Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[N. N.]: Alexander von Humboldts Vorlesungen über phÿsikalische Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin im Winter von 1827 bis 1828. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.]

Bild:
<< vorherige Seite

einen viel kürzeren Weg nach Indien, quer über den Nordpol
nehmen könne. Unter Heinrich VIII wurden wirklich Versuche
zu dieser Durchfahrt gemacht; indeß muß man sagen, daß es
bei dem jetzigen Stande des Eises sehr schwierig ist, nur bis 80°
durchzudringen. Lord Mulgrave kam auf seiner berühmten
Expedition bis 80° 48' [u.]und dies hielt man lange für die höchste nördliche
Breite; neuerdings aber ist Scoresby Mai 1806 bis 81° 13'vorgedrunge[n], wie
er aus einer guten Mittagshöhe der Sonne abnehmen konnte [u.]und
Nachmittags bis 81° 30' gekommen. Er hat auch dargethan, daß die Breite von
86° die nach Barrington früher erreicht worden sein soll, gewiß
W.
übertrieben [u.]und falsch ist. Parrys Expedition um zu Lande nach dem
Pol zu kommen, ist bekanntlich nicht geglückt. Es ereignete sich nemlich
der eigne Unfall, daß die Eisschollen, auf denen seine Kähne oder
Schlitten fortgezogen wurden nach Süden in Bewegung waren: er
kam daher mehr rück- als vorwärts. Er that bei dieser Gelegen-
heit dasselbe was schon Chr: Columbus gethan, er verbarg die
wahre Breite seinen Leuten um sie nicht muthlos zu machen. Die
englische Regierung hat einen Preis von 5000 L für den ausge-
setzt, der bis 89° vordringt, einen von 20000 L für das Auf-
finden einer N. W. Durchfahrt; aber beide sind noch nicht errungen.
Bei der Stellung der Continente müssen wir bemerken, daß sie
der Länge nach, auffallend auf eine Seite zusammengedrängt sind.
Von der einen Seite nimmt das Land unter dem Aequator 250
Längengrade ein; von der andern das Wasser 110°. Denken
wir uns daher, daß die Erde so gesehen würde wie der Mond,
so würde die erste Seite unter dem Aequator ganz voller Con-
tinent erscheinen, dagegen auf der andern Seite, wo er durch

einen viel kürzeren Weg nach Indien, quer über den Nordpol
nehmen könne. Unter Heinrich VIII wurden wirklich Versuche
zu dieser Durchfahrt gemacht; indeß muß man sagen, daß es
bei dem jetzigen Stande des Eises sehr schwierig ist, nur bis 80°
durchzudringen. Lord Mulgrave kam auf seiner berühmten
Expedition bis 80° 48′ [u.]und dies hielt man lange für die höchste nördliche
Breite; neuerdings aber ist Scoresby Mai 1806 bis 81° 13′vorgedrunge[n], wie
er aus einer guten Mittagshöhe der Sonne abnehmen konnte [u.]und
Nachmittags bis 81° 30′ gekom̃en. Er hat auch dargethan, daß die Breite von
86° die nach Barrington früher erreicht worden sein soll, gewiß
W.
übertrieben [u.]und falsch ist. Parrÿs Expedition um zu Lande nach dem
Pol zu kommen, ist bekanntlich nicht geglückt. Es ereignete sich nemlich
der eigne Unfall, daß die Eisschollen, auf denen seine Kähne oder
Schlitten fortgezogen wurden nach Süden in Bewegung waren: er
kam daher mehr rück- als vorwärts. Er that bei dieser Gelegen-
heit dasselbe was schon Chr: Columbus gethan, er verbarg die
wahre Breite seinen Leuten um sie nicht muthlos zu machen. Die
englische Regierung hat einen Preis von 5000 ₤ für den ausge-
setzt, der bis 89° vordringt, einen von 20000 ₤ für das Auf-
finden einer N. W. Durchfahrt; aber beide sind noch nicht errungen.
Bei der Stellung der Continente müssen wir bemerken, daß sie
der Länge nach, auffallend auf eine Seite zusammengedrängt sind.
Von der einen Seite nimmt das Land unter dem Aequator 250
Längengrade ein; von der andern das Wasser 110°. Denken
wir uns daher, daß die Erde so gesehen würde wie der Mond,
so würde die erste Seite unter dem Aequator ganz voller Con-
tinent erscheinen, dagegen auf der andern Seite, wo er durch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="session" n="39">
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <div n="4">
                <p><pb facs="#f0212" n="[206]"/>
einen viel kürzeren Weg nach Indien, quer über den Nordpol<lb/>
nehmen könne. Unter <hi rendition="#aq"><persName resp="#SB" ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-118548204 http://d-nb.info/gnd/118548204">Heinrich VIII</persName></hi> wurden wirklich Versuche<lb/>
zu dieser Durchfahrt gemacht; indeß muß man sagen, daß es<lb/>
bei dem jetzigen Stande des Eises sehr schwierig <choice><sic/><corr resp="#CT">ist,</corr></choice> nur bis 80°<lb/>
durchzudringen. Lord <hi rendition="#aq"><persName resp="#SB" ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-117610097 http://d-nb.info/gnd/117610097">Mulgrave</persName></hi> kam auf seiner berühmten<lb/>
Expedition bis 80° 48&#x2032; <subst><del rendition="#ow"><supplied resp="#BF">u.</supplied></del><add place="across">und</add></subst> dies hielt man lange für die höchste <choice><abbr>nördl:</abbr><expan resp="#BF">nördliche</expan></choice><lb/>
Breite; neuerdings aber ist <hi rendition="#aq"><persName resp="#SB" ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-117654167 http://d-nb.info/gnd/117654167">Scoresby</persName></hi> Mai 1806 bis 81° 13&#x2032;<del rendition="#s" hand="#pencil"><add place="superlinear" hand="#pencil">vorgedrunge<supplied resp="#BF">n</supplied></add></del>, wie<lb/>
er aus einer guten Mittagshöhe der Sonne abnehmen konnte <subst><del rendition="#ow"><supplied resp="#BF">u.</supplied></del><add place="across">und</add></subst><lb/>
Nachmittags bis 81° 30&#x2032;<add place="superlinear"><metamark/> gekom&#x0303;en</add>. Er hat auch dargethan, daß die Breite von<lb/>
86° die nach <hi rendition="#aq"><persName resp="#SB" ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-117565261 http://d-nb.info/gnd/117565261">Barrington</persName></hi> früher erreicht worden sein soll, gewiß<lb/><note place="left" hand="#pencil">W.<lb/></note>übertrieben <subst><del rendition="#ow"><supplied resp="#BF">u.</supplied></del><add place="across">und</add></subst> falsch ist. <hi rendition="#aq"><persName resp="#SB" ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-116048166 http://d-nb.info/gnd/116048166">Parrÿ</persName>s</hi> Expedition um zu Lande nach dem<lb/>
Pol zu kommen, ist bekanntlich nicht geglückt. Es ereignete sich nemlich<lb/>
der eigne Unfall, daß die Eisschollen, auf denen seine Kähne oder<lb/>
Schlitten fortgezogen wurden nach Süden in Bewegung waren: er<lb/>
kam daher mehr rück- als vorwärts. Er that bei dieser Gelegen-<lb/>
heit dasselbe was schon <hi rendition="#aq"><persName resp="#SB" ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-118564994 http://d-nb.info/gnd/118564994">Chr: Columbus</persName></hi> gethan, er verbarg die<lb/>
wahre Breite seinen Leuten um sie nicht muthlos zu machen. Die<lb/>
englische Regierung hat einen Preis von 5000 &#x20A4; für den ausge-<lb/>
setzt, der bis 89° vordringt, einen von 20000 &#x20A4; für das Auf-<lb/>
finden einer N. W. Durchfahrt; aber beide sind noch nicht errungen.<lb/>
Bei der Stellung der Continente müssen wir bemerken, daß sie<lb/>
der Länge nach, auffallend auf eine Seite zusammengedrängt sind.<lb/>
Von der einen Seite nimmt das Land unter dem Aequator 250<lb/>
Längengrade ein; von der andern das Wasser 110°. Denken<lb/>
wir uns daher, daß die Erde so gesehen würde wie der Mond,<lb/>
so würde die erste Seite unter dem Aequator ganz voller Con-<lb/>
tinent erscheinen, dagegen auf der andern Seite, wo er durch<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[206]/0212] einen viel kürzeren Weg nach Indien, quer über den Nordpol nehmen könne. Unter Heinrich VIII wurden wirklich Versuche zu dieser Durchfahrt gemacht; indeß muß man sagen, daß es bei dem jetzigen Stande des Eises sehr schwierig ist, nur bis 80° durchzudringen. Lord Mulgrave kam auf seiner berühmten Expedition bis 80° 48′ und dies hielt man lange für die höchste nördl: Breite; neuerdings aber ist Scoresby Mai 1806 bis 81° 13′, wie er aus einer guten Mittagshöhe der Sonne abnehmen konnte und Nachmittags bis 81° 30′ gekom̃en. Er hat auch dargethan, daß die Breite von 86° die nach Barrington früher erreicht worden sein soll, gewiß übertrieben und falsch ist. Parrÿs Expedition um zu Lande nach dem Pol zu kommen, ist bekanntlich nicht geglückt. Es ereignete sich nemlich der eigne Unfall, daß die Eisschollen, auf denen seine Kähne oder Schlitten fortgezogen wurden nach Süden in Bewegung waren: er kam daher mehr rück- als vorwärts. Er that bei dieser Gelegen- heit dasselbe was schon Chr: Columbus gethan, er verbarg die wahre Breite seinen Leuten um sie nicht muthlos zu machen. Die englische Regierung hat einen Preis von 5000 ₤ für den ausge- setzt, der bis 89° vordringt, einen von 20000 ₤ für das Auf- finden einer N. W. Durchfahrt; aber beide sind noch nicht errungen. Bei der Stellung der Continente müssen wir bemerken, daß sie der Länge nach, auffallend auf eine Seite zusammengedrängt sind. Von der einen Seite nimmt das Land unter dem Aequator 250 Längengrade ein; von der andern das Wasser 110°. Denken wir uns daher, daß die Erde so gesehen würde wie der Mond, so würde die erste Seite unter dem Aequator ganz voller Con- tinent erscheinen, dagegen auf der andern Seite, wo er durch W.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription in Anonym (Hg.): Alexander von Humboldts Vorlesungen über physikalische Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin im Winter von 1827 bis 1828. Berlin, 1934. anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

Abweichungen von den DTA-Richtlinien:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Kustoden: nicht erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2345_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2345_1827/212
Zitationshilfe: [N. N.]: Alexander von Humboldts Vorlesungen über phÿsikalische Geographie nebst Prolegomenen über die Stellung der Gestirne. Berlin im Winter von 1827 bis 1828. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.], S. [206]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2345_1827/212>, abgerufen am 27.11.2024.