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Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 36. Stuttgart/Tübingen, 7. September 1856.

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Der Ausgang der Zäringer.
Geschichte und Sage.
( Schluß. )
[Beginn Spaltensatz]

Die Sage nun, wie sie in letzter Gestalt, haupt-
sächlich durch Tschudi, sich abgeschlossen hat und wie
sie von ihm erzählt wird, ist folgende. Einige Wie-
derholungen des schon Bekannten können hiebei nicht
vermieden werden.

"Jm Jahr 1217" -- so gewiß ist Tschudi seiner
Sache -- "haben die Grafen und Landsherren im min-
dern Burgund, das ist, im Aargau, Uechtland, Waadt
und Wallis, einen bösen Mord angelegt. Sie hatten
allweg Feindschaft zu den Herzogen von Zäringen ge-
tragen: es verdroß sie, und hieltens für eine große
Verachtung und Verkleinerung, daß ihnen, als so herr-
lichen inländischen Landesherren, ein ausländischer
Graf aus dem Breisgau vom Kaiser sollte zum Herzog
und Landsfürsten gegeben seyn; deßhalb sie diesem
Herzogen von Zäringen wenig Treu erzeigten, auch
schon seinem Vater ungehorsam gewesen waren, der
aber ihren Anschlag zu nichte machte und etlich große
Herren zum Tod verurtheilen ließ, und hiedurch be-
wegt ward, die Stadt Freiburg im Uechtland zu bauen,
ihm selbs zu Schirm, wie auch der Herzog Berchtold
der Fünste von Aufsatzes wegen der Landherren die Stadt
Bern gebauen hat. Die Edelknechte, Bürger und Land-
volk waren diesem Herrn gar günstig, denn sie wurden
wohl von ihm geschirmt, und ward den Grafen und
Landsherren nicht zugelassen, einigen Uebermuth oder
Unbilligkeit mit ihnen zu gebrauchen. Da aber der
Herzog zween junge Söhne hatte, die ihm sein erstes
Ehegemahl verlassen, Konrad und Berchtold genannt,
deren der eine acht, der andere sieben Jahre alt war,
bedünkte die Landsherren, sein Stamm, dem sie gehaß,
würde durch diese junge Knaben weiter zunehmen, und
begunnten zu rathschlagen, wie sie deren abkommen möchten,
vereinbarten sich einer schandlichen mordlichen That. Und
dieweil der Grafen und Landherren etliche der Herzogin, die
eine Gräfin von Kyburg und des Grafen von Kyburg,
Herrn zu Burgdorf, Schwester war, von Geblüt ver-
wandt, und dieselbe Herzogin seit fünf Jahren des
Herzogen Ehgemahl gewesen und unfruchtbar war, un-
terstunden sich die Herren insgemein, sie zu bereden,
ihre Stiefkinder zu verderben. Sie gaben ihr für, so
der Herzog, der jetzt gar alt, ohne Erben abstürbe, so
[Spaltenumbruch] würde sie und ihr Stamm alles Land erben und re-
gieren; * so es aber nicht geschähe, würden sie, die
doch von ihren Vordern her alte Grafen und Herren
des Landes, auch mehrtheils ihre Blutsverwandte, den
fremden Herren, diesen Kindern, müssen dienen und
unterdrückt werden. Die Herzogin war so thöricht,
ließ sich bereden, empfing von den Herren das zuge-
rüstete Gift, gabs ihren Stiefkindern, daß sie beide am
andern Tag sturben. Da ward Herzog Berchtold durch
die Aerzte berichtet, daß den Kindern Gist gegeben
wäre, und fiel gleich in Zweifel, ob es nicht sein Eh-
weib gethan haben möchte, ließ sie fahen, auch alle
Köche und Köchinnen. Die Herzogin, aus Erstaunung,
Schrecken und Bedräuung, bekannte von Stund an,
sie wäre schuldig, gestand auch, wie sie durch die Land-
herrn alle beredet worden, und zeigte ihm dabei an,
daß der ganze burgundische Adel sich einhelliglich ver-
einbart, ihn und seinen Stamm auszurotten, und wo
er Einen sich unterstünde fürhin zu beleidigen, so wür-
den sie alle wider ihn auf seyn. Der Herzog erschrack
der Sache und bekümmerte ihn diese mordliche Hand-
lung an seinen Kinden, ließ die Herzogin zur Stelle
enthaupten, ihr Haupt zu den Kinden in einen Sarg
legen und im Chor zu St. Ursenmünster zu Solothurn,
wo dieß alles verlaufen, tief in Grund vergraben." --
"Den übrigen Cörpel des Wibs," sagt Tschudi, "hat
Herzog Berchtold unter den Galgen vergraben lassen.
Etlich sagen, dise Herzogin sige der Kinder lipliche
Mutter gewesen, aber si irrent."

Der Herzog zieht sich sodann auf immer in sein
Breisgau zurück, stirbt aber schon nach einem Jahr vor
Kummer, nachdem er seine Städte Bern und Freiburg
i. U. dem Reich aufgetragen hat. "Diese beide Stett,"
schließt Tschudi seinen Bericht, "insonders die von Bern,
habent demnach die obgemelten Grafen und Landtz=Herren,
namlich von Tun, von Kiburg, von Nüwenburg, von
Nydow, von Arberg, von Straßberg, von Remund,
von Froburg, von Buchegk, von Montenach, von
[Ende Spaltensatz]

* Guilliman hat diese Sage mit einem weiteren Motiv
bereichert: "auch würde es nicht an burgundischen Fürsten
fehlen, die sie zur Ehe begehren würden."
Der Ausgang der Zäringer.
Geschichte und Sage.
( Schluß. )
[Beginn Spaltensatz]

Die Sage nun, wie sie in letzter Gestalt, haupt-
sächlich durch Tschudi, sich abgeschlossen hat und wie
sie von ihm erzählt wird, ist folgende. Einige Wie-
derholungen des schon Bekannten können hiebei nicht
vermieden werden.

„Jm Jahr 1217“ — so gewiß ist Tschudi seiner
Sache — „haben die Grafen und Landsherren im min-
dern Burgund, das ist, im Aargau, Uechtland, Waadt
und Wallis, einen bösen Mord angelegt. Sie hatten
allweg Feindschaft zu den Herzogen von Zäringen ge-
tragen: es verdroß sie, und hieltens für eine große
Verachtung und Verkleinerung, daß ihnen, als so herr-
lichen inländischen Landesherren, ein ausländischer
Graf aus dem Breisgau vom Kaiser sollte zum Herzog
und Landsfürsten gegeben seyn; deßhalb sie diesem
Herzogen von Zäringen wenig Treu erzeigten, auch
schon seinem Vater ungehorsam gewesen waren, der
aber ihren Anschlag zu nichte machte und etlich große
Herren zum Tod verurtheilen ließ, und hiedurch be-
wegt ward, die Stadt Freiburg im Uechtland zu bauen,
ihm selbs zu Schirm, wie auch der Herzog Berchtold
der Fünste von Aufsatzes wegen der Landherren die Stadt
Bern gebauen hat. Die Edelknechte, Bürger und Land-
volk waren diesem Herrn gar günstig, denn sie wurden
wohl von ihm geschirmt, und ward den Grafen und
Landsherren nicht zugelassen, einigen Uebermuth oder
Unbilligkeit mit ihnen zu gebrauchen. Da aber der
Herzog zween junge Söhne hatte, die ihm sein erstes
Ehegemahl verlassen, Konrad und Berchtold genannt,
deren der eine acht, der andere sieben Jahre alt war,
bedünkte die Landsherren, sein Stamm, dem sie gehaß,
würde durch diese junge Knaben weiter zunehmen, und
begunnten zu rathschlagen, wie sie deren abkommen möchten,
vereinbarten sich einer schandlichen mordlichen That. Und
dieweil der Grafen und Landherren etliche der Herzogin, die
eine Gräfin von Kyburg und des Grafen von Kyburg,
Herrn zu Burgdorf, Schwester war, von Geblüt ver-
wandt, und dieselbe Herzogin seit fünf Jahren des
Herzogen Ehgemahl gewesen und unfruchtbar war, un-
terstunden sich die Herren insgemein, sie zu bereden,
ihre Stiefkinder zu verderben. Sie gaben ihr für, so
der Herzog, der jetzt gar alt, ohne Erben abstürbe, so
[Spaltenumbruch] würde sie und ihr Stamm alles Land erben und re-
gieren; * so es aber nicht geschähe, würden sie, die
doch von ihren Vordern her alte Grafen und Herren
des Landes, auch mehrtheils ihre Blutsverwandte, den
fremden Herren, diesen Kindern, müssen dienen und
unterdrückt werden. Die Herzogin war so thöricht,
ließ sich bereden, empfing von den Herren das zuge-
rüstete Gift, gabs ihren Stiefkindern, daß sie beide am
andern Tag sturben. Da ward Herzog Berchtold durch
die Aerzte berichtet, daß den Kindern Gist gegeben
wäre, und fiel gleich in Zweifel, ob es nicht sein Eh-
weib gethan haben möchte, ließ sie fahen, auch alle
Köche und Köchinnen. Die Herzogin, aus Erstaunung,
Schrecken und Bedräuung, bekannte von Stund an,
sie wäre schuldig, gestand auch, wie sie durch die Land-
herrn alle beredet worden, und zeigte ihm dabei an,
daß der ganze burgundische Adel sich einhelliglich ver-
einbart, ihn und seinen Stamm auszurotten, und wo
er Einen sich unterstünde fürhin zu beleidigen, so wür-
den sie alle wider ihn auf seyn. Der Herzog erschrack
der Sache und bekümmerte ihn diese mordliche Hand-
lung an seinen Kinden, ließ die Herzogin zur Stelle
enthaupten, ihr Haupt zu den Kinden in einen Sarg
legen und im Chor zu St. Ursenmünster zu Solothurn,
wo dieß alles verlaufen, tief in Grund vergraben.“ —
„Den übrigen Cörpel des Wibs,“ sagt Tschudi, „hat
Herzog Berchtold unter den Galgen vergraben lassen.
Etlich sagen, dise Herzogin sige der Kinder lipliche
Mutter gewesen, aber si irrent.“

Der Herzog zieht sich sodann auf immer in sein
Breisgau zurück, stirbt aber schon nach einem Jahr vor
Kummer, nachdem er seine Städte Bern und Freiburg
i. U. dem Reich aufgetragen hat. „Diese beide Stett,“
schließt Tschudi seinen Bericht, „insonders die von Bern,
habent demnach die obgemelten Grafen und Landtz=Herren,
namlich von Tun, von Kiburg, von Nüwenburg, von
Nydow, von Arberg, von Straßberg, von Remund,
von Froburg, von Buchegk, von Montenach, von
[Ende Spaltensatz]

* Guilliman hat diese Sage mit einem weiteren Motiv
bereichert: „auch würde es nicht an burgundischen Fürsten
fehlen, die sie zur Ehe begehren würden.“
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[848/0008] 848 Der Ausgang der Zäringer. Geschichte und Sage. ( Schluß. ) Die Sage nun, wie sie in letzter Gestalt, haupt- sächlich durch Tschudi, sich abgeschlossen hat und wie sie von ihm erzählt wird, ist folgende. Einige Wie- derholungen des schon Bekannten können hiebei nicht vermieden werden. „Jm Jahr 1217“ — so gewiß ist Tschudi seiner Sache — „haben die Grafen und Landsherren im min- dern Burgund, das ist, im Aargau, Uechtland, Waadt und Wallis, einen bösen Mord angelegt. Sie hatten allweg Feindschaft zu den Herzogen von Zäringen ge- tragen: es verdroß sie, und hieltens für eine große Verachtung und Verkleinerung, daß ihnen, als so herr- lichen inländischen Landesherren, ein ausländischer Graf aus dem Breisgau vom Kaiser sollte zum Herzog und Landsfürsten gegeben seyn; deßhalb sie diesem Herzogen von Zäringen wenig Treu erzeigten, auch schon seinem Vater ungehorsam gewesen waren, der aber ihren Anschlag zu nichte machte und etlich große Herren zum Tod verurtheilen ließ, und hiedurch be- wegt ward, die Stadt Freiburg im Uechtland zu bauen, ihm selbs zu Schirm, wie auch der Herzog Berchtold der Fünste von Aufsatzes wegen der Landherren die Stadt Bern gebauen hat. Die Edelknechte, Bürger und Land- volk waren diesem Herrn gar günstig, denn sie wurden wohl von ihm geschirmt, und ward den Grafen und Landsherren nicht zugelassen, einigen Uebermuth oder Unbilligkeit mit ihnen zu gebrauchen. Da aber der Herzog zween junge Söhne hatte, die ihm sein erstes Ehegemahl verlassen, Konrad und Berchtold genannt, deren der eine acht, der andere sieben Jahre alt war, bedünkte die Landsherren, sein Stamm, dem sie gehaß, würde durch diese junge Knaben weiter zunehmen, und begunnten zu rathschlagen, wie sie deren abkommen möchten, vereinbarten sich einer schandlichen mordlichen That. Und dieweil der Grafen und Landherren etliche der Herzogin, die eine Gräfin von Kyburg und des Grafen von Kyburg, Herrn zu Burgdorf, Schwester war, von Geblüt ver- wandt, und dieselbe Herzogin seit fünf Jahren des Herzogen Ehgemahl gewesen und unfruchtbar war, un- terstunden sich die Herren insgemein, sie zu bereden, ihre Stiefkinder zu verderben. Sie gaben ihr für, so der Herzog, der jetzt gar alt, ohne Erben abstürbe, so würde sie und ihr Stamm alles Land erben und re- gieren; * so es aber nicht geschähe, würden sie, die doch von ihren Vordern her alte Grafen und Herren des Landes, auch mehrtheils ihre Blutsverwandte, den fremden Herren, diesen Kindern, müssen dienen und unterdrückt werden. Die Herzogin war so thöricht, ließ sich bereden, empfing von den Herren das zuge- rüstete Gift, gabs ihren Stiefkindern, daß sie beide am andern Tag sturben. Da ward Herzog Berchtold durch die Aerzte berichtet, daß den Kindern Gist gegeben wäre, und fiel gleich in Zweifel, ob es nicht sein Eh- weib gethan haben möchte, ließ sie fahen, auch alle Köche und Köchinnen. Die Herzogin, aus Erstaunung, Schrecken und Bedräuung, bekannte von Stund an, sie wäre schuldig, gestand auch, wie sie durch die Land- herrn alle beredet worden, und zeigte ihm dabei an, daß der ganze burgundische Adel sich einhelliglich ver- einbart, ihn und seinen Stamm auszurotten, und wo er Einen sich unterstünde fürhin zu beleidigen, so wür- den sie alle wider ihn auf seyn. Der Herzog erschrack der Sache und bekümmerte ihn diese mordliche Hand- lung an seinen Kinden, ließ die Herzogin zur Stelle enthaupten, ihr Haupt zu den Kinden in einen Sarg legen und im Chor zu St. Ursenmünster zu Solothurn, wo dieß alles verlaufen, tief in Grund vergraben.“ — „Den übrigen Cörpel des Wibs,“ sagt Tschudi, „hat Herzog Berchtold unter den Galgen vergraben lassen. Etlich sagen, dise Herzogin sige der Kinder lipliche Mutter gewesen, aber si irrent.“ Der Herzog zieht sich sodann auf immer in sein Breisgau zurück, stirbt aber schon nach einem Jahr vor Kummer, nachdem er seine Städte Bern und Freiburg i. U. dem Reich aufgetragen hat. „Diese beide Stett,“ schließt Tschudi seinen Bericht, „insonders die von Bern, habent demnach die obgemelten Grafen und Landtz=Herren, namlich von Tun, von Kiburg, von Nüwenburg, von Nydow, von Arberg, von Straßberg, von Remund, von Froburg, von Buchegk, von Montenach, von * Guilliman hat diese Sage mit einem weiteren Motiv bereichert: „auch würde es nicht an burgundischen Fürsten fehlen, die sie zur Ehe begehren würden.“

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Zitationshilfe: Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 36. Stuttgart/Tübingen, 7. September 1856, S. 848. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_morgenblatt36_1856/8>, abgerufen am 25.11.2024.