Neue Rheinische Zeitung. Nr. 12 und 13. Köln, 12. Juni 1848.Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. No. 12 u. 13. Köln, Dienstag 13. Juni 1848.Die "Neue Rheinische Zeitung" erscheint vom 1. Juni an täglich. Der Raum des Blattes wird so oft es nöthig durch Beilagen erweitert. Der Abonnementspreis beträgt : Für das mit dem 1. Juli beginnende Vierteljahr in Köln 1 Thlr. 15 Sgr.; für alle übrigen Orte Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Außerhalb Preußens mit Zuschlag des fremden Zeitungsporto's. Das Abonnement für den Monat Juni kann nur unter gleichzeitiger Bestellung des nächsten Quartals (Juli, August, September) geschehen. Der Preis dieses viermonatlichen Abonnements beträgt : Für Köln 2 Thlr.; auswärts 2 Thlr. 25 Sgr. Man abonnirt bei allen Postanstalten und Buchhandlungen des In- und Auslandes; - für Köln in der Expedition der Zeitung bei Hrn. W. Clouth, St. Agatha 12, Köln, woselbst auch fernere Aktienzeichnungen entgegen genommen werden. Briefe und Zusendungen an die Redaktion sowie die Expedition werden von unbekannten Absendern nur frankirt angenommen. - Insertionsgebühren. Für die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf. Die Expedition der "Neuen Rheinischen Zeitung." Uebersicht.
Deutschland. Köln.(Incompetenzerklärung der Versammlungen zu Frankfurt und Berlin. - Die Nationalversammlung zu Frankfurt). Berlin. (Vereinbarungsdebatten. - Camphausen in Gefahr. - Emigration von Berlin nach Potsdam). Frankfurt. (Nationalversammlung vom 9. Juni. - Gerücht über russische Kriegserklärung an Preußen. - Minoritätsantrag für eine provisorische Regierung). Trier. (Nothstand des Regierungsbezirks. - Interpellation an Hrn. Reichensperger). Heidelberg. (Wahl v. Hagen). Thüngen. (Wahl Heckers). Villingen. (Dito). Schleswig-Holstein. (Vom Kriegsschauplatz). Breslau. (Wollmarkt). Greifswald. (Protest). Elbing. (Protest). Dortmund. (Patriotisches Zeitungsprojekt). Wien. (Adresse der Steiermärkischen Deputirten. - Ansprache des Kaisers an die Wiener. - Beschränkung der Prügelstrafe. - Ministerielle Bekanntmachung). Prag. (Die provisorische Regierung.) Polen. Lemberg. (Militärregierung). Italien. Mailand. (Verhaftungen. - Bergamo. - Gerüchte). Französische Republik. Paris. (Die Partei des National und der Thierspartei. - Sitzung der Nationalversammlung vom 8. Juni. - Sitzung der Nationalversammlung vom 9. Juni. Straßburg. (Rüstungen. - Postdekret). Belgien. (Defizit). Großbritannien. Manchester. (Fest zur Feier der Zehnstundenbill). London. (Unterhaussitzung vom 8. - Die Chartisten. - Maßregeln des Gouvernements. - Die Times und der Norhern Star. - Unterhaussitzung vom 9. - Schluß der Debatten über die Schifffahrtsgesetze. - Die Londoner Künstler. - Die irische League). Asien. (Aufstand der Sikhs in Lahore). Amtliche Nachrichten.
Für die Erörterung der in dem Ministerium der geistlichen Angelegenheiten schon früher angeregten und in der neueren Zeit in veröffentlichten Vorschlägen und Petitionen einzelner Lehrer zur Sprache gebrachten Frage, in wie weit die höheren Lehranstalten einer der freien Gestaltung des Staatslebens entsprechenden Reform bedürfen und wie diese zu bewirken sein wird? ist es von großer Wichtigkeit, die Ansichten und Wünsche aller an diesen Anstalten fungirenden Lehrer im Allgemeinen zu kennen und das Urtheil erfahrener Schulmänner zu benutzen. Der Minister der geistlichen etc. Angelegenheiten hat deshalb die Vernehmung der sämmtlichen Lehrer-Kollegien an den Gymnasien und den zu Entlassungs-Prüfungen berechtigten höheren Bürger- und Realschulen veranlaßt und zur weiteren Berathung über die Angelegenheit dieser Schulen eine aus Direktoren und Lehrern derselben bestehende Kommission berufen, welche sich im Laufe des künftigen Monats hier versammeln wird. Berlin, den 8. Juni 1848. Der Minister der geistlichen etc. Angelegenheiten. Im Auftrage des Herrn Chefs Ladenberg. Deutschland.
*Köln, 11. Juni. Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. 19Köln, 12. Juni. (Die frankfurter Nationalversammlung.) Die zweite Abstufung ist ebensosehr von der Wehmuth der "Gesinnungstüchtigen" entfernt, wie sie die schroffen Herausforderungen der äußersten Linken zu vermeiden sucht Franz Raveaux, der durch seine Anträge die Linke zu vertreten und durch seine freiwilligen Modifikationen den Centren zur "Verständigung" zu helfen weiß, kann zu dieser Fraktion gezählt werden. Ihr gewandtester und erfolgreichster Sprecher ist Robert Blum, der als der Führer der ganzen Linken anzusehen ist. Seine Rede imponirt durch eine kalte Ruhe, eine Ruhe, die ihn auch dann nicht verläßt, wenn er in höchster Kraft des Ausdrucks seine niederschmetternden Anklagen der Rechten entgegenwirft. Als bei der Verhandlung über die Mainzer Angelegenheit der Antrag auf Abberufung der preußischen Garnison von der Linken durch Schilderungen des preußischen Soldatenübermuthes unterstützt, und von der Rechten durch Invektiven gegen die Mainzer Bürgerschaft angegriffen, trat Blum für den Antrag der Linken mit dem kurzen Bemerken dazwischen, daß es gar nicht auf Recht oder Unrecht, sondern auf vorläufige Trennung zweier streitenden Parteien ankomme. Seine Ausdrucksweise ist derb und körnig, aber er weiß stets, wie weit er zu gehen hat, und seine kalte Ruhe läßt sich durch keinen Eingriff in ihren Aussprüchen beirren. Der Präsident unterbrach ihn jüngst mit dem Bemerken, daß eine seiner Behauptungen zu weit gehe; Blum aber wendete sich um, und sagte: Herr Präsident, das ist eine Meinungsverscheidenheit zwischen Ihnen und mir Auf der äußersten Linken finden wir ein buntes Gemisch der verschiedensten Elemente. Wer hätte erwartet, daß auch Arnold Ruge, der kühle blonde Denker, zu diesen "Aeußersten" gehörte? Zwar haben wir den großen Mann, welcher nach Heine's trefflicher Charakteristik den Hegel ins Pommerische übersetzt, noch nicht auf der Tribune gesehen, aber Großes, Niegeschehenes steht uns noch bevor. In seinem Wahlmanifest an die Breslauer, hat der denkende Weltanschauer die Aufgabe des Jahrhunderts im Allgemeinen und die Ruge'sche Deputirten-Aufgabe im Besonderen in den tiefgedachten Ausspruch zusammengefaßt: "Redigiren wie die Vernunft der Ereignisse!" Auch sahen wir zweimal schon, als die Debatte in einen allgemeinen tobenden Sturm der Parteien ausgebrochen war, den Redakteur der "Vernunft der Ereignisse" mit vielverkündender Lebhaftigkeit nach der Tribüne stürzen, wenn auch beidemal wieder vor den Stufen langsam und nachdenklich umkehren. Möge daher das harrende Volk sich beruhigen! Seine Erlösung, die Uebersetzung der "Vernunft der Ereignisse" ist an den Stufen der Tribüne in der frankfurter Paulskirche angelangt! Wenn auch vielleicht "Atta-Troll gleich, dem Tendenzbär, Sehr schlecht tanzend, doch Gesinnung Tragend in der zott'gen Hochbrust", ist der Redakteur der Vernunft der Ereignisse jedenfalls Kein Talent, doch ein Charakter. Herr Jordan aus Berlin, der bisher gleichfalls zu den Aeußersten gehörte, sieht sich gegenwärtig in seiner Stellung bedroht. Als Herr Jordan in einem märkischen, namenlosen Bezirk als Kandidat auftrat, wurde er gewählt unter dem Versprechen, für die konstitutionelle Monarchie zu wirken. Seine Wähler haben ihn in diesem Augenblick aufgefordert, ihre "Besorgnisse" zu zerstreuen, und seinen Verheißungen nachzukommen. Was wird Herr Jordan thun? Wird er dem "Vertrauen" seiner Wähler fernerhin nachkommen, oder wird er seine Deputirtenvollmacht niederlegen? Vielleicht wird er den Ausweg ergreifen, keines von beiden zu thun. Der "Kern" der Aeußersten, die Herren Zitz, Kapp, Titus, Rühl, Vogt, Peter (der Exstatthalter Hecker's), Brentano und die übrigen aus Baden noch erwarteten Deputirten, bildet eine Opposition von Bedeutnng. Von denjenigen, welche, wenn die Minorität zur Gewalt komme, auch zur Thatkraft und Organisation zu schreiten wüßten, ist Schloeffel wohl der Erste. Bei dem Resultat der bisherigen Abstimmungen war der Einfluß eines Mannes nicht zu verkennen, den sich die Majorität zu ihrem Präsidenten erkoren hat. Der "edle Gagern" hat diese "hohe Auszeichnung" nur dem Tod seines Bruders zu verdanken, welcher in dem Kampf für die Fürsten gegen die Vorkämpfer der deutschen Republik fiel; seine Wahl konnte und sollte für die reaktionäre Majorität nur eine Demonstration sein. Die Art, wie Ehren-Gagern bisher die Debatte leitete, hat bewiesen, daß er wenigstens nicht undankbar ist. Bei der Verhandlung über die Mainzer Angelegenheit, wo es sich darum handelte, ob ein preußischer General in einer hessischen Stadt, die zufällig auch Bundesfestung ist, das Recht habe, die von der Landesregierung garantirte Preßfreiheit und Bürgerbewaffnung zu suspendiren, und wegen eines, noch dazu von ihm selbst provocirten Kampfes Einzelner mit Einzelnen eine ganze Stadt mit Mord und Brand zu bedrohen, bei dieser Frage hat der "edle Gagern," der wahrscheinlich als hessischer Minister kompromittirt zu werden fürchtete, die Ehre des "unparteiischen Präsidenten" so weit dem mitschuldigen Minister geopfert, daß er den Abgeordneten Zitz mit einer persönlichen Beleidigung unterbrach; er hat bei dieser und zwei andern Gelegenheiten die Fragestellung im Interesse seiner wohlgesinnten Majorität eskamotirt, indem er statt des weitern dem engern Antrag die Priorität gab, und so die Minorität zwang, aus Furcht daß der weitere vielleicht durch die Centren zum Fall gebracht würde, wenigstens dem engern Antrag ihre Stimmen zu geben. Dafür hat Ehren-Gagern den Dank der wohlgesinnten Pfahlbürger erworben, welche ihm ihre Rührung mit Fackelglanz und Hornmusik vors Haus trugen, und mit Entzücken seinen salbungsvollen Erbauungssegen einsogen. Wie ein alter Wetterfrosch hat er sich zuweilen auch der Linken zugeneigt, da nämlich, wo auf einen Antrag nichts ankam, und wo die Centren voraussichtlich mit der Linken stimmten. Die Centren, und auch die Linke haben solchem rücksichtsvollen Benehmen jedesmal die gebührende Akklamation gezollt, denn - ein solches Benehmen freut einen jeden Biedermann sehr, Biedermann, Bassermann, Eisenmann sehr. Der "edle Gagern" ist somit der Mann des Tages; ein Band seligen Verständnisses umschlingt ihn mit der Versammlung; er ist der Versammlung werth, wie die Versammlung seiner werth ist. Es steht zu hoffen, daß die Lebenstage der Frankfurter Nationalversammlung still und schmerzlos hingehen werden. XBerlin, 9. Juni. Gestern hatte der Berends'sche Antrag gesiegt. Heute unterlag er mit 177 Stimmen gegen 196. Hr. Hansemann hatte die Zeit benutzt und seine schlesischen Bauern abgefüttert, so daß die Dankbaren wie ein Mann gegen die Anerkennung der Märzrevolution stimmten. Das ministerielle Banket war jedenfalls entscheidender als die augenverdrehende Beredsamkeit des Pietistenpredigers Jonas, der sich vernehmen ließ, wie folgt: Er sei der Ueberzeugung, daß man zur Tagesordnung übergehe. Es sei hier von einer Anerkennung der Revolution die Rede. Es sei auseinandergesetzt worden, was Revolution bedeutet. Es kamen jedoch dabei Verwechselungen vor, man scheidet nicht scharf genug zwischen Reform und Revolution. Eine Reform werde hervorgerufen durch die lebendige Ueberzeugung mit Uebereinstimmung des Gesetzes, Revolution dagegen durch eine prinzipielle Ueberzeugung auf dem Wege der Gewalt. Hier sei aber weiter nichts, als eine Aenderung der Verfassung geschehen. Diese Veränderung sei groß, wir sind vom absoluten zum konstitutionellen Königthum übergegangen. Es gebe gewiß Niemand, der dies freudiger begrüßt, als er. Wir bedürften derselben, damit die Regierung Nichts ohne das Volk, sondern Alles durch und für das Volk thue. Frägt man: wie diese Veränderung zu Stande gekommen, so antwortet man durch den 18. und 19. März. Er wolle die Kämpfer nicht herabsetzen, sie standen gegenüber einer großen Armee (Ruf: z. Sache); das gereiche ihnen und dem Volke zur Ehre (wiederholter Ruf auf auf beiden Seiten. zur Sache); aber trotzdem könne die That nicht als ein sittliches Vorbild aufgestellt werden. Die Revolution läuft unserem religiösen und sittlichen Gefühl schnurstracks entgegen. (Stürmischer Ruf von allen Seiten: abtreten; es wird vielseitig dagegen protestirt den Redner weiter sprechen zu lassen.) Seiner Beurtheilung nach kann man die Anerkennung der Revolution nicht als sittliches Vorbild aussprechen. Er bestreitet der Versammlung das Recht über die Frage abzustimmen. Ueber sittliche Prinzipien könne keine Versammlung abstimmen, es sei eben so, als wolle man darüber abstimmen, ob es einen Gott gebe. (Lärm und Toben). Der Abgeordnete Zachariä hatte nämlich den Antrag gestellt: "In Erwägung, daß das Verdienst der Kämpfer des März unbestritten ist, und daß die hohe Versammlung nicht berufen ist, Urtheile auszustellen, sondern die Verfassung zu vereinbaren, beschließt die Versammlung zur Tagesordnung zu überzugehen." Die Linke hob nicht genug hervor, daß die Versammlung mit Annahme dieser motivirten Tagesordnung ihre eigene Competenz beschränkt hat und die das Grundprinzip des vorgelegten Verfassungsentwurfs votirt hat. Sie hat nun erklärt, daß ihr Beruf darin besteht, die Verfassung zu "vereinbaren", das heißt, einen Compromiß mit dem Königthume abzuschließen. Die terroristische Rechte, an deren Spitze die rheinischen Juristen stehen, ließ heute wieder Jacobi nicht aussprechen, dessen Ruhe und Gemessenheit allerdings diesen Pfahlbürgern Achtung einflößen könnte. Sie fürchtete eben seine schneidende Logik und darum griff sie wieder zu den alten Mitteln, sie scharrte und lärmte auf alle Weise. D'Ester wußte einmal mit seiner kräftigen Stimme, trotz des Lärms, der sich gegen ihn erhob, durchzudringen und erwarb sich dabei den stürmischen Beifall der Linken, indem er gegenüber dem Minister Hansemann die Versammlung darauf aufmerksam machte, daß nicht durch die Annahme des Berends'schen Amendements, sondern durch die Verwerfung desselben die Ruhe des Landes gefährdet sei. Im Volke herrschte eine allgemeine Erbitterung über diesen Beschluß. Es hatte sich vor der Singakademie haufenweise zusammengeschaart, in der unzweideutigen Absicht, dem Minister Camphausen einem sehr summarischen Lynchverfahren zu unterwerfen. Zwei Blousenmänner waren sogar in den Sitzungssaal eingedrungen. Zum Glück für Herrn Camphausen wurden auf den Schrei "die Minister kommen," der Minister v. Arnim und der Prediger Sydow, die zuerst sich präsentirten, durch ein mit Stößen und Insulten begleitetes Fangspiel von der Singakademie bis in die Universitäts-Aula expedirt. Die Masse verzog sich nun von der Singakademie nach der Aula und so entwischte Camphausen und Hansemann. In der Aula befreiten die Studenten Herrn v. Arnim. Sie und einige Abgeordnete der Linken warnten vor solchen Schritten. Stimmen aus dem Publikum: "Man hat uns keinen andern Weg gelassen." Vielleicht giebt dieser Vorfall der Versammlung den Vorwand, einen längst von ihr gehegten Wunsch - die Verlegung der Versammlung von Berlin nach Potsdam - zu verwirklichen. Unterdessen sind schon sämmtliche Kostbarkeiten und werthvolle Mobilien unserer Aristokraten und Bourgeois von Berlin nach Potsdam emigrirt und die Herren haben daselbst ihr Hauptquartier aufgeschlagen, während sie Berlin im Fluge auf einige Stunden mit ihrer Gegenwart beehren. Die Gährung ist außerordentlich und in einigen Tagen werden wir ein Ministerium Arnim besitzen, wenn die gewaffnete Gewalt siegt oder eine zweite Revolution wird eklatiren, deren Existenz nicht so problematischer Natur ist, wie die Märzrevolution nach der Ansicht unserer Versammlung und ihrer Minister ist. Wie die Würfel auch fallen mögen, das Ministerium Camphausen ist verloren. *Frankfurt a/M., 10. Juni. Wiederum ein Mißtrauensakt gegen das Volk, wiederum ein Vertrauensakt gegen den deutschen Bund! Doch, Gagern hat ja bei dem Raveaux'schen Antrage behauptet, kein Beschluß könne der Nationalversammlung Schande machen. Die schleswig'sche Angelegenheit war's, um die es sich heute handelte. Schon in dem Umstande, daß Heckscher Berichterstatter war, lag eine schlimme Vorbedeutung. Heckscher macht es wie Biedermann, er spricht über alles mit der gründlichsten Breite, hütet sich aber stets vor die Pointe. Doch heute dürfte die Pointe nicht fehlen; er war ja Kommissions-Berichterstatter, er mußte ex officio einen Antrag stellen, und so stellte er denn nach einer vier enggedruckte Seiten langen historischen Vorlesung den folgenden: "Die deutsche Nationalversammlung erklärt, daß die schleswigsche Sache, als eine Angelegenheit der deutschen Nation, zu dem Bereich ihrer Wirksamkeit gehört und verlangt, daß bei dem Abschlusse des Friedens mit der Krone Dänemark das Recht der Herzogthümer Schleswig und Holstein und die Ehre Deutschlands gewahrt werde." Dazu: "Auch spricht die deutsche Nationalversammlung die zuversichtliche Erwartung aus, in der Voraussetzung, daß der Rückzug der deutschen Bundestruppen nach dem Süden Schleswigs strategischen Gründen beizumessen sei, daß für die erforderliche Verstärkung des Bundesheeres in Schleswig-Holstein, so wie für die Sicherstellung des durch den erwähnten Rückzug den feindlichen Einfällen etwa blosgestellten nördlichen Schleswigs schleunige und wirksame Fürsorge getroffen werde." Variation des Gagern'schen. Im Vertrauen, daß die Regierungen ihre Schuldigkeit thun, wollen wir nichts thun. Und wie rührend er zu beschwören wußte, man möge ja doch nichts weiter thun, denn - thun sei gefährlich! Fast hätte er bei seinem Antrage geweint, der gute Herr Heckscher, und wenig fehlte, daß auch Dahlmann weinte und die andern Herren Redner, und die ganze Paulskirche wäre auf's Haar ein großes Thränenbad geworden, so rührsam und allerliebst sprachen sie, so wohlgesetzt und überaus fleißig ausgeführt waren ihre Reden! die eine länger als die andere. Vogt aus Gießen fuhr in seiner gesunden praktischen Weise die Leute vom schönen Wort hart an, und verlangte höchst merkwürdiger Weise zu wissen, worüber man denn eigentlich rede und was man wolle? Er seinerseits schien das zu wissen, denn er sprach von einem bestimmten Antrage, den man stellen müsse, er wollte wissen, weshalb Jütland geräumt sei, wer den Befehl und aus welchen Gründen gegeben, er wolle den Befehl, die Truppen aus den feindlichen Rheinlanden und Baden zu ziehen, um sie gegen die Dänen zu führen und an die russische Gränze, die offen da liege, während man sogar "halboffiziell" von einem russischen Kriege rede. Er wollte beim Frieden nicht bloß Schleswig und Holstein deutsch sehen, sondern auch Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. No. 12 u. 13. Köln, Dienstag 13. Juni 1848.Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an täglich. Der Raum des Blattes wird so oft es nöthig durch Beilagen erweitert. Der Abonnementspreis beträgt : Für das mit dem 1. Juli beginnende Vierteljahr in Köln 1 Thlr. 15 Sgr.; für alle übrigen Orte Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Außerhalb Preußens mit Zuschlag des fremden Zeitungsporto's. Das Abonnement für den Monat Juni kann nur unter gleichzeitiger Bestellung des nächsten Quartals (Juli, August, September) geschehen. Der Preis dieses viermonatlichen Abonnements beträgt : Für Köln 2 Thlr.; auswärts 2 Thlr. 25 Sgr. Man abonnirt bei allen Postanstalten und Buchhandlungen des In- und Auslandes; ‒ für Köln in der Expedition der Zeitung bei Hrn. W. Clouth, St. Agatha 12, Köln, woselbst auch fernere Aktienzeichnungen entgegen genommen werden. Briefe und Zusendungen an die Redaktion sowie die Expedition werden von unbekannten Absendern nur frankirt angenommen. ‒ Insertionsgebühren. Für die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf. Die Expedition der „Neuen Rheinischen Zeitung.“ Uebersicht.
Deutschland. Köln.(Incompetenzerklärung der Versammlungen zu Frankfurt und Berlin. ‒ Die Nationalversammlung zu Frankfurt). Berlin. (Vereinbarungsdebatten. ‒ Camphausen in Gefahr. ‒ Emigration von Berlin nach Potsdam). Frankfurt. (Nationalversammlung vom 9. Juni. ‒ Gerücht über russische Kriegserklärung an Preußen. ‒ Minoritätsantrag für eine provisorische Regierung). Trier. (Nothstand des Regierungsbezirks. ‒ Interpellation an Hrn. Reichensperger). Heidelberg. (Wahl v. Hagen). Thüngen. (Wahl Heckers). Villingen. (Dito). Schleswig-Holstein. (Vom Kriegsschauplatz). Breslau. (Wollmarkt). Greifswald. (Protest). Elbing. (Protest). Dortmund. (Patriotisches Zeitungsprojekt). Wien. (Adresse der Steiermärkischen Deputirten. ‒ Ansprache des Kaisers an die Wiener. ‒ Beschränkung der Prügelstrafe. ‒ Ministerielle Bekanntmachung). Prag. (Die provisorische Regierung.) Polen. Lemberg. (Militärregierung). Italien. Mailand. (Verhaftungen. ‒ Bergamo. ‒ Gerüchte). Französische Republik. Paris. (Die Partei des National und der Thierspartei. ‒ Sitzung der Nationalversammlung vom 8. Juni. ‒ Sitzung der Nationalversammlung vom 9. Juni. Straßburg. (Rüstungen. ‒ Postdekret). Belgien. (Defizit). Großbritannien. Manchester. (Fest zur Feier der Zehnstundenbill). London. (Unterhaussitzung vom 8. ‒ Die Chartisten. ‒ Maßregeln des Gouvernements. ‒ Die Times und der Norhern Star. ‒ Unterhaussitzung vom 9. ‒ Schluß der Debatten über die Schifffahrtsgesetze. ‒ Die Londoner Künstler. ‒ Die irische League). Asien. (Aufstand der Sikhs in Lahore). Amtliche Nachrichten.
Für die Erörterung der in dem Ministerium der geistlichen Angelegenheiten schon früher angeregten und in der neueren Zeit in veröffentlichten Vorschlägen und Petitionen einzelner Lehrer zur Sprache gebrachten Frage, in wie weit die höheren Lehranstalten einer der freien Gestaltung des Staatslebens entsprechenden Reform bedürfen und wie diese zu bewirken sein wird? ist es von großer Wichtigkeit, die Ansichten und Wünsche aller an diesen Anstalten fungirenden Lehrer im Allgemeinen zu kennen und das Urtheil erfahrener Schulmänner zu benutzen. Der Minister der geistlichen etc. Angelegenheiten hat deshalb die Vernehmung der sämmtlichen Lehrer-Kollegien an den Gymnasien und den zu Entlassungs-Prüfungen berechtigten höheren Bürger- und Realschulen veranlaßt und zur weiteren Berathung über die Angelegenheit dieser Schulen eine aus Direktoren und Lehrern derselben bestehende Kommission berufen, welche sich im Laufe des künftigen Monats hier versammeln wird. Berlin, den 8. Juni 1848. Der Minister der geistlichen etc. Angelegenheiten. Im Auftrage des Herrn Chefs Ladenberg. Deutschland.
*Köln, 11. Juni. Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden. 19Köln, 12. Juni. (Die frankfurter Nationalversammlung.) Die zweite Abstufung ist ebensosehr von der Wehmuth der „Gesinnungstüchtigen“ entfernt, wie sie die schroffen Herausforderungen der äußersten Linken zu vermeiden sucht Franz Raveaux, der durch seine Anträge die Linke zu vertreten und durch seine freiwilligen Modifikationen den Centren zur „Verständigung“ zu helfen weiß, kann zu dieser Fraktion gezählt werden. Ihr gewandtester und erfolgreichster Sprecher ist Robert Blum, der als der Führer der ganzen Linken anzusehen ist. Seine Rede imponirt durch eine kalte Ruhe, eine Ruhe, die ihn auch dann nicht verläßt, wenn er in höchster Kraft des Ausdrucks seine niederschmetternden Anklagen der Rechten entgegenwirft. Als bei der Verhandlung über die Mainzer Angelegenheit der Antrag auf Abberufung der preußischen Garnison von der Linken durch Schilderungen des preußischen Soldatenübermuthes unterstützt, und von der Rechten durch Invektiven gegen die Mainzer Bürgerschaft angegriffen, trat Blum für den Antrag der Linken mit dem kurzen Bemerken dazwischen, daß es gar nicht auf Recht oder Unrecht, sondern auf vorläufige Trennung zweier streitenden Parteien ankomme. Seine Ausdrucksweise ist derb und körnig, aber er weiß stets, wie weit er zu gehen hat, und seine kalte Ruhe läßt sich durch keinen Eingriff in ihren Aussprüchen beirren. Der Präsident unterbrach ihn jüngst mit dem Bemerken, daß eine seiner Behauptungen zu weit gehe; Blum aber wendete sich um, und sagte: Herr Präsident, das ist eine Meinungsverscheidenheit zwischen Ihnen und mir Auf der äußersten Linken finden wir ein buntes Gemisch der verschiedensten Elemente. Wer hätte erwartet, daß auch Arnold Ruge, der kühle blonde Denker, zu diesen „Aeußersten“ gehörte? Zwar haben wir den großen Mann, welcher nach Heine's trefflicher Charakteristik den Hegel ins Pommerische übersetzt, noch nicht auf der Tribune gesehen, aber Großes, Niegeschehenes steht uns noch bevor. In seinem Wahlmanifest an die Breslauer, hat der denkende Weltanschauer die Aufgabe des Jahrhunderts im Allgemeinen und die Ruge'sche Deputirten-Aufgabe im Besonderen in den tiefgedachten Ausspruch zusammengefaßt: „Redigiren wie die Vernunft der Ereignisse!“ Auch sahen wir zweimal schon, als die Debatte in einen allgemeinen tobenden Sturm der Parteien ausgebrochen war, den Redakteur der „Vernunft der Ereignisse“ mit vielverkündender Lebhaftigkeit nach der Tribüne stürzen, wenn auch beidemal wieder vor den Stufen langsam und nachdenklich umkehren. Möge daher das harrende Volk sich beruhigen! Seine Erlösung, die Uebersetzung der „Vernunft der Ereignisse“ ist an den Stufen der Tribüne in der frankfurter Paulskirche angelangt! Wenn auch vielleicht „Atta-Troll gleich, dem Tendenzbär, Sehr schlecht tanzend, doch Gesinnung Tragend in der zott'gen Hochbrust“, ist der Redakteur der Vernunft der Ereignisse jedenfalls Kein Talent, doch ein Charakter. Herr Jordan aus Berlin, der bisher gleichfalls zu den Aeußersten gehörte, sieht sich gegenwärtig in seiner Stellung bedroht. Als Herr Jordan in einem märkischen, namenlosen Bezirk als Kandidat auftrat, wurde er gewählt unter dem Versprechen, für die konstitutionelle Monarchie zu wirken. Seine Wähler haben ihn in diesem Augenblick aufgefordert, ihre „Besorgnisse“ zu zerstreuen, und seinen Verheißungen nachzukommen. Was wird Herr Jordan thun? Wird er dem „Vertrauen“ seiner Wähler fernerhin nachkommen, oder wird er seine Deputirtenvollmacht niederlegen? Vielleicht wird er den Ausweg ergreifen, keines von beiden zu thun. Der „Kern“ der Aeußersten, die Herren Zitz, Kapp, Titus, Rühl, Vogt, Peter (der Exstatthalter Hecker's), Brentano und die übrigen aus Baden noch erwarteten Deputirten, bildet eine Opposition von Bedeutnng. Von denjenigen, welche, wenn die Minorität zur Gewalt komme, auch zur Thatkraft und Organisation zu schreiten wüßten, ist Schloeffel wohl der Erste. Bei dem Resultat der bisherigen Abstimmungen war der Einfluß eines Mannes nicht zu verkennen, den sich die Majorität zu ihrem Präsidenten erkoren hat. Der „edle Gagern“ hat diese „hohe Auszeichnung“ nur dem Tod seines Bruders zu verdanken, welcher in dem Kampf für die Fürsten gegen die Vorkämpfer der deutschen Republik fiel; seine Wahl konnte und sollte für die reaktionäre Majorität nur eine Demonstration sein. Die Art, wie Ehren-Gagern bisher die Debatte leitete, hat bewiesen, daß er wenigstens nicht undankbar ist. Bei der Verhandlung über die Mainzer Angelegenheit, wo es sich darum handelte, ob ein preußischer General in einer hessischen Stadt, die zufällig auch Bundesfestung ist, das Recht habe, die von der Landesregierung garantirte Preßfreiheit und Bürgerbewaffnung zu suspendiren, und wegen eines, noch dazu von ihm selbst provocirten Kampfes Einzelner mit Einzelnen eine ganze Stadt mit Mord und Brand zu bedrohen, bei dieser Frage hat der „edle Gagern,“ der wahrscheinlich als hessischer Minister kompromittirt zu werden fürchtete, die Ehre des „unparteiischen Präsidenten“ so weit dem mitschuldigen Minister geopfert, daß er den Abgeordneten Zitz mit einer persönlichen Beleidigung unterbrach; er hat bei dieser und zwei andern Gelegenheiten die Fragestellung im Interesse seiner wohlgesinnten Majorität eskamotirt, indem er statt des weitern dem engern Antrag die Priorität gab, und so die Minorität zwang, aus Furcht daß der weitere vielleicht durch die Centren zum Fall gebracht würde, wenigstens dem engern Antrag ihre Stimmen zu geben. Dafür hat Ehren-Gagern den Dank der wohlgesinnten Pfahlbürger erworben, welche ihm ihre Rührung mit Fackelglanz und Hornmusik vors Haus trugen, und mit Entzücken seinen salbungsvollen Erbauungssegen einsogen. Wie ein alter Wetterfrosch hat er sich zuweilen auch der Linken zugeneigt, da nämlich, wo auf einen Antrag nichts ankam, und wo die Centren voraussichtlich mit der Linken stimmten. Die Centren, und auch die Linke haben solchem rücksichtsvollen Benehmen jedesmal die gebührende Akklamation gezollt, denn ‒ ein solches Benehmen freut einen jeden Biedermann sehr, Biedermann, Bassermann, Eisenmann sehr. Der „edle Gagern“ ist somit der Mann des Tages; ein Band seligen Verständnisses umschlingt ihn mit der Versammlung; er ist der Versammlung werth, wie die Versammlung seiner werth ist. Es steht zu hoffen, daß die Lebenstage der Frankfurter Nationalversammlung still und schmerzlos hingehen werden. XBerlin, 9. Juni. Gestern hatte der Berends'sche Antrag gesiegt. Heute unterlag er mit 177 Stimmen gegen 196. Hr. Hansemann hatte die Zeit benutzt und seine schlesischen Bauern abgefüttert, so daß die Dankbaren wie ein Mann gegen die Anerkennung der Märzrevolution stimmten. Das ministerielle Banket war jedenfalls entscheidender als die augenverdrehende Beredsamkeit des Pietistenpredigers Jonas, der sich vernehmen ließ, wie folgt: Er sei der Ueberzeugung, daß man zur Tagesordnung übergehe. Es sei hier von einer Anerkennung der Revolution die Rede. Es sei auseinandergesetzt worden, was Revolution bedeutet. Es kamen jedoch dabei Verwechselungen vor, man scheidet nicht scharf genug zwischen Reform und Revolution. Eine Reform werde hervorgerufen durch die lebendige Ueberzeugung mit Uebereinstimmung des Gesetzes, Revolution dagegen durch eine prinzipielle Ueberzeugung auf dem Wege der Gewalt. Hier sei aber weiter nichts, als eine Aenderung der Verfassung geschehen. Diese Veränderung sei groß, wir sind vom absoluten zum konstitutionellen Königthum übergegangen. Es gebe gewiß Niemand, der dies freudiger begrüßt, als er. Wir bedürften derselben, damit die Regierung Nichts ohne das Volk, sondern Alles durch und für das Volk thue. Frägt man: wie diese Veränderung zu Stande gekommen, so antwortet man durch den 18. und 19. März. Er wolle die Kämpfer nicht herabsetzen, sie standen gegenüber einer großen Armee (Ruf: z. Sache); das gereiche ihnen und dem Volke zur Ehre (wiederholter Ruf auf auf beiden Seiten. zur Sache); aber trotzdem könne die That nicht als ein sittliches Vorbild aufgestellt werden. Die Revolution läuft unserem religiösen und sittlichen Gefühl schnurstracks entgegen. (Stürmischer Ruf von allen Seiten: abtreten; es wird vielseitig dagegen protestirt den Redner weiter sprechen zu lassen.) Seiner Beurtheilung nach kann man die Anerkennung der Revolution nicht als sittliches Vorbild aussprechen. Er bestreitet der Versammlung das Recht über die Frage abzustimmen. Ueber sittliche Prinzipien könne keine Versammlung abstimmen, es sei eben so, als wolle man darüber abstimmen, ob es einen Gott gebe. (Lärm und Toben). Der Abgeordnete Zachariä hatte nämlich den Antrag gestellt: „In Erwägung, daß das Verdienst der Kämpfer des März unbestritten ist, und daß die hohe Versammlung nicht berufen ist, Urtheile auszustellen, sondern die Verfassung zu vereinbaren, beschließt die Versammlung zur Tagesordnung zu überzugehen.“ Die Linke hob nicht genug hervor, daß die Versammlung mit Annahme dieser motivirten Tagesordnung ihre eigene Competenz beschränkt hat und die das Grundprinzip des vorgelegten Verfassungsentwurfs votirt hat. Sie hat nun erklärt, daß ihr Beruf darin besteht, die Verfassung zu „vereinbaren“, das heißt, einen Compromiß mit dem Königthume abzuschließen. Die terroristische Rechte, an deren Spitze die rheinischen Juristen stehen, ließ heute wieder Jacobi nicht aussprechen, dessen Ruhe und Gemessenheit allerdings diesen Pfahlbürgern Achtung einflößen könnte. Sie fürchtete eben seine schneidende Logik und darum griff sie wieder zu den alten Mitteln, sie scharrte und lärmte auf alle Weise. D'Ester wußte einmal mit seiner kräftigen Stimme, trotz des Lärms, der sich gegen ihn erhob, durchzudringen und erwarb sich dabei den stürmischen Beifall der Linken, indem er gegenüber dem Minister Hansemann die Versammlung darauf aufmerksam machte, daß nicht durch die Annahme des Berends'schen Amendements, sondern durch die Verwerfung desselben die Ruhe des Landes gefährdet sei. Im Volke herrschte eine allgemeine Erbitterung über diesen Beschluß. Es hatte sich vor der Singakademie haufenweise zusammengeschaart, in der unzweideutigen Absicht, dem Minister Camphausen einem sehr summarischen Lynchverfahren zu unterwerfen. Zwei Blousenmänner waren sogar in den Sitzungssaal eingedrungen. Zum Glück für Herrn Camphausen wurden auf den Schrei „die Minister kommen,“ der Minister v. Arnim und der Prediger Sydow, die zuerst sich präsentirten, durch ein mit Stößen und Insulten begleitetes Fangspiel von der Singakademie bis in die Universitäts-Aula expedirt. Die Masse verzog sich nun von der Singakademie nach der Aula und so entwischte Camphausen und Hansemann. In der Aula befreiten die Studenten Herrn v. Arnim. Sie und einige Abgeordnete der Linken warnten vor solchen Schritten. Stimmen aus dem Publikum: „Man hat uns keinen andern Weg gelassen.“ Vielleicht giebt dieser Vorfall der Versammlung den Vorwand, einen längst von ihr gehegten Wunsch ‒ die Verlegung der Versammlung von Berlin nach Potsdam ‒ zu verwirklichen. Unterdessen sind schon sämmtliche Kostbarkeiten und werthvolle Mobilien unserer Aristokraten und Bourgeois von Berlin nach Potsdam emigrirt und die Herren haben daselbst ihr Hauptquartier aufgeschlagen, während sie Berlin im Fluge auf einige Stunden mit ihrer Gegenwart beehren. Die Gährung ist außerordentlich und in einigen Tagen werden wir ein Ministerium Arnim besitzen, wenn die gewaffnete Gewalt siegt oder eine zweite Revolution wird eklatiren, deren Existenz nicht so problematischer Natur ist, wie die Märzrevolution nach der Ansicht unserer Versammlung und ihrer Minister ist. Wie die Würfel auch fallen mögen, das Ministerium Camphausen ist verloren. *Frankfurt a/M., 10. Juni. Wiederum ein Mißtrauensakt gegen das Volk, wiederum ein Vertrauensakt gegen den deutschen Bund! Doch, Gagern hat ja bei dem Raveaux'schen Antrage behauptet, kein Beschluß könne der Nationalversammlung Schande machen. Die schleswig'sche Angelegenheit war's, um die es sich heute handelte. Schon in dem Umstande, daß Heckscher Berichterstatter war, lag eine schlimme Vorbedeutung. Heckscher macht es wie Biedermann, er spricht über alles mit der gründlichsten Breite, hütet sich aber stets vor die Pointe. Doch heute dürfte die Pointe nicht fehlen; er war ja Kommissions-Berichterstatter, er mußte ex officio einen Antrag stellen, und so stellte er denn nach einer vier enggedruckte Seiten langen historischen Vorlesung den folgenden: „Die deutsche Nationalversammlung erklärt, daß die schleswigsche Sache, als eine Angelegenheit der deutschen Nation, zu dem Bereich ihrer Wirksamkeit gehört und verlangt, daß bei dem Abschlusse des Friedens mit der Krone Dänemark das Recht der Herzogthümer Schleswig und Holstein und die Ehre Deutschlands gewahrt werde.“ Dazu: „Auch spricht die deutsche Nationalversammlung die zuversichtliche Erwartung aus, in der Voraussetzung, daß der Rückzug der deutschen Bundestruppen nach dem Süden Schleswigs strategischen Gründen beizumessen sei, daß für die erforderliche Verstärkung des Bundesheeres in Schleswig-Holstein, so wie für die Sicherstellung des durch den erwähnten Rückzug den feindlichen Einfällen etwa blosgestellten nördlichen Schleswigs schleunige und wirksame Fürsorge getroffen werde.“ Variation des Gagern'schen. Im Vertrauen, daß die Regierungen ihre Schuldigkeit thun, wollen wir nichts thun. Und wie rührend er zu beschwören wußte, man möge ja doch nichts weiter thun, denn ‒ thun sei gefährlich! Fast hätte er bei seinem Antrage geweint, der gute Herr Heckscher, und wenig fehlte, daß auch Dahlmann weinte und die andern Herren Redner, und die ganze Paulskirche wäre auf's Haar ein großes Thränenbad geworden, so rührsam und allerliebst sprachen sie, so wohlgesetzt und überaus fleißig ausgeführt waren ihre Reden! die eine länger als die andere. Vogt aus Gießen fuhr in seiner gesunden praktischen Weise die Leute vom schönen Wort hart an, und verlangte höchst merkwürdiger Weise zu wissen, worüber man denn eigentlich rede und was man wolle? Er seinerseits schien das zu wissen, denn er sprach von einem bestimmten Antrage, den man stellen müsse, er wollte wissen, weshalb Jütland geräumt sei, wer den Befehl und aus welchen Gründen gegeben, er wolle den Befehl, die Truppen aus den feindlichen Rheinlanden und Baden zu ziehen, um sie gegen die Dänen zu führen und an die russische Gränze, die offen da liege, während man sogar „halboffiziell“ von einem russischen Kriege rede. Er wollte beim Frieden nicht bloß Schleswig und Holstein deutsch sehen, sondern auch <TEI> <text> <pb facs="#f0001" n="0053"/> <front> <titlePage type="heading"> <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung.</titlePart> <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart> <docImprint> <docDate>No. 12 u. 13. Köln, Dienstag 13. Juni 1848.</docDate> </docImprint> </titlePage> </front> <body> <div type="jExpedition"> <p>Die <hi rendition="#b">„Neue Rheinische Zeitung“</hi> erscheint vom 1. Juni an <hi rendition="#b">täglich.</hi> Der Raum des Blattes wird so oft es nöthig durch Beilagen erweitert. Der Abonnementspreis beträgt : Für das mit dem 1. Juli beginnende Vierteljahr in Köln 1 Thlr. 15 Sgr.; für alle übrigen Orte Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Außerhalb Preußens mit Zuschlag des fremden Zeitungsporto's. Das Abonnement für den Monat Juni kann nur unter gleichzeitiger Bestellung des nächsten Quartals (Juli, August, September) geschehen. Der Preis dieses viermonatlichen Abonnements beträgt : Für Köln 2 Thlr.; auswärts 2 Thlr. 25 Sgr. Man abonnirt bei allen Postanstalten und Buchhandlungen des In- und Auslandes; ‒ für Köln in der Expedition der Zeitung bei Hrn. <hi rendition="#b">W. Clouth,</hi> St. <hi rendition="#g">Agatha</hi> 12, Köln, woselbst auch fernere Aktienzeichnungen entgegen genommen werden. Briefe und Zusendungen an die Redaktion sowie die Expedition werden von unbekannten Absendern nur frankirt angenommen. ‒ <hi rendition="#b">Insertionsgebühren.</hi> Für die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf.</p> <p> <hi rendition="#b">Die Expedition der „Neuen Rheinischen Zeitung.“</hi> </p> </div> <div type="contents" n="1"> <head>Uebersicht.</head> <p><hi rendition="#g">Deutschland. </hi> Köln.(Incompetenzerklärung der Versammlungen zu Frankfurt und Berlin. ‒ Die Nationalversammlung zu Frankfurt). Berlin. (Vereinbarungsdebatten. ‒ Camphausen in Gefahr. ‒ Emigration von Berlin nach Potsdam). Frankfurt. (Nationalversammlung vom 9. Juni. ‒ Gerücht über russische Kriegserklärung an Preußen. ‒ Minoritätsantrag für eine provisorische Regierung). Trier. (Nothstand des Regierungsbezirks. ‒ Interpellation an Hrn. Reichensperger). Heidelberg. (Wahl v. Hagen). Thüngen. (Wahl Heckers). Villingen. (Dito). Schleswig-Holstein. (Vom Kriegsschauplatz). Breslau. (Wollmarkt). Greifswald. (Protest). Elbing. (Protest). Dortmund. (Patriotisches Zeitungsprojekt). Wien. (Adresse der Steiermärkischen Deputirten. ‒ Ansprache des Kaisers an die Wiener. ‒ Beschränkung der Prügelstrafe. ‒ Ministerielle Bekanntmachung). Prag. (Die provisorische Regierung.)</p> <p><hi rendition="#g">Polen.</hi> Lemberg. (Militärregierung).</p> <p><hi rendition="#g">Italien.</hi> Mailand. (Verhaftungen. ‒ Bergamo. ‒ Gerüchte).</p> <p><hi rendition="#g">Französische Republik.</hi> Paris. (Die Partei des National und der Thierspartei. ‒ Sitzung der Nationalversammlung vom 8. Juni. ‒ Sitzung der Nationalversammlung vom 9. Juni. Straßburg. (Rüstungen. ‒ Postdekret).</p> <p><hi rendition="#g">Belgien.</hi> (Defizit).</p> <p><hi rendition="#g">Großbritannien.</hi> Manchester. (Fest zur Feier der Zehnstundenbill). London. (Unterhaussitzung vom 8. ‒ Die Chartisten. ‒ Maßregeln des Gouvernements. ‒ Die Times und der Norhern Star. ‒ Unterhaussitzung vom 9. ‒ Schluß der Debatten über die Schifffahrtsgesetze. ‒ Die Londoner Künstler. ‒ Die irische League).</p> <p><hi rendition="#g">Asien.</hi> (Aufstand der Sikhs in Lahore).</p> </div> <div n="1"> <head>Amtliche Nachrichten.</head> <div xml:id="ar012-013_001" type="jArticle"> <p>Für die Erörterung der in dem Ministerium der geistlichen Angelegenheiten schon früher angeregten und in der neueren Zeit in veröffentlichten Vorschlägen und Petitionen einzelner Lehrer zur Sprache gebrachten Frage,</p> <p rendition="#et">in wie weit die höheren Lehranstalten einer der freien Gestaltung des Staatslebens entsprechenden Reform bedürfen und wie diese zu bewirken sein wird?</p> <p>ist es von großer Wichtigkeit, die Ansichten und Wünsche aller an diesen Anstalten fungirenden Lehrer im Allgemeinen zu kennen und das Urtheil erfahrener Schulmänner zu benutzen. Der Minister der geistlichen etc. Angelegenheiten hat deshalb die Vernehmung der sämmtlichen Lehrer-Kollegien an den Gymnasien und den zu Entlassungs-Prüfungen berechtigten höheren Bürger- und Realschulen veranlaßt und zur weiteren Berathung über die Angelegenheit dieser Schulen eine aus Direktoren und Lehrern derselben bestehende Kommission berufen, welche sich im Laufe des künftigen Monats hier versammeln wird.</p> <p>Berlin, den 8. Juni 1848.</p> <p>Der Minister der geistlichen etc. Angelegenheiten.</p> <p>Im Auftrage des Herrn Chefs</p> <p> <hi rendition="#g">Ladenberg.</hi> </p> </div> </div> <div n="1"> <head> <hi rendition="#g">Deutschland.</hi> </head> <div xml:id="ar012-013_002_c" type="jArticle"> <note type="editorial">Edition: <bibl>Karl Marx/Friedrich Engels: Inkompetenzerklärung der Versammlungen zu Frankfurt und Berlin. In: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi> I/7. S. 105.</bibl></note> <head><bibl><author>*</author></bibl><hi rendition="#g">Köln,</hi> 11. Juni.</head> <gap reason="copyright"/> </div> <div xml:id="ar012-013_003" type="jArticle"> <head><bibl><author>19</author></bibl><hi rendition="#g">Köln,</hi> 12. Juni.</head> <p>(Die frankfurter Nationalversammlung.) Die zweite Abstufung ist ebensosehr von der Wehmuth der „Gesinnungstüchtigen“ entfernt, wie sie die schroffen Herausforderungen der äußersten Linken zu vermeiden sucht Franz Raveaux, der durch seine Anträge die Linke zu vertreten und durch seine freiwilligen Modifikationen den Centren zur „Verständigung“ zu helfen weiß, kann zu dieser Fraktion gezählt werden. Ihr gewandtester und erfolgreichster Sprecher ist Robert Blum, der als der Führer der ganzen Linken anzusehen ist. Seine Rede imponirt durch eine kalte Ruhe, eine Ruhe, die ihn auch dann nicht verläßt, wenn er in höchster Kraft des Ausdrucks seine niederschmetternden Anklagen der Rechten entgegenwirft. Als bei der Verhandlung über die Mainzer Angelegenheit der Antrag auf Abberufung der preußischen Garnison von der Linken durch Schilderungen des preußischen Soldatenübermuthes unterstützt, und von der Rechten durch Invektiven gegen die Mainzer Bürgerschaft angegriffen, trat Blum für den Antrag der Linken mit dem kurzen Bemerken dazwischen, daß es gar nicht auf Recht oder Unrecht, sondern auf vorläufige Trennung zweier streitenden Parteien ankomme. Seine Ausdrucksweise ist derb und körnig, aber er weiß stets, wie weit er zu gehen hat, und seine kalte Ruhe läßt sich durch keinen Eingriff in ihren Aussprüchen beirren. Der Präsident unterbrach ihn jüngst mit dem Bemerken, daß eine seiner Behauptungen zu weit gehe; Blum aber wendete sich um, und sagte: Herr Präsident, das ist eine Meinungsverscheidenheit zwischen Ihnen und mir</p> <p>Auf der äußersten Linken finden wir ein buntes Gemisch der verschiedensten Elemente. Wer hätte erwartet, daß auch Arnold Ruge, der kühle blonde Denker, zu diesen „Aeußersten“ gehörte? Zwar haben wir den großen Mann, welcher nach Heine's trefflicher Charakteristik den Hegel ins Pommerische übersetzt, noch nicht auf der Tribune gesehen, aber Großes, Niegeschehenes steht uns noch bevor.</p> <p>In seinem Wahlmanifest an die Breslauer, hat der denkende Weltanschauer die Aufgabe des Jahrhunderts im Allgemeinen und die Ruge'sche Deputirten-Aufgabe im Besonderen in den tiefgedachten Ausspruch zusammengefaßt: „Redigiren wie die Vernunft der Ereignisse!“ Auch sahen wir zweimal schon, als die Debatte in einen allgemeinen tobenden Sturm der Parteien ausgebrochen war, den Redakteur der „Vernunft der Ereignisse“ mit vielverkündender Lebhaftigkeit nach der Tribüne stürzen, wenn auch beidemal wieder vor den Stufen langsam und nachdenklich umkehren. Möge daher das harrende Volk sich beruhigen! Seine Erlösung, die Uebersetzung der „Vernunft der Ereignisse“ ist an den Stufen der Tribüne in der frankfurter Paulskirche angelangt! Wenn auch vielleicht</p> <lg type="poem"> <l>„Atta-Troll gleich, dem Tendenzbär,</l><lb/> <l>Sehr schlecht tanzend, doch Gesinnung</l><lb/> <l>Tragend in der zott'gen Hochbrust“,</l><lb/> </lg> <p>ist der Redakteur der Vernunft der Ereignisse jedenfalls</p> <lg type="poem"> <l>Kein Talent, doch ein Charakter.</l><lb/> </lg> <p>Herr Jordan aus Berlin, der bisher gleichfalls zu den Aeußersten gehörte, sieht sich gegenwärtig in seiner Stellung bedroht. Als Herr Jordan in einem märkischen, namenlosen Bezirk als Kandidat auftrat, wurde er gewählt unter dem Versprechen, für die konstitutionelle Monarchie zu wirken. Seine Wähler haben ihn in diesem Augenblick aufgefordert, ihre „Besorgnisse“ zu zerstreuen, und seinen Verheißungen nachzukommen. Was wird Herr Jordan thun? Wird er dem „Vertrauen“ seiner Wähler fernerhin nachkommen, oder wird er seine Deputirtenvollmacht niederlegen? Vielleicht wird er den Ausweg ergreifen, keines von beiden zu thun.</p> <p>Der „Kern“ der Aeußersten, die Herren Zitz, Kapp, Titus, Rühl, Vogt, Peter (der Exstatthalter Hecker's), Brentano und die übrigen aus Baden noch erwarteten Deputirten, bildet eine Opposition von Bedeutnng. Von denjenigen, welche, wenn die Minorität zur Gewalt komme, auch zur Thatkraft und Organisation zu schreiten wüßten, ist Schloeffel wohl der Erste.</p> <p>Bei dem Resultat der bisherigen Abstimmungen war der Einfluß eines Mannes nicht zu verkennen, den sich die Majorität zu ihrem Präsidenten erkoren hat. Der „edle Gagern“ hat diese „hohe Auszeichnung“ nur dem Tod seines Bruders zu verdanken, welcher in dem Kampf für die Fürsten gegen die Vorkämpfer der deutschen Republik fiel; seine Wahl konnte und sollte für die reaktionäre Majorität nur eine Demonstration sein. Die Art, wie Ehren-Gagern bisher die Debatte leitete, hat bewiesen, daß er wenigstens nicht undankbar ist. Bei der Verhandlung über die Mainzer Angelegenheit, wo es sich darum handelte, ob ein preußischer General in einer hessischen Stadt, die zufällig auch Bundesfestung ist, das Recht habe, die von der Landesregierung garantirte Preßfreiheit und Bürgerbewaffnung zu suspendiren, und wegen eines, noch dazu von ihm selbst provocirten Kampfes Einzelner mit Einzelnen eine ganze Stadt mit Mord und Brand zu bedrohen, bei dieser Frage hat der „edle Gagern,“ der wahrscheinlich als hessischer Minister kompromittirt zu werden fürchtete, die Ehre des „unparteiischen Präsidenten“ so weit dem mitschuldigen Minister geopfert, daß er den Abgeordneten Zitz mit einer persönlichen Beleidigung unterbrach; er hat bei dieser und zwei andern Gelegenheiten die Fragestellung im Interesse seiner wohlgesinnten Majorität eskamotirt, indem er statt des weitern dem engern Antrag die Priorität gab, und so die Minorität zwang, aus Furcht daß der weitere vielleicht durch die Centren zum Fall gebracht würde, wenigstens dem engern Antrag ihre Stimmen zu geben. Dafür hat Ehren-Gagern den Dank der wohlgesinnten Pfahlbürger erworben, welche ihm ihre Rührung mit Fackelglanz und Hornmusik vors Haus trugen, und mit Entzücken seinen salbungsvollen Erbauungssegen einsogen. Wie ein alter Wetterfrosch hat er sich zuweilen auch der Linken zugeneigt, da nämlich, wo auf einen Antrag nichts ankam, und wo die Centren voraussichtlich mit der Linken stimmten. Die Centren, und auch die Linke haben solchem rücksichtsvollen Benehmen jedesmal die gebührende Akklamation gezollt, denn </p> <lg type="poem"> <l>‒ ein solches Benehmen</l><lb/> <l>freut einen jeden Biedermann sehr,</l><lb/> <l>Biedermann, Bassermann, Eisenmann sehr.</l><lb/> </lg> <p>Der „edle Gagern“ ist somit der Mann des Tages; ein Band seligen Verständnisses umschlingt ihn mit der Versammlung; er ist der Versammlung werth, wie die Versammlung seiner werth ist.</p> <p>Es steht zu hoffen, daß die Lebenstage der Frankfurter Nationalversammlung still und schmerzlos hingehen werden.</p> </div> <div xml:id="ar012-013_004" type="jArticle"> <head><bibl><author>X</author></bibl><hi rendition="#g">Berlin,</hi> 9. Juni.</head> <p>Gestern hatte der Berends'sche Antrag gesiegt. Heute unterlag er mit 177 Stimmen gegen 196. Hr. Hansemann hatte die Zeit benutzt und seine schlesischen Bauern abgefüttert, so daß die Dankbaren wie <hi rendition="#g">ein</hi> Mann gegen die Anerkennung der Märzrevolution stimmten. Das ministerielle Banket war jedenfalls entscheidender als die augenverdrehende Beredsamkeit des Pietistenpredigers Jonas, der sich vernehmen ließ, wie folgt:</p> <p>Er sei der Ueberzeugung, daß man zur Tagesordnung übergehe. Es sei hier von einer Anerkennung der Revolution die Rede. Es sei auseinandergesetzt worden, was Revolution bedeutet. Es kamen jedoch dabei Verwechselungen vor, man scheidet nicht scharf genug zwischen Reform und Revolution. Eine Reform werde hervorgerufen durch die lebendige Ueberzeugung mit Uebereinstimmung des Gesetzes, Revolution dagegen durch eine prinzipielle Ueberzeugung auf dem Wege der Gewalt. Hier sei aber weiter nichts, als eine Aenderung der Verfassung geschehen. Diese Veränderung sei groß, wir sind vom absoluten zum konstitutionellen Königthum übergegangen. Es gebe gewiß Niemand, der dies freudiger begrüßt, als er. Wir bedürften derselben, damit die Regierung Nichts ohne das Volk, sondern Alles durch und für das Volk thue. Frägt man: wie diese Veränderung zu Stande gekommen, so antwortet man durch den 18. und 19. März. Er wolle die Kämpfer nicht herabsetzen, sie standen gegenüber einer großen Armee (Ruf: z. Sache); das gereiche ihnen und dem Volke zur Ehre (wiederholter Ruf auf auf beiden Seiten. zur Sache); aber trotzdem könne die That nicht als ein sittliches Vorbild aufgestellt werden. Die Revolution läuft unserem religiösen und sittlichen Gefühl schnurstracks entgegen. (Stürmischer Ruf von allen Seiten: abtreten; es wird vielseitig dagegen protestirt den Redner weiter sprechen zu lassen.) Seiner Beurtheilung nach kann man die Anerkennung der Revolution nicht als sittliches Vorbild aussprechen. Er bestreitet der Versammlung das Recht über die Frage abzustimmen. Ueber sittliche Prinzipien könne keine Versammlung abstimmen, es sei eben so, als wolle man darüber abstimmen, ob es einen Gott gebe. (Lärm und Toben).</p> <p>Der Abgeordnete Zachariä hatte nämlich den Antrag gestellt: „In Erwägung, daß das Verdienst der Kämpfer des März unbestritten ist, und daß die hohe Versammlung nicht berufen ist, Urtheile auszustellen, sondern die Verfassung zu vereinbaren, beschließt die Versammlung zur Tagesordnung zu überzugehen.“</p> <p>Die Linke hob nicht genug hervor, daß die Versammlung mit Annahme dieser <hi rendition="#g">motivirten Tagesordnung</hi> ihre <hi rendition="#g">eigene Competenz</hi> beschränkt hat und die das Grundprinzip des vorgelegten Verfassungsentwurfs votirt hat. Sie hat nun erklärt, daß ihr Beruf darin besteht, die Verfassung zu <hi rendition="#g">„vereinbaren“,</hi> das heißt, einen Compromiß mit dem Königthume abzuschließen.</p> <p>Die terroristische Rechte, an deren Spitze die rheinischen Juristen stehen, ließ heute wieder Jacobi nicht aussprechen, dessen Ruhe und Gemessenheit allerdings diesen Pfahlbürgern Achtung einflößen könnte.</p> <p>Sie fürchtete eben seine schneidende Logik und darum griff sie wieder zu den alten Mitteln, sie scharrte und lärmte auf alle Weise. D'Ester wußte einmal mit seiner kräftigen Stimme, trotz des Lärms, der sich gegen ihn erhob, durchzudringen und erwarb sich dabei den stürmischen Beifall der Linken, indem er gegenüber dem Minister Hansemann die Versammlung darauf aufmerksam machte, daß nicht durch die Annahme des Berends'schen Amendements, sondern durch die Verwerfung desselben die Ruhe des Landes gefährdet sei.</p> <p>Im Volke herrschte eine allgemeine Erbitterung über diesen Beschluß. Es hatte sich vor der Singakademie haufenweise zusammengeschaart, in der unzweideutigen Absicht, dem Minister <hi rendition="#g">Camphausen</hi> einem sehr summarischen Lynchverfahren zu unterwerfen. Zwei Blousenmänner waren sogar in den Sitzungssaal eingedrungen. Zum Glück für Herrn Camphausen wurden auf den Schrei „die Minister kommen,“ der Minister v. Arnim und der Prediger Sydow, die zuerst sich präsentirten, durch ein mit Stößen und Insulten begleitetes Fangspiel von der Singakademie bis in die Universitäts-Aula expedirt. Die Masse verzog sich nun von der Singakademie nach der Aula und so entwischte Camphausen und Hansemann. In der Aula befreiten die Studenten Herrn v. Arnim. Sie und einige Abgeordnete der Linken warnten vor solchen Schritten. Stimmen aus dem Publikum: „Man hat uns keinen andern Weg gelassen.“ Vielleicht giebt dieser Vorfall der Versammlung den Vorwand, einen längst von ihr gehegten Wunsch ‒ <hi rendition="#g">die Verlegung der Versammlung von Berlin nach Potsdam</hi> ‒ zu verwirklichen. Unterdessen sind schon sämmtliche Kostbarkeiten und werthvolle Mobilien unserer Aristokraten und Bourgeois von Berlin nach Potsdam emigrirt und die Herren haben daselbst ihr Hauptquartier aufgeschlagen, während sie Berlin im Fluge auf einige Stunden mit ihrer Gegenwart beehren. Die Gährung ist außerordentlich und in einigen Tagen werden wir ein Ministerium Arnim besitzen, wenn die gewaffnete Gewalt siegt oder eine zweite Revolution wird eklatiren, deren Existenz nicht so problematischer Natur ist, wie die Märzrevolution nach der Ansicht unserer Versammlung und ihrer Minister ist. Wie die Würfel auch fallen mögen, das Ministerium Camphausen ist verloren.</p> </div> <div xml:id="ar012-013_005" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl><hi rendition="#g">Frankfurt a/M.,</hi> 10. Juni.</head> <p>Wiederum ein Mißtrauensakt gegen das Volk, wiederum ein Vertrauensakt gegen den deutschen Bund! Doch, Gagern hat ja bei dem Raveaux'schen Antrage behauptet, kein Beschluß könne der Nationalversammlung Schande machen.</p> <p>Die schleswig'sche Angelegenheit war's, um die es sich heute handelte. Schon in dem Umstande, daß Heckscher Berichterstatter war, lag eine schlimme Vorbedeutung. Heckscher macht es wie Biedermann, er spricht über alles mit der gründlichsten Breite, hütet sich aber stets vor die Pointe. Doch heute dürfte die Pointe nicht fehlen; er war ja Kommissions-Berichterstatter, er mußte ex officio einen Antrag stellen, und so stellte er denn nach einer vier enggedruckte Seiten langen historischen Vorlesung den folgenden:</p> <p>„Die deutsche Nationalversammlung erklärt, daß die schleswigsche Sache, als eine Angelegenheit der deutschen Nation, zu dem Bereich ihrer Wirksamkeit gehört und verlangt, daß bei dem Abschlusse des Friedens mit der Krone Dänemark das Recht der Herzogthümer Schleswig und Holstein und die Ehre Deutschlands gewahrt werde.“</p> <p>Dazu:</p> <p>„Auch spricht die deutsche Nationalversammlung die zuversichtliche Erwartung aus, in der Voraussetzung, daß der Rückzug der deutschen Bundestruppen nach dem Süden Schleswigs strategischen Gründen beizumessen sei, daß für die erforderliche Verstärkung des Bundesheeres in Schleswig-Holstein, so wie für die Sicherstellung des durch den erwähnten Rückzug den feindlichen Einfällen etwa blosgestellten nördlichen Schleswigs schleunige und wirksame Fürsorge getroffen werde.“ Variation des Gagern'schen. Im Vertrauen, daß die Regierungen ihre Schuldigkeit thun, wollen wir nichts thun. Und wie rührend er zu beschwören wußte, man möge ja doch nichts weiter thun, denn ‒ thun sei gefährlich! Fast hätte er bei seinem Antrage geweint, der gute Herr Heckscher, und wenig fehlte, daß auch Dahlmann weinte und die andern Herren Redner, und die ganze Paulskirche wäre auf's Haar ein großes Thränenbad geworden, so rührsam und allerliebst sprachen sie, so wohlgesetzt und überaus fleißig ausgeführt waren ihre Reden! die eine länger als die andere. Vogt aus Gießen fuhr in seiner gesunden praktischen Weise die Leute vom schönen Wort hart an, und verlangte höchst merkwürdiger Weise zu wissen, worüber man denn eigentlich rede und was man wolle? Er seinerseits schien das zu wissen, denn er sprach von einem bestimmten Antrage, den man stellen müsse, er wollte wissen, weshalb Jütland geräumt sei, wer den Befehl und aus welchen Gründen gegeben, er wolle den Befehl, die Truppen aus den feindlichen Rheinlanden und Baden zu ziehen, um sie gegen die Dänen zu führen und an die russische Gränze, die offen da liege, während man sogar „halboffiziell“ von einem russischen Kriege rede. Er wollte beim Frieden nicht bloß Schleswig und Holstein deutsch sehen, sondern auch </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0053/0001]
Neue Rheinische Zeitung.Organ der Demokratie.No. 12 u. 13. Köln, Dienstag 13. Juni 1848. Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an täglich. Der Raum des Blattes wird so oft es nöthig durch Beilagen erweitert. Der Abonnementspreis beträgt : Für das mit dem 1. Juli beginnende Vierteljahr in Köln 1 Thlr. 15 Sgr.; für alle übrigen Orte Preußens 2 Thlr. 3 Sgr. 9 Pf. Außerhalb Preußens mit Zuschlag des fremden Zeitungsporto's. Das Abonnement für den Monat Juni kann nur unter gleichzeitiger Bestellung des nächsten Quartals (Juli, August, September) geschehen. Der Preis dieses viermonatlichen Abonnements beträgt : Für Köln 2 Thlr.; auswärts 2 Thlr. 25 Sgr. Man abonnirt bei allen Postanstalten und Buchhandlungen des In- und Auslandes; ‒ für Köln in der Expedition der Zeitung bei Hrn. W. Clouth, St. Agatha 12, Köln, woselbst auch fernere Aktienzeichnungen entgegen genommen werden. Briefe und Zusendungen an die Redaktion sowie die Expedition werden von unbekannten Absendern nur frankirt angenommen. ‒ Insertionsgebühren. Für die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf.
Die Expedition der „Neuen Rheinischen Zeitung.“
Uebersicht.Deutschland. Köln.(Incompetenzerklärung der Versammlungen zu Frankfurt und Berlin. ‒ Die Nationalversammlung zu Frankfurt). Berlin. (Vereinbarungsdebatten. ‒ Camphausen in Gefahr. ‒ Emigration von Berlin nach Potsdam). Frankfurt. (Nationalversammlung vom 9. Juni. ‒ Gerücht über russische Kriegserklärung an Preußen. ‒ Minoritätsantrag für eine provisorische Regierung). Trier. (Nothstand des Regierungsbezirks. ‒ Interpellation an Hrn. Reichensperger). Heidelberg. (Wahl v. Hagen). Thüngen. (Wahl Heckers). Villingen. (Dito). Schleswig-Holstein. (Vom Kriegsschauplatz). Breslau. (Wollmarkt). Greifswald. (Protest). Elbing. (Protest). Dortmund. (Patriotisches Zeitungsprojekt). Wien. (Adresse der Steiermärkischen Deputirten. ‒ Ansprache des Kaisers an die Wiener. ‒ Beschränkung der Prügelstrafe. ‒ Ministerielle Bekanntmachung). Prag. (Die provisorische Regierung.)
Polen. Lemberg. (Militärregierung).
Italien. Mailand. (Verhaftungen. ‒ Bergamo. ‒ Gerüchte).
Französische Republik. Paris. (Die Partei des National und der Thierspartei. ‒ Sitzung der Nationalversammlung vom 8. Juni. ‒ Sitzung der Nationalversammlung vom 9. Juni. Straßburg. (Rüstungen. ‒ Postdekret).
Belgien. (Defizit).
Großbritannien. Manchester. (Fest zur Feier der Zehnstundenbill). London. (Unterhaussitzung vom 8. ‒ Die Chartisten. ‒ Maßregeln des Gouvernements. ‒ Die Times und der Norhern Star. ‒ Unterhaussitzung vom 9. ‒ Schluß der Debatten über die Schifffahrtsgesetze. ‒ Die Londoner Künstler. ‒ Die irische League).
Asien. (Aufstand der Sikhs in Lahore).
Amtliche Nachrichten. Für die Erörterung der in dem Ministerium der geistlichen Angelegenheiten schon früher angeregten und in der neueren Zeit in veröffentlichten Vorschlägen und Petitionen einzelner Lehrer zur Sprache gebrachten Frage,
in wie weit die höheren Lehranstalten einer der freien Gestaltung des Staatslebens entsprechenden Reform bedürfen und wie diese zu bewirken sein wird?
ist es von großer Wichtigkeit, die Ansichten und Wünsche aller an diesen Anstalten fungirenden Lehrer im Allgemeinen zu kennen und das Urtheil erfahrener Schulmänner zu benutzen. Der Minister der geistlichen etc. Angelegenheiten hat deshalb die Vernehmung der sämmtlichen Lehrer-Kollegien an den Gymnasien und den zu Entlassungs-Prüfungen berechtigten höheren Bürger- und Realschulen veranlaßt und zur weiteren Berathung über die Angelegenheit dieser Schulen eine aus Direktoren und Lehrern derselben bestehende Kommission berufen, welche sich im Laufe des künftigen Monats hier versammeln wird.
Berlin, den 8. Juni 1848.
Der Minister der geistlichen etc. Angelegenheiten.
Im Auftrage des Herrn Chefs
Ladenberg.
Deutschland. *Köln, 11. Juni. _ 19Köln, 12. Juni. (Die frankfurter Nationalversammlung.) Die zweite Abstufung ist ebensosehr von der Wehmuth der „Gesinnungstüchtigen“ entfernt, wie sie die schroffen Herausforderungen der äußersten Linken zu vermeiden sucht Franz Raveaux, der durch seine Anträge die Linke zu vertreten und durch seine freiwilligen Modifikationen den Centren zur „Verständigung“ zu helfen weiß, kann zu dieser Fraktion gezählt werden. Ihr gewandtester und erfolgreichster Sprecher ist Robert Blum, der als der Führer der ganzen Linken anzusehen ist. Seine Rede imponirt durch eine kalte Ruhe, eine Ruhe, die ihn auch dann nicht verläßt, wenn er in höchster Kraft des Ausdrucks seine niederschmetternden Anklagen der Rechten entgegenwirft. Als bei der Verhandlung über die Mainzer Angelegenheit der Antrag auf Abberufung der preußischen Garnison von der Linken durch Schilderungen des preußischen Soldatenübermuthes unterstützt, und von der Rechten durch Invektiven gegen die Mainzer Bürgerschaft angegriffen, trat Blum für den Antrag der Linken mit dem kurzen Bemerken dazwischen, daß es gar nicht auf Recht oder Unrecht, sondern auf vorläufige Trennung zweier streitenden Parteien ankomme. Seine Ausdrucksweise ist derb und körnig, aber er weiß stets, wie weit er zu gehen hat, und seine kalte Ruhe läßt sich durch keinen Eingriff in ihren Aussprüchen beirren. Der Präsident unterbrach ihn jüngst mit dem Bemerken, daß eine seiner Behauptungen zu weit gehe; Blum aber wendete sich um, und sagte: Herr Präsident, das ist eine Meinungsverscheidenheit zwischen Ihnen und mir
Auf der äußersten Linken finden wir ein buntes Gemisch der verschiedensten Elemente. Wer hätte erwartet, daß auch Arnold Ruge, der kühle blonde Denker, zu diesen „Aeußersten“ gehörte? Zwar haben wir den großen Mann, welcher nach Heine's trefflicher Charakteristik den Hegel ins Pommerische übersetzt, noch nicht auf der Tribune gesehen, aber Großes, Niegeschehenes steht uns noch bevor.
In seinem Wahlmanifest an die Breslauer, hat der denkende Weltanschauer die Aufgabe des Jahrhunderts im Allgemeinen und die Ruge'sche Deputirten-Aufgabe im Besonderen in den tiefgedachten Ausspruch zusammengefaßt: „Redigiren wie die Vernunft der Ereignisse!“ Auch sahen wir zweimal schon, als die Debatte in einen allgemeinen tobenden Sturm der Parteien ausgebrochen war, den Redakteur der „Vernunft der Ereignisse“ mit vielverkündender Lebhaftigkeit nach der Tribüne stürzen, wenn auch beidemal wieder vor den Stufen langsam und nachdenklich umkehren. Möge daher das harrende Volk sich beruhigen! Seine Erlösung, die Uebersetzung der „Vernunft der Ereignisse“ ist an den Stufen der Tribüne in der frankfurter Paulskirche angelangt! Wenn auch vielleicht
„Atta-Troll gleich, dem Tendenzbär,
Sehr schlecht tanzend, doch Gesinnung
Tragend in der zott'gen Hochbrust“,
ist der Redakteur der Vernunft der Ereignisse jedenfalls
Kein Talent, doch ein Charakter.
Herr Jordan aus Berlin, der bisher gleichfalls zu den Aeußersten gehörte, sieht sich gegenwärtig in seiner Stellung bedroht. Als Herr Jordan in einem märkischen, namenlosen Bezirk als Kandidat auftrat, wurde er gewählt unter dem Versprechen, für die konstitutionelle Monarchie zu wirken. Seine Wähler haben ihn in diesem Augenblick aufgefordert, ihre „Besorgnisse“ zu zerstreuen, und seinen Verheißungen nachzukommen. Was wird Herr Jordan thun? Wird er dem „Vertrauen“ seiner Wähler fernerhin nachkommen, oder wird er seine Deputirtenvollmacht niederlegen? Vielleicht wird er den Ausweg ergreifen, keines von beiden zu thun.
Der „Kern“ der Aeußersten, die Herren Zitz, Kapp, Titus, Rühl, Vogt, Peter (der Exstatthalter Hecker's), Brentano und die übrigen aus Baden noch erwarteten Deputirten, bildet eine Opposition von Bedeutnng. Von denjenigen, welche, wenn die Minorität zur Gewalt komme, auch zur Thatkraft und Organisation zu schreiten wüßten, ist Schloeffel wohl der Erste.
Bei dem Resultat der bisherigen Abstimmungen war der Einfluß eines Mannes nicht zu verkennen, den sich die Majorität zu ihrem Präsidenten erkoren hat. Der „edle Gagern“ hat diese „hohe Auszeichnung“ nur dem Tod seines Bruders zu verdanken, welcher in dem Kampf für die Fürsten gegen die Vorkämpfer der deutschen Republik fiel; seine Wahl konnte und sollte für die reaktionäre Majorität nur eine Demonstration sein. Die Art, wie Ehren-Gagern bisher die Debatte leitete, hat bewiesen, daß er wenigstens nicht undankbar ist. Bei der Verhandlung über die Mainzer Angelegenheit, wo es sich darum handelte, ob ein preußischer General in einer hessischen Stadt, die zufällig auch Bundesfestung ist, das Recht habe, die von der Landesregierung garantirte Preßfreiheit und Bürgerbewaffnung zu suspendiren, und wegen eines, noch dazu von ihm selbst provocirten Kampfes Einzelner mit Einzelnen eine ganze Stadt mit Mord und Brand zu bedrohen, bei dieser Frage hat der „edle Gagern,“ der wahrscheinlich als hessischer Minister kompromittirt zu werden fürchtete, die Ehre des „unparteiischen Präsidenten“ so weit dem mitschuldigen Minister geopfert, daß er den Abgeordneten Zitz mit einer persönlichen Beleidigung unterbrach; er hat bei dieser und zwei andern Gelegenheiten die Fragestellung im Interesse seiner wohlgesinnten Majorität eskamotirt, indem er statt des weitern dem engern Antrag die Priorität gab, und so die Minorität zwang, aus Furcht daß der weitere vielleicht durch die Centren zum Fall gebracht würde, wenigstens dem engern Antrag ihre Stimmen zu geben. Dafür hat Ehren-Gagern den Dank der wohlgesinnten Pfahlbürger erworben, welche ihm ihre Rührung mit Fackelglanz und Hornmusik vors Haus trugen, und mit Entzücken seinen salbungsvollen Erbauungssegen einsogen. Wie ein alter Wetterfrosch hat er sich zuweilen auch der Linken zugeneigt, da nämlich, wo auf einen Antrag nichts ankam, und wo die Centren voraussichtlich mit der Linken stimmten. Die Centren, und auch die Linke haben solchem rücksichtsvollen Benehmen jedesmal die gebührende Akklamation gezollt, denn
‒ ein solches Benehmen
freut einen jeden Biedermann sehr,
Biedermann, Bassermann, Eisenmann sehr.
Der „edle Gagern“ ist somit der Mann des Tages; ein Band seligen Verständnisses umschlingt ihn mit der Versammlung; er ist der Versammlung werth, wie die Versammlung seiner werth ist.
Es steht zu hoffen, daß die Lebenstage der Frankfurter Nationalversammlung still und schmerzlos hingehen werden.
XBerlin, 9. Juni. Gestern hatte der Berends'sche Antrag gesiegt. Heute unterlag er mit 177 Stimmen gegen 196. Hr. Hansemann hatte die Zeit benutzt und seine schlesischen Bauern abgefüttert, so daß die Dankbaren wie ein Mann gegen die Anerkennung der Märzrevolution stimmten. Das ministerielle Banket war jedenfalls entscheidender als die augenverdrehende Beredsamkeit des Pietistenpredigers Jonas, der sich vernehmen ließ, wie folgt:
Er sei der Ueberzeugung, daß man zur Tagesordnung übergehe. Es sei hier von einer Anerkennung der Revolution die Rede. Es sei auseinandergesetzt worden, was Revolution bedeutet. Es kamen jedoch dabei Verwechselungen vor, man scheidet nicht scharf genug zwischen Reform und Revolution. Eine Reform werde hervorgerufen durch die lebendige Ueberzeugung mit Uebereinstimmung des Gesetzes, Revolution dagegen durch eine prinzipielle Ueberzeugung auf dem Wege der Gewalt. Hier sei aber weiter nichts, als eine Aenderung der Verfassung geschehen. Diese Veränderung sei groß, wir sind vom absoluten zum konstitutionellen Königthum übergegangen. Es gebe gewiß Niemand, der dies freudiger begrüßt, als er. Wir bedürften derselben, damit die Regierung Nichts ohne das Volk, sondern Alles durch und für das Volk thue. Frägt man: wie diese Veränderung zu Stande gekommen, so antwortet man durch den 18. und 19. März. Er wolle die Kämpfer nicht herabsetzen, sie standen gegenüber einer großen Armee (Ruf: z. Sache); das gereiche ihnen und dem Volke zur Ehre (wiederholter Ruf auf auf beiden Seiten. zur Sache); aber trotzdem könne die That nicht als ein sittliches Vorbild aufgestellt werden. Die Revolution läuft unserem religiösen und sittlichen Gefühl schnurstracks entgegen. (Stürmischer Ruf von allen Seiten: abtreten; es wird vielseitig dagegen protestirt den Redner weiter sprechen zu lassen.) Seiner Beurtheilung nach kann man die Anerkennung der Revolution nicht als sittliches Vorbild aussprechen. Er bestreitet der Versammlung das Recht über die Frage abzustimmen. Ueber sittliche Prinzipien könne keine Versammlung abstimmen, es sei eben so, als wolle man darüber abstimmen, ob es einen Gott gebe. (Lärm und Toben).
Der Abgeordnete Zachariä hatte nämlich den Antrag gestellt: „In Erwägung, daß das Verdienst der Kämpfer des März unbestritten ist, und daß die hohe Versammlung nicht berufen ist, Urtheile auszustellen, sondern die Verfassung zu vereinbaren, beschließt die Versammlung zur Tagesordnung zu überzugehen.“
Die Linke hob nicht genug hervor, daß die Versammlung mit Annahme dieser motivirten Tagesordnung ihre eigene Competenz beschränkt hat und die das Grundprinzip des vorgelegten Verfassungsentwurfs votirt hat. Sie hat nun erklärt, daß ihr Beruf darin besteht, die Verfassung zu „vereinbaren“, das heißt, einen Compromiß mit dem Königthume abzuschließen.
Die terroristische Rechte, an deren Spitze die rheinischen Juristen stehen, ließ heute wieder Jacobi nicht aussprechen, dessen Ruhe und Gemessenheit allerdings diesen Pfahlbürgern Achtung einflößen könnte.
Sie fürchtete eben seine schneidende Logik und darum griff sie wieder zu den alten Mitteln, sie scharrte und lärmte auf alle Weise. D'Ester wußte einmal mit seiner kräftigen Stimme, trotz des Lärms, der sich gegen ihn erhob, durchzudringen und erwarb sich dabei den stürmischen Beifall der Linken, indem er gegenüber dem Minister Hansemann die Versammlung darauf aufmerksam machte, daß nicht durch die Annahme des Berends'schen Amendements, sondern durch die Verwerfung desselben die Ruhe des Landes gefährdet sei.
Im Volke herrschte eine allgemeine Erbitterung über diesen Beschluß. Es hatte sich vor der Singakademie haufenweise zusammengeschaart, in der unzweideutigen Absicht, dem Minister Camphausen einem sehr summarischen Lynchverfahren zu unterwerfen. Zwei Blousenmänner waren sogar in den Sitzungssaal eingedrungen. Zum Glück für Herrn Camphausen wurden auf den Schrei „die Minister kommen,“ der Minister v. Arnim und der Prediger Sydow, die zuerst sich präsentirten, durch ein mit Stößen und Insulten begleitetes Fangspiel von der Singakademie bis in die Universitäts-Aula expedirt. Die Masse verzog sich nun von der Singakademie nach der Aula und so entwischte Camphausen und Hansemann. In der Aula befreiten die Studenten Herrn v. Arnim. Sie und einige Abgeordnete der Linken warnten vor solchen Schritten. Stimmen aus dem Publikum: „Man hat uns keinen andern Weg gelassen.“ Vielleicht giebt dieser Vorfall der Versammlung den Vorwand, einen längst von ihr gehegten Wunsch ‒ die Verlegung der Versammlung von Berlin nach Potsdam ‒ zu verwirklichen. Unterdessen sind schon sämmtliche Kostbarkeiten und werthvolle Mobilien unserer Aristokraten und Bourgeois von Berlin nach Potsdam emigrirt und die Herren haben daselbst ihr Hauptquartier aufgeschlagen, während sie Berlin im Fluge auf einige Stunden mit ihrer Gegenwart beehren. Die Gährung ist außerordentlich und in einigen Tagen werden wir ein Ministerium Arnim besitzen, wenn die gewaffnete Gewalt siegt oder eine zweite Revolution wird eklatiren, deren Existenz nicht so problematischer Natur ist, wie die Märzrevolution nach der Ansicht unserer Versammlung und ihrer Minister ist. Wie die Würfel auch fallen mögen, das Ministerium Camphausen ist verloren.
*Frankfurt a/M., 10. Juni. Wiederum ein Mißtrauensakt gegen das Volk, wiederum ein Vertrauensakt gegen den deutschen Bund! Doch, Gagern hat ja bei dem Raveaux'schen Antrage behauptet, kein Beschluß könne der Nationalversammlung Schande machen.
Die schleswig'sche Angelegenheit war's, um die es sich heute handelte. Schon in dem Umstande, daß Heckscher Berichterstatter war, lag eine schlimme Vorbedeutung. Heckscher macht es wie Biedermann, er spricht über alles mit der gründlichsten Breite, hütet sich aber stets vor die Pointe. Doch heute dürfte die Pointe nicht fehlen; er war ja Kommissions-Berichterstatter, er mußte ex officio einen Antrag stellen, und so stellte er denn nach einer vier enggedruckte Seiten langen historischen Vorlesung den folgenden:
„Die deutsche Nationalversammlung erklärt, daß die schleswigsche Sache, als eine Angelegenheit der deutschen Nation, zu dem Bereich ihrer Wirksamkeit gehört und verlangt, daß bei dem Abschlusse des Friedens mit der Krone Dänemark das Recht der Herzogthümer Schleswig und Holstein und die Ehre Deutschlands gewahrt werde.“
Dazu:
„Auch spricht die deutsche Nationalversammlung die zuversichtliche Erwartung aus, in der Voraussetzung, daß der Rückzug der deutschen Bundestruppen nach dem Süden Schleswigs strategischen Gründen beizumessen sei, daß für die erforderliche Verstärkung des Bundesheeres in Schleswig-Holstein, so wie für die Sicherstellung des durch den erwähnten Rückzug den feindlichen Einfällen etwa blosgestellten nördlichen Schleswigs schleunige und wirksame Fürsorge getroffen werde.“ Variation des Gagern'schen. Im Vertrauen, daß die Regierungen ihre Schuldigkeit thun, wollen wir nichts thun. Und wie rührend er zu beschwören wußte, man möge ja doch nichts weiter thun, denn ‒ thun sei gefährlich! Fast hätte er bei seinem Antrage geweint, der gute Herr Heckscher, und wenig fehlte, daß auch Dahlmann weinte und die andern Herren Redner, und die ganze Paulskirche wäre auf's Haar ein großes Thränenbad geworden, so rührsam und allerliebst sprachen sie, so wohlgesetzt und überaus fleißig ausgeführt waren ihre Reden! die eine länger als die andere. Vogt aus Gießen fuhr in seiner gesunden praktischen Weise die Leute vom schönen Wort hart an, und verlangte höchst merkwürdiger Weise zu wissen, worüber man denn eigentlich rede und was man wolle? Er seinerseits schien das zu wissen, denn er sprach von einem bestimmten Antrage, den man stellen müsse, er wollte wissen, weshalb Jütland geräumt sei, wer den Befehl und aus welchen Gründen gegeben, er wolle den Befehl, die Truppen aus den feindlichen Rheinlanden und Baden zu ziehen, um sie gegen die Dänen zu führen und an die russische Gränze, die offen da liege, während man sogar „halboffiziell“ von einem russischen Kriege rede. Er wollte beim Frieden nicht bloß Schleswig und Holstein deutsch sehen, sondern auch
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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