wie am 10. April darin, daß 10,000 Mann Truppen in der Hauptstadt konzentrirt, die Polizei mit Hirschfängern versehen und die "Spezial-Konstablers" in Masse aufgeboten wurden. Nebstdem verbarrikadirte und verproviantirte man alle öffentlichen Gebäude, um eine "Belagerung" aushalten zu können, und stellte im Hinterhalt Kanonen auf, um das Volk abzuschlachten und "massenhaft niederzumähen." Die Sonntagsblätter setzten das von den täglichen Journalen begonnene Lügenwerk fort und forderten, "der starke Arm der bestehenden Gewalt" solle einen Schlag führen, der "gefühlt" würde und allen Chartisten-Demonstrationen für immer ein Ende mache. Am Montag früh (den 12.) enthalten die Morgenblätter Times, Chronicle etc. die scheußlichsten Aufreizungen an Minister, Polizei und Militär, daß sie vor keiner Gewaltthat zurückschrecken sollen, um nur die Arbeiter zu zermalmen. Im "Chronicle" stand folgender bedeutungsvolle Satz: "Wat Tyler. Heute ist der Jahrestag vom Tode Wat Tyler's, der am 12. Juni 1831 getödtet wurde." Natürlich ! der fromme Wunsch des schurkischen "Chronicle' ging dahin, die "Behörden" von London möchten am 12. Juni 1848 durch List und Gewalt sich wieder das Privilegium der Freude über einen blutigen Dolch verschaffen. Das Comite that unter solchen Umständen wohl daran, durch Vertagung des Meetings das unbewaffnete Volk vor den Säbeln der Polizei und den Musketen des Militärs sicher zu stellen. Die Presse natürlich fing gleich nach dem Montage an, über eine "neue Niederlage der Chartisten" zu frohlocken und der "Morning Advertiser" - in London besser unter dem Namen "der Spülicht-Eimer" bekannt - wünscht dem Lande zur "Vernichtung des Chartismus" Glück! Eine Wahrheit enthält dieses Blatt aber dennoch, eine Wahrheit, die dem Volke nicht tief genug eingeprägt werden kann: "daß die Chartisten bei der Mittelklasse keinerlei Sympathie finden, daß die Mittelklasse ohne Ausnahme gegen sie ist." Das ist in der That richtig. Unter den Krämern mag eine Minorität die Gerechtigkeit der chartistischen Sache im Stillen anerkennen, ja selbst ihren Erfolg wünschen: allein öffentlich lassen sie sich nichts davon merken. Durch ihr Schweigen scheinen sie die feindliche Gesinnung der Majorität ihrer Klasse zu theilen und jene Feindseligkeit ist von der ärgsten Art. Von vielen Seiten her wird mir aus guter Quelle versichert, der heißeste Wunsch der Bourgeoisie sei gewesen, daß Polizei und Militär durch einen Konflikt am gedachten Montage Vorwand und Entschuldigung zu einer Schlächterei im Ganzen und Großen erhalten möchten. "Schießt die Hunde nieder; kartätscht sie zusammen", so lautete die Sprache des Krämervolks im Allgemeinen mit Bezug auf die Chartisten. "Warum werden die Führer nicht deportirt?" frugen die Leute der Mittelklasse. "Hängt die Schurken!" erscholl es von den Lippen der "Jury-Klasse" während der letzten Wochen. Und doch sind Tausende dieser Schufte in den Klauen des Bankrotts. Mag Vernichtung hayfischgleich sie erpacken! Sind sie erst in die jämmerliche Lage derjenigen gebracht, denen sie jetzt mit ihren Knütteln drohen, die sie niedergemetzelt, deportirt oder gehangen wissen wollen: dann, aber nicht eher, werden sie Mitgefühl für ihre Nebenmenschen und einen kleinen Begriff von den Grundsätzen der Ehrenhaftigkeit, Wahrheit und Gerechtigkeit bekommen. Jetzt noch ein Wort über die Preßbande, die in ihren Berichten die schmutzige Arbeit der Spionerie übernommen hat und andererseits die fürchterlichsten Anstrengungen macht, die Verurtheilung der eingekerkerten Patrioten herbeizuführen. Unter allen Klassen und Parteien gilt ein "Spion" für ein niederträchtiges Wesen. Ein Berichterstatter, der Meetings besucht, angeblich um die Verhandlungen zu resumiren, in der That aber, um seine "Notizen" der Regierung zu verkaufen und letzterer zur Einsperrung oder Deportation ehrlicher Leute Mittel an die Hand zu liefern: ein solcher Reporter ist nichts weiter, als ein "Spion." Die "Mückensäuger", wie Cobbett sie nannte, machen ihren Bericht auf Bestellung. Für "Morning Post" oder "Herald" schwellen sie ein Meeting von 30 Protektionisten zu 3000 an; für "Times" oder "Chronicle" leisten sie den Freihandelsmännern den nämlichen Dienst. Allein 30,000 Chartisten wissen sie schnell bis auf höchstens so viele Hunderte verschwinden zu lassen. Aus dem Gewäsch eines eiteln Narren, der aber eine wohlgespickte Börse besitzt, machen sie einen "beredten und bewundernswerthen Vortrag"; Sinn und Verstand und wirkliche Beredsamkeit eines Arbeiters stellen sie als das "gewöhnliche Chartisten-Geplapper", "herkömmliches Schimpfen auf die Behörden" etc. hin. Weit ekelhafter ist aber das Verfahren dieser Preßbande gegen Ernest Jones und die übrigen Verhafteten. Der Herald ruft aus: "Man braucht nicht zu fürchten, daß Menschen, die selbst erklärten, sie beabsichtigten Plünderung, ja Mord, freigesprochen und etwa der Gesellschaft als gute und geeignete Mitglieder zurückgegeben werden." Damit sucht man also die Geschwornen im voraus zu bestimmen, ihr "Schuldig" über die Angeklagten auszusprechen. Die Sunday Times sagt: "in Betreff der Leiter jener gesetz- und sinnlosen Bewegung wird weder die große Masse des englischen Publikums, noch die besondere Klasse, der die Geschwornen angehören irgendwelche nebelhafte Sympathie fühlen." Und jenes andere Blatt "Lloyds Drei-Pence-Quark" meint: "Mitchell ist auf der Reise nach Bermuda; Jones, Sharp, Fussell und Williams stecken im Käfig von Newgate, einer Zwischenstation auf dem Wege ihrer Bestimmung." In ähnlicher, ja noch ärgerer Weise treten Times, Examiner etc. auf. Das Volk von England hat ein gutes Gedächtniß; der Tag an welchem die Arbeiter das ganze jetzige faule System über den Haufen stürzen, ist näher als die Mittelklasse ahnt. Dann wird man auch jener Preßbande nicht vergessen. * London, 20. Juni. Im Oberhause wurden gestern Sachen von weniger Bedeutung verhandelt, und die edlen Lords, wie der Telegraph sich ausdrückt, ermüdet durch die Sorge für das allgemeine Beste, glaubten dann, daß sie zweier Ruhetage bedürften und ajournirten bis Donnerstag. Für den Antrag der äußersten Linken sprachen Simon aus Trier, Hensel und v. Trützschler. Letzterer erklärt: Die Souverainität abgeben, heiße, sich des Hochverraths schuldig machen; existire dafür auch noch kein Gerichtshof, so könne sich doch leicht einer schaffen lassen. Herr v. Beckerath erklärt sich darauf selbst für einen Hochverräther im Sinne des vorigen Redners. Von Allen die glänzenste Rede, der selbst die rechte Seite ihren Beifall nicht versagen konnte, hielt Robert Blum. Er antwortete den Gegnern auf alle Einwürfe, er vernichtete, er zerrieb sie mit der kältesten Ruhe; nur in einem Punkte war er schwach, weil es auch ihm an der vollen Entschiedenheit fehlt. Auch er wollte uns von der Möglichkeit des friedlichen Nebeneinanderbestehens einer kräftigen Centralgewalt und der Einzelstaaten überzeugen, er behauptete wenigstens die Möglichkeit. „Wir wollen die Republik für den Gesammtstaat, weil wir die Verhältnisse in Deutschland nicht auflösen, sondern befestigen wollen.“ Immerhin aber stellt er sich auf den revolutionären Boden, und will mit den Fürsten nicht unterhandeln, und ihren Sonderinteressen kräftig entgegentreten. „Sie dürfen mit den Fürsten nicht unterhandeln, ruft er der Versammlung zu, eher müßten Sie ihr Mandat niederlegen. Sollten aber die Fürsten ihre Sonderinteressen vertreten wollen, ein Volk von 40 Millionen würde nicht unterhandeln können mit diesen Fürsten.“ Er hält einen innigen Anschluß an die Revolution für das einzige Mittel, der Anarchie ein Ende zu machen, und bezeichnet den Entwurf des Ausschusses als kontrerevolutionär und reaktionär, und sieht hinter dem verantwortlichen Triumvirat 3 Kronen hervorschimmern. Den fanatischen Anhängern des historischen Rechtsboden gibt er schließlich zu bedenken, daß vor nicht gar langer Zeit ein Staat, der auf dem historischen Rechtsboden festbegründet war, unter dem Fuße einer Tänzerin bis in seine tiefsten Grundfesten hinein erschüttert worden; daß, während man dem revolutionären Frankreich die Ernährung von 80,000 Arbeitern zum Vorwurf mache, deren Kosten bei Weitem die Vergeudungen eines verschwenderischen Hofes nicht erreichten, auf dessen historischem Rechtsboden Tausende an der Hungerpest zu Grunde gingen. Der Schluß der Sitzung erhielt noch einiges Interesse, als die Debatte auf die Prager Ereignisse kam. Der Bundespräsident Schmerling zeigte an, daß der Bundestag Maßregeln getroffen habe, um Böhmen nöthigenfalls mit bairischen, sächsischen und preußischen Truppen zu überschwemmen. Wiesner entgegnete ihm in einer heftigen Rede, worin er ausrief, der Bundespräsident wolle dem Bundestag einen Glorienschein um's Haupt winden, während derselbe doch nichts thue. Vogt, Jordan, Beseler, Lichnowsky sprechen in verschiedenem Sinne. Lichnowsky erklärt natürlich den Einmarsch der Truppen in Böhmen für eine ebenso heilsame als nothwendige Maßregel; Jordan bezeichnet den Fürsten Windisch-Grätz als den deutschen Alba. Zuletzt nach stürmischen Debatten wurde auf Beseler's Antrag beschlossen, die Kommission für die slavischen Verhältnisse zur schleunigen Berichterstattung aufzufordern. 25 Breslau, 19. Juni. In Neiße hat sich folgender Vorfall ereignet, der ein helles Licht über die noch bestehende Bureaukratie verbreitet. Die Primaner der dortigen Realschule ersuchten die Vorsteher der Schulbibliothek, Bücher anzuschaffen, die den Geist der neuern Zeit athmen. Wegen dieses ganz ungesetzlichen Verfahrens wurde eine Disciplinaruntersuchung eingeleitet und die Betreffenden aus der Schule ‒ verwiesen. Als diese nun öffentlich Gerechtigkeit verlangten, wurde ihnen von der Polizei der fernere Aufenthalt im Orte verboten, und zwar sollten die Auswärtigen binnen 24 Stunden die Stadt verlassen. ‒ ‒ ‒ ‒ Dieß Betragen war doch auch den Neißern zu arg, und ‒ sie schützten diese jungen Männer gegen die Polizei-Willkühr. Dieses Faktum gab Veranlassung zur Gründung eines demokratischen Vereins. Die Wahl eines Oberbürgermeisters für Breslau beschäftigt schon lange viele Gemüther. Vergebens wurde schon früher vom demokratischen und demokratisch-konstitutionellen Klub Proteste eingelegt, die das Verlangen aussprachen, man möge die Wahl so lange sistiren, bis die neue Städteordnung emanirt wäre. Mit Gelächter wurden diese Gesuche aufgenommen und ‒ ad acta gelegt. Die Väter (?) der Stadt erklärten, sie könnten Schriftstücke, die von politischen (sic) Parteien ausgehen, ihrer Würde gemäß nicht beachten und machten die nöthigen Vorbereitungen zur Wahl. Auf der Kandidaten-Liste stehen unter andern die Namen Justizrath Gräff und Landgerichtsrath Fuchs, beide Herren Mitglieder des konstitutionellen Centralvereins. Der letzte Schritt in der Wahl soll heute um 4 Uhr geschehen, drei Tage vor dem Ausscheiden des dritten Theils der Stadtverordneten ! ! Gegen dieses Verfahren soll jetzt entschieden protestirt werden, und zwar nicht durch Vereine politischer Farben, sondern durch eine große Menge von Bürgern selbst. Das Mittel dazu wird wahrscheinlich eine Volksversammlung sein. Man trägt sich heute mit dem Gerüchte herum, es seien gestern 3-4 russische Emissäre verhaftet worden, als sie eben durch Geldbestechung Unruhen hervorrufen wollten. 24 Leipzig, 18. Juni. Wegen der Vorfälle in Altenburg wurde heute Mittag eine Menge Militär von hier auf der Eisenbahn dahin geschafft. Auch von andern Orten, z. B. von Zwickau, ist dem Altenburger Herzog militärische Hülfe zugesandt worden. Es ist wahrhaft schmählich, daß ganz, wie in früheren Zeiten, die Soldaten unter den deutschen Herren „von Gottes Gnaden“ ein „Bischen“ geliehen werden, um dem Volkswillen nach wie vor trotzen zu können. Oberschlesische Gränze, 18. Juni. In diesem Augenblick geht uns auf zuverläßigem Wege die Nachricht zu, daß der Uebertritt der Russen auf Preußisches Gebiet von Czenstochau aus, also zunächst in die Landrathskreise Lublinitz, Rosenberg, Beuthen, in den nächsten Tagen als ganz bestimmt anzunehmen sei, da die Marsch-Kolonnen sich schon zu den verschiedenen Uebergangs-Punkten über das Gränzflüßchen Prossna formiren, Pontons dazu an die Gränze gerückt, und die Wege dazu auf Polnischem Gebiet mit großen Menschenmassen in Stand gesetzt werden; ‒ ferner sollen in den Polnischen Gränz-Ortschaften schon Fuhren bestellt sein zum Marsch nach Schlesien. Eben geht auch die Nachricht ein, daß in den nächsten Tagen mehrere Landwehr-Bataillone in Oberschlesien zusammengezogen werden sollen. (Ostsee-Z.)* Wien, 18. Juni. Gestern machte das Ministerium bekannt, daß der Kaiser, von der Nothwendigkeit seiner baldigen Rückkehr nach Wien durchdrungen, schon am 17. von Innsbruck habe abreisen wollen. Da habe ihn aber, dessen Gesundheit in dem ungewohnten Klima bereits gelitten, ein bedeutendes Unwohlsein ergriffen und einen Aufschub seiner Abreise nothwendig gemacht. Inzwischen hat der Kaiser den Erzherzog Franz Karl als seinen Stellvertreter mit ausgedehnten Vollmachten hieher abgeordnet. Letzterer wird am 19. d. von Innsbruck abreisen und am 23. in Wien eintreffen. ‒ Aus Prag trifft diesen Augenblick die Nachricht ein, daß das Bombardement aufgehört, die Stadt sich auf Gnade und Ungnade ergeben und 40 Geißeln als Bürgschaft für ihr ruhiges Verhalten gestellt hat. Französische Republik.
Paris, 20. Juni. Louis Bonaparte ist, wie wir hören, zum Obersten der 2. Legion an Alton Shee's Stelle gewählt. ‒ Die Schriftsetzer und Drucker von ganz Paris, selbst die des Moniteur, haben in einer vorgestern zu Montmartre abgehaltenen Generalversammlung den einstimmigen Beschluß gefaßt, ihre Arbeit einzustellen, wenn die Zeitungskautionen, diese Bleigewichte der Preßfreiheit, wieder eingeführt würden. Um die Arbeiter im Falle einer wirklichen allgemeinen Arbeitseinstellung von Hunger zu schützen, sind Subscriptionen eröffnet. Der Représentant du peuple hat für 50 Franken unterschrieben. ‒ Die hier so eben eingetroffene Estafette du midi meldet den Ausbruch eines Volksaufstandes in Savoyen. Man stürme in Stadt und Land unter dem Rufe: „Es lebe die italienische Republik! Tod dem König Karl Albert!“ ‒ Die Vollziehungsgewalt scheint fest entschlossen, ihren ganzen Einfluß aufzubieten, um die Proklamirung Karl Alberts als Lombardenkönig zu hintertreiben. Der National sagt: „Nichts widerspräche wohl der allgemeinen Hoffnung auf ein endliches Vereinigtes Italien mehr als die Gründung einer Monarchie, die sich nur bis an die Gränze von Toscana erstreckte. Aus den Staaten Italiens einen Bund von Republiken zu machen, lasse sich hören; aber Italien in einen einzigen Staat durch Assoziation der Fürsten verwandeln zu wollen, sei eine Chimäre. Das 1815 dergestalt rekonstruirte Deutschland ist die genügendste Warnung.“ ‒ Am Schlusse der gestrigen Nationalversammlung legte der Kriegsminister Cavaignac den Entwurf eines „mobilen“ Gendarmeriekorps von 800 Mann nieder. Das Mobile scheint bei uns Glück zu machen. Alles wird bei uns mobilisirt. ‒ Goudchaux liquidirt seine Bankgeschäfte. Der große Finanzminister will sich ganz der Politik widmen. ‒ Calais wird in Kriegsstand versetzt und an den dortigen Festungen fleißig gearbeitet. ‒ Duclerc, interimistischer Finanzminister, heirathet die Tochter seines Herrn und Meisters, Garnier-Pagès. ‒ Zwischen der Pariser Garnison und der Mobilgarde herrscht große Spannung. Der Linie bleibt bekanntlich täglich 1 Sous; der Mobilgarde dagegen ein Reinertrag von 7-14 Sous (nach Abzug aller Unkosten). Diese Lohnungleichheit ruft eine gewisse Erbitterung hervor, welche Louis Bonaparte in London vortrefflich ausbeutet. ‒ Aus dem Justizministerium soll gestern der Befehl abgegangen sein, Madame Laffarge, die Heldin von Glandier, in Freiheit zu setzen. ‒ Nationalversammlung. Sitzung vom 20. Juni. Vicepräsident Portalis eröffnet sie um 1 Uhr. Pierre Leroux protestirt gegen die Rede, mit der gestern der interimistische Staatsbautenminister Trelat sein Verlangen eines neuen Kredits von 3,000,000 Franken für die Nationalwerkstätten begleitete, und in welcher er dem P. Leroux die Vaterschaft der Ereignisse in Limoges vorwarf, weil er schon seit 1820 dem dortigen Proletariat kommunistische Lehren gepredigt. Diese Protestation, in welche der Redner dem Minister absichtliche Entstellung oder Unkenntniß seiner kommunistischen Grundsätze vorhielt, erregte einigen Lärm, hatte aber weiter keine Folgen, da Trelat noch nicht anwesend war. ‒ Duprat wünschte, daß man seinen Antrag auf Befreiung der Zeitungspresse von allen fiskalischen Maßregeln, als dringend erkläre, fiel aber damit durch. ‒ Latrade trug dann darauf an, seinen Antrag, rücksichtlich der Arbeiter-Associationen, als dringend zu erklären. Dies geschah, und derselbe wird nächstens zur Diskussion kommen. ‒ Clement Thomas bestieg dann die Bühne, um seine Demission zu geben. „Bürger Repräsentanten!“ sagte er, „Ihr habt mich am 15. Mai zum Oberbefehlshaber der Bürgerwehr ernannt. Ich fühle mich veranlaßt, diese Stelle niederzulegen. Ich habe die Vollziehungsgewalt davon benachrichtigt. Da ich jedoch dieselbe direkt von Euch erhielt, so glaubte ich Euch meinen Entschluß anzeigen zu müssen.“ (Aufsehen). ‒ Cavaignac, Kriegsminister, legt einen Entwurf vor, laut welchem vom 1. Oktober 1848 an der Zutritt in die Militairschule von St. Cyr kostenfrei sein soll. ‒ Der Präsident liest einen Brief von Thiers vor, laut welchem er anzeigt, daß er für das Unterseine-Departement (Rouen) die Deputirtenstelle annehme. Also nicht für Paris. ‒ Sainte Beuve legt seinen Assekuranzbericht vor und Jules Favre will die Concordats amiables zwischen Schuldnern und Gläubigern möglichst schleunigst auf die Tagesordnung gestellt wissen, weil Gefahr im Verzuge. Zehntausend Handelshäuser ständen auf dem Punkte nicht mehr zu zahlen; der Gegenstand sei also dringend. Diese Erklärung zog, und die Dringlichkeit wurde entschieden. ‒ Türck will die Vollziehungsgewalt rücksichtlich der Lage des Landes interpelliren und erhält dafür Erlaubniß nach Vollendung der Eisenbahnfrage. ‒ Victor Hugo benützt die auf der Tagesordnung befindlichen Nationalwerkstätten, um eine lange und schrecklich langweilige Jungfernrede gegen den Sozialismus zu halten. ‒ Leon Faucher zog nicht weniger erbaulich gegen diese Anstalten zu Felde und rief sogar eine Reklamation des Finanzministers hervor, die einen Geldstreit wegen Stadtbauten zwischen den Stadträthen Ternaux, Considerant, Falloux und Marrast zum Gegenstand hatte. Die Diskussion des Kredits von 3000,000 Franken für die Nationalwerkstätten dauerte bis gegen 6 Uhr. Die Versammlung zeigte sich von dem Wunsche beseelt, sich zu jedem Preise sobald als möglich dieser Pflanzschule der Februar-Revolution zu entledigen. Sie sieht in ihnen ein wahres Demoklesschwert, das über ihrem Haupte schwebt. Der Vorschläge regnete es daher in Menge. Larochejaquelin wünscht, der Staat möge den Häuserspekulatoren 15,000.000 Fr. vorschießen, damit sie Häuser auf Spekulation bauen und somit 50,000 Arbeiter beschäftigen. Caussidiere hielt ebenfalls eine ziemlich schwerfällige Rede. Er schlug vor, man solle die heimische Fabrikation und Manufaktur durch Ausfuhrprämien ermuntern, wüste Ländereien in Algerien und den Süddepartements urbar machen lassen u. s. w. Sein Humor gefiel sehr. Waldeck-Rousseau und Goudchaux rächten sich für die herben Erwidrungen, die sie von den Socialisten, den natürlichen Vertheidigern der Nationalwerkstätten erfahren und schilderten wiederholt die Nothwendigkeit ihrer Auflösung. Sturm pflichtete dieser Ansicht vollkommen bei, und unterstützte vorzüglich seinen Vorgänger in dem Plane durch indirekte Steuern dem Handel und der Industrie d. i. der Produktion zu Hülfe zu kommen. Duclerc, Finanzminister, hielt das indirekte Steuersystem hiefür unzureichend. Die Ansicht der Regierung habe sich bereits für das direkte ausgesprochen v. Felloux reinigte sich noch einmal von dem Vorwurfe, die Regierung schwächen zu wollen und dafür die Frage den Nationalwerkstätten ausgebeutet zu haben. Die 300,000 Fr. werden endlich genehmigt und die Versammlung wollte zur Fortsetzung der Getränkediskussion schreiten, verschob sie jedoch bis morgen. Ein Antrag, die Verfassung erst Montags in den Büreaus zu diskutiren, fiel durch und die Sitzung wurde um 6 Uhr geschlossen. Großbritannien.
19 London, 19. Juni. Daß die Chartisten am Pfingstmontage eine Anzahl gleichzeitiger Meetings abzuhalten beabsichtigten, war schon lange zuvor dem ganzen Publikum bekannt. Solche Meetings sind allen Agitationen gemeinsam gewesen und haben nie zu Verfolgungen Anlaß gegeben. Es war ausdrücklich bestimmt worden, daß die auf Montag zusammenberufenen Meetings lediglich die Uebereichung des Memorials an die Königin und die Antwort darauf, falls eine solche erfolgt wäre, in Betracht ziehen sollten. Lord J. Russell's lügenhafte Behauptung, als sei dem Volk die Reformfrage völlig gleichgültig und als trage es kein Verlangen nach der „Charter“, konnte nur als eine Herausforderung des Volkes betrachtet und mußte von letzterem durch öffentliche Meetings beantwortet werden. Grade dies verhinderte der kleine Lord. Erst verläumdete er das Volk und hernach beugte er einer Antwort desselben durch Anwendung brutaler Gewalt vor. Die Regierung wußte sehr wohl, daß kein wirklicher Grund zu Besorgnissen vorhanden war. Drum benutzte sie die Preß-Bande, um falschen Allarm zu schlagen. Diese saubern Janitscharen wurden abermals, wie bei Gelegenheit des 10. April in Thätigkeit gesetzt, schrieben und druckten Lügen nach der Elle, um so das Einschreiten der Regierung zu rechtfertigen. Es gelang ihnen allerlei Gerüchte in Umlauf zu bringen. Die Regierung that, als ob sie nun ebenfalls Besorgniß hege und ergriff „kräftige Maßregeln“ zur Unterdrückung des freien Versammlungsrechtes. Obgleich in der „Metropole der Welt“ keine Revolution vorgefallen ist, so leben wir doch unter einer „provisorischen Regierung“, provisorisch bis dahin, wo „das Volk sich sein Recht zurück erobern wird.“ Die Mitglieder dieser Regierung sind weder Dichter, noch Astronomen, noch Geschichtschreiber; es sind einfach ‒ Häscher. In der That, das Volk von London, deren Vorfahren den Edikten des Tyrannen Karl Widerstand leisteten, unterwerfen sich den Ukasen eines Maine und Rowan! Ja ein großer Theil der Londoner ist ganz glücklich in Anerkennung der Polizei-Könige, deren „Kundmachungen“ und „Proklamationen“ an die Stelle der altväterlichen vom Parlament ausgehenden Gesetzgebung getreten sind. Am 10. d. erschienen demnach die Proklamationen, die das Meeting auf Bonner's Fields untersagten. „Alle nöthigen Maßregeln“ zu seiner Verhinderung würden ergriffen werden. Sie bestanden, wie am 10. April darin, daß 10,000 Mann Truppen in der Hauptstadt konzentrirt, die Polizei mit Hirschfängern versehen und die „Spezial-Konstablers“ in Masse aufgeboten wurden. Nebstdem verbarrikadirte und verproviantirte man alle öffentlichen Gebäude, um eine „Belagerung“ aushalten zu können, und stellte im Hinterhalt Kanonen auf, um das Volk abzuschlachten und „massenhaft niederzumähen.“ Die Sonntagsblätter setzten das von den täglichen Journalen begonnene Lügenwerk fort und forderten, „der starke Arm der bestehenden Gewalt“ solle einen Schlag führen, der „gefühlt“ würde und allen Chartisten-Demonstrationen für immer ein Ende mache. Am Montag früh (den 12.) enthalten die Morgenblätter Times, Chronicle etc. die scheußlichsten Aufreizungen an Minister, Polizei und Militär, daß sie vor keiner Gewaltthat zurückschrecken sollen, um nur die Arbeiter zu zermalmen. Im „Chronicle“ stand folgender bedeutungsvolle Satz: „Wat Tyler. Heute ist der Jahrestag vom Tode Wat Tyler's, der am 12. Juni 1831 getödtet wurde.“ Natürlich ! der fromme Wunsch des schurkischen „Chronicle‘ ging dahin, die „Behörden“ von London möchten am 12. Juni 1848 durch List und Gewalt sich wieder das Privilegium der Freude über einen blutigen Dolch verschaffen. Das Comitè that unter solchen Umständen wohl daran, durch Vertagung des Meetings das unbewaffnete Volk vor den Säbeln der Polizei und den Musketen des Militärs sicher zu stellen. Die Presse natürlich fing gleich nach dem Montage an, über eine „neue Niederlage der Chartisten“ zu frohlocken und der „Morning Advertiser“ ‒ in London besser unter dem Namen „der Spülicht-Eimer“ bekannt ‒ wünscht dem Lande zur „Vernichtung des Chartismus“ Glück! Eine Wahrheit enthält dieses Blatt aber dennoch, eine Wahrheit, die dem Volke nicht tief genug eingeprägt werden kann: „daß die Chartisten bei der Mittelklasse keinerlei Sympathie finden, daß die Mittelklasse ohne Ausnahme gegen sie ist.“ Das ist in der That richtig. Unter den Krämern mag eine Minorität die Gerechtigkeit der chartistischen Sache im Stillen anerkennen, ja selbst ihren Erfolg wünschen: allein öffentlich lassen sie sich nichts davon merken. Durch ihr Schweigen scheinen sie die feindliche Gesinnung der Majorität ihrer Klasse zu theilen und jene Feindseligkeit ist von der ärgsten Art. Von vielen Seiten her wird mir aus guter Quelle versichert, der heißeste Wunsch der Bourgeoisie sei gewesen, daß Polizei und Militär durch einen Konflikt am gedachten Montage Vorwand und Entschuldigung zu einer Schlächterei im Ganzen und Großen erhalten möchten. „Schießt die Hunde nieder; kartätscht sie zusammen“, so lautete die Sprache des Krämervolks im Allgemeinen mit Bezug auf die Chartisten. „Warum werden die Führer nicht deportirt?“ frugen die Leute der Mittelklasse. „Hängt die Schurken!“ erscholl es von den Lippen der „Jury-Klasse“ während der letzten Wochen. Und doch sind Tausende dieser Schufte in den Klauen des Bankrotts. Mag Vernichtung hayfischgleich sie erpacken! Sind sie erst in die jämmerliche Lage derjenigen gebracht, denen sie jetzt mit ihren Knütteln drohen, die sie niedergemetzelt, deportirt oder gehangen wissen wollen: dann, aber nicht eher, werden sie Mitgefühl für ihre Nebenmenschen und einen kleinen Begriff von den Grundsätzen der Ehrenhaftigkeit, Wahrheit und Gerechtigkeit bekommen. Jetzt noch ein Wort über die Preßbande, die in ihren Berichten die schmutzige Arbeit der Spionerie übernommen hat und andererseits die fürchterlichsten Anstrengungen macht, die Verurtheilung der eingekerkerten Patrioten herbeizuführen. Unter allen Klassen und Parteien gilt ein „Spion“ für ein niederträchtiges Wesen. Ein Berichterstatter, der Meetings besucht, angeblich um die Verhandlungen zu resumiren, in der That aber, um seine „Notizen“ der Regierung zu verkaufen und letzterer zur Einsperrung oder Deportation ehrlicher Leute Mittel an die Hand zu liefern: ein solcher Reporter ist nichts weiter, als ein „Spion.“ Die „Mückensäuger“, wie Cobbett sie nannte, machen ihren Bericht auf Bestellung. Für „Morning Post“ oder „Herald“ schwellen sie ein Meeting von 30 Protektionisten zu 3000 an; für „Times“ oder „Chronicle“ leisten sie den Freihandelsmännern den nämlichen Dienst. Allein 30,000 Chartisten wissen sie schnell bis auf höchstens so viele Hunderte verschwinden zu lassen. Aus dem Gewäsch eines eiteln Narren, der aber eine wohlgespickte Börse besitzt, machen sie einen „beredten und bewundernswerthen Vortrag“; Sinn und Verstand und wirkliche Beredsamkeit eines Arbeiters stellen sie als das „gewöhnliche Chartisten-Geplapper“, „herkömmliches Schimpfen auf die Behörden“ etc. hin. Weit ekelhafter ist aber das Verfahren dieser Preßbande gegen Ernest Jones und die übrigen Verhafteten. Der Herald ruft aus: „Man braucht nicht zu fürchten, daß Menschen, die selbst erklärten, sie beabsichtigten Plünderung, ja Mord, freigesprochen und etwa der Gesellschaft als gute und geeignete Mitglieder zurückgegeben werden.“ Damit sucht man also die Geschwornen im voraus zu bestimmen, ihr „Schuldig“ über die Angeklagten auszusprechen. Die Sunday Times sagt: „in Betreff der Leiter jener gesetz- und sinnlosen Bewegung wird weder die große Masse des englischen Publikums, noch die besondere Klasse, der die Geschwornen angehören irgendwelche nebelhafte Sympathie fühlen.“ Und jenes andere Blatt „Lloyds Drei-Pence-Quark“ meint: „Mitchell ist auf der Reise nach Bermuda; Jones, Sharp, Fussell und Williams stecken im Käfig von Newgate, einer Zwischenstation auf dem Wege ihrer Bestimmung.“ In ähnlicher, ja noch ärgerer Weise treten Times, Examiner etc. auf. Das Volk von England hat ein gutes Gedächtniß; der Tag an welchem die Arbeiter das ganze jetzige faule System über den Haufen stürzen, ist näher als die Mittelklasse ahnt. Dann wird man auch jener Preßbande nicht vergessen. * London, 20. Juni. Im Oberhause wurden gestern Sachen von weniger Bedeutung verhandelt, und die edlen Lords, wie der Telegraph sich ausdrückt, ermüdet durch die Sorge für das allgemeine Beste, glaubten dann, daß sie zweier Ruhetage bedürften und ajournirten bis Donnerstag. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar023_011" type="jArticle"> <pb facs="#f0003" n="0105"/> <p>Für den Antrag der äußersten Linken sprachen Simon aus Trier, Hensel und v. Trützschler. Letzterer erklärt: Die Souverainität abgeben, heiße, sich des Hochverraths schuldig machen; existire dafür auch noch kein Gerichtshof, so könne sich doch leicht einer schaffen lassen. Herr v. Beckerath erklärt sich darauf selbst für einen Hochverräther im Sinne des vorigen Redners. Von Allen die glänzenste Rede, der selbst die rechte Seite ihren Beifall nicht versagen konnte, hielt Robert Blum. Er antwortete den Gegnern auf alle Einwürfe, er vernichtete, er zerrieb sie mit der kältesten Ruhe; nur in einem Punkte war er schwach, weil es auch ihm an der vollen Entschiedenheit fehlt. Auch er wollte uns von der Möglichkeit des friedlichen Nebeneinanderbestehens einer kräftigen Centralgewalt und der Einzelstaaten überzeugen, er behauptete wenigstens die Möglichkeit. „Wir wollen die Republik für den Gesammtstaat, weil wir die Verhältnisse in Deutschland <hi rendition="#g">nicht auflösen, sondern befestigen</hi> wollen.“ Immerhin aber stellt er sich auf den revolutionären Boden, und will mit den Fürsten nicht <hi rendition="#g">unterhandeln,</hi> und ihren Sonderinteressen kräftig entgegentreten. „Sie dürfen mit den Fürsten nicht unterhandeln, ruft er der Versammlung zu, eher müßten Sie ihr Mandat niederlegen. Sollten aber die Fürsten ihre Sonderinteressen vertreten wollen, ein Volk von 40 Millionen würde nicht unterhandeln <hi rendition="#g">können</hi> mit diesen Fürsten.“ Er hält einen innigen Anschluß an die Revolution für das einzige Mittel, der Anarchie ein Ende zu machen, und bezeichnet den Entwurf des Ausschusses als kontrerevolutionär und reaktionär, und sieht hinter dem verantwortlichen Triumvirat 3 Kronen hervorschimmern. Den fanatischen Anhängern des historischen Rechtsboden gibt er schließlich zu bedenken, daß vor nicht gar langer Zeit ein Staat, der auf dem historischen Rechtsboden festbegründet war, unter dem Fuße einer Tänzerin bis in seine tiefsten Grundfesten hinein erschüttert worden; daß, während man dem revolutionären Frankreich die Ernährung von 80,000 Arbeitern zum Vorwurf mache, deren Kosten bei Weitem die Vergeudungen eines verschwenderischen Hofes nicht erreichten, auf dessen historischem Rechtsboden Tausende an der Hungerpest zu Grunde gingen.</p> <p>Der Schluß der Sitzung erhielt noch einiges Interesse, als die Debatte auf die Prager Ereignisse kam. Der Bundespräsident Schmerling zeigte an, daß der Bundestag Maßregeln getroffen habe, um Böhmen nöthigenfalls mit bairischen, sächsischen und preußischen Truppen zu überschwemmen. Wiesner entgegnete ihm in einer heftigen Rede, worin er ausrief, der Bundespräsident wolle dem Bundestag einen Glorienschein um's Haupt winden, während derselbe doch nichts thue. Vogt, Jordan, Beseler, Lichnowsky sprechen in verschiedenem Sinne. Lichnowsky erklärt natürlich den Einmarsch der Truppen in Böhmen für eine ebenso heilsame als nothwendige Maßregel; Jordan bezeichnet den Fürsten Windisch-Grätz als den deutschen Alba. Zuletzt nach stürmischen Debatten wurde auf Beseler's Antrag beschlossen, die Kommission für die slavischen Verhältnisse zur schleunigen Berichterstattung aufzufordern.</p> </div> <div xml:id="ar023_012" type="jArticle"> <head><bibl><author>25</author></bibl> Breslau, 19. Juni.</head> <p>In Neiße hat sich folgender Vorfall ereignet, der ein helles Licht über die noch bestehende Bureaukratie verbreitet. Die Primaner der dortigen Realschule ersuchten die Vorsteher der Schulbibliothek, Bücher anzuschaffen, die den Geist der neuern Zeit athmen. Wegen dieses ganz ungesetzlichen Verfahrens wurde eine Disciplinaruntersuchung eingeleitet und die Betreffenden aus der Schule ‒ verwiesen. Als diese nun öffentlich Gerechtigkeit verlangten, wurde ihnen von der Polizei der fernere Aufenthalt im Orte verboten, und zwar sollten die Auswärtigen binnen 24 Stunden die Stadt verlassen. ‒ ‒ ‒ ‒ Dieß Betragen war doch auch den Neißern zu arg, und ‒ sie schützten diese jungen Männer gegen die Polizei-Willkühr. Dieses Faktum gab Veranlassung zur Gründung eines demokratischen Vereins.</p> <p>Die Wahl eines Oberbürgermeisters für Breslau beschäftigt schon lange viele Gemüther. Vergebens wurde schon früher vom demokratischen und demokratisch-konstitutionellen Klub Proteste eingelegt, die das Verlangen aussprachen, man möge die Wahl so lange sistiren, bis die neue Städteordnung emanirt wäre. Mit Gelächter wurden diese Gesuche aufgenommen und ‒ ad acta gelegt. Die Väter (?) der Stadt erklärten, sie könnten Schriftstücke, die von politischen (sic) Parteien ausgehen, ihrer Würde gemäß nicht beachten und machten die nöthigen Vorbereitungen zur Wahl. Auf der Kandidaten-Liste stehen unter andern die Namen Justizrath Gräff und Landgerichtsrath Fuchs, beide Herren Mitglieder des konstitutionellen Centralvereins. Der letzte Schritt in der Wahl soll heute um 4 Uhr geschehen, drei Tage vor dem Ausscheiden des dritten Theils der Stadtverordneten ! ! Gegen dieses Verfahren soll jetzt entschieden protestirt werden, und zwar nicht durch Vereine politischer Farben, sondern durch eine große Menge von Bürgern selbst. Das Mittel dazu wird wahrscheinlich eine Volksversammlung sein.</p> <p>Man trägt sich heute mit dem Gerüchte herum, es seien gestern 3-4 russische Emissäre verhaftet worden, als sie eben durch Geldbestechung Unruhen hervorrufen wollten.</p> </div> <div xml:id="ar023_013" type="jArticle"> <head><bibl><author>24</author></bibl> Leipzig, 18. Juni.</head> <p>Wegen der Vorfälle in Altenburg wurde heute Mittag eine Menge Militär von hier auf der Eisenbahn dahin geschafft. Auch von andern Orten, z. B. von Zwickau, ist dem Altenburger Herzog militärische Hülfe zugesandt worden. Es ist wahrhaft schmählich, daß ganz, wie in früheren Zeiten, die Soldaten unter den deutschen Herren „von Gottes Gnaden“ ein „Bischen“ geliehen werden, um dem Volkswillen nach wie vor trotzen zu können.</p> </div> <div xml:id="ar023_014" type="jArticle"> <head>Oberschlesische Gränze, 18. Juni.</head> <p>In diesem Augenblick geht uns auf zuverläßigem Wege die Nachricht zu, daß der Uebertritt der Russen auf Preußisches Gebiet von Czenstochau aus, also zunächst in die Landrathskreise Lublinitz, Rosenberg, Beuthen, in den nächsten Tagen als ganz bestimmt anzunehmen sei, da die Marsch-Kolonnen sich schon zu den verschiedenen Uebergangs-Punkten über das Gränzflüßchen Prossna formiren, Pontons dazu an die Gränze gerückt, und die Wege dazu auf Polnischem Gebiet mit großen Menschenmassen in Stand gesetzt werden; ‒ ferner sollen in den Polnischen Gränz-Ortschaften schon Fuhren bestellt sein zum Marsch nach Schlesien.</p> <p>Eben geht auch die Nachricht ein, daß in den nächsten Tagen mehrere Landwehr-Bataillone in Oberschlesien zusammengezogen werden sollen.</p> <bibl>(Ostsee-Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar023_015" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Wien, 18. Juni.</head> <p>Gestern machte das Ministerium bekannt, daß der Kaiser, von der Nothwendigkeit seiner baldigen Rückkehr nach Wien durchdrungen, schon am 17. von Innsbruck habe abreisen wollen. Da habe ihn aber, dessen Gesundheit in dem ungewohnten Klima bereits gelitten, ein bedeutendes Unwohlsein ergriffen und einen Aufschub seiner Abreise nothwendig gemacht. Inzwischen hat der Kaiser den Erzherzog Franz Karl als seinen Stellvertreter mit ausgedehnten Vollmachten hieher abgeordnet. Letzterer wird am 19. d. von Innsbruck abreisen und am 23. in Wien eintreffen.</p> </div> <div xml:id="ar023_016" type="jArticle"> <p>‒ Aus <hi rendition="#g">Prag</hi> trifft diesen Augenblick die Nachricht ein, daß das Bombardement aufgehört, die Stadt sich auf Gnade und Ungnade ergeben und 40 Geißeln als Bürgschaft für ihr ruhiges Verhalten gestellt hat.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Französische Republik.</head> <div xml:id="ar023_017" type="jArticle"> <head>Paris, 20. Juni.</head> <p>Louis Bonaparte ist, wie wir hören, zum Obersten der 2. Legion an Alton Shee's Stelle gewählt.</p> <p>‒ Die Schriftsetzer und Drucker von ganz Paris, selbst die des Moniteur, haben in einer vorgestern zu Montmartre abgehaltenen Generalversammlung den einstimmigen Beschluß gefaßt, ihre Arbeit einzustellen, wenn die Zeitungskautionen, diese Bleigewichte der Preßfreiheit, wieder eingeführt würden. Um die Arbeiter im Falle einer wirklichen allgemeinen Arbeitseinstellung von Hunger zu schützen, sind Subscriptionen eröffnet. Der Représentant du peuple hat für 50 Franken unterschrieben.</p> <p>‒ Die hier so eben eingetroffene Estafette du midi meldet den Ausbruch eines Volksaufstandes in Savoyen. Man stürme in Stadt und Land unter dem Rufe: „Es lebe die italienische Republik! Tod dem König Karl Albert!“</p> <p>‒ Die Vollziehungsgewalt scheint fest entschlossen, ihren ganzen Einfluß aufzubieten, um die Proklamirung Karl Alberts als Lombardenkönig zu hintertreiben. Der National sagt: „Nichts widerspräche wohl der allgemeinen Hoffnung auf ein endliches Vereinigtes Italien mehr als die Gründung einer Monarchie, die sich nur bis an die Gränze von Toscana erstreckte. Aus den Staaten Italiens einen Bund von Republiken zu machen, lasse sich hören; aber Italien in einen einzigen Staat durch Assoziation der Fürsten verwandeln zu wollen, sei eine Chimäre. Das 1815 dergestalt rekonstruirte Deutschland ist die genügendste Warnung.“</p> <p>‒ Am Schlusse der gestrigen Nationalversammlung legte der Kriegsminister Cavaignac den Entwurf eines „mobilen“ Gendarmeriekorps von 800 Mann nieder. Das Mobile scheint bei uns Glück zu machen. Alles wird bei uns mobilisirt.</p> <p>‒ Goudchaux liquidirt seine Bankgeschäfte. Der große Finanzminister will sich ganz der Politik widmen.</p> <p>‒ Calais wird in Kriegsstand versetzt und an den dortigen Festungen fleißig gearbeitet.</p> <p>‒ Duclerc, interimistischer Finanzminister, heirathet die Tochter seines Herrn und Meisters, Garnier-Pagès.</p> <p>‒ Zwischen der Pariser Garnison und der Mobilgarde herrscht große Spannung. Der Linie bleibt bekanntlich täglich 1 Sous; der Mobilgarde dagegen ein Reinertrag von 7-14 Sous (nach Abzug aller Unkosten). Diese Lohnungleichheit ruft eine gewisse Erbitterung hervor, welche Louis Bonaparte in London vortrefflich ausbeutet.</p> <p>‒ Aus dem Justizministerium <hi rendition="#g">soll</hi> gestern der Befehl abgegangen sein, Madame Laffarge, die Heldin von Glandier, in Freiheit zu setzen.</p> <p>‒ <hi rendition="#g">Nationalversammlung.</hi> Sitzung vom 20. Juni. Vicepräsident Portalis eröffnet sie um 1 Uhr. Pierre Leroux protestirt gegen die Rede, mit der gestern der interimistische Staatsbautenminister Trelat sein Verlangen eines neuen Kredits von 3,000,000 Franken für die Nationalwerkstätten begleitete, und in welcher er dem P. Leroux die Vaterschaft der Ereignisse in Limoges vorwarf, weil er schon seit 1820 dem dortigen Proletariat kommunistische Lehren gepredigt. Diese Protestation, in welche der Redner dem Minister absichtliche Entstellung oder Unkenntniß seiner kommunistischen Grundsätze vorhielt, erregte einigen Lärm, hatte aber weiter keine Folgen, da Trelat noch nicht anwesend war. ‒ Duprat wünschte, daß man seinen Antrag auf Befreiung der Zeitungspresse von allen fiskalischen Maßregeln, als dringend erkläre, fiel aber damit durch. ‒ Latrade trug dann darauf an, seinen Antrag, rücksichtlich der <hi rendition="#g">Arbeiter-Associationen,</hi> als dringend zu erklären. Dies geschah, und derselbe wird nächstens zur Diskussion kommen. ‒ <hi rendition="#g">Clement Thomas bestieg dann die Bühne, um seine Demission zu geben.</hi> „Bürger Repräsentanten!“ sagte er, „Ihr habt mich am 15. Mai zum Oberbefehlshaber der Bürgerwehr ernannt. Ich fühle mich veranlaßt, diese Stelle niederzulegen. Ich habe die Vollziehungsgewalt davon benachrichtigt. Da ich jedoch dieselbe direkt von Euch erhielt, so glaubte ich Euch meinen Entschluß anzeigen zu müssen.“ (Aufsehen). ‒ <hi rendition="#g">Cavaignac,</hi> Kriegsminister, legt einen Entwurf vor, laut welchem vom 1. Oktober 1848 an der Zutritt in die Militairschule von St. Cyr kostenfrei sein soll. ‒ Der <hi rendition="#g">Präsident</hi> liest einen Brief von Thiers vor, laut welchem er anzeigt, daß er für das Unterseine-Departement (Rouen) die Deputirtenstelle annehme. Also nicht für Paris. ‒ <hi rendition="#g">Sainte Beuve</hi> legt seinen Assekuranzbericht vor und <hi rendition="#g">Jules Favre</hi> will die Concordats amiables zwischen Schuldnern und Gläubigern möglichst schleunigst auf die Tagesordnung gestellt wissen, weil Gefahr im Verzuge. Zehntausend Handelshäuser ständen auf dem Punkte nicht mehr zu zahlen; der Gegenstand sei also dringend. Diese Erklärung zog, und die Dringlichkeit wurde entschieden. ‒ <hi rendition="#g">Türck</hi> will die Vollziehungsgewalt rücksichtlich der Lage des Landes interpelliren und erhält dafür Erlaubniß nach Vollendung der Eisenbahnfrage. ‒ <hi rendition="#g">Victor Hugo</hi> benützt die auf der Tagesordnung befindlichen Nationalwerkstätten, um eine lange und schrecklich langweilige Jungfernrede gegen den Sozialismus zu halten. ‒ <hi rendition="#g">Leon Faucher</hi> zog nicht weniger erbaulich gegen diese Anstalten zu Felde und rief sogar eine Reklamation des Finanzministers hervor, die einen Geldstreit wegen Stadtbauten zwischen den Stadträthen Ternaux, Considerant, Falloux und Marrast zum Gegenstand hatte.</p> <p>Die Diskussion des Kredits von 3000,000 Franken für die Nationalwerkstätten dauerte bis gegen 6 Uhr. Die Versammlung zeigte sich von dem Wunsche beseelt, sich zu jedem Preise sobald als möglich dieser Pflanzschule der Februar-Revolution zu entledigen. Sie sieht in ihnen ein wahres Demoklesschwert, das über ihrem Haupte schwebt. Der Vorschläge regnete es daher in Menge.</p> <p><hi rendition="#g">Larochejaquelin</hi> wünscht, der Staat möge den Häuserspekulatoren 15,000.000 Fr. vorschießen, damit sie Häuser auf Spekulation bauen und somit 50,000 Arbeiter beschäftigen.</p> <p><hi rendition="#g">Caussidiere</hi> hielt ebenfalls eine ziemlich schwerfällige Rede. Er schlug vor, man solle die heimische Fabrikation und Manufaktur durch Ausfuhrprämien ermuntern, wüste Ländereien in Algerien und den Süddepartements urbar machen lassen u. s. w. Sein Humor gefiel sehr.</p> <p><hi rendition="#g">Waldeck-Rousseau</hi> und <hi rendition="#g">Goudchaux</hi> rächten sich für die herben Erwidrungen, die sie von den Socialisten, den natürlichen Vertheidigern der Nationalwerkstätten erfahren und schilderten wiederholt die Nothwendigkeit ihrer Auflösung. Sturm pflichtete dieser Ansicht vollkommen bei, und unterstützte vorzüglich seinen Vorgänger in dem Plane durch indirekte Steuern dem Handel und der Industrie d. i. der Produktion zu Hülfe zu kommen.</p> <p><hi rendition="#g">Duclerc,</hi> Finanzminister, hielt das indirekte Steuersystem hiefür unzureichend. Die Ansicht der Regierung habe sich bereits für das direkte ausgesprochen</p> <p><hi rendition="#g">v. Felloux</hi> reinigte sich noch einmal von dem Vorwurfe, die Regierung schwächen zu wollen und dafür die Frage den Nationalwerkstätten ausgebeutet zu haben.</p> <p>Die 300,000 Fr. werden endlich genehmigt und die Versammlung wollte zur Fortsetzung der Getränkediskussion schreiten, verschob sie jedoch bis morgen.</p> <p>Ein Antrag, die Verfassung erst Montags in den Büreaus zu diskutiren, fiel durch und die Sitzung wurde um 6 Uhr geschlossen.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Großbritannien.</head> <div xml:id="ar023_018" type="jArticle"> <head><bibl><author>19</author></bibl> London, 19. Juni.</head> <p>Daß die Chartisten am Pfingstmontage eine Anzahl gleichzeitiger Meetings abzuhalten beabsichtigten, war schon lange zuvor dem ganzen Publikum bekannt. Solche Meetings sind allen Agitationen gemeinsam gewesen und haben nie zu Verfolgungen Anlaß gegeben. Es war ausdrücklich bestimmt worden, daß die auf Montag zusammenberufenen Meetings lediglich die Uebereichung des Memorials an die Königin und die Antwort darauf, falls eine solche erfolgt wäre, in Betracht ziehen sollten. Lord J. Russell's lügenhafte Behauptung, als sei dem Volk die Reformfrage völlig gleichgültig und als trage es kein Verlangen nach der „Charter“, konnte nur als eine Herausforderung des Volkes betrachtet und mußte von letzterem durch öffentliche Meetings beantwortet werden. Grade dies verhinderte der kleine Lord. Erst verläumdete er das Volk und hernach beugte er einer Antwort desselben durch Anwendung brutaler Gewalt vor.</p> <p>Die Regierung wußte sehr wohl, daß kein <hi rendition="#g">wirklicher</hi> Grund zu Besorgnissen vorhanden war. Drum benutzte sie die Preß-Bande, um falschen Allarm zu schlagen. Diese saubern Janitscharen wurden abermals, wie bei Gelegenheit des 10. April in Thätigkeit gesetzt, schrieben und druckten Lügen nach der Elle, um so das Einschreiten der Regierung zu rechtfertigen. Es gelang ihnen allerlei Gerüchte in Umlauf zu bringen. Die Regierung that, als ob sie nun ebenfalls Besorgniß hege und ergriff „kräftige Maßregeln“ zur Unterdrückung des freien Versammlungsrechtes. Obgleich in der „Metropole der Welt“ keine Revolution vorgefallen ist, so leben wir doch unter einer „provisorischen Regierung“, provisorisch bis dahin, wo „das Volk sich sein Recht zurück erobern wird.“</p> <p>Die Mitglieder dieser Regierung sind weder Dichter, noch Astronomen, noch Geschichtschreiber; es sind einfach ‒ <hi rendition="#g">Häscher.</hi> In der That, das Volk von London, deren Vorfahren den Edikten des Tyrannen <hi rendition="#g">Karl</hi> Widerstand leisteten, unterwerfen sich den Ukasen eines Maine und Rowan! Ja ein großer Theil der Londoner ist ganz glücklich in Anerkennung der Polizei-Könige, deren „Kundmachungen“ und „Proklamationen“ an die Stelle der altväterlichen vom Parlament ausgehenden Gesetzgebung getreten sind.</p> <p>Am 10. d. erschienen demnach die Proklamationen, die das Meeting auf Bonner's Fields untersagten. „Alle nöthigen Maßregeln“ zu seiner Verhinderung würden ergriffen werden. Sie bestanden, wie am 10. April darin, daß 10,000 Mann Truppen in der Hauptstadt konzentrirt, die Polizei mit Hirschfängern versehen und die „Spezial-Konstablers“ in Masse aufgeboten wurden. Nebstdem verbarrikadirte und verproviantirte man alle öffentlichen Gebäude, um eine „Belagerung“ aushalten zu können, und stellte im Hinterhalt Kanonen auf, um das Volk abzuschlachten und „massenhaft niederzumähen.“</p> <p>Die Sonntagsblätter setzten das von den täglichen Journalen begonnene Lügenwerk fort und forderten, „der starke Arm der bestehenden Gewalt“ solle einen Schlag führen, der „gefühlt“ würde und allen Chartisten-Demonstrationen für immer ein Ende mache. Am Montag früh (den 12.) enthalten die Morgenblätter Times, Chronicle etc. die scheußlichsten Aufreizungen an Minister, Polizei und Militär, daß sie vor keiner Gewaltthat zurückschrecken sollen, um nur die Arbeiter zu zermalmen. Im „Chronicle“ stand folgender bedeutungsvolle Satz:</p> <p>„<hi rendition="#g">Wat Tyler.</hi> Heute ist der Jahrestag vom Tode Wat Tyler's, der am 12. Juni 1831 getödtet wurde.“</p> <p>Natürlich ! der fromme Wunsch des schurkischen „Chronicle‘ ging dahin, die „Behörden“ von London möchten am 12. Juni 1848 durch List und Gewalt sich wieder das Privilegium der Freude über einen blutigen Dolch verschaffen.</p> <p>Das Comitè that unter solchen Umständen wohl daran, durch Vertagung des Meetings das unbewaffnete Volk vor den Säbeln der Polizei und den Musketen des Militärs sicher zu stellen.</p> <p>Die Presse natürlich fing gleich nach dem Montage an, über eine „neue Niederlage der Chartisten“ zu frohlocken und der „Morning Advertiser“ ‒ in London besser unter dem Namen „der Spülicht-Eimer“ bekannt ‒ wünscht dem Lande zur „Vernichtung des Chartismus“ Glück! Eine Wahrheit enthält dieses Blatt aber dennoch, eine Wahrheit, die dem Volke nicht tief genug eingeprägt werden kann: „daß die Chartisten bei der Mittelklasse keinerlei Sympathie finden, daß die Mittelklasse ohne Ausnahme gegen sie ist.“ Das ist in der That richtig. Unter den Krämern mag eine Minorität die Gerechtigkeit der chartistischen Sache im Stillen anerkennen, ja selbst ihren Erfolg wünschen: allein öffentlich lassen sie sich nichts davon merken. Durch ihr Schweigen scheinen sie die feindliche Gesinnung der Majorität ihrer Klasse zu theilen und jene Feindseligkeit ist von der ärgsten Art. Von vielen Seiten her wird mir aus guter Quelle versichert, der heißeste Wunsch der Bourgeoisie sei gewesen, daß Polizei und Militär durch einen Konflikt am gedachten Montage Vorwand und Entschuldigung zu einer <hi rendition="#g">Schlächterei</hi> im Ganzen und Großen erhalten möchten. „Schießt die Hunde nieder; kartätscht sie zusammen“, so lautete die Sprache des Krämervolks im Allgemeinen mit Bezug auf die Chartisten. „Warum werden die Führer nicht deportirt?“ frugen die Leute der Mittelklasse. „Hängt die Schurken!“ erscholl es von den Lippen der „Jury-Klasse“ während der letzten Wochen. Und doch sind Tausende dieser Schufte in den Klauen des Bankrotts. Mag Vernichtung hayfischgleich sie erpacken! Sind sie erst in die jämmerliche Lage derjenigen gebracht, denen sie jetzt mit ihren Knütteln drohen, die sie niedergemetzelt, deportirt oder gehangen wissen wollen: dann, aber nicht eher, werden sie Mitgefühl für ihre Nebenmenschen und einen kleinen Begriff von den Grundsätzen der Ehrenhaftigkeit, Wahrheit und Gerechtigkeit bekommen. Jetzt noch ein Wort über die Preßbande, die in ihren Berichten die schmutzige Arbeit der <hi rendition="#g">Spionerie</hi> übernommen hat und andererseits die fürchterlichsten Anstrengungen macht, die Verurtheilung der eingekerkerten Patrioten herbeizuführen. Unter allen Klassen und Parteien gilt ein „Spion“ für ein niederträchtiges Wesen. Ein Berichterstatter, der Meetings besucht, angeblich um die Verhandlungen zu resumiren, in der That aber, um seine „Notizen“ der Regierung zu verkaufen und letzterer zur Einsperrung oder Deportation ehrlicher Leute Mittel an die Hand zu liefern: ein solcher Reporter ist nichts weiter, als ein „Spion.“ Die „Mückensäuger“, wie Cobbett sie nannte, machen ihren Bericht auf Bestellung. Für „Morning Post“ oder „Herald“ schwellen sie ein Meeting von 30 Protektionisten zu 3000 an; für „Times“ oder „Chronicle“ leisten sie den Freihandelsmännern den nämlichen Dienst. Allein 30,000 Chartisten wissen sie schnell bis auf höchstens so viele Hunderte verschwinden zu lassen. Aus dem Gewäsch eines eiteln Narren, der aber eine wohlgespickte Börse besitzt, machen sie einen „beredten und bewundernswerthen Vortrag“; Sinn und Verstand und wirkliche Beredsamkeit eines Arbeiters stellen sie als das „gewöhnliche Chartisten-Geplapper“, „herkömmliches Schimpfen auf die Behörden“ etc. hin. Weit ekelhafter ist aber das Verfahren dieser Preßbande gegen <hi rendition="#g">Ernest Jones</hi> und die übrigen Verhafteten. Der Herald ruft aus: „Man braucht nicht zu fürchten, daß Menschen, die selbst erklärten, sie beabsichtigten Plünderung, ja Mord, freigesprochen und etwa der Gesellschaft als gute und geeignete Mitglieder zurückgegeben werden.“ Damit sucht man also die Geschwornen im voraus zu bestimmen, ihr „Schuldig“ über die Angeklagten auszusprechen. Die Sunday Times sagt: „in Betreff der Leiter jener gesetz- und sinnlosen Bewegung wird weder die große Masse des englischen Publikums, noch die besondere Klasse, der die Geschwornen angehören irgendwelche nebelhafte Sympathie fühlen.“ Und jenes andere Blatt „Lloyds Drei-Pence-Quark“ meint: „Mitchell ist auf der Reise nach Bermuda; Jones, Sharp, Fussell und Williams stecken im Käfig von Newgate, einer Zwischenstation auf dem Wege ihrer Bestimmung.“ In ähnlicher, ja noch ärgerer Weise treten Times, Examiner etc. auf.</p> <p>Das Volk von England hat ein gutes Gedächtniß; der Tag an welchem die Arbeiter das ganze jetzige faule System über den Haufen stürzen, ist näher als die Mittelklasse ahnt. Dann wird man auch jener Preßbande nicht vergessen.</p> </div> <div xml:id="ar023_019" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> London, 20. Juni.</head> <p>Im Oberhause wurden gestern Sachen von weniger Bedeutung verhandelt, und die edlen Lords, wie der Telegraph sich ausdrückt, ermüdet durch die Sorge für das allgemeine Beste, glaubten dann, daß sie zweier Ruhetage bedürften und ajournirten bis Donnerstag.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0105/0003]
Für den Antrag der äußersten Linken sprachen Simon aus Trier, Hensel und v. Trützschler. Letzterer erklärt: Die Souverainität abgeben, heiße, sich des Hochverraths schuldig machen; existire dafür auch noch kein Gerichtshof, so könne sich doch leicht einer schaffen lassen. Herr v. Beckerath erklärt sich darauf selbst für einen Hochverräther im Sinne des vorigen Redners. Von Allen die glänzenste Rede, der selbst die rechte Seite ihren Beifall nicht versagen konnte, hielt Robert Blum. Er antwortete den Gegnern auf alle Einwürfe, er vernichtete, er zerrieb sie mit der kältesten Ruhe; nur in einem Punkte war er schwach, weil es auch ihm an der vollen Entschiedenheit fehlt. Auch er wollte uns von der Möglichkeit des friedlichen Nebeneinanderbestehens einer kräftigen Centralgewalt und der Einzelstaaten überzeugen, er behauptete wenigstens die Möglichkeit. „Wir wollen die Republik für den Gesammtstaat, weil wir die Verhältnisse in Deutschland nicht auflösen, sondern befestigen wollen.“ Immerhin aber stellt er sich auf den revolutionären Boden, und will mit den Fürsten nicht unterhandeln, und ihren Sonderinteressen kräftig entgegentreten. „Sie dürfen mit den Fürsten nicht unterhandeln, ruft er der Versammlung zu, eher müßten Sie ihr Mandat niederlegen. Sollten aber die Fürsten ihre Sonderinteressen vertreten wollen, ein Volk von 40 Millionen würde nicht unterhandeln können mit diesen Fürsten.“ Er hält einen innigen Anschluß an die Revolution für das einzige Mittel, der Anarchie ein Ende zu machen, und bezeichnet den Entwurf des Ausschusses als kontrerevolutionär und reaktionär, und sieht hinter dem verantwortlichen Triumvirat 3 Kronen hervorschimmern. Den fanatischen Anhängern des historischen Rechtsboden gibt er schließlich zu bedenken, daß vor nicht gar langer Zeit ein Staat, der auf dem historischen Rechtsboden festbegründet war, unter dem Fuße einer Tänzerin bis in seine tiefsten Grundfesten hinein erschüttert worden; daß, während man dem revolutionären Frankreich die Ernährung von 80,000 Arbeitern zum Vorwurf mache, deren Kosten bei Weitem die Vergeudungen eines verschwenderischen Hofes nicht erreichten, auf dessen historischem Rechtsboden Tausende an der Hungerpest zu Grunde gingen.
Der Schluß der Sitzung erhielt noch einiges Interesse, als die Debatte auf die Prager Ereignisse kam. Der Bundespräsident Schmerling zeigte an, daß der Bundestag Maßregeln getroffen habe, um Böhmen nöthigenfalls mit bairischen, sächsischen und preußischen Truppen zu überschwemmen. Wiesner entgegnete ihm in einer heftigen Rede, worin er ausrief, der Bundespräsident wolle dem Bundestag einen Glorienschein um's Haupt winden, während derselbe doch nichts thue. Vogt, Jordan, Beseler, Lichnowsky sprechen in verschiedenem Sinne. Lichnowsky erklärt natürlich den Einmarsch der Truppen in Böhmen für eine ebenso heilsame als nothwendige Maßregel; Jordan bezeichnet den Fürsten Windisch-Grätz als den deutschen Alba. Zuletzt nach stürmischen Debatten wurde auf Beseler's Antrag beschlossen, die Kommission für die slavischen Verhältnisse zur schleunigen Berichterstattung aufzufordern.
25 Breslau, 19. Juni. In Neiße hat sich folgender Vorfall ereignet, der ein helles Licht über die noch bestehende Bureaukratie verbreitet. Die Primaner der dortigen Realschule ersuchten die Vorsteher der Schulbibliothek, Bücher anzuschaffen, die den Geist der neuern Zeit athmen. Wegen dieses ganz ungesetzlichen Verfahrens wurde eine Disciplinaruntersuchung eingeleitet und die Betreffenden aus der Schule ‒ verwiesen. Als diese nun öffentlich Gerechtigkeit verlangten, wurde ihnen von der Polizei der fernere Aufenthalt im Orte verboten, und zwar sollten die Auswärtigen binnen 24 Stunden die Stadt verlassen. ‒ ‒ ‒ ‒ Dieß Betragen war doch auch den Neißern zu arg, und ‒ sie schützten diese jungen Männer gegen die Polizei-Willkühr. Dieses Faktum gab Veranlassung zur Gründung eines demokratischen Vereins.
Die Wahl eines Oberbürgermeisters für Breslau beschäftigt schon lange viele Gemüther. Vergebens wurde schon früher vom demokratischen und demokratisch-konstitutionellen Klub Proteste eingelegt, die das Verlangen aussprachen, man möge die Wahl so lange sistiren, bis die neue Städteordnung emanirt wäre. Mit Gelächter wurden diese Gesuche aufgenommen und ‒ ad acta gelegt. Die Väter (?) der Stadt erklärten, sie könnten Schriftstücke, die von politischen (sic) Parteien ausgehen, ihrer Würde gemäß nicht beachten und machten die nöthigen Vorbereitungen zur Wahl. Auf der Kandidaten-Liste stehen unter andern die Namen Justizrath Gräff und Landgerichtsrath Fuchs, beide Herren Mitglieder des konstitutionellen Centralvereins. Der letzte Schritt in der Wahl soll heute um 4 Uhr geschehen, drei Tage vor dem Ausscheiden des dritten Theils der Stadtverordneten ! ! Gegen dieses Verfahren soll jetzt entschieden protestirt werden, und zwar nicht durch Vereine politischer Farben, sondern durch eine große Menge von Bürgern selbst. Das Mittel dazu wird wahrscheinlich eine Volksversammlung sein.
Man trägt sich heute mit dem Gerüchte herum, es seien gestern 3-4 russische Emissäre verhaftet worden, als sie eben durch Geldbestechung Unruhen hervorrufen wollten.
24 Leipzig, 18. Juni. Wegen der Vorfälle in Altenburg wurde heute Mittag eine Menge Militär von hier auf der Eisenbahn dahin geschafft. Auch von andern Orten, z. B. von Zwickau, ist dem Altenburger Herzog militärische Hülfe zugesandt worden. Es ist wahrhaft schmählich, daß ganz, wie in früheren Zeiten, die Soldaten unter den deutschen Herren „von Gottes Gnaden“ ein „Bischen“ geliehen werden, um dem Volkswillen nach wie vor trotzen zu können.
Oberschlesische Gränze, 18. Juni. In diesem Augenblick geht uns auf zuverläßigem Wege die Nachricht zu, daß der Uebertritt der Russen auf Preußisches Gebiet von Czenstochau aus, also zunächst in die Landrathskreise Lublinitz, Rosenberg, Beuthen, in den nächsten Tagen als ganz bestimmt anzunehmen sei, da die Marsch-Kolonnen sich schon zu den verschiedenen Uebergangs-Punkten über das Gränzflüßchen Prossna formiren, Pontons dazu an die Gränze gerückt, und die Wege dazu auf Polnischem Gebiet mit großen Menschenmassen in Stand gesetzt werden; ‒ ferner sollen in den Polnischen Gränz-Ortschaften schon Fuhren bestellt sein zum Marsch nach Schlesien.
Eben geht auch die Nachricht ein, daß in den nächsten Tagen mehrere Landwehr-Bataillone in Oberschlesien zusammengezogen werden sollen.
(Ostsee-Z.) * Wien, 18. Juni. Gestern machte das Ministerium bekannt, daß der Kaiser, von der Nothwendigkeit seiner baldigen Rückkehr nach Wien durchdrungen, schon am 17. von Innsbruck habe abreisen wollen. Da habe ihn aber, dessen Gesundheit in dem ungewohnten Klima bereits gelitten, ein bedeutendes Unwohlsein ergriffen und einen Aufschub seiner Abreise nothwendig gemacht. Inzwischen hat der Kaiser den Erzherzog Franz Karl als seinen Stellvertreter mit ausgedehnten Vollmachten hieher abgeordnet. Letzterer wird am 19. d. von Innsbruck abreisen und am 23. in Wien eintreffen.
‒ Aus Prag trifft diesen Augenblick die Nachricht ein, daß das Bombardement aufgehört, die Stadt sich auf Gnade und Ungnade ergeben und 40 Geißeln als Bürgschaft für ihr ruhiges Verhalten gestellt hat.
Französische Republik. Paris, 20. Juni. Louis Bonaparte ist, wie wir hören, zum Obersten der 2. Legion an Alton Shee's Stelle gewählt.
‒ Die Schriftsetzer und Drucker von ganz Paris, selbst die des Moniteur, haben in einer vorgestern zu Montmartre abgehaltenen Generalversammlung den einstimmigen Beschluß gefaßt, ihre Arbeit einzustellen, wenn die Zeitungskautionen, diese Bleigewichte der Preßfreiheit, wieder eingeführt würden. Um die Arbeiter im Falle einer wirklichen allgemeinen Arbeitseinstellung von Hunger zu schützen, sind Subscriptionen eröffnet. Der Représentant du peuple hat für 50 Franken unterschrieben.
‒ Die hier so eben eingetroffene Estafette du midi meldet den Ausbruch eines Volksaufstandes in Savoyen. Man stürme in Stadt und Land unter dem Rufe: „Es lebe die italienische Republik! Tod dem König Karl Albert!“
‒ Die Vollziehungsgewalt scheint fest entschlossen, ihren ganzen Einfluß aufzubieten, um die Proklamirung Karl Alberts als Lombardenkönig zu hintertreiben. Der National sagt: „Nichts widerspräche wohl der allgemeinen Hoffnung auf ein endliches Vereinigtes Italien mehr als die Gründung einer Monarchie, die sich nur bis an die Gränze von Toscana erstreckte. Aus den Staaten Italiens einen Bund von Republiken zu machen, lasse sich hören; aber Italien in einen einzigen Staat durch Assoziation der Fürsten verwandeln zu wollen, sei eine Chimäre. Das 1815 dergestalt rekonstruirte Deutschland ist die genügendste Warnung.“
‒ Am Schlusse der gestrigen Nationalversammlung legte der Kriegsminister Cavaignac den Entwurf eines „mobilen“ Gendarmeriekorps von 800 Mann nieder. Das Mobile scheint bei uns Glück zu machen. Alles wird bei uns mobilisirt.
‒ Goudchaux liquidirt seine Bankgeschäfte. Der große Finanzminister will sich ganz der Politik widmen.
‒ Calais wird in Kriegsstand versetzt und an den dortigen Festungen fleißig gearbeitet.
‒ Duclerc, interimistischer Finanzminister, heirathet die Tochter seines Herrn und Meisters, Garnier-Pagès.
‒ Zwischen der Pariser Garnison und der Mobilgarde herrscht große Spannung. Der Linie bleibt bekanntlich täglich 1 Sous; der Mobilgarde dagegen ein Reinertrag von 7-14 Sous (nach Abzug aller Unkosten). Diese Lohnungleichheit ruft eine gewisse Erbitterung hervor, welche Louis Bonaparte in London vortrefflich ausbeutet.
‒ Aus dem Justizministerium soll gestern der Befehl abgegangen sein, Madame Laffarge, die Heldin von Glandier, in Freiheit zu setzen.
‒ Nationalversammlung. Sitzung vom 20. Juni. Vicepräsident Portalis eröffnet sie um 1 Uhr. Pierre Leroux protestirt gegen die Rede, mit der gestern der interimistische Staatsbautenminister Trelat sein Verlangen eines neuen Kredits von 3,000,000 Franken für die Nationalwerkstätten begleitete, und in welcher er dem P. Leroux die Vaterschaft der Ereignisse in Limoges vorwarf, weil er schon seit 1820 dem dortigen Proletariat kommunistische Lehren gepredigt. Diese Protestation, in welche der Redner dem Minister absichtliche Entstellung oder Unkenntniß seiner kommunistischen Grundsätze vorhielt, erregte einigen Lärm, hatte aber weiter keine Folgen, da Trelat noch nicht anwesend war. ‒ Duprat wünschte, daß man seinen Antrag auf Befreiung der Zeitungspresse von allen fiskalischen Maßregeln, als dringend erkläre, fiel aber damit durch. ‒ Latrade trug dann darauf an, seinen Antrag, rücksichtlich der Arbeiter-Associationen, als dringend zu erklären. Dies geschah, und derselbe wird nächstens zur Diskussion kommen. ‒ Clement Thomas bestieg dann die Bühne, um seine Demission zu geben. „Bürger Repräsentanten!“ sagte er, „Ihr habt mich am 15. Mai zum Oberbefehlshaber der Bürgerwehr ernannt. Ich fühle mich veranlaßt, diese Stelle niederzulegen. Ich habe die Vollziehungsgewalt davon benachrichtigt. Da ich jedoch dieselbe direkt von Euch erhielt, so glaubte ich Euch meinen Entschluß anzeigen zu müssen.“ (Aufsehen). ‒ Cavaignac, Kriegsminister, legt einen Entwurf vor, laut welchem vom 1. Oktober 1848 an der Zutritt in die Militairschule von St. Cyr kostenfrei sein soll. ‒ Der Präsident liest einen Brief von Thiers vor, laut welchem er anzeigt, daß er für das Unterseine-Departement (Rouen) die Deputirtenstelle annehme. Also nicht für Paris. ‒ Sainte Beuve legt seinen Assekuranzbericht vor und Jules Favre will die Concordats amiables zwischen Schuldnern und Gläubigern möglichst schleunigst auf die Tagesordnung gestellt wissen, weil Gefahr im Verzuge. Zehntausend Handelshäuser ständen auf dem Punkte nicht mehr zu zahlen; der Gegenstand sei also dringend. Diese Erklärung zog, und die Dringlichkeit wurde entschieden. ‒ Türck will die Vollziehungsgewalt rücksichtlich der Lage des Landes interpelliren und erhält dafür Erlaubniß nach Vollendung der Eisenbahnfrage. ‒ Victor Hugo benützt die auf der Tagesordnung befindlichen Nationalwerkstätten, um eine lange und schrecklich langweilige Jungfernrede gegen den Sozialismus zu halten. ‒ Leon Faucher zog nicht weniger erbaulich gegen diese Anstalten zu Felde und rief sogar eine Reklamation des Finanzministers hervor, die einen Geldstreit wegen Stadtbauten zwischen den Stadträthen Ternaux, Considerant, Falloux und Marrast zum Gegenstand hatte.
Die Diskussion des Kredits von 3000,000 Franken für die Nationalwerkstätten dauerte bis gegen 6 Uhr. Die Versammlung zeigte sich von dem Wunsche beseelt, sich zu jedem Preise sobald als möglich dieser Pflanzschule der Februar-Revolution zu entledigen. Sie sieht in ihnen ein wahres Demoklesschwert, das über ihrem Haupte schwebt. Der Vorschläge regnete es daher in Menge.
Larochejaquelin wünscht, der Staat möge den Häuserspekulatoren 15,000.000 Fr. vorschießen, damit sie Häuser auf Spekulation bauen und somit 50,000 Arbeiter beschäftigen.
Caussidiere hielt ebenfalls eine ziemlich schwerfällige Rede. Er schlug vor, man solle die heimische Fabrikation und Manufaktur durch Ausfuhrprämien ermuntern, wüste Ländereien in Algerien und den Süddepartements urbar machen lassen u. s. w. Sein Humor gefiel sehr.
Waldeck-Rousseau und Goudchaux rächten sich für die herben Erwidrungen, die sie von den Socialisten, den natürlichen Vertheidigern der Nationalwerkstätten erfahren und schilderten wiederholt die Nothwendigkeit ihrer Auflösung. Sturm pflichtete dieser Ansicht vollkommen bei, und unterstützte vorzüglich seinen Vorgänger in dem Plane durch indirekte Steuern dem Handel und der Industrie d. i. der Produktion zu Hülfe zu kommen.
Duclerc, Finanzminister, hielt das indirekte Steuersystem hiefür unzureichend. Die Ansicht der Regierung habe sich bereits für das direkte ausgesprochen
v. Felloux reinigte sich noch einmal von dem Vorwurfe, die Regierung schwächen zu wollen und dafür die Frage den Nationalwerkstätten ausgebeutet zu haben.
Die 300,000 Fr. werden endlich genehmigt und die Versammlung wollte zur Fortsetzung der Getränkediskussion schreiten, verschob sie jedoch bis morgen.
Ein Antrag, die Verfassung erst Montags in den Büreaus zu diskutiren, fiel durch und die Sitzung wurde um 6 Uhr geschlossen.
Großbritannien. 19 London, 19. Juni. Daß die Chartisten am Pfingstmontage eine Anzahl gleichzeitiger Meetings abzuhalten beabsichtigten, war schon lange zuvor dem ganzen Publikum bekannt. Solche Meetings sind allen Agitationen gemeinsam gewesen und haben nie zu Verfolgungen Anlaß gegeben. Es war ausdrücklich bestimmt worden, daß die auf Montag zusammenberufenen Meetings lediglich die Uebereichung des Memorials an die Königin und die Antwort darauf, falls eine solche erfolgt wäre, in Betracht ziehen sollten. Lord J. Russell's lügenhafte Behauptung, als sei dem Volk die Reformfrage völlig gleichgültig und als trage es kein Verlangen nach der „Charter“, konnte nur als eine Herausforderung des Volkes betrachtet und mußte von letzterem durch öffentliche Meetings beantwortet werden. Grade dies verhinderte der kleine Lord. Erst verläumdete er das Volk und hernach beugte er einer Antwort desselben durch Anwendung brutaler Gewalt vor.
Die Regierung wußte sehr wohl, daß kein wirklicher Grund zu Besorgnissen vorhanden war. Drum benutzte sie die Preß-Bande, um falschen Allarm zu schlagen. Diese saubern Janitscharen wurden abermals, wie bei Gelegenheit des 10. April in Thätigkeit gesetzt, schrieben und druckten Lügen nach der Elle, um so das Einschreiten der Regierung zu rechtfertigen. Es gelang ihnen allerlei Gerüchte in Umlauf zu bringen. Die Regierung that, als ob sie nun ebenfalls Besorgniß hege und ergriff „kräftige Maßregeln“ zur Unterdrückung des freien Versammlungsrechtes. Obgleich in der „Metropole der Welt“ keine Revolution vorgefallen ist, so leben wir doch unter einer „provisorischen Regierung“, provisorisch bis dahin, wo „das Volk sich sein Recht zurück erobern wird.“
Die Mitglieder dieser Regierung sind weder Dichter, noch Astronomen, noch Geschichtschreiber; es sind einfach ‒ Häscher. In der That, das Volk von London, deren Vorfahren den Edikten des Tyrannen Karl Widerstand leisteten, unterwerfen sich den Ukasen eines Maine und Rowan! Ja ein großer Theil der Londoner ist ganz glücklich in Anerkennung der Polizei-Könige, deren „Kundmachungen“ und „Proklamationen“ an die Stelle der altväterlichen vom Parlament ausgehenden Gesetzgebung getreten sind.
Am 10. d. erschienen demnach die Proklamationen, die das Meeting auf Bonner's Fields untersagten. „Alle nöthigen Maßregeln“ zu seiner Verhinderung würden ergriffen werden. Sie bestanden, wie am 10. April darin, daß 10,000 Mann Truppen in der Hauptstadt konzentrirt, die Polizei mit Hirschfängern versehen und die „Spezial-Konstablers“ in Masse aufgeboten wurden. Nebstdem verbarrikadirte und verproviantirte man alle öffentlichen Gebäude, um eine „Belagerung“ aushalten zu können, und stellte im Hinterhalt Kanonen auf, um das Volk abzuschlachten und „massenhaft niederzumähen.“
Die Sonntagsblätter setzten das von den täglichen Journalen begonnene Lügenwerk fort und forderten, „der starke Arm der bestehenden Gewalt“ solle einen Schlag führen, der „gefühlt“ würde und allen Chartisten-Demonstrationen für immer ein Ende mache. Am Montag früh (den 12.) enthalten die Morgenblätter Times, Chronicle etc. die scheußlichsten Aufreizungen an Minister, Polizei und Militär, daß sie vor keiner Gewaltthat zurückschrecken sollen, um nur die Arbeiter zu zermalmen. Im „Chronicle“ stand folgender bedeutungsvolle Satz:
„Wat Tyler. Heute ist der Jahrestag vom Tode Wat Tyler's, der am 12. Juni 1831 getödtet wurde.“
Natürlich ! der fromme Wunsch des schurkischen „Chronicle‘ ging dahin, die „Behörden“ von London möchten am 12. Juni 1848 durch List und Gewalt sich wieder das Privilegium der Freude über einen blutigen Dolch verschaffen.
Das Comitè that unter solchen Umständen wohl daran, durch Vertagung des Meetings das unbewaffnete Volk vor den Säbeln der Polizei und den Musketen des Militärs sicher zu stellen.
Die Presse natürlich fing gleich nach dem Montage an, über eine „neue Niederlage der Chartisten“ zu frohlocken und der „Morning Advertiser“ ‒ in London besser unter dem Namen „der Spülicht-Eimer“ bekannt ‒ wünscht dem Lande zur „Vernichtung des Chartismus“ Glück! Eine Wahrheit enthält dieses Blatt aber dennoch, eine Wahrheit, die dem Volke nicht tief genug eingeprägt werden kann: „daß die Chartisten bei der Mittelklasse keinerlei Sympathie finden, daß die Mittelklasse ohne Ausnahme gegen sie ist.“ Das ist in der That richtig. Unter den Krämern mag eine Minorität die Gerechtigkeit der chartistischen Sache im Stillen anerkennen, ja selbst ihren Erfolg wünschen: allein öffentlich lassen sie sich nichts davon merken. Durch ihr Schweigen scheinen sie die feindliche Gesinnung der Majorität ihrer Klasse zu theilen und jene Feindseligkeit ist von der ärgsten Art. Von vielen Seiten her wird mir aus guter Quelle versichert, der heißeste Wunsch der Bourgeoisie sei gewesen, daß Polizei und Militär durch einen Konflikt am gedachten Montage Vorwand und Entschuldigung zu einer Schlächterei im Ganzen und Großen erhalten möchten. „Schießt die Hunde nieder; kartätscht sie zusammen“, so lautete die Sprache des Krämervolks im Allgemeinen mit Bezug auf die Chartisten. „Warum werden die Führer nicht deportirt?“ frugen die Leute der Mittelklasse. „Hängt die Schurken!“ erscholl es von den Lippen der „Jury-Klasse“ während der letzten Wochen. Und doch sind Tausende dieser Schufte in den Klauen des Bankrotts. Mag Vernichtung hayfischgleich sie erpacken! Sind sie erst in die jämmerliche Lage derjenigen gebracht, denen sie jetzt mit ihren Knütteln drohen, die sie niedergemetzelt, deportirt oder gehangen wissen wollen: dann, aber nicht eher, werden sie Mitgefühl für ihre Nebenmenschen und einen kleinen Begriff von den Grundsätzen der Ehrenhaftigkeit, Wahrheit und Gerechtigkeit bekommen. Jetzt noch ein Wort über die Preßbande, die in ihren Berichten die schmutzige Arbeit der Spionerie übernommen hat und andererseits die fürchterlichsten Anstrengungen macht, die Verurtheilung der eingekerkerten Patrioten herbeizuführen. Unter allen Klassen und Parteien gilt ein „Spion“ für ein niederträchtiges Wesen. Ein Berichterstatter, der Meetings besucht, angeblich um die Verhandlungen zu resumiren, in der That aber, um seine „Notizen“ der Regierung zu verkaufen und letzterer zur Einsperrung oder Deportation ehrlicher Leute Mittel an die Hand zu liefern: ein solcher Reporter ist nichts weiter, als ein „Spion.“ Die „Mückensäuger“, wie Cobbett sie nannte, machen ihren Bericht auf Bestellung. Für „Morning Post“ oder „Herald“ schwellen sie ein Meeting von 30 Protektionisten zu 3000 an; für „Times“ oder „Chronicle“ leisten sie den Freihandelsmännern den nämlichen Dienst. Allein 30,000 Chartisten wissen sie schnell bis auf höchstens so viele Hunderte verschwinden zu lassen. Aus dem Gewäsch eines eiteln Narren, der aber eine wohlgespickte Börse besitzt, machen sie einen „beredten und bewundernswerthen Vortrag“; Sinn und Verstand und wirkliche Beredsamkeit eines Arbeiters stellen sie als das „gewöhnliche Chartisten-Geplapper“, „herkömmliches Schimpfen auf die Behörden“ etc. hin. Weit ekelhafter ist aber das Verfahren dieser Preßbande gegen Ernest Jones und die übrigen Verhafteten. Der Herald ruft aus: „Man braucht nicht zu fürchten, daß Menschen, die selbst erklärten, sie beabsichtigten Plünderung, ja Mord, freigesprochen und etwa der Gesellschaft als gute und geeignete Mitglieder zurückgegeben werden.“ Damit sucht man also die Geschwornen im voraus zu bestimmen, ihr „Schuldig“ über die Angeklagten auszusprechen. Die Sunday Times sagt: „in Betreff der Leiter jener gesetz- und sinnlosen Bewegung wird weder die große Masse des englischen Publikums, noch die besondere Klasse, der die Geschwornen angehören irgendwelche nebelhafte Sympathie fühlen.“ Und jenes andere Blatt „Lloyds Drei-Pence-Quark“ meint: „Mitchell ist auf der Reise nach Bermuda; Jones, Sharp, Fussell und Williams stecken im Käfig von Newgate, einer Zwischenstation auf dem Wege ihrer Bestimmung.“ In ähnlicher, ja noch ärgerer Weise treten Times, Examiner etc. auf.
Das Volk von England hat ein gutes Gedächtniß; der Tag an welchem die Arbeiter das ganze jetzige faule System über den Haufen stürzen, ist näher als die Mittelklasse ahnt. Dann wird man auch jener Preßbande nicht vergessen.
* London, 20. Juni. Im Oberhause wurden gestern Sachen von weniger Bedeutung verhandelt, und die edlen Lords, wie der Telegraph sich ausdrückt, ermüdet durch die Sorge für das allgemeine Beste, glaubten dann, daß sie zweier Ruhetage bedürften und ajournirten bis Donnerstag.
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Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat
(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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