Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 48. Stuttgart/Tübingen, 30. November 1856.[Beginn Spaltensatz]
mitunter gleiche, wohl auch ungerechtere entgegen bringen. Erlauben Sie mir noch einige Worte über die jugend- Aus der Pfalz, November. Herbst. -- Villeggiatur auf Ludwigshöhe. -- Eisenbahnen und Lustfahrten. -- Dom zu Speyer. -- Die Bildhauer. -- Neues Bau- Die Zahl der magern Jahre, die sich für unsere Doch was rede ich von der Zukunft? Jch habe noch [Beginn Spaltensatz]
mitunter gleiche, wohl auch ungerechtere entgegen bringen. Erlauben Sie mir noch einige Worte über die jugend- Aus der Pfalz, November. Herbst. — Villeggiatur auf Ludwigshöhe. — Eisenbahnen und Lustfahrten. — Dom zu Speyer. — Die Bildhauer. — Neues Bau- Die Zahl der magern Jahre, die sich für unsere Doch was rede ich von der Zukunft? Jch habe noch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <p><pb facs="#f0021" n="1149"/><fw type="pageNum" place="top">1149</fw><cb type="start"/> mitunter gleiche, wohl auch ungerechtere entgegen bringen.<lb/> Es gereicht nicht „zur Ehre des deutschen Namens,“ wenn,<lb/> behufs „der Gründung einer deutschen Oper,“ Mitglieder<lb/> deutscher Hofbühnen hieher gesendet werden, um eine Pro-<lb/> paganda zu machen, deren Beschaffenheit wir nicht näher<lb/> untersuchen wollen. Auch der Antagonismus zwischen den<lb/> Sympathien für Jtalien und denen, welche man in hohen<lb/> Kreisen für die königl. preußische Hofopernsängerin Jo-<lb/> hanna Wagner hegen soll, wollen wir hier nicht näher<lb/> beleuchten. Eben so wollen wir es dahin gestellt seyn<lb/> lassen, ob dieses Verhältniß auf die Stellung dieser Sän-<lb/> gerin und ihrer vom Publikum ungleich mehr begünstig-<lb/> ten Rivalin, der Gräfin Piccolomini, eingewirkt habe.<lb/> Die Times hat nach dem Schlusse der Season versucht,<lb/> den Lorbeer der zuletzt genannten Sängerin in einer ihrer<lb/> besten Rollen, „Violetta“ in Verdis Trariata, zu beflecken.<lb/> Man glaubte anfangs, ein hohes Zartgefühl habe den<lb/> Anlaß zu den betreffenden Artikeln der Times, wenn auch<lb/> gerade nicht zu der Plumpheit derselben gegeben. Doch<lb/> hörten wir später ( und es ließe dieß ein eigenthümliches<lb/> Licht auf die Leitung der leitenden englischen Journale<lb/> fallen ) , die ganze Fehde sey nichts anderem zuzuschreiben<lb/> als der Eifersucht zwischen <hi rendition="#g">Davison</hi> ( dem gewöhnlichen<lb/> musikalischen Reporter des Blattes ) und <hi rendition="#g">Oxenford,</hi> dem<lb/> Reporter für die nicht lyrischen Theater, der aber <hi rendition="#aq">Her<lb/> Majesty's Theatre</hi> versehen mußte, weil Davisons heilige<lb/> Autorität doch nicht in zwei Opern zu gleicher Zeit seyn<lb/> konnte. Oxenford hat, so weit wir uns erinnern, im<lb/> Ganzen gewissenhaft und gut berichtet; aber Davison konnte<lb/> es den Lorbeeren, welche sein College der mit der Oper<lb/> im Lyceum rivalisirenden Bühne und ihrer liebenswürdi-<lb/><cb n="2"/> gen Heldin, Frl. Piccolomini, gewunden, vielleicht nicht<lb/> verzeihen, daß sie nicht von <hi rendition="#g">seiner</hi> Hand gewunden waren. </p><lb/> <p>Erlauben Sie mir noch einige Worte über die jugend-<lb/> liche italienische Sängerin, welche in so kurzer Zeit hier<lb/> so großes Aufsehen gemacht hat. Zunächst hat ihr ein<lb/> Timescorrespondent aus Jtalien und ihr altberühmter<lb/> Name den Weg hier in London gebahnt. Sie gehört, so<lb/> weit wir in Erfahrung bringen konnten, von mütterlicher<lb/> Seite dem berühmten Geschlechte der Piccolomini an und zählt<lb/> unter den Ahnen ihres Hauses einen der gelehrtesten und<lb/> berühmtesten Päpste ( Pius <hi rendition="#aq">II</hi>. ) und jenen Octavio Picco-<lb/> lomini, welcher aus der Geschichte Wallensteins so zwei-<lb/> deutig bekannt ist. — Frl. Piccolomini verdient übrigens<lb/> die Gunst des Publikums, welche ihr in so reichem Maaße<lb/> zu Theil geworden. — Es ist mit Sängerinnen wie mit den<lb/> Lilien auf dem Felde und den Vögeln unter dem Him-<lb/> mel, freilich nicht ganz so. Sie säen nicht, aber sie ernten<lb/> reichlich und sammeln in die Scheunen, was ihr himmli-<lb/> scher Vater ihnen durch die Gunst des Managers und des<lb/> Publikums bescheert. Frl. Piccolomini ähnelt besonders<lb/> einer Gattung von Vögeln unter dem Himmel, den Ler-<lb/> chen. Jhr » <hi rendition="#aq">Viva l'Italia</hi>!« in der Regimentstochter wird<lb/> dem Publikum von <hi rendition="#aq">Her Majesty's Theatre</hi> unvergeßlich<lb/> seyn. » <hi rendition="#aq">She es a pretty little thing</hi>,« sagen die Damen<lb/> im Pit und in den Logen von ihr, um die einnehmende<lb/> Liebenswürdigkeit ihrer Persönlichkeit zu bezeichnen. Sie<lb/> ist noch Neuling auf der Bühne, was sich freilich mehr<lb/> durch ihre fast kindlich zu nennende Erscheinung als durch<lb/> ihr Spiel verräth. Jhre Stimme ist frisch wie Lerchen-<lb/> wirbel, und man fühlt es, daß sie Künstlerin mit Leib<lb/> und Seele ist. </p> </div><lb/> <cb type="end"/> <space dim="vertical"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <space dim="vertical"/> <div type="jArticle" n="2"> <head>Aus der Pfalz, <date>November</date>.</head><lb/> <argument> <p>Herbst. — Villeggiatur auf Ludwigshöhe. — Eisenbahnen und Lustfahrten. — Dom zu Speyer. — Die Bildhauer. — Neues Bau-<lb/> projekt. — Schillerhaus zu Oggersheim. — Johann Schiller. — Redwitz. — Professor Riehl. — Die Prinzessin von Preußen.</p> </argument><lb/> <cb type="start"/> <p>Die Zahl der magern Jahre, die sich für unsere<lb/> Winzer schon über die böse sieben beläuft, scheint noch<lb/> nicht voll zu seyn. Der Herbst ist abermals ohne Jubel<lb/> vorübergegangen, und die schweren Nebel, welche während<lb/> desselben über den Weinbergen lagen, haben so recht das<lb/> Bild der Winzerphysiognomien abgegeben. Wäre der kärg-<lb/> lich fließende Rebensaft nicht noch viel theurer, als er gut<lb/> ist, die Calamität müßte für den ganzen Landstrich längs<lb/> der Haardt unerträglich drückend werden, wie sie es für<lb/> Einzelne schon geworden ist. Mittlerweile sitzen unsere<lb/> Frucht=, Kartoffel = und Tabaksbauern wieder im Fett<lb/> und brauchen keinen Tröster, wie ihn jene in dem Wun-<lb/><cb n="2"/> derdoktor Gall suchen möchten, wenn die Gerichte nicht so<lb/> gar scharf über die Wunderthuerei urtheilten, die nicht<lb/> nur aus saurem Wein süßen, sondern selbst aus Wasser<lb/> Wein macht. Was uns im Allgemeinen dabei als Trost<lb/> bleibt, ist das, daß wir dem nahenden Winter nicht mit<lb/> so banger Sorge entgegen sehen müssen, wie dieß vor<lb/> einigen Jahren der Fall war. Es steht im Ganzen nicht<lb/> schlecht im Lande, und selbst da, wo es schlecht steht, ist<lb/> in einer Weise Fürsorge getroffen, daß es an Durchhülfe<lb/> nicht fehlen wird. </p><lb/> <p>Doch was rede ich von der Zukunft? Jch habe noch<lb/> so vieles von Vergangenheit und Gegenwart zu erzählen,<lb/><cb type="end"/> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1149/0021]
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mitunter gleiche, wohl auch ungerechtere entgegen bringen.
Es gereicht nicht „zur Ehre des deutschen Namens,“ wenn,
behufs „der Gründung einer deutschen Oper,“ Mitglieder
deutscher Hofbühnen hieher gesendet werden, um eine Pro-
paganda zu machen, deren Beschaffenheit wir nicht näher
untersuchen wollen. Auch der Antagonismus zwischen den
Sympathien für Jtalien und denen, welche man in hohen
Kreisen für die königl. preußische Hofopernsängerin Jo-
hanna Wagner hegen soll, wollen wir hier nicht näher
beleuchten. Eben so wollen wir es dahin gestellt seyn
lassen, ob dieses Verhältniß auf die Stellung dieser Sän-
gerin und ihrer vom Publikum ungleich mehr begünstig-
ten Rivalin, der Gräfin Piccolomini, eingewirkt habe.
Die Times hat nach dem Schlusse der Season versucht,
den Lorbeer der zuletzt genannten Sängerin in einer ihrer
besten Rollen, „Violetta“ in Verdis Trariata, zu beflecken.
Man glaubte anfangs, ein hohes Zartgefühl habe den
Anlaß zu den betreffenden Artikeln der Times, wenn auch
gerade nicht zu der Plumpheit derselben gegeben. Doch
hörten wir später ( und es ließe dieß ein eigenthümliches
Licht auf die Leitung der leitenden englischen Journale
fallen ) , die ganze Fehde sey nichts anderem zuzuschreiben
als der Eifersucht zwischen Davison ( dem gewöhnlichen
musikalischen Reporter des Blattes ) und Oxenford, dem
Reporter für die nicht lyrischen Theater, der aber Her
Majesty's Theatre versehen mußte, weil Davisons heilige
Autorität doch nicht in zwei Opern zu gleicher Zeit seyn
konnte. Oxenford hat, so weit wir uns erinnern, im
Ganzen gewissenhaft und gut berichtet; aber Davison konnte
es den Lorbeeren, welche sein College der mit der Oper
im Lyceum rivalisirenden Bühne und ihrer liebenswürdi-
gen Heldin, Frl. Piccolomini, gewunden, vielleicht nicht
verzeihen, daß sie nicht von seiner Hand gewunden waren.
Erlauben Sie mir noch einige Worte über die jugend-
liche italienische Sängerin, welche in so kurzer Zeit hier
so großes Aufsehen gemacht hat. Zunächst hat ihr ein
Timescorrespondent aus Jtalien und ihr altberühmter
Name den Weg hier in London gebahnt. Sie gehört, so
weit wir in Erfahrung bringen konnten, von mütterlicher
Seite dem berühmten Geschlechte der Piccolomini an und zählt
unter den Ahnen ihres Hauses einen der gelehrtesten und
berühmtesten Päpste ( Pius II. ) und jenen Octavio Picco-
lomini, welcher aus der Geschichte Wallensteins so zwei-
deutig bekannt ist. — Frl. Piccolomini verdient übrigens
die Gunst des Publikums, welche ihr in so reichem Maaße
zu Theil geworden. — Es ist mit Sängerinnen wie mit den
Lilien auf dem Felde und den Vögeln unter dem Him-
mel, freilich nicht ganz so. Sie säen nicht, aber sie ernten
reichlich und sammeln in die Scheunen, was ihr himmli-
scher Vater ihnen durch die Gunst des Managers und des
Publikums bescheert. Frl. Piccolomini ähnelt besonders
einer Gattung von Vögeln unter dem Himmel, den Ler-
chen. Jhr » Viva l'Italia!« in der Regimentstochter wird
dem Publikum von Her Majesty's Theatre unvergeßlich
seyn. » She es a pretty little thing,« sagen die Damen
im Pit und in den Logen von ihr, um die einnehmende
Liebenswürdigkeit ihrer Persönlichkeit zu bezeichnen. Sie
ist noch Neuling auf der Bühne, was sich freilich mehr
durch ihre fast kindlich zu nennende Erscheinung als durch
ihr Spiel verräth. Jhre Stimme ist frisch wie Lerchen-
wirbel, und man fühlt es, daß sie Künstlerin mit Leib
und Seele ist.
Aus der Pfalz, November.
Herbst. — Villeggiatur auf Ludwigshöhe. — Eisenbahnen und Lustfahrten. — Dom zu Speyer. — Die Bildhauer. — Neues Bau-
projekt. — Schillerhaus zu Oggersheim. — Johann Schiller. — Redwitz. — Professor Riehl. — Die Prinzessin von Preußen.
Die Zahl der magern Jahre, die sich für unsere
Winzer schon über die böse sieben beläuft, scheint noch
nicht voll zu seyn. Der Herbst ist abermals ohne Jubel
vorübergegangen, und die schweren Nebel, welche während
desselben über den Weinbergen lagen, haben so recht das
Bild der Winzerphysiognomien abgegeben. Wäre der kärg-
lich fließende Rebensaft nicht noch viel theurer, als er gut
ist, die Calamität müßte für den ganzen Landstrich längs
der Haardt unerträglich drückend werden, wie sie es für
Einzelne schon geworden ist. Mittlerweile sitzen unsere
Frucht=, Kartoffel = und Tabaksbauern wieder im Fett
und brauchen keinen Tröster, wie ihn jene in dem Wun-
derdoktor Gall suchen möchten, wenn die Gerichte nicht so
gar scharf über die Wunderthuerei urtheilten, die nicht
nur aus saurem Wein süßen, sondern selbst aus Wasser
Wein macht. Was uns im Allgemeinen dabei als Trost
bleibt, ist das, daß wir dem nahenden Winter nicht mit
so banger Sorge entgegen sehen müssen, wie dieß vor
einigen Jahren der Fall war. Es steht im Ganzen nicht
schlecht im Lande, und selbst da, wo es schlecht steht, ist
in einer Weise Fürsorge getroffen, daß es an Durchhülfe
nicht fehlen wird.
Doch was rede ich von der Zukunft? Jch habe noch
so vieles von Vergangenheit und Gegenwart zu erzählen,
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