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Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 36. Stuttgart/Tübingen, 7. September 1856.

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[Beginn Spaltensatz] Herzog wurde nicht angenommen; zugleich entstand
Streit zwischen dem Convent und dem Abt, der seinen
Bruder zum Kastvogt machte; und das Ende war, daß
König Otto, als Gemahl von Philipps Tochter Bea-
trix, die vielumworbene Vogtei über das mächtige
Kloster an sich zog. )

Auf den ersten Anblick scheint die mitgetheilte
Chronikstelle dem, der in der Geschichte nach den Söhnen
Berchtolds forscht, wenig Aussicht zu versprechen; allein
dieß ändert sich vielleicht bei näherer Betrachtung.
Konrad von Pfeffers verhält sich nämlich gegen den
Herzog von Zäringen so gleichgültig, daß er nicht ein-
mal bei dem Jahr 1218 seines Todes gedenkt, und
gerade diese Gleichgültigkeit verleiht dem Umstande,
daß er den Beweggrund des Herzogs zu seiner Bewer-
bung um die Vogtei so ausführlich angibt, eine gewisse
Bedeutung. Jn seinem Gesichtskreise, in welchem ihm
von allen Vorkommenheiten der Welt nur die seines
Klosters wichtig waren, hätte er sich begnügen können,
einfach die Abweisung des Herzogs zu erzählen; daß
er aber hier, wo er einmal gerade von ihm sprach,
noch eine weitere Beziehung in die Rede herein zog,
und zwar eine rein persönliche Beziehung des Herzogs,
das scheint zu beweisen, daß ihm unter dem Schreiben
irgend eine Thatsache vorschwebte, die ihm als Zeitge-
nossen bekannt war, die er aber nachher an ihrem
Orte besonders anzuführen nicht seines Amtes hielt.
Auch lassen sich die Worte: " quem tunc non habuit,"
ganz ungezwungen mit: "den er damals noch nicht
hatte," übersetzen. Jedenfalls muß der Herzog nach
dem Wortlaute des Chronisten im Jahr 1208 einen
mehr oder minder gewichtigen Grund gehabt haben, ei-
nem Erben seines Namens und seiner Macht entgegen
zu sehen. Dieser Auffassung kommt freilich Tschudi
sehr zu Hülfe, der zum Jahr 1208 gleichfalls die Ge-
schichte der vergeblichen Bewerbung des Herzogs um die
Advocatie über St. Gallen, und zwar nach Konrad
von Pfeffers, erzählt, dessen Worte er so wiedergibt:
"daß si Jne und sin Sun, ob Er ein überkäm ( dann
sin Gemachel schwanger was ) zu Jres Gottzhuß Cast-
Vogt annemmen wölltind." Ohne Zweifel eine präg-
nante Auffassung des acquisisset, die aber allerdings
zu seiner Angabe von 1209 vollkommen stimmt. Vielleicht
wird man diesem Geschichtschreiber, bei welchem man
weder das strenge Gewissen, noch die gewissenlosen
Fälschungsversuche einer moderneren Geschichtswissenschaft
suchen darf, am gerechtesten werden, wenn man an-
[Spaltenumbruch] nimmt, daß er die Geburtsangaben von 1209 und
1210 als ächte Nachrichten aus alten Quellen ent-
nommen, den Zusatz von 1208 aber, der dem Herzog
Vaterfreuden verheißt, und den Zusatz von 1210, der
die Herzogin im Wochenbett sterben läßt, eigenmächtig
hinzugefügt habe, den ersteren mit vollem Recht, weil
derselbe durch die Nachricht von 1209 bestätigt wird,
den letzteren mit zweifelhaftem Recht, doch vielleicht auf
eine jetzt verlorene Anhaltsspur hin, für ihn selbst je-
denfalls mit Nothwendigkeit, weil er der Stiefmutter,
die er in seiner Sage hatte, bei guter Gelegenheit Raum
schaffen mußte. Jm Jahr 1210 hatte Herzog Berch-
told nur noch acht Jahre zu leben: ein Chronist, der
für die Kinder eine Stiefmutter suchte, durfte sich also
nicht säumen. *

Sind nun die Angaben Tschudis über die Geburt der
Kinder Konrad und Berchtold wahr, was ihm vielleicht
die Billigkeit des Lesers zugestehen wird, so erhebt sich die
zweite Frage, nämlich wer ihre Mutter gewesen sey.
Und hier scheint nun eine weitere Person den Schau-
platz betreten zu wollen, aber ein verschleiertes
Bild, dessen Umrisse sich bis jetzt der geschichtlichen
Wirklichkeit noch nicht sehr genähert haben. Einige
ältere Geschichtschreiber nämlich, Guillimann, der Jesuit
Gamans, der als Dichter bekannte badische Archivar
Drollinger und andere, nennen als Gemahlin Berchtolds
eine Mechtild, und zwar macht Drollinger dieselbe
zu einer Markgräfin von Vohburg. Allein "ihr Saiten
schweigt! Climene singt." Die bayerische Geschicht-
schreibung widerlegt diese Angabe. Aventin, der zum
Todesjahre des letzten Markgrafen von Vohburg, 1209
oder 1210, die Verhältnisse dieses Hauses ausführlich
angibt ( der deutschen Ausgabe seiner bayerischen Chronik
[Ende Spaltensatz]

Die -- isse und -- asse sind ein Nebengericht für den
Kenner. Die Hauptstelle bilden die Worte si sorte...
acquisisset.
* Jndessen wird man noch eine weitere Angabe zu
beachten haben, welche Tschudi zum Jahr 1212 auf dem
folgenden Blatte bringt: "Desselben 1212 Jahres, als
Hertzog Berchthold von Zeringen jetz 2 Jahr ein Witt-
ling gewesen, verhyrat Er sich zum andernmal, und nam
ein Gräfin von Kiburg ze Eegemachel." Auch hier fragt
man sich wieder, was den Chronisten veranlaßt haben
könnte, aus bloßer Erfindungslust ohne allen Grund die
ganze Notiz aus der Luft zu greifen, und man wird also
anzunehmen geneigt seyn, daß er in seinen Quellen eine
kahle Aufzeichnung von einer Wiedervermählung des Her-
zogs im Jahr 1212 gefunden, dieselbe aber nach seiner
Weise, um sie mit dem Uebrigen in Einklang zu bringen,
mit Vermuthungszusätzen erweitert habe. Denn der
Name der Gemahlin ist erweislich falsch. Allein dieß hin-
dert nicht, aus der Angabe die Berichtigung zu schöpfen,
daß Herzog Berchtold im Jahr 1212 seine Ehe mit Cle-
mentia von Burgund geschlossen habe.

[Beginn Spaltensatz] Herzog wurde nicht angenommen; zugleich entstand
Streit zwischen dem Convent und dem Abt, der seinen
Bruder zum Kastvogt machte; und das Ende war, daß
König Otto, als Gemahl von Philipps Tochter Bea-
trix, die vielumworbene Vogtei über das mächtige
Kloster an sich zog. )

Auf den ersten Anblick scheint die mitgetheilte
Chronikstelle dem, der in der Geschichte nach den Söhnen
Berchtolds forscht, wenig Aussicht zu versprechen; allein
dieß ändert sich vielleicht bei näherer Betrachtung.
Konrad von Pfeffers verhält sich nämlich gegen den
Herzog von Zäringen so gleichgültig, daß er nicht ein-
mal bei dem Jahr 1218 seines Todes gedenkt, und
gerade diese Gleichgültigkeit verleiht dem Umstande,
daß er den Beweggrund des Herzogs zu seiner Bewer-
bung um die Vogtei so ausführlich angibt, eine gewisse
Bedeutung. Jn seinem Gesichtskreise, in welchem ihm
von allen Vorkommenheiten der Welt nur die seines
Klosters wichtig waren, hätte er sich begnügen können,
einfach die Abweisung des Herzogs zu erzählen; daß
er aber hier, wo er einmal gerade von ihm sprach,
noch eine weitere Beziehung in die Rede herein zog,
und zwar eine rein persönliche Beziehung des Herzogs,
das scheint zu beweisen, daß ihm unter dem Schreiben
irgend eine Thatsache vorschwebte, die ihm als Zeitge-
nossen bekannt war, die er aber nachher an ihrem
Orte besonders anzuführen nicht seines Amtes hielt.
Auch lassen sich die Worte: » quem tunc non habuit
ganz ungezwungen mit: „den er damals noch nicht
hatte,“ übersetzen. Jedenfalls muß der Herzog nach
dem Wortlaute des Chronisten im Jahr 1208 einen
mehr oder minder gewichtigen Grund gehabt haben, ei-
nem Erben seines Namens und seiner Macht entgegen
zu sehen. Dieser Auffassung kommt freilich Tschudi
sehr zu Hülfe, der zum Jahr 1208 gleichfalls die Ge-
schichte der vergeblichen Bewerbung des Herzogs um die
Advocatie über St. Gallen, und zwar nach Konrad
von Pfeffers, erzählt, dessen Worte er so wiedergibt:
„daß si Jne und sin Sun, ob Er ein überkäm ( dann
sin Gemachel schwanger was ) zu Jres Gottzhuß Cast-
Vogt annemmen wölltind.“ Ohne Zweifel eine präg-
nante Auffassung des acquisisset, die aber allerdings
zu seiner Angabe von 1209 vollkommen stimmt. Vielleicht
wird man diesem Geschichtschreiber, bei welchem man
weder das strenge Gewissen, noch die gewissenlosen
Fälschungsversuche einer moderneren Geschichtswissenschaft
suchen darf, am gerechtesten werden, wenn man an-
[Spaltenumbruch] nimmt, daß er die Geburtsangaben von 1209 und
1210 als ächte Nachrichten aus alten Quellen ent-
nommen, den Zusatz von 1208 aber, der dem Herzog
Vaterfreuden verheißt, und den Zusatz von 1210, der
die Herzogin im Wochenbett sterben läßt, eigenmächtig
hinzugefügt habe, den ersteren mit vollem Recht, weil
derselbe durch die Nachricht von 1209 bestätigt wird,
den letzteren mit zweifelhaftem Recht, doch vielleicht auf
eine jetzt verlorene Anhaltsspur hin, für ihn selbst je-
denfalls mit Nothwendigkeit, weil er der Stiefmutter,
die er in seiner Sage hatte, bei guter Gelegenheit Raum
schaffen mußte. Jm Jahr 1210 hatte Herzog Berch-
told nur noch acht Jahre zu leben: ein Chronist, der
für die Kinder eine Stiefmutter suchte, durfte sich also
nicht säumen. *

Sind nun die Angaben Tschudis über die Geburt der
Kinder Konrad und Berchtold wahr, was ihm vielleicht
die Billigkeit des Lesers zugestehen wird, so erhebt sich die
zweite Frage, nämlich wer ihre Mutter gewesen sey.
Und hier scheint nun eine weitere Person den Schau-
platz betreten zu wollen, aber ein verschleiertes
Bild, dessen Umrisse sich bis jetzt der geschichtlichen
Wirklichkeit noch nicht sehr genähert haben. Einige
ältere Geschichtschreiber nämlich, Guillimann, der Jesuit
Gamans, der als Dichter bekannte badische Archivar
Drollinger und andere, nennen als Gemahlin Berchtolds
eine Mechtild, und zwar macht Drollinger dieselbe
zu einer Markgräfin von Vohburg. Allein „ihr Saiten
schweigt! Climene singt.“ Die bayerische Geschicht-
schreibung widerlegt diese Angabe. Aventin, der zum
Todesjahre des letzten Markgrafen von Vohburg, 1209
oder 1210, die Verhältnisse dieses Hauses ausführlich
angibt ( der deutschen Ausgabe seiner bayerischen Chronik
[Ende Spaltensatz]

Die — isse und — asse sind ein Nebengericht für den
Kenner. Die Hauptstelle bilden die Worte si ſorte...
acquisisset.
* Jndessen wird man noch eine weitere Angabe zu
beachten haben, welche Tschudi zum Jahr 1212 auf dem
folgenden Blatte bringt: „Desselben 1212 Jahres, als
Hertzog Berchthold von Zeringen jetz 2 Jahr ein Witt-
ling gewesen, verhyrat Er sich zum andernmal, und nam
ein Gräfin von Kiburg ze Eegemachel.“ Auch hier fragt
man sich wieder, was den Chronisten veranlaßt haben
könnte, aus bloßer Erfindungslust ohne allen Grund die
ganze Notiz aus der Luft zu greifen, und man wird also
anzunehmen geneigt seyn, daß er in seinen Quellen eine
kahle Aufzeichnung von einer Wiedervermählung des Her-
zogs im Jahr 1212 gefunden, dieselbe aber nach seiner
Weise, um sie mit dem Uebrigen in Einklang zu bringen,
mit Vermuthungszusätzen erweitert habe. Denn der
Name der Gemahlin ist erweislich falsch. Allein dieß hin-
dert nicht, aus der Angabe die Berichtigung zu schöpfen,
daß Herzog Berchtold im Jahr 1212 seine Ehe mit Cle-
mentia von Burgund geschlossen habe.
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Dieser Auffassung kommt freilich Tschudi sehr zu Hülfe, der zum Jahr 1208 gleichfalls die Ge- schichte der vergeblichen Bewerbung des Herzogs um die Advocatie über St. Gallen, und zwar nach Konrad von Pfeffers, erzählt, dessen Worte er so wiedergibt: „daß si Jne und sin Sun, ob Er ein überkäm ( dann sin Gemachel schwanger was ) zu Jres Gottzhuß Cast- Vogt annemmen wölltind.“ Ohne Zweifel eine präg- nante Auffassung des acquisisset, die aber allerdings zu seiner Angabe von 1209 vollkommen stimmt. Vielleicht wird man diesem Geschichtschreiber, bei welchem man weder das strenge Gewissen, noch die gewissenlosen Fälschungsversuche einer moderneren Geschichtswissenschaft suchen darf, am gerechtesten werden, wenn man an- ** nimmt, daß er die Geburtsangaben von 1209 und 1210 als ächte Nachrichten aus alten Quellen ent- nommen, den Zusatz von 1208 aber, der dem Herzog Vaterfreuden verheißt, und den Zusatz von 1210, der die Herzogin im Wochenbett sterben läßt, eigenmächtig hinzugefügt habe, den ersteren mit vollem Recht, weil derselbe durch die Nachricht von 1209 bestätigt wird, den letzteren mit zweifelhaftem Recht, doch vielleicht auf eine jetzt verlorene Anhaltsspur hin, für ihn selbst je- denfalls mit Nothwendigkeit, weil er der Stiefmutter, die er in seiner Sage hatte, bei guter Gelegenheit Raum schaffen mußte. Jm Jahr 1210 hatte Herzog Berch- told nur noch acht Jahre zu leben: ein Chronist, der für die Kinder eine Stiefmutter suchte, durfte sich also nicht säumen. * Sind nun die Angaben Tschudis über die Geburt der Kinder Konrad und Berchtold wahr, was ihm vielleicht die Billigkeit des Lesers zugestehen wird, so erhebt sich die zweite Frage, nämlich wer ihre Mutter gewesen sey. Und hier scheint nun eine weitere Person den Schau- platz betreten zu wollen, aber ein verschleiertes Bild, dessen Umrisse sich bis jetzt der geschichtlichen Wirklichkeit noch nicht sehr genähert haben. Einige ältere Geschichtschreiber nämlich, Guillimann, der Jesuit Gamans, der als Dichter bekannte badische Archivar Drollinger und andere, nennen als Gemahlin Berchtolds eine Mechtild, und zwar macht Drollinger dieselbe zu einer Markgräfin von Vohburg. Allein „ihr Saiten schweigt! Climene singt.“ Die bayerische Geschicht- schreibung widerlegt diese Angabe. Aventin, der zum Todesjahre des letzten Markgrafen von Vohburg, 1209 oder 1210, die Verhältnisse dieses Hauses ausführlich angibt ( der deutschen Ausgabe seiner bayerischen Chronik ** Die — isse und — asse sind ein Nebengericht für den Kenner. Die Hauptstelle bilden die Worte si ſorte... acquisisset. * Jndessen wird man noch eine weitere Angabe zu beachten haben, welche Tschudi zum Jahr 1212 auf dem folgenden Blatte bringt: „Desselben 1212 Jahres, als Hertzog Berchthold von Zeringen jetz 2 Jahr ein Witt- ling gewesen, verhyrat Er sich zum andernmal, und nam ein Gräfin von Kiburg ze Eegemachel.“ Auch hier fragt man sich wieder, was den Chronisten veranlaßt haben könnte, aus bloßer Erfindungslust ohne allen Grund die ganze Notiz aus der Luft zu greifen, und man wird also anzunehmen geneigt seyn, daß er in seinen Quellen eine kahle Aufzeichnung von einer Wiedervermählung des Her- zogs im Jahr 1212 gefunden, dieselbe aber nach seiner Weise, um sie mit dem Uebrigen in Einklang zu bringen, mit Vermuthungszusätzen erweitert habe. Denn der Name der Gemahlin ist erweislich falsch. Allein dieß hin- dert nicht, aus der Angabe die Berichtigung zu schöpfen, daß Herzog Berchtold im Jahr 1212 seine Ehe mit Cle- mentia von Burgund geschlossen habe.

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Zitationshilfe: Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 36. Stuttgart/Tübingen, 7. September 1856, S. 850. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_morgenblatt36_1856/10>, abgerufen am 18.06.2024.