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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 9. Köln, 9. Juni 1848.

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zwischen der Furcht vor der Aristokratie und der radikalen Partei, an deren Spitze man in Schlesien den Grafen v. Reichenbach und den Baron v. Aucker zu sehen meint. Diese Partei sucht ihren Stützpunkt in der Masse des Volkes, das allerdings durch das Verhältniß der Gutsherrlichkeit in einen solchen Zustand der Verarmung gekommen ist, daß Tausende in Oberschlesien vor Hunger sterben. Der gebildete Theil der Bürgerlichen, welcher vorher am meisten vor den Uebergriffen der Aristokratie warnte, wird jetzt eben so von den Proletariern gehaßt, wie mancher vom Adel, da diejenigen, welche auf diese wirken wollen, die Bourgeoisie als einen eben so gefährlichen Feind der Armen darstellen, als die Aristokratie. Am praktischsten sind noch die oberschlesischen Bauern gewesen, diese haben ihre Abgeordneten, Standesgenossen, dahin instruirt, daß sie die gänzliche Befreiung von dem gutsherrlichen Verhältniß mitbringen müßten; sonst würden sie todtgeschlagen. Sie wollen dem Könige geben, was sie sollen, auch ihren Gläubigern, was sie schuldig sind, mithin auch dem bisherigen Grundherren, aber nur als Gläubiger, nicht als Polizeiherren. Man sieht wie wenig man verstanden hat, sich durch das sogenannte patriarchalische Verhältniß beliebt zu machen.

(O.-P.-A.-Z.)
Posen, 3. Juni.

Alle Nachrichten aus dem benachbarten Königreich Polen lauten außerordentlich kriegerisch, denn es unterliegt keinem Zweifel, daß die halbe russische Armee gegenwärtig in Polen und Litthauen konzentrirt ist. Glaubwürdige hiesige Kaufleute, welche nach vielen Schwierigkeiten vom Fürsten Paskewicz die Erlaubniß zum Ueberschreiten der Gränze erlangt hatten, geben die dortigen russischen Streitkräfte auf 300,000 Mann an. Unsere Militärbehörden scheinen auch nicht ohne Besorgnisse zu sein, weil seit einigen Tagen mit ungeheuren Kräften an der Herstellung unserer Festung gearbeitet wird; alle Arbeiter, die sich nur melden, werden angenommen. Freilich ist unsere Stadt nicht eher hinlänglich geschützt, als bis das Karmeliter-Fort und die Werke am Berliner Thor beendigt sind, indem dann erst die Enceinte, die bis jetzt noch ein Drittel der Stadt ziemlich offen läßt, geschlossen ist. - Unsere Militärbehörde scheint die Ueberzeugung gewonnen zu haben, daß es nothwendig sei, die eingebornen Truppen, meistens die Landwehr, aus der Provinz zu entfernen; der größere Theil derselben, auch Artillerie, ist nach Schlesien und den westlichen Provinzen verlegt. - Die Reorganisation des polnischen Theils unserer Provinz ist völlig stationär geworden, da kein Pole eine Beamtenstelle dort annehmen will; auch der Landrath von Twandowski hat das Präsidium abgelehnt. Was nun? Das deutsche Comite verlangt die Vertheilung der deutschen Kreise unter die angränzenden Provinzen; die hiesigen Kommunalbehörden, so wie alle Gewerbetreibenden im Großherzogthum sind entschieden dagegen, weil sie den Ruin der Stadt Posen als natürliche Folge davon voraussehen.

(O.-P.-A.-Z.)
Mainz, 6. Juni.

Der Beschluß der deutschen Bundesversammlung vom 2. d. M. über die traurige Angelegenheit unserer Stadt hat hier einen Eindruck gemacht, der nicht zu beschreiben ist. Man hat denselben mit eisiger Ruhe aufgenommen und bewundert zugleich den kühnen Humor der Bundesversammlung, mit dem sie sich auch in diesem Beschlusse auf das Reglement der Bundesfestung beruft, das hier Niemand kennt und welches von den hiesigen großh. hess. Behörden deßhalb nicht publicirt werden kann und darf, weil die großh. hess. Staatsregierung diesem Reglement die Sanction verweigert hat.

(F. J.)
Mainz, 7. Juni.

Wie man vernimmt, sollen in den Ortschaften in der Umgegend unserer Stadt bairische und kurhessische Truppen einquartirt werden. Auch ist bereits nach Alzei und Bingen eine hessen-darmstädtische Garnison gelegt worden. Was diese außergewöhnlichen Maßregeln bedeuten mögen? Sind es die Franzosen, welche unserem Ministerium Schrecken verursachen? Oder hat dasselbe wohl gar Furcht vor republikanischen Schilderhebungen?! Jedenfalls wäre es in dieser Beziehung eine Pflicht der Dankbarkeit aller deutschen Regierungen, die großh. hessische Regierung, die so bereitwillig ihre Truppen zur Verfügung gestellt hat, um ganz Deutschland vor der Republik zu bewahren, auf dieselbe Weise zu unterstützen. Scheint es doch eine solidarische Verpflichtung der vaterländischen Regierungen, die Freiheitsgelüste des Volkes im Keime zu ersticken! -

- Die hiesigen Militärpflichtigen, welche für dieses Jahr einberufen worden, sind gestern Abend zusammengetreten, um gemeinschaftlich die Schritte zu berathen, die sie zur Wahrung ihrer Interessen für nöthig erachten. Sie haben beschlossen, eine Protestaion gegen die Einberufung zur Musterung abzusenden und vor tder Promulgation einer allgemeinen deutschen Heer- und Wehrordnung durch die Nationalversammlung sich zur Aushebunng nicht zu stellen. Gleichzeitig fordern sie alle Konskribirten aus dem Lande auf, ähnliche Schritte einzuleiten. Heute Abend findet dahier eine weitere Besprechung statt.

(Mz. Z.)
Mainz, 7. Juni.

Von dem Berliner demokratischen Vereine ist eine in einer Versammlung von 4000 Mitgliedern einstimmig angenommene Adresse an die Mainzer Bürger eingelaufen, worin in energischen Worten die Sympathie des Berliner Volkes für die Stadt ausgesprochen und das Verfahren des Militärgouvernements entschieden mißbilligt wird.

Bruchsal, 1. Juni.

Unser Stadtgespräch hat sich natürlich diese Zeit hindurch auch viel mit den gefangenen Republikanern beschäftigt, die jetzt noch über 600 an der Zahl im neuen Central-Penitenzian-Gefängniß und gegen 120 im Frauen-Gefängniß hier in der Stadt befindlich sind. In dem einer kleinen Festung gleichenden, nach dem Modell der Londoner Penitentiary's gebauten hiesigen Zellengefängniß befinden sich außer 400 jungen Leuten, der pariser deutschen Legion, auch eine Menge Bürger, Studenten und Bauern aus Freiburg, Konstanz, Mannheim, Heidelberg, Sinsheim, Sulzfeld u. s. w. Hoff, Grohe, Adv. v. Rottek befinden sich in einem Flügel, jedoch jeder getrennt in besondern Zellen.

Die Behandlung, welche die Gefangenen erleiden, im höchsten Grade zu tadeln. Viele Wochen haben die Leute in kleinen Zellen eingesperrt gelegen, ohne je spazieren geführt zu werden; jetzt, nach einem Protest, welchen Bornstedt an unsere zweite Kammer richtete, welche Schrift aber der Justizminister nicht an Ort und Stelle gelangen ließ, sondern entsetzlich in Beschlag nahm, soll eine Untersuchungs-Kommission vor einigen Tagen aus Karlsruhe angelangt sein, und die Gefangenen besucht haben.

Viele hatten auf Stroh liegend Ungeziefer bekommen. Es fehlt noch jetzt theilweise an Decken und Matrazen. Sollte man es glauben - drei Wochen hat Bornstedt auf der Erde schlafen, liegen, schreiben und essen müssen, da man ihm weder Tisch noch Stuhl gab, weder Messer noch Gabel zum Essen!!! Noch jetzt hat kein einziger Gefangener ein Geschirr, um sich zu waschen, und in 2/3 der Zellen sind die Deckel zum Zumachen des Nachtgeschirrs nicht einmal da! Ist eine solche Behandlung nicht empörend? Mehr noch, jetzt sind die unglücklichen Gefangenen bald einen Monat ohne Bewegung, in einigen Zellen zu 4 und 5 zusammengepreßt, alle noch immer ohne auch nur einmal verhört worden zu sein!! Wo bleiben denn Gesetz, Humanität, wo auch nur die gewöhnlichste Beobachtung der Billigkeit. - Ein junger Franzose Namens Xavier aus Charlon sur Marne ist hier bereits im Zellengefängniß durch die Behandlung verückt geworden, und hat man ihn etwa freigelassen oder in ein Irrenhaus gebracht? Keineswegs. Man läßt ihn ohne ärztliche Behandlung allein in einer Zelle. Dem Verwalter des Gefängnisses, Hrn. Arnold, sollen keine Vorwürfe deshalb zu machen sein, da die obere Behörde in Karlsruhe Alles zu vollziehen hat.

Wie übrigens der Militär-Despotismus jetzt in unserm Lande herrscht, kann folgendes Beispiel lehren. Plötzlich kommt vor einigen 14 Tagen dem Verwalter des Gefängnisses ein Befehl des würtembergischen Generallieutenant v. Miller aus Lörrach zu, dem Gefangenen Adalbert v. Bornstedt aus Stendal "sämmtliches "Geld, was er besitzt, und was beim Verwahrer Arnold deponirt "sei (40 Gulden) wegzunehmen, indem solches den Soldaten als "Kriegsbeute zu vertheilen sei, welche den v. Bornstedt gefangen "genommen!"

Also in einem badischen Gefängnisse verordnet ein würtembergischer General nachträglich Konfiskationen!! Auf die Summe, und ob sie groß oder klein, kommt es gar nicht an. Die Thatsache selbst ist unerhört!

Uebrigens ist es jetzt ist unserem ganzen badischen Lande bekannt, welche Excesse sich die würtembergischen Soldaten des 1. und 6. Infanterie-Regiments, auch die Ulanen, den gefangenen, entwaffneten Leuten der Pariser Deutschen Legion gegenüber erlaubte. Nicht blos haben die Würtemberger den Gefangenen nach Willkür all' ihr Gepäcke, vielen alles Geld u. s. w. abgenommen, sondern Unbewaffnete sind, wie ein gewisser Kessler aus Trier zu Bulgen am Rhein niedergestoßen worden. Leichname sind mißhandelt, Gefangene mit Säbelhieben, Kolbenstößen und Bajonettenstichen, (die rohesten Schimpfwörter verstehen sich als Beithat von selbst) überhäuft worden. Auf Fliehende, die unbewaffnet waren, wurde geschossen. Franzosen, die kein Wort deutsch sprachen, wurden auf das Empörendste mißhandelt, weil sie die exaltirte Soldateska nicht verstanden. Die Würtemberger plünderten selbst die Leichname auf dem Schlachtfelde, Todte wurden noch verstümmelt. Die Bauern aus drr Umgegend wissen über diese Gräuelscenen viel zu erzählen.

Und das nennt man die öffentliche Ruhe und Ordnung wiederherstellen! -

Die Gerichtssitzungen zu Freiburg versprechen interessant und belehrend zu werden.

Hoffen wir, daß die Richter und Geschworenen ihre Mission verstehen, und sich nicht zu Werkzeugen der Reaktion werden gebrauchen lassen.

Nächste Woche, heißt es, soll die Untersuchungs-Kommission aus Freiburg hier anlangen, um die Gefangenen zu verhören. Es ist in der That hohe Zeit. In England und Frankreich dürfte es ein Regierung nicht wagen, 600 und mehr politische Gefangene einen Monat land ohne Verhör im Zellen-Gefängniß wie Sträflinge, Diebe und Mörder zu behandeln!

(Mannh. A. Z.)
Prag, 30. Mai.

Die Prager Ztg. enthält eine Bekanntmachung des Grafen Leo Thun, worin die Gewähr der Bitte um Zulassung zur Theilnahme am nächsten Landtag für die nicht den Landständen angehörigen Besitzer landtäflicher Güter veröffentlicht wird. Böhmen soll zu diesem Zwecke in 5 Bezirke getheilt werden, in deren jedem die Gutsbesitzer 4 Landtagsabgeordnete wählen. - Während die Abgeordneten zum Slavenkongreß, worunter viele Polen und Südslaven, unter festlichem Empfang immer zahlreicher einziehen, bringt die heutige Nummer der Narodni Nowiny das Programm der Versammlung. Die ankommenden Slaven werden in drei Abtheilungen eingezeichnet, deren erste (sbor) die Böhmen, Mähren, Schlesier und Slowaken, die zweite die Polen und Ruthenen, die dritte die Slowenen, Kroaten, Serben und Dalmatier umfaßt. Drei Vertrauensmänner nehmen jeden der Eingeschriebenen in die Abtheilung auf. Jedem Mitglied steht durch eine Karte der Zutritt zu allen drei Abtheilungen offen. Jede Abtheilung wählt aus sich 16 Kongreßausschußmitglieder, einen Präsidenturkandidaten, einen Kongreßsekretär und dessen Ersatzmann. Die vereinigten drei Ausschüsse ernennen aus den drei Kandidaten den Präsidenten (starosta), die beiden andern Kandidaten sind Vicepräsidenten. Am 1. Juni wird der Kongreß eröffnet. Die Verhandlungsvorlagen werden in der vom kleinen Ausschuß festgestellten Ordnung berathen. Jede beendete Verhandlung einer Abtheilung wird dem Kongreßpräsidenten mitgetheilt, zu gemeinschaftlichen Beschlüssen gehört die Zustimmung aller drei Abtheilungen. Kommt eine solche zu Stande, so wird dieselbe vom kleinen Ausschuß in öffentlicher Sitzung bekannt gemacht; stellen sich unbedeutende Differenzen heraus, so bewirkt der große Ausschuß die Ausgleichung; bedeutende Differenzen bedingen eine nochmalige Berathung in den Abtheilungen. In jeder öffentlichen Sitzung des Kongresses werden die Abtheilungsverhandlungen verlesen und vertheilt, dann die gefaßten Beschlüsse vorgetragen und von den Mitgliedern durch Aufstehen bestätigt. Diese Beschlüsse werden dann auch in deutscher Sprache verkündet.

(A. A. Z.)
Prag, 31. Mai.

Die Abgeordneten des Slavenkongresses, der morgen mit einem Gottesdienst in der Methodiuskapelle der Teynkirche eröffnet werden soll, sind gestern Nachmittag in großer Anzahl mit dem Eisenbahnzug aus Wien angekommen, und nun wimmelt es in den Gassen von seltsamen Trachten, schönen, aber unheimlich wilden Gestalten, südlichgebräunten Gesichtern. Tschechische und panslavische Fahnen, blau, roth und weiß werden durch die Gassen getragen. Mitglieder des Studentenkorps: Slavia- und der Swornostgarde geben den Gästen das Geleite. Die böhmischen Zeitungen liefern heute ein Programm des Kongresses in Bezug seiner Sektionen und Sitzungen; die eigentlichen Fragen mit denen er sich beschäftigen will, sind noch nicht veröffentlicht, aber es ahnt sie jeder. Es gilt auf den Trümmern der Monarchie ein großslavisches Reich mit Hinzuziehung der außer Oesterreich wohnenden Serben zu bauen, ein Reich, welches das Riesengebirge und die Karpathen, das adriatische Meer und den Balkan zu Gränzen haben soll. Wäre es nur eben so leicht zu schaffen wie zu dekretiren; die guten Panslavisten machen ihre Rechnung ohne an Deutschland, die Magyaren und die Russen zu denken! Der Bann von Croatien, Jellachich, der hinter all dem Treiben dieses Slavenkongresses steckt, hat an den hiesigen Nationalausschuß eine Zuschrift in illyrischer Sprache erlassen, in welcher er das "Brudervolk der Böhmen" auffordert, den Landtag der vereinigten Königreiche Slavonien, Croatien und Dalmatien, der für den 5. Juni angesagt, durch Zusendung von Deptirten zu "verschöneren." Der Nationalausschuß erwiederte diese Galanterie des Bann, indem er ihn ebenfalls in einer Zuschrift bat auch der Bann möchte seinerseits Deputirte ad audiendum zum Prager Landtag schicken,

(A. A. Z.)
Polen.
Lemberg, 27. Mai.

Die Lemberger Garnison hat, mit der Unterschrift aller Offizieren, einen Aufruf an die Armee erlassen, worin sie dem Wiener Treiben auf das entschiedenste entgegentritt. Sie erklärt sich gegen die anmaßende Gewalt einer kleinen Fraktion welche den Staat "anarchischer Entfesselung rathlos in die Arme schleudert." Dagegen aufzutreten sei die Armee als staatsbürgerliche Genossenschaft, wie als fest geschlossene Macht moralisch und politisch verpflichtet, es sei ihre Aufgabe sich dorthin zu stellen wo sie Kaiser und Vaterland schirmen könne. Schließlich faßt der Aufruf die Entschließung der Soldaten in die Worte zusammen: "Wir wollen Ordnung, wir wollen Recht, wir wollen das hohe Gut unserer Konstitution in weitester Ausdehnung, jedoch in männlichkluger, geregelter Entwicklung auf das schärfste bewachen." Daß sich diesem Entschluß die ganze Armee anschließen werde, ist die Hoffnung in welcher dieser Aufruf von der Lemberger Garnison erlassen worden.

(A. A. Z.)
Ungarn.
Pesth, 28. Mai.

Unter den neuesten ministerillen Erlassen scheint der wichtigste jener welcher die Ruhestörer, beziehentlich die Gemeinden, für die Transport- und Verpflegungskosten der Truppen verpflichtet deren Sendung durch die Ruhestörungen veranlaßt wurde. Wiener Blätter berichten daß die Stadt Pesth 300,000 Fl. ohne Zinsen, der Ministerpräsident Barthyanyt 1 Mill. dem Staate darleihen, und Fürst Esterhazy demselben seine Schatzkammer zur Verfügung stellen wolle, um darauf seine hypothekarische Anleihe zu nehmen. Uedrigens nahm die Besorgniß vor den Slaven immer zu. Die Agramer Ztg. meldete bereits daß man in Agram das Bild des Palatins verbrannte, und an den Ka ser die Erklärung sandte, daß man Gut und Blut für völlige Selbstständigkeit der kroatischen Nation zu opfern bereit sei falls Kroatien den Ungarn preisgegeben werden solle. Noch bedenklicher sind die Nachrichten aus Neusatz. Als dort der ministerielle Kommissär v. Esernowicz nicht in die Aufhebung des Standrechts währen des Kirchenkongresses willigte, verlegte man diesen nach Carlowitz und verbrannte die zur Ruhe mahnende Proklamation des Regierungskommissärs. Darauf folgte die Wahl des Obersten Suplikatz zum serbischen Woiwoden, und des Carlowitzer Erzbischofs zum Patriarchen. In den Bezirk der Woiwodschaft gehören Syrmien, die Komitate Bacs, Baranya und Veröcze. An 600 bewaffnete Serben kamen aus Serbien zur Carlowitzer Versammlung, und eine Deputation von 200 Mann soll nun dem Kaiser die Wünsche der Serben vortragen. Man will das ungarische Ministerium durchaus nicht anerkennen. In Pesth aber glaubt man die Wiener Regierung von allen diesen Vorgängen unterrichtet, und argwöhnt diese suche in einer slavischen Monarchie den letzten Rettungsanker oder ein Mittel Ungarn zur Wiederunterwerfung zu bringen. Ueberdieß zeigen auch die in Pesth garnisonirenden Illyrier und Kroaten starke Sympathien für den Banus Jelachich. Außerdem herrscht, nach Briefen der D. A. Z., in Ungarns nördlichen (Trentschiner, Arvaer, Thurotzer, Liptauer) Komitaten eine völlige Anarchie, welche sich besonders gegen die Juden und alle Besitzenden richtet, nebenbei aber auch starke Sympathien für die Posener Polen zeigt. Ferner läuft aus Kronstadt, 18. Mai, das Ergebniß einer von 10,000 Menschen besuchten Versammlung in Blasendorf ein. Es war keine Union mit Ungarn; gleiche Rechte und Freiheiten wie die übrigen siebenbürgenschen Nationen auch für die Walachen, die Landtagsverhandlungen sollen ungarisch, deusch und walachisch geführt werden, die Walachen geloben dem österreichischen Kaiserhause unverbrüchliche Treue. Mit diesen Beschlüssen sollten Deputationen nach Wien und Klausenburg abgehen.

(A. A. Z.)
Belgien.
20Brüssel, 7. Juni.

Seit zwei oder drei Jahren sind 11 bis 12,000 Fr. den Generalen und oberen Offizieren zugewiesen, die sich zu dem Manöver auf das Feld von Beverloo begeben. Die Manöver von Beverloo existiren seit 1815, die Gehaltszulagen erst seit dem liberalen Ministerium, das die Monarchie auf breitester demokratischer Unterlage, die belgische Muster-Konstitution zu einer Wahrheit gemacht hat. Der Generalkommandant des Feldlagers z. B., bezieht, außer seinem gewöhnlichen Gehalt von 46 Fr. 30 Ct. per Tag, 100 Fr. täglich für ausgesuchte Gerichte und feine Weine, außerdem 14 Feldrationen und Feuragerationen. (Nation) Und Herr Baron von Chazal sollte nicht Recht haben, wenn er die Armee den schönsten Ring in der Kette der belgischen Institutionen nennt?

- In Brüssel fand eine kleine Emente statt, unter den am neuen Hypgodrom beschäftigten Erdarbeitern.

* Verviers, 7. Mai.

Es existiren hier jetzt 5 Clubs. Der letzte hat sich so eben gebildet; die Societe liberale antirepublicaine.

Niederlande.
*Haag, 7. Juni.

Holland scheint wirklich in Noth zu sein. Unsere Minister wissen kaum mehr wo ihnen der Kopf steht. Vorgestern Staatsrathssitzung, nachher langer Ministerrath; gestern wieder Ministerrath, heute morgen abermals Ministerrath und gleich darauf Staatsrathssitzung unter dem Präsidium des Königs.

Französische Republik.
*Paris, 6. Juni.

Der Versuch, Louis Blanc in Anklagezustand zu versetzen, war nur das Vorspiel einer Anklage gegen die exekutive Kommission, von der man erwartete, daß sie sich gleich beim Beginn der Debatte zurückziehen würde. Der 2. Juni sollte ein 9. Thermidor werden. Man begann mit Louis Blanc, weil man die großen Antipathien der Bourgeois-Majorität gegen ihn mit richtigem Instinkte heraufgefühlt hatte. Marrast, der ehemalige Redakteur des National, der Republikaner en gants jaunes, der Gentilhomme von der Feder und der Ritter von der Phrase, war Chef des Komplotts, das im ehemaligen Palais royal, jetzigen Palais national seinen Sitz hatte. Hier thronte er unter 200 Repräsentanten, mit der ganzen Würde eines Mannes, der sich als gouvernementaler Mann der Situation fühlt. Plötzlich im Augenblicke der Entscheidung in der Sitzung vom 2. Juni, blies Marrast zum Rückzug. Er erinnerte sich nicht, Louis Blanc am 15. Mai im Hotel de ville gesehen zu haben. Woher diese plötzliche Sinnesänderung? Es war Herrn Marrast unter der Zeit bange geworden vor der alten dynastischen Partei, namentlich vor der in der Bourgeoisie neuauftauchenden Popularität des greisen Gamin Thiers. Und Herr Marrast erinnerte sich, daß man Lamartine gegen Ledru-Rollin benutzt, um Herrn Marrast und die ganze Partei des National an's Ruder zu bringen. Ebenso war man im Begriff, ihn, Herrn Marrast, gegen die exekutive Kommission zu benutzen, um Herrn Thiers und Odillon-Barret mit der Milchstraße von Duvergier, Remusat u. s. w. hinter ihnen an die Regierung zu bringen. Welchen Dank Lamartine dafür einerntet, daß er sich dazu hergab, die Contrerevolution zu stylisiren, mögen Sie aus folgender Apostrophe sehen, die das "Pamphlet" - der "Globe" des Herrn Thiers - an ihn richtet:

"Lamartine, aufgepaßt! Frankreich hat Sie zu sehr geliebt, um Sie je nur halb hassen zu können. Sie waren sein Lieblings-Dichter, sein Redner, sein Geschichtschreiber, sein Leiter, es hat Ihnen zugeklatscht, es hat Sie in seine Arme gepreßt! Aber Sie entfernen sich vom Kapitol, sie gehen dem tarpegischen Felsen zu! Kehren Sie um Lamartine, danken Sie den Göttern, das Vaterland vor der Anarchie und der rothen Fahne gerettet zu haben. Es ist vielleicht noch Zeit. Im Namen Frankreichs, Lamartine, wenn Sie diesen Muth nicht in sich fühlen, verschwinden Sie, auf daß nicht ein Schriftsteller der Zukunft jemals unsere Republik anklage, undankbar und grausam gegen den Redner vom Hotel de ville gewesen zu sein.

- Die Wahl der Vicepräsidenten Bethmont, Marrast, Corbon, Cormenin, Portalis und Lacrosse ist ein entschiedener Sieg der Partei des National. Cremieux hat die Bedeutung der Wahl von Portalis verstanden, und seine Entlassung als Minister und Deputirter eingereicht. Die Nationalversammlung gab ihm noch auf andere Weise ihre Böswilligkeit zu erkennen, indem sie Landrin, Edmond Lafayette und Berard zu Secretairen ernannte. Lamartin und Ledru-Rollin sollen diese Vicepräsidenten- und Secretairenwahl als offene Kriegserklärung der Nationalversammlung gegen die executive Commission betrachten und ihre Entlassung einreichen wollen. Auf der offiziellen Oberfläche werden dann nur noch zwei Parteien spielen, die beide der Februarrevolution gleich feindlich sind, die Partei des National und die Thierspartei.

zwischen der Furcht vor der Aristokratie und der radikalen Partei, an deren Spitze man in Schlesien den Grafen v. Reichenbach und den Baron v. Aucker zu sehen meint. Diese Partei sucht ihren Stützpunkt in der Masse des Volkes, das allerdings durch das Verhältniß der Gutsherrlichkeit in einen solchen Zustand der Verarmung gekommen ist, daß Tausende in Oberschlesien vor Hunger sterben. Der gebildete Theil der Bürgerlichen, welcher vorher am meisten vor den Uebergriffen der Aristokratie warnte, wird jetzt eben so von den Proletariern gehaßt, wie mancher vom Adel, da diejenigen, welche auf diese wirken wollen, die Bourgeoisie als einen eben so gefährlichen Feind der Armen darstellen, als die Aristokratie. Am praktischsten sind noch die oberschlesischen Bauern gewesen, diese haben ihre Abgeordneten, Standesgenossen, dahin instruirt, daß sie die gänzliche Befreiung von dem gutsherrlichen Verhältniß mitbringen müßten; sonst würden sie todtgeschlagen. Sie wollen dem Könige geben, was sie sollen, auch ihren Gläubigern, was sie schuldig sind, mithin auch dem bisherigen Grundherren, aber nur als Gläubiger, nicht als Polizeiherren. Man sieht wie wenig man verstanden hat, sich durch das sogenannte patriarchalische Verhältniß beliebt zu machen.

(O.-P.-A.-Z.)
Posen, 3. Juni.

Alle Nachrichten aus dem benachbarten Königreich Polen lauten außerordentlich kriegerisch, denn es unterliegt keinem Zweifel, daß die halbe russische Armee gegenwärtig in Polen und Litthauen konzentrirt ist. Glaubwürdige hiesige Kaufleute, welche nach vielen Schwierigkeiten vom Fürsten Paskewicz die Erlaubniß zum Ueberschreiten der Gränze erlangt hatten, geben die dortigen russischen Streitkräfte auf 300,000 Mann an. Unsere Militärbehörden scheinen auch nicht ohne Besorgnisse zu sein, weil seit einigen Tagen mit ungeheuren Kräften an der Herstellung unserer Festung gearbeitet wird; alle Arbeiter, die sich nur melden, werden angenommen. Freilich ist unsere Stadt nicht eher hinlänglich geschützt, als bis das Karmeliter-Fort und die Werke am Berliner Thor beendigt sind, indem dann erst die Enceinte, die bis jetzt noch ein Drittel der Stadt ziemlich offen läßt, geschlossen ist. ‒ Unsere Militärbehörde scheint die Ueberzeugung gewonnen zu haben, daß es nothwendig sei, die eingebornen Truppen, meistens die Landwehr, aus der Provinz zu entfernen; der größere Theil derselben, auch Artillerie, ist nach Schlesien und den westlichen Provinzen verlegt. ‒ Die Reorganisation des polnischen Theils unserer Provinz ist völlig stationär geworden, da kein Pole eine Beamtenstelle dort annehmen will; auch der Landrath von Twandowski hat das Präsidium abgelehnt. Was nun? Das deutsche Comite verlangt die Vertheilung der deutschen Kreise unter die angränzenden Provinzen; die hiesigen Kommunalbehörden, so wie alle Gewerbetreibenden im Großherzogthum sind entschieden dagegen, weil sie den Ruin der Stadt Posen als natürliche Folge davon voraussehen.

(O.-P.-A.-Z.)
Mainz, 6. Juni.

Der Beschluß der deutschen Bundesversammlung vom 2. d. M. über die traurige Angelegenheit unserer Stadt hat hier einen Eindruck gemacht, der nicht zu beschreiben ist. Man hat denselben mit eisiger Ruhe aufgenommen und bewundert zugleich den kühnen Humor der Bundesversammlung, mit dem sie sich auch in diesem Beschlusse auf das Reglement der Bundesfestung beruft, das hier Niemand kennt und welches von den hiesigen großh. hess. Behörden deßhalb nicht publicirt werden kann und darf, weil die großh. hess. Staatsregierung diesem Reglement die Sanction verweigert hat.

(F. J.)
Mainz, 7. Juni.

Wie man vernimmt, sollen in den Ortschaften in der Umgegend unserer Stadt bairische und kurhessische Truppen einquartirt werden. Auch ist bereits nach Alzei und Bingen eine hessen-darmstädtische Garnison gelegt worden. Was diese außergewöhnlichen Maßregeln bedeuten mögen? Sind es die Franzosen, welche unserem Ministerium Schrecken verursachen? Oder hat dasselbe wohl gar Furcht vor republikanischen Schilderhebungen?! Jedenfalls wäre es in dieser Beziehung eine Pflicht der Dankbarkeit aller deutschen Regierungen, die großh. hessische Regierung, die so bereitwillig ihre Truppen zur Verfügung gestellt hat, um ganz Deutschland vor der Republik zu bewahren, auf dieselbe Weise zu unterstützen. Scheint es doch eine solidarische Verpflichtung der vaterländischen Regierungen, die Freiheitsgelüste des Volkes im Keime zu ersticken! ‒

‒ Die hiesigen Militärpflichtigen, welche für dieses Jahr einberufen worden, sind gestern Abend zusammengetreten, um gemeinschaftlich die Schritte zu berathen, die sie zur Wahrung ihrer Interessen für nöthig erachten. Sie haben beschlossen, eine Protestaion gegen die Einberufung zur Musterung abzusenden und vor tder Promulgation einer allgemeinen deutschen Heer- und Wehrordnung durch die Nationalversammlung sich zur Aushebunng nicht zu stellen. Gleichzeitig fordern sie alle Konskribirten aus dem Lande auf, ähnliche Schritte einzuleiten. Heute Abend findet dahier eine weitere Besprechung statt.

(Mz. Z.)
Mainz, 7. Juni.

Von dem Berliner demokratischen Vereine ist eine in einer Versammlung von 4000 Mitgliedern einstimmig angenommene Adresse an die Mainzer Bürger eingelaufen, worin in energischen Worten die Sympathie des Berliner Volkes für die Stadt ausgesprochen und das Verfahren des Militärgouvernements entschieden mißbilligt wird.

Bruchsal, 1. Juni.

Unser Stadtgespräch hat sich natürlich diese Zeit hindurch auch viel mit den gefangenen Republikanern beschäftigt, die jetzt noch über 600 an der Zahl im neuen Central-Penitenzian-Gefängniß und gegen 120 im Frauen-Gefängniß hier in der Stadt befindlich sind. In dem einer kleinen Festung gleichenden, nach dem Modell der Londoner Penitentiary's gebauten hiesigen Zellengefängniß befinden sich außer 400 jungen Leuten, der pariser deutschen Legion, auch eine Menge Bürger, Studenten und Bauern aus Freiburg, Konstanz, Mannheim, Heidelberg, Sinsheim, Sulzfeld u. s. w. Hoff, Grohe, Adv. v. Rottek befinden sich in einem Flügel, jedoch jeder getrennt in besondern Zellen.

Die Behandlung, welche die Gefangenen erleiden, im höchsten Grade zu tadeln. Viele Wochen haben die Leute in kleinen Zellen eingesperrt gelegen, ohne je spazieren geführt zu werden; jetzt, nach einem Protest, welchen Bornstedt an unsere zweite Kammer richtete, welche Schrift aber der Justizminister nicht an Ort und Stelle gelangen ließ, sondern entsetzlich in Beschlag nahm, soll eine Untersuchungs-Kommission vor einigen Tagen aus Karlsruhe angelangt sein, und die Gefangenen besucht haben.

Viele hatten auf Stroh liegend Ungeziefer bekommen. Es fehlt noch jetzt theilweise an Decken und Matrazen. Sollte man es glauben ‒ drei Wochen hat Bornstedt auf der Erde schlafen, liegen, schreiben und essen müssen, da man ihm weder Tisch noch Stuhl gab, weder Messer noch Gabel zum Essen!!! Noch jetzt hat kein einziger Gefangener ein Geschirr, um sich zu waschen, und in 2/3 der Zellen sind die Deckel zum Zumachen des Nachtgeschirrs nicht einmal da! Ist eine solche Behandlung nicht empörend? Mehr noch, jetzt sind die unglücklichen Gefangenen bald einen Monat ohne Bewegung, in einigen Zellen zu 4 und 5 zusammengepreßt, alle noch immer ohne auch nur einmal verhört worden zu sein!! Wo bleiben denn Gesetz, Humanität, wo auch nur die gewöhnlichste Beobachtung der Billigkeit. ‒ Ein junger Franzose Namens Xavier aus Charlon sur Marne ist hier bereits im Zellengefängniß durch die Behandlung verückt geworden, und hat man ihn etwa freigelassen oder in ein Irrenhaus gebracht? Keineswegs. Man läßt ihn ohne ärztliche Behandlung allein in einer Zelle. Dem Verwalter des Gefängnisses, Hrn. Arnold, sollen keine Vorwürfe deshalb zu machen sein, da die obere Behörde in Karlsruhe Alles zu vollziehen hat.

Wie übrigens der Militär-Despotismus jetzt in unserm Lande herrscht, kann folgendes Beispiel lehren. Plötzlich kommt vor einigen 14 Tagen dem Verwalter des Gefängnisses ein Befehl des würtembergischen Generallieutenant v. Miller aus Lörrach zu, dem Gefangenen Adalbert v. Bornstedt aus Stendal „sämmtliches „Geld, was er besitzt, und was beim Verwahrer Arnold deponirt „sei (40 Gulden) wegzunehmen, indem solches den Soldaten als „Kriegsbeute zu vertheilen sei, welche den v. Bornstedt gefangen „genommen!“

Also in einem badischen Gefängnisse verordnet ein würtembergischer General nachträglich Konfiskationen!! Auf die Summe, und ob sie groß oder klein, kommt es gar nicht an. Die Thatsache selbst ist unerhört!

Uebrigens ist es jetzt ist unserem ganzen badischen Lande bekannt, welche Excesse sich die würtembergischen Soldaten des 1. und 6. Infanterie-Regiments, auch die Ulanen, den gefangenen, entwaffneten Leuten der Pariser Deutschen Legion gegenüber erlaubte. Nicht blos haben die Würtemberger den Gefangenen nach Willkür all' ihr Gepäcke, vielen alles Geld u. s. w. abgenommen, sondern Unbewaffnete sind, wie ein gewisser Kessler aus Trier zu Bulgen am Rhein niedergestoßen worden. Leichname sind mißhandelt, Gefangene mit Säbelhieben, Kolbenstößen und Bajonettenstichen, (die rohesten Schimpfwörter verstehen sich als Beithat von selbst) überhäuft worden. Auf Fliehende, die unbewaffnet waren, wurde geschossen. Franzosen, die kein Wort deutsch sprachen, wurden auf das Empörendste mißhandelt, weil sie die exaltirte Soldateska nicht verstanden. Die Würtemberger plünderten selbst die Leichname auf dem Schlachtfelde, Todte wurden noch verstümmelt. Die Bauern aus drr Umgegend wissen über diese Gräuelscenen viel zu erzählen.

Und das nennt man die öffentliche Ruhe und Ordnung wiederherstellen! ‒

Die Gerichtssitzungen zu Freiburg versprechen interessant und belehrend zu werden.

Hoffen wir, daß die Richter und Geschworenen ihre Mission verstehen, und sich nicht zu Werkzeugen der Reaktion werden gebrauchen lassen.

Nächste Woche, heißt es, soll die Untersuchungs-Kommission aus Freiburg hier anlangen, um die Gefangenen zu verhören. Es ist in der That hohe Zeit. In England und Frankreich dürfte es ein Regierung nicht wagen, 600 und mehr politische Gefangene einen Monat land ohne Verhör im Zellen-Gefängniß wie Sträflinge, Diebe und Mörder zu behandeln!

(Mannh. A. Z.)
Prag, 30. Mai.

Die Prager Ztg. enthält eine Bekanntmachung des Grafen Leo Thun, worin die Gewähr der Bitte um Zulassung zur Theilnahme am nächsten Landtag für die nicht den Landständen angehörigen Besitzer landtäflicher Güter veröffentlicht wird. Böhmen soll zu diesem Zwecke in 5 Bezirke getheilt werden, in deren jedem die Gutsbesitzer 4 Landtagsabgeordnete wählen. ‒ Während die Abgeordneten zum Slavenkongreß, worunter viele Polen und Südslaven, unter festlichem Empfang immer zahlreicher einziehen, bringt die heutige Nummer der Narodni Nowiny das Programm der Versammlung. Die ankommenden Slaven werden in drei Abtheilungen eingezeichnet, deren erste (sbor) die Böhmen, Mähren, Schlesier und Slowaken, die zweite die Polen und Ruthenen, die dritte die Slowenen, Kroaten, Serben und Dalmatier umfaßt. Drei Vertrauensmänner nehmen jeden der Eingeschriebenen in die Abtheilung auf. Jedem Mitglied steht durch eine Karte der Zutritt zu allen drei Abtheilungen offen. Jede Abtheilung wählt aus sich 16 Kongreßausschußmitglieder, einen Präsidenturkandidaten, einen Kongreßsekretär und dessen Ersatzmann. Die vereinigten drei Ausschüsse ernennen aus den drei Kandidaten den Präsidenten (starosta), die beiden andern Kandidaten sind Vicepräsidenten. Am 1. Juni wird der Kongreß eröffnet. Die Verhandlungsvorlagen werden in der vom kleinen Ausschuß festgestellten Ordnung berathen. Jede beendete Verhandlung einer Abtheilung wird dem Kongreßpräsidenten mitgetheilt, zu gemeinschaftlichen Beschlüssen gehört die Zustimmung aller drei Abtheilungen. Kommt eine solche zu Stande, so wird dieselbe vom kleinen Ausschuß in öffentlicher Sitzung bekannt gemacht; stellen sich unbedeutende Differenzen heraus, so bewirkt der große Ausschuß die Ausgleichung; bedeutende Differenzen bedingen eine nochmalige Berathung in den Abtheilungen. In jeder öffentlichen Sitzung des Kongresses werden die Abtheilungsverhandlungen verlesen und vertheilt, dann die gefaßten Beschlüsse vorgetragen und von den Mitgliedern durch Aufstehen bestätigt. Diese Beschlüsse werden dann auch in deutscher Sprache verkündet.

(A. A. Z.)
Prag, 31. Mai.

Die Abgeordneten des Slavenkongresses, der morgen mit einem Gottesdienst in der Methodiuskapelle der Teynkirche eröffnet werden soll, sind gestern Nachmittag in großer Anzahl mit dem Eisenbahnzug aus Wien angekommen, und nun wimmelt es in den Gassen von seltsamen Trachten, schönen, aber unheimlich wilden Gestalten, südlichgebräunten Gesichtern. Tschechische und panslavische Fahnen, blau, roth und weiß werden durch die Gassen getragen. Mitglieder des Studentenkorps: Slavia- und der Swornostgarde geben den Gästen das Geleite. Die böhmischen Zeitungen liefern heute ein Programm des Kongresses in Bezug seiner Sektionen und Sitzungen; die eigentlichen Fragen mit denen er sich beschäftigen will, sind noch nicht veröffentlicht, aber es ahnt sie jeder. Es gilt auf den Trümmern der Monarchie ein großslavisches Reich mit Hinzuziehung der außer Oesterreich wohnenden Serben zu bauen, ein Reich, welches das Riesengebirge und die Karpathen, das adriatische Meer und den Balkan zu Gränzen haben soll. Wäre es nur eben so leicht zu schaffen wie zu dekretiren; die guten Panslavisten machen ihre Rechnung ohne an Deutschland, die Magyaren und die Russen zu denken! Der Bann von Croatien, Jellachich, der hinter all dem Treiben dieses Slavenkongresses steckt, hat an den hiesigen Nationalausschuß eine Zuschrift in illyrischer Sprache erlassen, in welcher er das „Brudervolk der Böhmen“ auffordert, den Landtag der vereinigten Königreiche Slavonien, Croatien und Dalmatien, der für den 5. Juni angesagt, durch Zusendung von Deptirten zu „verschöneren.“ Der Nationalausschuß erwiederte diese Galanterie des Bann, indem er ihn ebenfalls in einer Zuschrift bat auch der Bann möchte seinerseits Deputirte ad audiendum zum Prager Landtag schicken,

(A. A. Z.)
Polen.
Lemberg, 27. Mai.

Die Lemberger Garnison hat, mit der Unterschrift aller Offizieren, einen Aufruf an die Armee erlassen, worin sie dem Wiener Treiben auf das entschiedenste entgegentritt. Sie erklärt sich gegen die anmaßende Gewalt einer kleinen Fraktion welche den Staat „anarchischer Entfesselung rathlos in die Arme schleudert.“ Dagegen aufzutreten sei die Armee als staatsbürgerliche Genossenschaft, wie als fest geschlossene Macht moralisch und politisch verpflichtet, es sei ihre Aufgabe sich dorthin zu stellen wo sie Kaiser und Vaterland schirmen könne. Schließlich faßt der Aufruf die Entschließung der Soldaten in die Worte zusammen: „Wir wollen Ordnung, wir wollen Recht, wir wollen das hohe Gut unserer Konstitution in weitester Ausdehnung, jedoch in männlichkluger, geregelter Entwicklung auf das schärfste bewachen.“ Daß sich diesem Entschluß die ganze Armee anschließen werde, ist die Hoffnung in welcher dieser Aufruf von der Lemberger Garnison erlassen worden.

(A. A. Z.)
Ungarn.
Pesth, 28. Mai.

Unter den neuesten ministerillen Erlassen scheint der wichtigste jener welcher die Ruhestörer, beziehentlich die Gemeinden, für die Transport- und Verpflegungskosten der Truppen verpflichtet deren Sendung durch die Ruhestörungen veranlaßt wurde. Wiener Blätter berichten daß die Stadt Pesth 300,000 Fl. ohne Zinsen, der Ministerpräsident Barthyanyt 1 Mill. dem Staate darleihen, und Fürst Esterhazy demselben seine Schatzkammer zur Verfügung stellen wolle, um darauf seine hypothekarische Anleihe zu nehmen. Uedrigens nahm die Besorgniß vor den Slaven immer zu. Die Agramer Ztg. meldete bereits daß man in Agram das Bild des Palatins verbrannte, und an den Ka ser die Erklärung sandte, daß man Gut und Blut für völlige Selbstständigkeit der kroatischen Nation zu opfern bereit sei falls Kroatien den Ungarn preisgegeben werden solle. Noch bedenklicher sind die Nachrichten aus Neusatz. Als dort der ministerielle Kommissär v. Esernowicz nicht in die Aufhebung des Standrechts währen des Kirchenkongresses willigte, verlegte man diesen nach Carlowitz und verbrannte die zur Ruhe mahnende Proklamation des Regierungskommissärs. Darauf folgte die Wahl des Obersten Suplikatz zum serbischen Woiwoden, und des Carlowitzer Erzbischofs zum Patriarchen. In den Bezirk der Woiwodschaft gehören Syrmien, die Komitate Bacs, Baranya und Veröcze. An 600 bewaffnete Serben kamen aus Serbien zur Carlowitzer Versammlung, und eine Deputation von 200 Mann soll nun dem Kaiser die Wünsche der Serben vortragen. Man will das ungarische Ministerium durchaus nicht anerkennen. In Pesth aber glaubt man die Wiener Regierung von allen diesen Vorgängen unterrichtet, und argwöhnt diese suche in einer slavischen Monarchie den letzten Rettungsanker oder ein Mittel Ungarn zur Wiederunterwerfung zu bringen. Ueberdieß zeigen auch die in Pesth garnisonirenden Illyrier und Kroaten starke Sympathien für den Banus Jelachich. Außerdem herrscht, nach Briefen der D. A. Z., in Ungarns nördlichen (Trentschiner, Arvaer, Thurotzer, Liptauer) Komitaten eine völlige Anarchie, welche sich besonders gegen die Juden und alle Besitzenden richtet, nebenbei aber auch starke Sympathien für die Posener Polen zeigt. Ferner läuft aus Kronstadt, 18. Mai, das Ergebniß einer von 10,000 Menschen besuchten Versammlung in Blasendorf ein. Es war keine Union mit Ungarn; gleiche Rechte und Freiheiten wie die übrigen siebenbürgenschen Nationen auch für die Walachen, die Landtagsverhandlungen sollen ungarisch, deusch und walachisch geführt werden, die Walachen geloben dem österreichischen Kaiserhause unverbrüchliche Treue. Mit diesen Beschlüssen sollten Deputationen nach Wien und Klausenburg abgehen.

(A. A. Z.)
Belgien.
20Brüssel, 7. Juni.

Seit zwei oder drei Jahren sind 11 bis 12,000 Fr. den Generalen und oberen Offizieren zugewiesen, die sich zu dem Manöver auf das Feld von Beverloo begeben. Die Manöver von Beverloo existiren seit 1815, die Gehaltszulagen erst seit dem libéralen Ministerium, das die Monarchie auf breitester demokratischer Unterlage, die belgische Muster-Konstitution zu einer Wahrheit gemacht hat. Der Generalkommandant des Feldlagers z. B., bezieht, außer seinem gewöhnlichen Gehalt von 46 Fr. 30 Ct. per Tag, 100 Fr. täglich für ausgesuchte Gerichte und feine Weine, außerdem 14 Feldrationen und Feuragerationen. (Nation) Und Herr Baron von Chazal sollte nicht Recht haben, wenn er die Armee den schönsten Ring in der Kette der belgischen Institutionen nennt?

‒ In Brüssel fand eine kleine Emente statt, unter den am neuen Hypgodrom beschäftigten Erdarbeitern.

* Verviers, 7. Mai.

Es existiren hier jetzt 5 Clubs. Der letzte hat sich so eben gebildet; die Sociétè libérale antirépublicaine.

Niederlande.
*Haag, 7. Juni.

Holland scheint wirklich in Noth zu sein. Unsere Minister wissen kaum mehr wo ihnen der Kopf steht. Vorgestern Staatsrathssitzung, nachher langer Ministerrath; gestern wieder Ministerrath, heute morgen abermals Ministerrath und gleich darauf Staatsrathssitzung unter dem Präsidium des Königs.

Französische Republik.
*Paris, 6. Juni.

Der Versuch, Louis Blanc in Anklagezustand zu versetzen, war nur das Vorspiel einer Anklage gegen die exekutive Kommission, von der man erwartete, daß sie sich gleich beim Beginn der Debatte zurückziehen würde. Der 2. Juni sollte ein 9. Thermidor werden. Man begann mit Louis Blanc, weil man die großen Antipathien der Bourgeois-Majorität gegen ihn mit richtigem Instinkte heraufgefühlt hatte. Marrast, der ehemalige Redakteur des National, der Republikaner en gants jaunes, der Gentilhomme von der Feder und der Ritter von der Phrase, war Chef des Komplotts, das im ehemaligen Palais royal, jetzigen Palais national seinen Sitz hatte. Hier thronte er unter 200 Repräsentanten, mit der ganzen Würde eines Mannes, der sich als gouvernementaler Mann der Situation fühlt. Plötzlich im Augenblicke der Entscheidung in der Sitzung vom 2. Juni, blies Marrast zum Rückzug. Er erinnerte sich nicht, Louis Blanc am 15. Mai im Hotel de ville gesehen zu haben. Woher diese plötzliche Sinnesänderung? Es war Herrn Marrast unter der Zeit bange geworden vor der alten dynastischen Partei, namentlich vor der in der Bourgeoisie neuauftauchenden Popularität des greisen Gamin Thiers. Und Herr Marrast erinnerte sich, daß man Lamartine gegen Ledru-Rollin benutzt, um Herrn Marrast und die ganze Partei des National an's Ruder zu bringen. Ebenso war man im Begriff, ihn, Herrn Marrast, gegen die exekutive Kommission zu benutzen, um Herrn Thiers und Odillon-Barret mit der Milchstraße von Duvergier, Remusat u. s. w. hinter ihnen an die Regierung zu bringen. Welchen Dank Lamartine dafür einerntet, daß er sich dazu hergab, die Contrerevolution zu stylisiren, mögen Sie aus folgender Apostrophe sehen, die das „Pamphlet“ ‒ der „Globe“ des Herrn Thiers ‒ an ihn richtet:

„Lamartine, aufgepaßt! Frankreich hat Sie zu sehr geliebt, um Sie je nur halb hassen zu können. Sie waren sein Lieblings-Dichter, sein Redner, sein Geschichtschreiber, sein Leiter, es hat Ihnen zugeklatscht, es hat Sie in seine Arme gepreßt! Aber Sie entfernen sich vom Kapitol, sie gehen dem tarpegischen Felsen zu! Kehren Sie um Lamartine, danken Sie den Göttern, das Vaterland vor der Anarchie und der rothen Fahne gerettet zu haben. Es ist vielleicht noch Zeit. Im Namen Frankreichs, Lamartine, wenn Sie diesen Muth nicht in sich fühlen, verschwinden Sie, auf daß nicht ein Schriftsteller der Zukunft jemals unsere Republik anklage, undankbar und grausam gegen den Redner vom Hotel de ville gewesen zu sein.

‒ Die Wahl der Vicepräsidenten Bethmont, Marrast, Corbon, Cormenin, Portalis und Lacrosse ist ein entschiedener Sieg der Partei des National. Cremieux hat die Bedeutung der Wahl von Portalis verstanden, und seine Entlassung als Minister und Deputirter eingereicht. Die Nationalversammlung gab ihm noch auf andere Weise ihre Böswilligkeit zu erkennen, indem sie Landrin, Edmond Lafayette und Berard zu Secretairen ernannte. Lamartin und Ledru-Rollin sollen diese Vicepräsidenten- und Secretairenwahl als offene Kriegserklärung der Nationalversammlung gegen die executive Commission betrachten und ihre Entlassung einreichen wollen. Auf der offiziellen Oberfläche werden dann nur noch zwei Parteien spielen, die beide der Februarrevolution gleich feindlich sind, die Partei des National und die Thierspartei.

<TEI>
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          <p><pb facs="#f0003" n="0037"/>
zwischen der Furcht vor der                         Aristokratie und der radikalen Partei, an deren Spitze man in Schlesien den                         Grafen v. Reichenbach und den Baron v. Aucker zu sehen meint. Diese Partei                         sucht ihren Stützpunkt in der Masse des Volkes, das allerdings durch das                         Verhältniß der Gutsherrlichkeit in einen solchen Zustand der Verarmung                         gekommen ist, daß Tausende in Oberschlesien vor Hunger sterben. Der                         gebildete Theil der Bürgerlichen, welcher vorher am meisten vor den                         Uebergriffen der Aristokratie warnte, wird jetzt eben so von den                         Proletariern gehaßt, wie mancher vom Adel, da diejenigen, welche auf diese                         wirken wollen, die Bourgeoisie als einen eben so gefährlichen Feind der                         Armen darstellen, als die Aristokratie. Am praktischsten sind noch die                         oberschlesischen Bauern gewesen, diese haben ihre Abgeordneten,                         Standesgenossen, dahin instruirt, daß sie die gänzliche Befreiung von dem                         gutsherrlichen Verhältniß mitbringen müßten; sonst würden sie                         todtgeschlagen. Sie wollen dem Könige geben, was sie sollen, auch ihren                         Gläubigern, was sie schuldig sind, mithin auch dem bisherigen Grundherren,                         aber nur als Gläubiger, nicht als Polizeiherren. Man sieht wie wenig man                         verstanden hat, sich durch das sogenannte patriarchalische Verhältniß                         beliebt zu machen.</p>
          <bibl>(O.-P.-A.-Z.)</bibl>
        </div>
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          <head><hi rendition="#g">Posen,</hi> 3. Juni.</head>
          <p>Alle Nachrichten aus dem benachbarten Königreich Polen lauten außerordentlich                         kriegerisch, denn es unterliegt keinem Zweifel, daß die halbe russische                         Armee gegenwärtig in Polen und Litthauen konzentrirt ist. Glaubwürdige                         hiesige Kaufleute, welche nach vielen Schwierigkeiten vom Fürsten Paskewicz                         die Erlaubniß zum Ueberschreiten der Gränze erlangt hatten, geben die                         dortigen russischen Streitkräfte auf 300,000 Mann an. Unsere Militärbehörden                         scheinen auch nicht ohne Besorgnisse zu sein, weil seit einigen Tagen mit                         ungeheuren Kräften an der Herstellung unserer Festung gearbeitet wird; alle                         Arbeiter, die sich nur melden, werden angenommen. Freilich ist unsere Stadt                         nicht eher hinlänglich geschützt, als bis das Karmeliter-Fort und die Werke                         am Berliner Thor beendigt sind, indem dann erst die Enceinte, die bis jetzt                         noch ein Drittel der Stadt ziemlich offen läßt, geschlossen ist. &#x2012; Unsere                         Militärbehörde scheint die Ueberzeugung gewonnen zu haben, daß es nothwendig                         sei, die eingebornen Truppen, meistens die Landwehr, aus der Provinz zu                         entfernen; der größere Theil derselben, auch Artillerie, ist nach Schlesien                         und den westlichen Provinzen verlegt. &#x2012; Die Reorganisation des polnischen                         Theils unserer Provinz ist völlig stationär geworden, da kein Pole eine                         Beamtenstelle dort annehmen will; auch der Landrath von Twandowski hat das                         Präsidium abgelehnt. Was nun? Das deutsche Comite verlangt die Vertheilung                         der deutschen Kreise unter die angränzenden Provinzen; die hiesigen                         Kommunalbehörden, so wie alle Gewerbetreibenden im Großherzogthum sind                         entschieden dagegen, weil sie den Ruin der Stadt Posen als natürliche Folge                         davon voraussehen.</p>
          <bibl>(O.-P.-A.-Z.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar009_017" type="jArticle">
          <head><hi rendition="#g">Mainz,</hi> 6. Juni.</head>
          <p>Der Beschluß der deutschen Bundesversammlung vom 2. d. M. über die traurige                         Angelegenheit unserer Stadt hat hier einen Eindruck gemacht, der nicht zu                         beschreiben ist. Man hat denselben mit eisiger Ruhe aufgenommen und                         bewundert zugleich den kühnen Humor der Bundesversammlung, mit dem sie sich                         auch in diesem Beschlusse auf das Reglement der Bundesfestung beruft, das                         hier Niemand kennt und welches von den hiesigen großh. hess. Behörden                         deßhalb nicht publicirt werden kann und darf, weil die großh. hess.                         Staatsregierung diesem Reglement die Sanction verweigert hat.</p>
          <bibl>(F. J.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar009_018" type="jArticle">
          <head><hi rendition="#g">Mainz,</hi> 7. Juni.</head>
          <p>Wie man vernimmt, sollen in den Ortschaften in der Umgegend unserer Stadt                         bairische und kurhessische Truppen einquartirt werden. Auch ist bereits nach                         Alzei und Bingen eine hessen-darmstädtische Garnison gelegt worden. Was                         diese außergewöhnlichen Maßregeln bedeuten mögen? Sind es die Franzosen,                         welche unserem Ministerium Schrecken verursachen? Oder hat dasselbe wohl gar                         Furcht vor republikanischen Schilderhebungen?! Jedenfalls wäre es in dieser                         Beziehung eine Pflicht der Dankbarkeit aller deutschen Regierungen, die                         großh. hessische Regierung, die so bereitwillig ihre Truppen zur Verfügung                         gestellt hat, um ganz Deutschland vor der Republik zu bewahren, auf dieselbe                         Weise zu unterstützen. Scheint es doch eine solidarische Verpflichtung der                         vaterländischen Regierungen, die Freiheitsgelüste des Volkes im Keime zu                         ersticken! &#x2012;</p>
          <p>&#x2012; Die hiesigen Militärpflichtigen, welche für dieses Jahr einberufen worden,                         sind gestern Abend zusammengetreten, um gemeinschaftlich die Schritte zu                         berathen, die sie zur Wahrung ihrer Interessen für nöthig erachten. Sie                         haben beschlossen, eine Protestaion gegen die Einberufung zur Musterung                         abzusenden und vor tder Promulgation einer allgemeinen deutschen Heer- und                         Wehrordnung durch die Nationalversammlung <hi rendition="#g">sich zur                             Aushebunng nicht zu stellen.</hi> Gleichzeitig fordern sie alle                         Konskribirten aus dem Lande auf, ähnliche Schritte einzuleiten. Heute Abend                         findet dahier eine weitere Besprechung statt.</p>
          <bibl>(Mz. Z.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar009_019" type="jArticle">
          <head><hi rendition="#g">Mainz,</hi> 7. Juni.</head>
          <p>Von dem Berliner demokratischen Vereine ist eine in einer Versammlung von                         4000 Mitgliedern einstimmig angenommene Adresse an die Mainzer Bürger                         eingelaufen, worin in energischen Worten die Sympathie des Berliner Volkes                         für die Stadt ausgesprochen und das Verfahren des Militärgouvernements                         entschieden mißbilligt wird.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar009_020" type="jArticle">
          <head><hi rendition="#g">Bruchsal,</hi> 1. Juni.</head>
          <p>Unser Stadtgespräch hat sich natürlich diese Zeit hindurch auch viel mit den                         gefangenen Republikanern beschäftigt, die jetzt noch über 600 an der Zahl im                         neuen Central-Penitenzian-Gefängniß und gegen 120 im Frauen-Gefängniß hier                         in der Stadt befindlich sind. In dem einer kleinen Festung gleichenden, nach                         dem Modell der Londoner Penitentiary's gebauten hiesigen Zellengefängniß                         befinden sich außer 400 jungen Leuten, der pariser deutschen Legion, auch                         eine Menge Bürger, Studenten und Bauern aus Freiburg, Konstanz, Mannheim,                         Heidelberg, Sinsheim, Sulzfeld u. s. w. Hoff, Grohe, Adv. v. Rottek befinden                         sich in einem Flügel, jedoch jeder getrennt in besondern Zellen.</p>
          <p>Die Behandlung, welche die Gefangenen erleiden, im höchsten Grade zu tadeln.                         Viele Wochen haben die Leute in kleinen Zellen eingesperrt gelegen, ohne je                         spazieren geführt zu werden; jetzt, nach einem Protest, welchen Bornstedt an                         unsere zweite Kammer richtete, welche Schrift aber der Justizminister nicht                         an Ort und Stelle gelangen ließ, sondern entsetzlich in Beschlag nahm, soll                         eine Untersuchungs-Kommission vor einigen Tagen aus Karlsruhe angelangt                         sein, und die Gefangenen besucht haben.</p>
          <p>Viele hatten auf Stroh liegend Ungeziefer bekommen. Es fehlt noch jetzt                         theilweise an Decken und Matrazen. Sollte man es glauben &#x2012; drei Wochen hat                         Bornstedt auf der Erde schlafen, liegen, schreiben und essen müssen, da man                         ihm weder Tisch noch Stuhl gab, weder Messer noch Gabel zum Essen!!! Noch                         jetzt hat kein einziger Gefangener ein Geschirr, um sich zu waschen, und in                         2/3 der Zellen sind die Deckel zum Zumachen des Nachtgeschirrs nicht einmal                         da! Ist eine solche Behandlung nicht empörend? Mehr noch, jetzt sind die                         unglücklichen Gefangenen bald einen Monat ohne Bewegung, in einigen Zellen                         zu 4 und 5 zusammengepreßt, alle noch immer ohne auch nur einmal verhört                         worden zu sein!! Wo bleiben denn Gesetz, Humanität, wo auch nur die                         gewöhnlichste Beobachtung der Billigkeit. &#x2012; Ein junger Franzose Namens                         Xavier aus Charlon sur Marne ist hier bereits im Zellengefängniß durch die                         Behandlung verückt geworden, und hat man ihn etwa freigelassen oder in ein                         Irrenhaus gebracht? Keineswegs. Man läßt ihn ohne ärztliche Behandlung                         allein in einer Zelle. Dem Verwalter des Gefängnisses, Hrn. Arnold, sollen                         keine Vorwürfe deshalb zu machen sein, da die obere Behörde in Karlsruhe                         Alles zu vollziehen hat.</p>
          <p>Wie übrigens der Militär-Despotismus jetzt in unserm Lande herrscht, kann                         folgendes Beispiel lehren. Plötzlich kommt vor einigen 14 Tagen dem                         Verwalter des Gefängnisses ein Befehl des würtembergischen Generallieutenant                         v. Miller aus Lörrach zu, dem Gefangenen Adalbert v. Bornstedt aus Stendal                         &#x201E;sämmtliches &#x201E;Geld, was er besitzt, und was beim Verwahrer Arnold deponirt                         &#x201E;sei (40 Gulden) wegzunehmen, indem solches den Soldaten als &#x201E;Kriegsbeute zu                         vertheilen sei, welche den v. Bornstedt gefangen &#x201E;genommen!&#x201C;</p>
          <p>Also in einem badischen Gefängnisse verordnet ein würtembergischer General                         nachträglich Konfiskationen!! Auf die Summe, und ob sie groß oder klein,                         kommt es gar nicht an. Die Thatsache selbst ist unerhört!</p>
          <p>Uebrigens ist es jetzt ist unserem ganzen badischen Lande bekannt, welche                         Excesse sich die würtembergischen Soldaten des 1. und 6.                         Infanterie-Regiments, auch die Ulanen, den gefangenen, entwaffneten Leuten                         der Pariser Deutschen Legion gegenüber erlaubte. Nicht blos haben die                         Würtemberger den Gefangenen nach Willkür all' ihr Gepäcke, vielen alles Geld                         u. s. w. abgenommen, sondern Unbewaffnete sind, wie ein gewisser Kessler aus                         Trier zu Bulgen am Rhein niedergestoßen worden. Leichname sind mißhandelt,                         Gefangene mit Säbelhieben, Kolbenstößen und Bajonettenstichen, (die rohesten                         Schimpfwörter verstehen sich als Beithat von selbst) überhäuft worden. Auf                         Fliehende, die unbewaffnet waren, wurde geschossen. Franzosen, die kein Wort                         deutsch sprachen, wurden auf das Empörendste mißhandelt, weil sie die                         exaltirte Soldateska nicht verstanden. Die Würtemberger plünderten selbst                         die Leichname auf dem Schlachtfelde, Todte wurden noch verstümmelt. Die                         Bauern aus drr Umgegend wissen über diese Gräuelscenen viel zu erzählen.</p>
          <p>Und das nennt man die öffentliche Ruhe und Ordnung wiederherstellen! &#x2012;</p>
          <p>Die Gerichtssitzungen zu Freiburg versprechen interessant und belehrend zu                         werden.</p>
          <p>Hoffen wir, daß die Richter und Geschworenen ihre Mission verstehen, und sich                         nicht zu Werkzeugen der Reaktion werden gebrauchen lassen.</p>
          <p>Nächste Woche, heißt es, soll die Untersuchungs-Kommission aus Freiburg hier                         anlangen, um die Gefangenen zu verhören. Es ist in der That hohe Zeit. In                         England und Frankreich dürfte es ein Regierung nicht wagen, 600 und mehr                         politische Gefangene einen Monat land ohne Verhör im Zellen-Gefängniß wie                         Sträflinge, Diebe und Mörder zu behandeln!</p>
          <bibl>(Mannh. A. Z.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar009_021" type="jArticle">
          <head><hi rendition="#g">Prag,</hi> 30. Mai.</head>
          <p>Die Prager Ztg. enthält eine Bekanntmachung des Grafen Leo Thun, worin die                         Gewähr der Bitte um Zulassung zur Theilnahme am nächsten Landtag für die                         nicht den Landständen angehörigen Besitzer landtäflicher Güter                         veröffentlicht wird. Böhmen soll zu diesem Zwecke in 5 Bezirke getheilt                         werden, in deren jedem die Gutsbesitzer 4 Landtagsabgeordnete wählen. &#x2012;                         Während die Abgeordneten zum Slavenkongreß, worunter viele Polen und                         Südslaven, unter festlichem Empfang immer zahlreicher einziehen, bringt die                         heutige Nummer der Narodni Nowiny das Programm der Versammlung. Die                         ankommenden Slaven werden in drei Abtheilungen eingezeichnet, deren erste                         (sbor) die Böhmen, Mähren, Schlesier und Slowaken, die zweite die Polen und                         Ruthenen, die dritte die Slowenen, Kroaten, Serben und Dalmatier umfaßt.                         Drei Vertrauensmänner nehmen jeden der Eingeschriebenen in die Abtheilung                         auf. Jedem Mitglied steht durch eine Karte der Zutritt zu allen drei                         Abtheilungen offen. Jede Abtheilung wählt aus sich 16                         Kongreßausschußmitglieder, einen Präsidenturkandidaten, einen                         Kongreßsekretär und dessen Ersatzmann. Die vereinigten drei Ausschüsse                         ernennen aus den drei Kandidaten den Präsidenten (starosta), die beiden                         andern Kandidaten sind Vicepräsidenten. Am 1. Juni wird der Kongreß                         eröffnet. Die Verhandlungsvorlagen werden in der vom kleinen Ausschuß                         festgestellten Ordnung berathen. Jede beendete Verhandlung einer Abtheilung                         wird dem Kongreßpräsidenten mitgetheilt, zu gemeinschaftlichen Beschlüssen                         gehört die Zustimmung aller drei Abtheilungen. Kommt eine solche zu Stande,                         so wird dieselbe vom kleinen Ausschuß in öffentlicher Sitzung bekannt                         gemacht; stellen sich unbedeutende Differenzen heraus, so bewirkt der große                         Ausschuß die Ausgleichung; bedeutende Differenzen bedingen eine nochmalige                         Berathung in den Abtheilungen. In jeder öffentlichen Sitzung des Kongresses                         werden die Abtheilungsverhandlungen verlesen und vertheilt, dann die                         gefaßten Beschlüsse vorgetragen und von den Mitgliedern durch Aufstehen                         bestätigt. Diese Beschlüsse werden dann auch in deutscher Sprache                         verkündet.</p>
          <bibl>(A. A. Z.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar009_022" type="jArticle">
          <head><hi rendition="#g">Prag,</hi> 31. Mai.</head>
          <p>Die Abgeordneten des Slavenkongresses, der morgen mit einem Gottesdienst in                         der Methodiuskapelle der Teynkirche eröffnet werden soll, sind gestern                         Nachmittag in großer Anzahl mit dem Eisenbahnzug aus Wien angekommen, und                         nun wimmelt es in den Gassen von seltsamen Trachten, schönen, aber                         unheimlich wilden Gestalten, südlichgebräunten Gesichtern. Tschechische und                         panslavische Fahnen, blau, roth und weiß werden durch die Gassen getragen.                         Mitglieder des Studentenkorps: Slavia- und der Swornostgarde geben den                         Gästen das Geleite. Die böhmischen Zeitungen liefern heute ein Programm des                         Kongresses in Bezug seiner Sektionen und Sitzungen; die eigentlichen Fragen                         mit denen er sich beschäftigen will, sind noch nicht veröffentlicht, aber es                         ahnt sie jeder. Es gilt auf den Trümmern der Monarchie ein großslavisches                         Reich mit Hinzuziehung der außer Oesterreich wohnenden Serben zu bauen, ein                         Reich, welches das Riesengebirge und die Karpathen, das adriatische Meer und                         den Balkan zu Gränzen haben soll. Wäre es nur eben so leicht zu schaffen wie                         zu dekretiren; die guten Panslavisten machen ihre Rechnung ohne an                         Deutschland, die Magyaren und die Russen zu denken! Der Bann von Croatien,                         Jellachich, der hinter all dem Treiben dieses Slavenkongresses steckt, hat                         an den hiesigen Nationalausschuß eine Zuschrift in illyrischer Sprache                         erlassen, in welcher er das &#x201E;Brudervolk der Böhmen&#x201C; auffordert, den Landtag                         der vereinigten Königreiche Slavonien, Croatien und Dalmatien, der für den                         5. Juni angesagt, durch Zusendung von Deptirten zu &#x201E;verschöneren.&#x201C; Der                         Nationalausschuß erwiederte diese Galanterie des Bann, indem er ihn                         ebenfalls in einer Zuschrift bat auch der Bann möchte seinerseits Deputirte                         ad audiendum zum Prager Landtag schicken,</p>
          <bibl>(A. A. Z.)</bibl>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#g">Polen.</hi> </head>
        <div xml:id="ar009_023" type="jArticle">
          <head><hi rendition="#g">Lemberg,</hi> 27. Mai.</head>
          <p>Die Lemberger Garnison hat, mit der Unterschrift aller Offizieren, einen                         Aufruf an die Armee erlassen, worin sie dem Wiener Treiben auf das                         entschiedenste entgegentritt. Sie erklärt sich gegen die anmaßende Gewalt                         einer kleinen Fraktion welche den Staat &#x201E;anarchischer Entfesselung rathlos                         in die Arme schleudert.&#x201C; Dagegen aufzutreten sei die Armee als                         staatsbürgerliche Genossenschaft, wie als fest geschlossene Macht moralisch                         und politisch verpflichtet, es sei ihre Aufgabe sich dorthin zu stellen wo                         sie Kaiser und Vaterland schirmen könne. Schließlich faßt der Aufruf die                         Entschließung der Soldaten in die Worte zusammen: &#x201E;Wir wollen Ordnung, wir                         wollen Recht, wir wollen das hohe Gut unserer Konstitution in weitester                         Ausdehnung, jedoch in männlichkluger, geregelter Entwicklung auf das                         schärfste bewachen.&#x201C; Daß sich diesem Entschluß die ganze Armee anschließen                         werde, ist die Hoffnung in welcher dieser Aufruf von der Lemberger Garnison                         erlassen worden.</p>
          <bibl>(A. A. Z.)</bibl>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#g">Ungarn.</hi> </head>
        <div xml:id="ar009_024" type="jArticle">
          <head><hi rendition="#g">Pesth,</hi> 28. Mai.</head>
          <p>Unter den neuesten ministerillen Erlassen scheint der wichtigste jener                         welcher die Ruhestörer, beziehentlich die Gemeinden, für die Transport- und                         Verpflegungskosten der Truppen verpflichtet deren Sendung durch die                         Ruhestörungen veranlaßt wurde. Wiener Blätter berichten daß die Stadt Pesth                         300,000 Fl. ohne Zinsen, der Ministerpräsident Barthyanyt 1 Mill. dem Staate                         darleihen, und Fürst Esterhazy demselben seine Schatzkammer zur Verfügung                         stellen wolle, um darauf seine hypothekarische Anleihe zu nehmen. Uedrigens                         nahm die Besorgniß vor den Slaven immer zu. Die Agramer Ztg. meldete bereits                         daß man in Agram das Bild des Palatins verbrannte, und an den Ka ser die                         Erklärung sandte, daß man Gut und Blut für völlige Selbstständigkeit der                         kroatischen Nation zu opfern bereit sei falls Kroatien den Ungarn                         preisgegeben werden solle. Noch bedenklicher sind die Nachrichten aus                         Neusatz. Als dort der ministerielle Kommissär v. Esernowicz nicht in die                         Aufhebung des Standrechts währen des Kirchenkongresses willigte, verlegte                         man diesen nach Carlowitz und verbrannte die zur Ruhe mahnende Proklamation                         des Regierungskommissärs. Darauf folgte die Wahl des Obersten Suplikatz zum                         serbischen Woiwoden, und des Carlowitzer Erzbischofs zum Patriarchen. In den                         Bezirk der Woiwodschaft gehören Syrmien, die Komitate Bacs, Baranya und                         Veröcze. An 600 bewaffnete Serben kamen aus Serbien zur Carlowitzer                         Versammlung, und eine Deputation von 200 Mann soll nun dem Kaiser die                         Wünsche der Serben vortragen. Man will das ungarische Ministerium durchaus                         nicht anerkennen. In Pesth aber glaubt man die Wiener Regierung von allen                         diesen Vorgängen unterrichtet, und argwöhnt diese suche in einer slavischen                         Monarchie den letzten Rettungsanker oder ein Mittel Ungarn zur                         Wiederunterwerfung zu bringen. Ueberdieß zeigen auch die in Pesth                         garnisonirenden Illyrier und Kroaten starke Sympathien für den Banus                         Jelachich. Außerdem herrscht, nach Briefen der D. A. Z., in Ungarns                         nördlichen (Trentschiner, Arvaer, Thurotzer, Liptauer) Komitaten eine                         völlige Anarchie, welche sich besonders gegen die Juden und alle Besitzenden                         richtet, nebenbei aber auch starke Sympathien für die Posener Polen zeigt.                         Ferner läuft aus Kronstadt, 18. Mai, das Ergebniß einer von 10,000 Menschen                         besuchten Versammlung in Blasendorf ein. Es war keine Union mit Ungarn;                         gleiche Rechte und Freiheiten wie die übrigen siebenbürgenschen Nationen                         auch für die Walachen, die Landtagsverhandlungen sollen ungarisch, deusch                         und walachisch geführt werden, die Walachen geloben dem österreichischen                         Kaiserhause unverbrüchliche Treue. Mit diesen Beschlüssen sollten                         Deputationen nach Wien und Klausenburg abgehen.</p>
          <bibl>(A. A. Z.)</bibl>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#g">Belgien.</hi> </head>
        <div xml:id="ar009_025" type="jArticle">
          <head><bibl><author>20</author></bibl><hi rendition="#g">Brüssel,</hi> 7.                         Juni.</head>
          <p>Seit zwei oder drei Jahren sind 11 bis 12,000 Fr. den Generalen und oberen                         Offizieren zugewiesen, die sich zu dem Manöver auf das Feld von Beverloo                         begeben. Die Manöver von Beverloo existiren seit 1815, die Gehaltszulagen                         erst seit dem libéralen Ministerium, das die Monarchie <hi rendition="#g">auf breitester demokratischer Unterlage,</hi> die belgische                         Muster-Konstitution zu einer Wahrheit gemacht hat. Der Generalkommandant des                         Feldlagers z. B., bezieht, außer seinem gewöhnlichen Gehalt von 46 Fr. 30                         Ct. per Tag, 100 Fr. täglich für ausgesuchte Gerichte und feine Weine,                         außerdem 14 Feldrationen und Feuragerationen. (Nation) Und Herr Baron von                         Chazal sollte nicht Recht haben, wenn er die Armee den schönsten Ring in der                         Kette der belgischen Institutionen nennt?</p>
          <p>&#x2012; In Brüssel fand eine kleine Emente statt, unter den am neuen Hypgodrom                         beschäftigten Erdarbeitern.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar009_026" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl><hi rendition="#g">Verviers,</hi> 7. Mai.</head>
          <p>Es existiren hier jetzt 5 Clubs. Der letzte hat sich so eben gebildet; die <hi rendition="#g">Sociétè libérale antirépublicaine.</hi></p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#g">Niederlande.</hi> </head>
        <div xml:id="ar009_027" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl><hi rendition="#g">Haag,</hi> 7.                         Juni.</head>
          <p>Holland scheint wirklich in Noth zu sein. Unsere Minister wissen kaum mehr wo                         ihnen der Kopf steht. Vorgestern Staatsrathssitzung, nachher langer                         Ministerrath; gestern wieder Ministerrath, heute morgen abermals                         Ministerrath und gleich darauf Staatsrathssitzung unter dem Präsidium des                         Königs.</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Französische Republik.</head>
        <div xml:id="ar009_028" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl><hi rendition="#g">Paris,</hi> 6.                         Juni.</head>
          <p>Der Versuch, Louis Blanc in Anklagezustand zu versetzen, war nur das Vorspiel                         einer Anklage gegen die exekutive Kommission, von der man erwartete, daß sie                         sich gleich beim Beginn der Debatte zurückziehen würde. Der 2. Juni sollte                         ein 9. Thermidor werden. Man begann mit Louis Blanc, weil man die großen                         Antipathien der Bourgeois-Majorität gegen ihn mit richtigem Instinkte                         heraufgefühlt hatte. Marrast, der ehemalige Redakteur des National, der                         Republikaner en gants jaunes, der Gentilhomme von der Feder und der Ritter                         von der Phrase, war Chef des Komplotts, das im ehemaligen Palais royal,                         jetzigen Palais national seinen Sitz hatte. Hier thronte er unter 200                         Repräsentanten, mit der ganzen Würde eines Mannes, der sich als                         gouvernementaler Mann der Situation fühlt. Plötzlich im Augenblicke der                         Entscheidung in der Sitzung vom 2. Juni, blies Marrast zum Rückzug. Er                         erinnerte sich nicht, Louis Blanc am 15. Mai im Hotel de ville gesehen zu                         haben. Woher diese plötzliche Sinnesänderung? Es war Herrn Marrast unter der                         Zeit bange geworden vor der alten dynastischen Partei, namentlich vor der in                         der Bourgeoisie neuauftauchenden Popularität des greisen Gamin Thiers. Und                         Herr Marrast erinnerte sich, daß man Lamartine gegen Ledru-Rollin benutzt,                         um Herrn Marrast und die ganze Partei des National an's Ruder zu bringen.                         Ebenso war man im Begriff, ihn, Herrn Marrast, gegen die exekutive                         Kommission zu benutzen, um Herrn Thiers und Odillon-Barret mit der                         Milchstraße von Duvergier, Remusat u. s. w. hinter ihnen an die Regierung zu                         bringen. Welchen Dank Lamartine dafür einerntet, daß er sich dazu hergab,                         die Contrerevolution zu stylisiren, mögen Sie aus folgender Apostrophe                         sehen, die das &#x201E;<hi rendition="#g">Pamphlet</hi>&#x201C; &#x2012; der &#x201E;Globe&#x201C; des Herrn                         Thiers &#x2012; an ihn richtet:</p>
          <p>&#x201E;Lamartine, aufgepaßt! Frankreich hat Sie zu sehr geliebt, um Sie je nur halb                         hassen zu können. Sie waren sein Lieblings-Dichter, sein Redner, sein                         Geschichtschreiber, sein Leiter, es hat Ihnen zugeklatscht, es hat Sie in                         seine Arme gepreßt! Aber Sie entfernen sich vom Kapitol, sie gehen dem                         tarpegischen Felsen zu! Kehren Sie um Lamartine, danken Sie den Göttern, das                         Vaterland vor der Anarchie und der rothen Fahne gerettet zu haben. Es ist                         vielleicht noch Zeit. Im Namen Frankreichs, Lamartine, wenn Sie diesen Muth                         nicht in sich fühlen, verschwinden Sie, auf daß nicht ein Schriftsteller der                         Zukunft jemals unsere Republik anklage, undankbar und <hi rendition="#g">grausam</hi> gegen den Redner vom Hotel de ville gewesen zu sein.</p>
          <p>&#x2012; Die Wahl der Vicepräsidenten Bethmont, Marrast, Corbon, Cormenin, Portalis                         und Lacrosse ist ein entschiedener Sieg der Partei des National. Cremieux                         hat die Bedeutung der Wahl von Portalis verstanden, und seine Entlassung als                         Minister und Deputirter eingereicht. Die Nationalversammlung gab ihm noch                         auf andere Weise ihre Böswilligkeit zu erkennen, indem sie Landrin, Edmond                         Lafayette und Berard zu Secretairen ernannte. Lamartin und Ledru-Rollin                         sollen diese Vicepräsidenten- und Secretairenwahl als offene Kriegserklärung                         der Nationalversammlung gegen die executive Commission betrachten und ihre                         Entlassung einreichen wollen. Auf der offiziellen Oberfläche werden dann nur                         noch zwei Parteien spielen, die beide der Februarrevolution gleich feindlich                         sind, die Partei des National und die Thierspartei.</p>
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[0037/0003] zwischen der Furcht vor der Aristokratie und der radikalen Partei, an deren Spitze man in Schlesien den Grafen v. Reichenbach und den Baron v. Aucker zu sehen meint. Diese Partei sucht ihren Stützpunkt in der Masse des Volkes, das allerdings durch das Verhältniß der Gutsherrlichkeit in einen solchen Zustand der Verarmung gekommen ist, daß Tausende in Oberschlesien vor Hunger sterben. Der gebildete Theil der Bürgerlichen, welcher vorher am meisten vor den Uebergriffen der Aristokratie warnte, wird jetzt eben so von den Proletariern gehaßt, wie mancher vom Adel, da diejenigen, welche auf diese wirken wollen, die Bourgeoisie als einen eben so gefährlichen Feind der Armen darstellen, als die Aristokratie. Am praktischsten sind noch die oberschlesischen Bauern gewesen, diese haben ihre Abgeordneten, Standesgenossen, dahin instruirt, daß sie die gänzliche Befreiung von dem gutsherrlichen Verhältniß mitbringen müßten; sonst würden sie todtgeschlagen. Sie wollen dem Könige geben, was sie sollen, auch ihren Gläubigern, was sie schuldig sind, mithin auch dem bisherigen Grundherren, aber nur als Gläubiger, nicht als Polizeiherren. Man sieht wie wenig man verstanden hat, sich durch das sogenannte patriarchalische Verhältniß beliebt zu machen. (O.-P.-A.-Z.) Posen, 3. Juni. Alle Nachrichten aus dem benachbarten Königreich Polen lauten außerordentlich kriegerisch, denn es unterliegt keinem Zweifel, daß die halbe russische Armee gegenwärtig in Polen und Litthauen konzentrirt ist. Glaubwürdige hiesige Kaufleute, welche nach vielen Schwierigkeiten vom Fürsten Paskewicz die Erlaubniß zum Ueberschreiten der Gränze erlangt hatten, geben die dortigen russischen Streitkräfte auf 300,000 Mann an. Unsere Militärbehörden scheinen auch nicht ohne Besorgnisse zu sein, weil seit einigen Tagen mit ungeheuren Kräften an der Herstellung unserer Festung gearbeitet wird; alle Arbeiter, die sich nur melden, werden angenommen. Freilich ist unsere Stadt nicht eher hinlänglich geschützt, als bis das Karmeliter-Fort und die Werke am Berliner Thor beendigt sind, indem dann erst die Enceinte, die bis jetzt noch ein Drittel der Stadt ziemlich offen läßt, geschlossen ist. ‒ Unsere Militärbehörde scheint die Ueberzeugung gewonnen zu haben, daß es nothwendig sei, die eingebornen Truppen, meistens die Landwehr, aus der Provinz zu entfernen; der größere Theil derselben, auch Artillerie, ist nach Schlesien und den westlichen Provinzen verlegt. ‒ Die Reorganisation des polnischen Theils unserer Provinz ist völlig stationär geworden, da kein Pole eine Beamtenstelle dort annehmen will; auch der Landrath von Twandowski hat das Präsidium abgelehnt. Was nun? Das deutsche Comite verlangt die Vertheilung der deutschen Kreise unter die angränzenden Provinzen; die hiesigen Kommunalbehörden, so wie alle Gewerbetreibenden im Großherzogthum sind entschieden dagegen, weil sie den Ruin der Stadt Posen als natürliche Folge davon voraussehen. (O.-P.-A.-Z.) Mainz, 6. Juni. Der Beschluß der deutschen Bundesversammlung vom 2. d. M. über die traurige Angelegenheit unserer Stadt hat hier einen Eindruck gemacht, der nicht zu beschreiben ist. Man hat denselben mit eisiger Ruhe aufgenommen und bewundert zugleich den kühnen Humor der Bundesversammlung, mit dem sie sich auch in diesem Beschlusse auf das Reglement der Bundesfestung beruft, das hier Niemand kennt und welches von den hiesigen großh. hess. Behörden deßhalb nicht publicirt werden kann und darf, weil die großh. hess. Staatsregierung diesem Reglement die Sanction verweigert hat. (F. J.) Mainz, 7. Juni. Wie man vernimmt, sollen in den Ortschaften in der Umgegend unserer Stadt bairische und kurhessische Truppen einquartirt werden. Auch ist bereits nach Alzei und Bingen eine hessen-darmstädtische Garnison gelegt worden. Was diese außergewöhnlichen Maßregeln bedeuten mögen? Sind es die Franzosen, welche unserem Ministerium Schrecken verursachen? Oder hat dasselbe wohl gar Furcht vor republikanischen Schilderhebungen?! Jedenfalls wäre es in dieser Beziehung eine Pflicht der Dankbarkeit aller deutschen Regierungen, die großh. hessische Regierung, die so bereitwillig ihre Truppen zur Verfügung gestellt hat, um ganz Deutschland vor der Republik zu bewahren, auf dieselbe Weise zu unterstützen. Scheint es doch eine solidarische Verpflichtung der vaterländischen Regierungen, die Freiheitsgelüste des Volkes im Keime zu ersticken! ‒ ‒ Die hiesigen Militärpflichtigen, welche für dieses Jahr einberufen worden, sind gestern Abend zusammengetreten, um gemeinschaftlich die Schritte zu berathen, die sie zur Wahrung ihrer Interessen für nöthig erachten. Sie haben beschlossen, eine Protestaion gegen die Einberufung zur Musterung abzusenden und vor tder Promulgation einer allgemeinen deutschen Heer- und Wehrordnung durch die Nationalversammlung sich zur Aushebunng nicht zu stellen. Gleichzeitig fordern sie alle Konskribirten aus dem Lande auf, ähnliche Schritte einzuleiten. Heute Abend findet dahier eine weitere Besprechung statt. (Mz. Z.) Mainz, 7. Juni. Von dem Berliner demokratischen Vereine ist eine in einer Versammlung von 4000 Mitgliedern einstimmig angenommene Adresse an die Mainzer Bürger eingelaufen, worin in energischen Worten die Sympathie des Berliner Volkes für die Stadt ausgesprochen und das Verfahren des Militärgouvernements entschieden mißbilligt wird. Bruchsal, 1. Juni. Unser Stadtgespräch hat sich natürlich diese Zeit hindurch auch viel mit den gefangenen Republikanern beschäftigt, die jetzt noch über 600 an der Zahl im neuen Central-Penitenzian-Gefängniß und gegen 120 im Frauen-Gefängniß hier in der Stadt befindlich sind. In dem einer kleinen Festung gleichenden, nach dem Modell der Londoner Penitentiary's gebauten hiesigen Zellengefängniß befinden sich außer 400 jungen Leuten, der pariser deutschen Legion, auch eine Menge Bürger, Studenten und Bauern aus Freiburg, Konstanz, Mannheim, Heidelberg, Sinsheim, Sulzfeld u. s. w. Hoff, Grohe, Adv. v. Rottek befinden sich in einem Flügel, jedoch jeder getrennt in besondern Zellen. Die Behandlung, welche die Gefangenen erleiden, im höchsten Grade zu tadeln. Viele Wochen haben die Leute in kleinen Zellen eingesperrt gelegen, ohne je spazieren geführt zu werden; jetzt, nach einem Protest, welchen Bornstedt an unsere zweite Kammer richtete, welche Schrift aber der Justizminister nicht an Ort und Stelle gelangen ließ, sondern entsetzlich in Beschlag nahm, soll eine Untersuchungs-Kommission vor einigen Tagen aus Karlsruhe angelangt sein, und die Gefangenen besucht haben. Viele hatten auf Stroh liegend Ungeziefer bekommen. Es fehlt noch jetzt theilweise an Decken und Matrazen. Sollte man es glauben ‒ drei Wochen hat Bornstedt auf der Erde schlafen, liegen, schreiben und essen müssen, da man ihm weder Tisch noch Stuhl gab, weder Messer noch Gabel zum Essen!!! Noch jetzt hat kein einziger Gefangener ein Geschirr, um sich zu waschen, und in 2/3 der Zellen sind die Deckel zum Zumachen des Nachtgeschirrs nicht einmal da! Ist eine solche Behandlung nicht empörend? Mehr noch, jetzt sind die unglücklichen Gefangenen bald einen Monat ohne Bewegung, in einigen Zellen zu 4 und 5 zusammengepreßt, alle noch immer ohne auch nur einmal verhört worden zu sein!! Wo bleiben denn Gesetz, Humanität, wo auch nur die gewöhnlichste Beobachtung der Billigkeit. ‒ Ein junger Franzose Namens Xavier aus Charlon sur Marne ist hier bereits im Zellengefängniß durch die Behandlung verückt geworden, und hat man ihn etwa freigelassen oder in ein Irrenhaus gebracht? Keineswegs. Man läßt ihn ohne ärztliche Behandlung allein in einer Zelle. Dem Verwalter des Gefängnisses, Hrn. Arnold, sollen keine Vorwürfe deshalb zu machen sein, da die obere Behörde in Karlsruhe Alles zu vollziehen hat. Wie übrigens der Militär-Despotismus jetzt in unserm Lande herrscht, kann folgendes Beispiel lehren. Plötzlich kommt vor einigen 14 Tagen dem Verwalter des Gefängnisses ein Befehl des würtembergischen Generallieutenant v. Miller aus Lörrach zu, dem Gefangenen Adalbert v. Bornstedt aus Stendal „sämmtliches „Geld, was er besitzt, und was beim Verwahrer Arnold deponirt „sei (40 Gulden) wegzunehmen, indem solches den Soldaten als „Kriegsbeute zu vertheilen sei, welche den v. Bornstedt gefangen „genommen!“ Also in einem badischen Gefängnisse verordnet ein würtembergischer General nachträglich Konfiskationen!! Auf die Summe, und ob sie groß oder klein, kommt es gar nicht an. Die Thatsache selbst ist unerhört! Uebrigens ist es jetzt ist unserem ganzen badischen Lande bekannt, welche Excesse sich die würtembergischen Soldaten des 1. und 6. Infanterie-Regiments, auch die Ulanen, den gefangenen, entwaffneten Leuten der Pariser Deutschen Legion gegenüber erlaubte. Nicht blos haben die Würtemberger den Gefangenen nach Willkür all' ihr Gepäcke, vielen alles Geld u. s. w. abgenommen, sondern Unbewaffnete sind, wie ein gewisser Kessler aus Trier zu Bulgen am Rhein niedergestoßen worden. Leichname sind mißhandelt, Gefangene mit Säbelhieben, Kolbenstößen und Bajonettenstichen, (die rohesten Schimpfwörter verstehen sich als Beithat von selbst) überhäuft worden. Auf Fliehende, die unbewaffnet waren, wurde geschossen. Franzosen, die kein Wort deutsch sprachen, wurden auf das Empörendste mißhandelt, weil sie die exaltirte Soldateska nicht verstanden. Die Würtemberger plünderten selbst die Leichname auf dem Schlachtfelde, Todte wurden noch verstümmelt. Die Bauern aus drr Umgegend wissen über diese Gräuelscenen viel zu erzählen. Und das nennt man die öffentliche Ruhe und Ordnung wiederherstellen! ‒ Die Gerichtssitzungen zu Freiburg versprechen interessant und belehrend zu werden. Hoffen wir, daß die Richter und Geschworenen ihre Mission verstehen, und sich nicht zu Werkzeugen der Reaktion werden gebrauchen lassen. Nächste Woche, heißt es, soll die Untersuchungs-Kommission aus Freiburg hier anlangen, um die Gefangenen zu verhören. Es ist in der That hohe Zeit. In England und Frankreich dürfte es ein Regierung nicht wagen, 600 und mehr politische Gefangene einen Monat land ohne Verhör im Zellen-Gefängniß wie Sträflinge, Diebe und Mörder zu behandeln! (Mannh. A. Z.) Prag, 30. Mai. Die Prager Ztg. enthält eine Bekanntmachung des Grafen Leo Thun, worin die Gewähr der Bitte um Zulassung zur Theilnahme am nächsten Landtag für die nicht den Landständen angehörigen Besitzer landtäflicher Güter veröffentlicht wird. Böhmen soll zu diesem Zwecke in 5 Bezirke getheilt werden, in deren jedem die Gutsbesitzer 4 Landtagsabgeordnete wählen. ‒ Während die Abgeordneten zum Slavenkongreß, worunter viele Polen und Südslaven, unter festlichem Empfang immer zahlreicher einziehen, bringt die heutige Nummer der Narodni Nowiny das Programm der Versammlung. Die ankommenden Slaven werden in drei Abtheilungen eingezeichnet, deren erste (sbor) die Böhmen, Mähren, Schlesier und Slowaken, die zweite die Polen und Ruthenen, die dritte die Slowenen, Kroaten, Serben und Dalmatier umfaßt. Drei Vertrauensmänner nehmen jeden der Eingeschriebenen in die Abtheilung auf. Jedem Mitglied steht durch eine Karte der Zutritt zu allen drei Abtheilungen offen. Jede Abtheilung wählt aus sich 16 Kongreßausschußmitglieder, einen Präsidenturkandidaten, einen Kongreßsekretär und dessen Ersatzmann. Die vereinigten drei Ausschüsse ernennen aus den drei Kandidaten den Präsidenten (starosta), die beiden andern Kandidaten sind Vicepräsidenten. Am 1. Juni wird der Kongreß eröffnet. Die Verhandlungsvorlagen werden in der vom kleinen Ausschuß festgestellten Ordnung berathen. Jede beendete Verhandlung einer Abtheilung wird dem Kongreßpräsidenten mitgetheilt, zu gemeinschaftlichen Beschlüssen gehört die Zustimmung aller drei Abtheilungen. Kommt eine solche zu Stande, so wird dieselbe vom kleinen Ausschuß in öffentlicher Sitzung bekannt gemacht; stellen sich unbedeutende Differenzen heraus, so bewirkt der große Ausschuß die Ausgleichung; bedeutende Differenzen bedingen eine nochmalige Berathung in den Abtheilungen. In jeder öffentlichen Sitzung des Kongresses werden die Abtheilungsverhandlungen verlesen und vertheilt, dann die gefaßten Beschlüsse vorgetragen und von den Mitgliedern durch Aufstehen bestätigt. Diese Beschlüsse werden dann auch in deutscher Sprache verkündet. (A. A. Z.) Prag, 31. Mai. Die Abgeordneten des Slavenkongresses, der morgen mit einem Gottesdienst in der Methodiuskapelle der Teynkirche eröffnet werden soll, sind gestern Nachmittag in großer Anzahl mit dem Eisenbahnzug aus Wien angekommen, und nun wimmelt es in den Gassen von seltsamen Trachten, schönen, aber unheimlich wilden Gestalten, südlichgebräunten Gesichtern. Tschechische und panslavische Fahnen, blau, roth und weiß werden durch die Gassen getragen. Mitglieder des Studentenkorps: Slavia- und der Swornostgarde geben den Gästen das Geleite. Die böhmischen Zeitungen liefern heute ein Programm des Kongresses in Bezug seiner Sektionen und Sitzungen; die eigentlichen Fragen mit denen er sich beschäftigen will, sind noch nicht veröffentlicht, aber es ahnt sie jeder. Es gilt auf den Trümmern der Monarchie ein großslavisches Reich mit Hinzuziehung der außer Oesterreich wohnenden Serben zu bauen, ein Reich, welches das Riesengebirge und die Karpathen, das adriatische Meer und den Balkan zu Gränzen haben soll. Wäre es nur eben so leicht zu schaffen wie zu dekretiren; die guten Panslavisten machen ihre Rechnung ohne an Deutschland, die Magyaren und die Russen zu denken! Der Bann von Croatien, Jellachich, der hinter all dem Treiben dieses Slavenkongresses steckt, hat an den hiesigen Nationalausschuß eine Zuschrift in illyrischer Sprache erlassen, in welcher er das „Brudervolk der Böhmen“ auffordert, den Landtag der vereinigten Königreiche Slavonien, Croatien und Dalmatien, der für den 5. Juni angesagt, durch Zusendung von Deptirten zu „verschöneren.“ Der Nationalausschuß erwiederte diese Galanterie des Bann, indem er ihn ebenfalls in einer Zuschrift bat auch der Bann möchte seinerseits Deputirte ad audiendum zum Prager Landtag schicken, (A. A. Z.) Polen. Lemberg, 27. Mai. Die Lemberger Garnison hat, mit der Unterschrift aller Offizieren, einen Aufruf an die Armee erlassen, worin sie dem Wiener Treiben auf das entschiedenste entgegentritt. Sie erklärt sich gegen die anmaßende Gewalt einer kleinen Fraktion welche den Staat „anarchischer Entfesselung rathlos in die Arme schleudert.“ Dagegen aufzutreten sei die Armee als staatsbürgerliche Genossenschaft, wie als fest geschlossene Macht moralisch und politisch verpflichtet, es sei ihre Aufgabe sich dorthin zu stellen wo sie Kaiser und Vaterland schirmen könne. Schließlich faßt der Aufruf die Entschließung der Soldaten in die Worte zusammen: „Wir wollen Ordnung, wir wollen Recht, wir wollen das hohe Gut unserer Konstitution in weitester Ausdehnung, jedoch in männlichkluger, geregelter Entwicklung auf das schärfste bewachen.“ Daß sich diesem Entschluß die ganze Armee anschließen werde, ist die Hoffnung in welcher dieser Aufruf von der Lemberger Garnison erlassen worden. (A. A. Z.) Ungarn. Pesth, 28. Mai. Unter den neuesten ministerillen Erlassen scheint der wichtigste jener welcher die Ruhestörer, beziehentlich die Gemeinden, für die Transport- und Verpflegungskosten der Truppen verpflichtet deren Sendung durch die Ruhestörungen veranlaßt wurde. Wiener Blätter berichten daß die Stadt Pesth 300,000 Fl. ohne Zinsen, der Ministerpräsident Barthyanyt 1 Mill. dem Staate darleihen, und Fürst Esterhazy demselben seine Schatzkammer zur Verfügung stellen wolle, um darauf seine hypothekarische Anleihe zu nehmen. Uedrigens nahm die Besorgniß vor den Slaven immer zu. Die Agramer Ztg. meldete bereits daß man in Agram das Bild des Palatins verbrannte, und an den Ka ser die Erklärung sandte, daß man Gut und Blut für völlige Selbstständigkeit der kroatischen Nation zu opfern bereit sei falls Kroatien den Ungarn preisgegeben werden solle. Noch bedenklicher sind die Nachrichten aus Neusatz. Als dort der ministerielle Kommissär v. Esernowicz nicht in die Aufhebung des Standrechts währen des Kirchenkongresses willigte, verlegte man diesen nach Carlowitz und verbrannte die zur Ruhe mahnende Proklamation des Regierungskommissärs. Darauf folgte die Wahl des Obersten Suplikatz zum serbischen Woiwoden, und des Carlowitzer Erzbischofs zum Patriarchen. In den Bezirk der Woiwodschaft gehören Syrmien, die Komitate Bacs, Baranya und Veröcze. An 600 bewaffnete Serben kamen aus Serbien zur Carlowitzer Versammlung, und eine Deputation von 200 Mann soll nun dem Kaiser die Wünsche der Serben vortragen. Man will das ungarische Ministerium durchaus nicht anerkennen. In Pesth aber glaubt man die Wiener Regierung von allen diesen Vorgängen unterrichtet, und argwöhnt diese suche in einer slavischen Monarchie den letzten Rettungsanker oder ein Mittel Ungarn zur Wiederunterwerfung zu bringen. Ueberdieß zeigen auch die in Pesth garnisonirenden Illyrier und Kroaten starke Sympathien für den Banus Jelachich. Außerdem herrscht, nach Briefen der D. A. Z., in Ungarns nördlichen (Trentschiner, Arvaer, Thurotzer, Liptauer) Komitaten eine völlige Anarchie, welche sich besonders gegen die Juden und alle Besitzenden richtet, nebenbei aber auch starke Sympathien für die Posener Polen zeigt. Ferner läuft aus Kronstadt, 18. Mai, das Ergebniß einer von 10,000 Menschen besuchten Versammlung in Blasendorf ein. Es war keine Union mit Ungarn; gleiche Rechte und Freiheiten wie die übrigen siebenbürgenschen Nationen auch für die Walachen, die Landtagsverhandlungen sollen ungarisch, deusch und walachisch geführt werden, die Walachen geloben dem österreichischen Kaiserhause unverbrüchliche Treue. Mit diesen Beschlüssen sollten Deputationen nach Wien und Klausenburg abgehen. (A. A. Z.) Belgien. 20Brüssel, 7. Juni. Seit zwei oder drei Jahren sind 11 bis 12,000 Fr. den Generalen und oberen Offizieren zugewiesen, die sich zu dem Manöver auf das Feld von Beverloo begeben. Die Manöver von Beverloo existiren seit 1815, die Gehaltszulagen erst seit dem libéralen Ministerium, das die Monarchie auf breitester demokratischer Unterlage, die belgische Muster-Konstitution zu einer Wahrheit gemacht hat. Der Generalkommandant des Feldlagers z. B., bezieht, außer seinem gewöhnlichen Gehalt von 46 Fr. 30 Ct. per Tag, 100 Fr. täglich für ausgesuchte Gerichte und feine Weine, außerdem 14 Feldrationen und Feuragerationen. (Nation) Und Herr Baron von Chazal sollte nicht Recht haben, wenn er die Armee den schönsten Ring in der Kette der belgischen Institutionen nennt? ‒ In Brüssel fand eine kleine Emente statt, unter den am neuen Hypgodrom beschäftigten Erdarbeitern. * Verviers, 7. Mai. Es existiren hier jetzt 5 Clubs. Der letzte hat sich so eben gebildet; die Sociétè libérale antirépublicaine. Niederlande. *Haag, 7. Juni. Holland scheint wirklich in Noth zu sein. Unsere Minister wissen kaum mehr wo ihnen der Kopf steht. Vorgestern Staatsrathssitzung, nachher langer Ministerrath; gestern wieder Ministerrath, heute morgen abermals Ministerrath und gleich darauf Staatsrathssitzung unter dem Präsidium des Königs. Französische Republik. *Paris, 6. Juni. Der Versuch, Louis Blanc in Anklagezustand zu versetzen, war nur das Vorspiel einer Anklage gegen die exekutive Kommission, von der man erwartete, daß sie sich gleich beim Beginn der Debatte zurückziehen würde. Der 2. Juni sollte ein 9. Thermidor werden. Man begann mit Louis Blanc, weil man die großen Antipathien der Bourgeois-Majorität gegen ihn mit richtigem Instinkte heraufgefühlt hatte. Marrast, der ehemalige Redakteur des National, der Republikaner en gants jaunes, der Gentilhomme von der Feder und der Ritter von der Phrase, war Chef des Komplotts, das im ehemaligen Palais royal, jetzigen Palais national seinen Sitz hatte. Hier thronte er unter 200 Repräsentanten, mit der ganzen Würde eines Mannes, der sich als gouvernementaler Mann der Situation fühlt. Plötzlich im Augenblicke der Entscheidung in der Sitzung vom 2. Juni, blies Marrast zum Rückzug. Er erinnerte sich nicht, Louis Blanc am 15. Mai im Hotel de ville gesehen zu haben. Woher diese plötzliche Sinnesänderung? Es war Herrn Marrast unter der Zeit bange geworden vor der alten dynastischen Partei, namentlich vor der in der Bourgeoisie neuauftauchenden Popularität des greisen Gamin Thiers. Und Herr Marrast erinnerte sich, daß man Lamartine gegen Ledru-Rollin benutzt, um Herrn Marrast und die ganze Partei des National an's Ruder zu bringen. Ebenso war man im Begriff, ihn, Herrn Marrast, gegen die exekutive Kommission zu benutzen, um Herrn Thiers und Odillon-Barret mit der Milchstraße von Duvergier, Remusat u. s. w. hinter ihnen an die Regierung zu bringen. Welchen Dank Lamartine dafür einerntet, daß er sich dazu hergab, die Contrerevolution zu stylisiren, mögen Sie aus folgender Apostrophe sehen, die das „Pamphlet“ ‒ der „Globe“ des Herrn Thiers ‒ an ihn richtet: „Lamartine, aufgepaßt! Frankreich hat Sie zu sehr geliebt, um Sie je nur halb hassen zu können. Sie waren sein Lieblings-Dichter, sein Redner, sein Geschichtschreiber, sein Leiter, es hat Ihnen zugeklatscht, es hat Sie in seine Arme gepreßt! Aber Sie entfernen sich vom Kapitol, sie gehen dem tarpegischen Felsen zu! Kehren Sie um Lamartine, danken Sie den Göttern, das Vaterland vor der Anarchie und der rothen Fahne gerettet zu haben. Es ist vielleicht noch Zeit. Im Namen Frankreichs, Lamartine, wenn Sie diesen Muth nicht in sich fühlen, verschwinden Sie, auf daß nicht ein Schriftsteller der Zukunft jemals unsere Republik anklage, undankbar und grausam gegen den Redner vom Hotel de ville gewesen zu sein. ‒ Die Wahl der Vicepräsidenten Bethmont, Marrast, Corbon, Cormenin, Portalis und Lacrosse ist ein entschiedener Sieg der Partei des National. Cremieux hat die Bedeutung der Wahl von Portalis verstanden, und seine Entlassung als Minister und Deputirter eingereicht. Die Nationalversammlung gab ihm noch auf andere Weise ihre Böswilligkeit zu erkennen, indem sie Landrin, Edmond Lafayette und Berard zu Secretairen ernannte. Lamartin und Ledru-Rollin sollen diese Vicepräsidenten- und Secretairenwahl als offene Kriegserklärung der Nationalversammlung gegen die executive Commission betrachten und ihre Entlassung einreichen wollen. Auf der offiziellen Oberfläche werden dann nur noch zwei Parteien spielen, die beide der Februarrevolution gleich feindlich sind, die Partei des National und die Thierspartei.

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 9. Köln, 9. Juni 1848, S. 0037. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz009_1848/3>, abgerufen am 27.04.2024.