Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

Bild:
<< vorherige Seite

Von allen Thieren haben die Vögel die vollkommenste Respiration, womit im
Zusammenhange steht, daß die Blutwärme der Vögel die unsrige um mehrere Gra-
de übersteigt. So hat zum Beispiel das Huhn 331/2° R. Blutwärme und 136 Pulsschläge in
der Minute, wogegen das Blut des viel größeren Pferdes nur 29° Wärme
hat, und 57 Pulsschläge macht. Wenn bei den Vögeln die Respiration am Vollkom-
mensten ist, so haben die Fische ein minimum derselben. Dennoch bedürfen sie
des Sauerstoffs zum athmen, und ich habe schon angeführt, daß es mir gelungen
ist, Fische in einem vollkommen luftleeren Wasser zu ersäufen, so schnell als
wären sie von einem elektrischen Schlage getroffen worden.

Die Säugethiere machen jetzt in den meisten Ländern 1/5 der Vögel aus; dies
Verhältniß muß aber früher ein anderes gewesen seyn. Vor der großen
Catastrophe der Wasserbedeckung unseres Planeten, muß es mehr Säugethiere ge-
geben haben, wie wir denn auch mehr in den Versteinerungen finden. Den
Grund dieses veränderten Verhältnisses, müssen wir offenbar in der größeren
Locumotivität der Vögel setzen, welche entrinnen konnten, während die Thiere
der Feste untergingen. - Die alte Thierwelt ist aber verschieden von der jet-
zigen, und mag wahrscheinlich einförmiger gewesen seyn. Die meisten der
verloren gegangenen Thierformen, gehören den dickhäutigen Pachydermen,
und sind unsern Tapir- und Rhinocerosarten verwandt. Es finden sich 56 Ar-
ten derselben unter den Versteinerungen, wogegen uns nur 12 Species davon
geblieben sind.

Die größte Thierklasse ist die der Insekten, 44,000 Arten; weiter hinun-
ter wird die Zählung unsicher, und die Wahrscheinlichkeit vieler noch unentdeck-

ter

Von allen Thieren haben die Vögel die vollkommenste Respiration, womit im
Zusammenhange steht, daß die Blutwärme der Vögel die unsrige um mehrere Gra-
de übersteigt. So hat zum Beispiel das Huhn 33½° R. Blutwärme und 136 Pulsschläge in
der Minute, wogegen das Blut des viel größeren Pferdes nur 29° Wärme
hat, und 57 Pulsschläge macht. Wenn bei den Vögeln die Respiration am Vollkom-
mensten ist, so haben die Fische ein minimum derselben. Dennoch bedürfen sie
des Sauerstoffs zum athmen, und ich habe schon angeführt, daß es mir gelungen
ist, Fische in einem vollkommen luftleeren Wasser zu ersäufen, so schnell als
wären sie von einem elektrischen Schlage getroffen worden.

Die Säugethiere machen jetzt in den meisten Ländern 1/5 der Vögel aus; dies
Verhältniß muß aber früher ein anderes gewesen seyn. Vor der großen
Catastrophe der Wasserbedeckung unseres Planeten, muß es mehr Säugethiere ge-
geben haben, wie wir denn auch mehr in den Versteinerungen finden. Den
Grund dieses veränderten Verhältnisses, müssen wir offenbar in der größeren
Locumotivität der Vögel setzen, welche entrinnen konnten, während die Thiere
der Feste untergingen. – Die alte Thierwelt ist aber verschieden von der jet-
zigen, und mag wahrscheinlich einförmiger gewesen seyn. Die meisten der
verloren gegangenen Thierformen, gehören den dickhäutigen Pachydermen,
und sind unsern Tapir- und Rhinocerosarten verwandt. Es finden sich 56 Ar-
ten derselben unter den Versteinerungen, wogegen uns nur 12 Species davon
geblieben sind.

Die größte Thierklasse ist die der Insekten, 44,000 Arten; weiter hinun-
ter wird die Zählung unsicher, und die Wahrscheinlichkeit vieler noch unentdeck-

ter
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="session" n="9">
        <pb facs="#f0081" n="39r"/>
        <p>Von allen Thieren haben die Vögel die vollkommenste Respiration, womit im<lb/>
Zusammenhange steht, daß die Blutwärme der Vögel die unsrige um mehrere Gra-<lb/>
de übersteigt. So hat <choice><abbr>z. B.</abbr><expan resp="#BF">zum Beispiel</expan></choice> das Huhn<note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 119: "die Krähe".</note> 33½° <hi rendition="#aq">R.</hi> Blutwärme und 136 Pulsschläge in<lb/>
der Minute, wogegen das Blut des viel größeren Pferdes nur 29° Wärme<lb/>
hat, und 57 Pulsschläge macht. Wenn bei den Vögeln die Respiration am Vollkom-<lb/>
mensten<note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 119: "vollkommensten".</note> ist, so haben die Fische ein <hi rendition="#aq">minimum</hi> derselben. Dennoch bedürfen sie<lb/>
des Sauerstoffs zum athmen<note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 120: geben auch "athmen" wieder. In der Vorlage nicht sicher Kleinschreibung; evtl. auch als "Athmen" zu transkribieren.</note>, und ich habe schon angeführt, daß es mir gelungen<lb/>
ist, Fische in einem vollkommen luftleeren Wasser zu ersäufen, so schnell als<lb/>
wären sie von einem elektrischen Schlage<note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 120: "Schlag".</note> getroffen worden.</p><lb/>
        <p>Die Säugethiere machen jetzt in den meisten Ländern <hi rendition="#sup">1</hi>/<hi rendition="#sub">5</hi> der Vögel aus; dies<lb/>
Verhältniß<note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 120: "Verhältnis".</note> muß aber früher ein anderes gewesen seyn. Vor der großen<lb/>
Catastrophe<note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 120: "Katastrophe".</note> der Wasserbedeckung unseres Planeten, muß es mehr Säugethiere ge-<lb/>
geben haben, wie wir denn auch mehr in den Versteinerungen finden. Den<lb/>
Grund dieses veränderten Verhältnisses,<note resp="#CT" type="editorial">Hamel/Tiemann (Hg.) 1993, S. 120: Komma fehlt.</note> müssen wir offenbar in der größeren<lb/>
Locumotivität der Vögel setzen, welche entrinnen konnten, während die Thiere<lb/>
der Feste untergingen. &#x2013; Die alte Thierwelt ist aber verschieden von der jet-<lb/>
zigen, und mag wahrscheinlich einförmiger gewesen seyn. Die meisten der<lb/>
verloren gegangenen Thierformen, gehören den dickhäutigen Pachydermen,<lb/>
und sind unsern <choice><orig>Tapir</orig><reg resp="#CT">Tapir-</reg></choice> und Rhinocerosarten verwandt. Es finden sich 56 Ar-<lb/>
ten derselben unter den Versteinerungen, wogegen uns nur 12 Species davon<lb/>
geblieben sind.</p><lb/>
        <p>Die größte Thierklasse ist die der Insekten, 44,000 Arten; weiter hinun-<lb/>
ter wird die Zählung unsicher, und die Wahrscheinlichkeit vieler noch unentdeck-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ter</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[39r/0081] Von allen Thieren haben die Vögel die vollkommenste Respiration, womit im Zusammenhange steht, daß die Blutwärme der Vögel die unsrige um mehrere Gra- de übersteigt. So hat z. B. das Huhn 33½° R. Blutwärme und 136 Pulsschläge in der Minute, wogegen das Blut des viel größeren Pferdes nur 29° Wärme hat, und 57 Pulsschläge macht. Wenn bei den Vögeln die Respiration am Vollkom- mensten ist, so haben die Fische ein minimum derselben. Dennoch bedürfen sie des Sauerstoffs zum athmen, und ich habe schon angeführt, daß es mir gelungen ist, Fische in einem vollkommen luftleeren Wasser zu ersäufen, so schnell als wären sie von einem elektrischen Schlage getroffen worden. Die Säugethiere machen jetzt in den meisten Ländern 1/5 der Vögel aus; dies Verhältniß muß aber früher ein anderes gewesen seyn. Vor der großen Catastrophe der Wasserbedeckung unseres Planeten, muß es mehr Säugethiere ge- geben haben, wie wir denn auch mehr in den Versteinerungen finden. Den Grund dieses veränderten Verhältnisses, müssen wir offenbar in der größeren Locumotivität der Vögel setzen, welche entrinnen konnten, während die Thiere der Feste untergingen. – Die alte Thierwelt ist aber verschieden von der jet- zigen, und mag wahrscheinlich einförmiger gewesen seyn. Die meisten der verloren gegangenen Thierformen, gehören den dickhäutigen Pachydermen, und sind unsern Tapir und Rhinocerosarten verwandt. Es finden sich 56 Ar- ten derselben unter den Versteinerungen, wogegen uns nur 12 Species davon geblieben sind. Die größte Thierklasse ist die der Insekten, 44,000 Arten; weiter hinun- ter wird die Zählung unsicher, und die Wahrscheinlichkeit vieler noch unentdeck- ter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription in Hamel, Jürgen u. Klaus Harro Tiemann (Hg.) (1993): Alexander von Humboldt: Über das Universum. Die Kosmosvorträge 1827/28 in der Berliner Singakademie. Frankfurt a. M.: Insel. anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

Abweichungen dieser Druckedition von der Manuskriptvorlage werden im Text an der entsprechenden Stelle in editorischen Kommentaren ausgewiesen.

Abweichungen von den DTA-Richtlinien:

  • I/J: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2124_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2124_1827/81
Zitationshilfe: [Kohlrausch, Henriette]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1828]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 39r. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_msgermqu2124_1827/81>, abgerufen am 27.11.2024.