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Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 31. Stuttgart/Tübingen, 3. August 1856.

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[Beginn Spaltensatz] dem Allgemeinen ist mithin zugleich eine Wiederein-
setzung des Besondern in das Allgemeine, eine Aner-
kennung des Besondern oder Unterschiedenen als eines
zum Allgemeinen mit Hinzugehörigen.

Das Seyn muß also, unbeschadet seiner Einheit,
nothwendig in drei verschiedenen Formen gedacht werden:

1 ) wie es sich selbst gleich, mit sich selbst eins ist;

2 ) wie es sich von sich selbst, oder vielmehr in
sich selbst unterscheidet; und

3 ) wie es das in ihm Unterschiedene, Viele wie-
der als Eins faßt.

Diese verschiedenen Formen des Seyns heben die
wesentliche Einheit des Seyns nicht auf; denn in
seinem Wesen ist es in jeder dieser drei Formen immer
dasselbe, nämlich das Seyn; sie zeigen aber, daß es
trotz und inmitten seiner Einheit auch einer Verände-
rung fähig ist, nämlich einer formellen, ja daß diese
formelle Veränderung nothwendig in seinem Wesen be-
gründet ist. Das Seyn ist also kein ruhig in einer
und derselben Form Verharrendes, sondern ein die Form
Wechselndes; es ist mithin kein Starres, Todtes, son-
dern ein in Bewegung Begriffenes, Lebendi-
ges.
-- Weil aber das Seyn Alles ist und nichts
außer ihm, kann die Bewegung nichts von außen ihm
Zugekommenes seyn, sondern es muß vielmehr seine Be-
wegung nothwendig als eine Selbstbewegung ge-
dacht werden. Diese Selbstbewegung ist aber auch nicht
als etwas bloß an dem Seyn Befindliches, sondern
vielmehr als der eigentliche Jnbegriff seines Wesens
und seiner drei Formen, mithin geradezu als das Seyn
selbst zu denken. Seyn und Selbstbewegung sind
daher nur zwei verschiedene Ausdrücke für eine und die-
selbe Sache, und die Ausdrücke selbst unterscheiden sich
nur insofern, daß der Ausdruck "Selbstbewegung" noch
deutlicher als der Ausdruck "Seyn" die in der Einheit
des Seyns mit einbegriffene Differenzirungsfähigkeit und
Veränderlichkeit mit zum Bewußtseyn bringt.

Daß über den Begriff der Selbstbewegung eben so
wenig wie über den Begriff des Seyns ein Hinaus-
gehen möglich ist, läßt sich auch aus folgendem, von
dem Begriff der einzelnen Bewegung ausgehenden Ge-
dankengange mit Leichtigkeit erkennen. Die unmittelbare
Beobachtung lehrt uns, daß es eine Bewegung gibt.
Die Ursache einer Bewegung ist ein Bewegendes; die
Wirkung einer Bewegung ist ein Bewegtes. Nun läßt
sich aber kein Bewegendes und kein Bewegtes denken,
welches nicht selbst ebenfalls in Bewegung wäre. Die
Ursache und Wirkung einer Bewegung ist daher noth-
wendig auch eine Bewegung. Die einzelnen Bewegun-
gen bilden also untereinander eine stetig zusammenhän-
gende Kette, in welcher jedes Glied nothwendig einer-
[Spaltenumbruch] seits ein vorausgehendes, andererseits ein nachfolgendes
Glied voraussetzt; das allen Gliedern Gemeinsame aber,
d. h. die Bewegung überhaupt oder die Universal-
bewegung, kann den Grund ihrer Existenz einzig und
allein in sich selbst haben, weil eben als Grund einer
Bewegung nur etwas gedacht werden kann, was selbst
ebenfalls eine Bewegung und mithin etwas zur Uni-
versalbewegung Hinzugehöriges ist. Die Universalbe-
wegung ist daher nothwendig Selbstbewegung, d. h.
zugleich Bewegendes und Bewegtes, zugleich Subjekt
und Objekt, Ursache und Wirkung der Bewegung. Ueber
diesen Begriff ist aber eben so wenig wie über den Be-
griff des Seyns ein Hinausgehen möglich, jeder von
beiden Begriffen erweist sich als der höchste, allum-
fassende: denn wie Alles vom Seyn umfaßt ist, ist
auch Alles in der Universalbewegung begriffen. Beide
Begriffe sind daher im Wesen identisch, und sind es
ursprünglich auch im Ausdruck; denn die Sprachwur-
zeln, welche den verschiedenen Formen des Verbum "seyn"
zum Grunde liegen, bedeuten ursprünglich "sich bewe-
gen," "sich bethätigen," wie schon daraus erhellt, daß
das Wort "seyn" ein Verbum, und zwar das Grund-
verbum aller einzelnen Verba ist, und daß an ihm die
verschiedenen Formen der Zeit, Vergangenheit, Gegen-
wart und Zukunft, unterschieden, folglich ihm auch
Formveränderungen oder Bewegungen innerhalb der Zeit-
formen zugeschrieben werden.

Jndem wir den Begriff des Seyns als mit dem
Begriff der universalen Selbstbewegung gleichbedeutend
erkannt haben, ist von uns zugleich Folgendes ge-
wonnen:

1 ) daß auch der Begriff Substanz, sofern er
in demselben Sinne wie "Seyn" gefaßt wird, mit dem
Begriff der Selbstbewegung identisch ist, obschon er
noch mehr als der Ausdruck "Seyn" den Accent auf
das Bleibende und Beharrende in der Bewegung legt,
so daß unter "Substanz" die Bewegung, sofern
sie stets in sich verharrt,
d. h. niemals aus
der Bewegung heraus geht, niemals wirk-
licher Stillstand oder Tod wird,
zu denken ist;

2 ) daß das Bestreben, die Bewegung aus irgend
einem andern als aus der absoluten Selbstbewegung
ableiten und erklären zu wollen, ein von vornherein
verkehrtes ist und niemals einen Erfolg haben kann,
weil ein anderes als das allgemeine Seyn oder die
absolute Selbstbewegung überhaupt nicht denkbar ist;

3 ) daß die Bewegung auch nicht eine bloße Ei-
genschaft oder Qualität irgend einer Substanz, am we-
nigsten der Materie, sondern vielmehr die Substanz
selber ist, daß sie aber als Selbstbewegung sich selbst
in verschiedenen Formen zeigen kann, je nachdem sie
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] dem Allgemeinen ist mithin zugleich eine Wiederein-
setzung des Besondern in das Allgemeine, eine Aner-
kennung des Besondern oder Unterschiedenen als eines
zum Allgemeinen mit Hinzugehörigen.

Das Seyn muß also, unbeschadet seiner Einheit,
nothwendig in drei verschiedenen Formen gedacht werden:

1 ) wie es sich selbst gleich, mit sich selbst eins ist;

2 ) wie es sich von sich selbst, oder vielmehr in
sich selbst unterscheidet; und

3 ) wie es das in ihm Unterschiedene, Viele wie-
der als Eins faßt.

Diese verschiedenen Formen des Seyns heben die
wesentliche Einheit des Seyns nicht auf; denn in
seinem Wesen ist es in jeder dieser drei Formen immer
dasselbe, nämlich das Seyn; sie zeigen aber, daß es
trotz und inmitten seiner Einheit auch einer Verände-
rung fähig ist, nämlich einer formellen, ja daß diese
formelle Veränderung nothwendig in seinem Wesen be-
gründet ist. Das Seyn ist also kein ruhig in einer
und derselben Form Verharrendes, sondern ein die Form
Wechselndes; es ist mithin kein Starres, Todtes, son-
dern ein in Bewegung Begriffenes, Lebendi-
ges.
— Weil aber das Seyn Alles ist und nichts
außer ihm, kann die Bewegung nichts von außen ihm
Zugekommenes seyn, sondern es muß vielmehr seine Be-
wegung nothwendig als eine Selbstbewegung ge-
dacht werden. Diese Selbstbewegung ist aber auch nicht
als etwas bloß an dem Seyn Befindliches, sondern
vielmehr als der eigentliche Jnbegriff seines Wesens
und seiner drei Formen, mithin geradezu als das Seyn
selbst zu denken. Seyn und Selbstbewegung sind
daher nur zwei verschiedene Ausdrücke für eine und die-
selbe Sache, und die Ausdrücke selbst unterscheiden sich
nur insofern, daß der Ausdruck „Selbstbewegung“ noch
deutlicher als der Ausdruck „Seyn“ die in der Einheit
des Seyns mit einbegriffene Differenzirungsfähigkeit und
Veränderlichkeit mit zum Bewußtseyn bringt.

Daß über den Begriff der Selbstbewegung eben so
wenig wie über den Begriff des Seyns ein Hinaus-
gehen möglich ist, läßt sich auch aus folgendem, von
dem Begriff der einzelnen Bewegung ausgehenden Ge-
dankengange mit Leichtigkeit erkennen. Die unmittelbare
Beobachtung lehrt uns, daß es eine Bewegung gibt.
Die Ursache einer Bewegung ist ein Bewegendes; die
Wirkung einer Bewegung ist ein Bewegtes. Nun läßt
sich aber kein Bewegendes und kein Bewegtes denken,
welches nicht selbst ebenfalls in Bewegung wäre. Die
Ursache und Wirkung einer Bewegung ist daher noth-
wendig auch eine Bewegung. Die einzelnen Bewegun-
gen bilden also untereinander eine stetig zusammenhän-
gende Kette, in welcher jedes Glied nothwendig einer-
[Spaltenumbruch] seits ein vorausgehendes, andererseits ein nachfolgendes
Glied voraussetzt; das allen Gliedern Gemeinsame aber,
d. h. die Bewegung überhaupt oder die Universal-
bewegung, kann den Grund ihrer Existenz einzig und
allein in sich selbst haben, weil eben als Grund einer
Bewegung nur etwas gedacht werden kann, was selbst
ebenfalls eine Bewegung und mithin etwas zur Uni-
versalbewegung Hinzugehöriges ist. Die Universalbe-
wegung ist daher nothwendig Selbstbewegung, d. h.
zugleich Bewegendes und Bewegtes, zugleich Subjekt
und Objekt, Ursache und Wirkung der Bewegung. Ueber
diesen Begriff ist aber eben so wenig wie über den Be-
griff des Seyns ein Hinausgehen möglich, jeder von
beiden Begriffen erweist sich als der höchste, allum-
fassende: denn wie Alles vom Seyn umfaßt ist, ist
auch Alles in der Universalbewegung begriffen. Beide
Begriffe sind daher im Wesen identisch, und sind es
ursprünglich auch im Ausdruck; denn die Sprachwur-
zeln, welche den verschiedenen Formen des Verbum „seyn“
zum Grunde liegen, bedeuten ursprünglich „sich bewe-
gen,“ „sich bethätigen,“ wie schon daraus erhellt, daß
das Wort „seyn“ ein Verbum, und zwar das Grund-
verbum aller einzelnen Verba ist, und daß an ihm die
verschiedenen Formen der Zeit, Vergangenheit, Gegen-
wart und Zukunft, unterschieden, folglich ihm auch
Formveränderungen oder Bewegungen innerhalb der Zeit-
formen zugeschrieben werden.

Jndem wir den Begriff des Seyns als mit dem
Begriff der universalen Selbstbewegung gleichbedeutend
erkannt haben, ist von uns zugleich Folgendes ge-
wonnen:

1 ) daß auch der Begriff Substanz, sofern er
in demselben Sinne wie „Seyn“ gefaßt wird, mit dem
Begriff der Selbstbewegung identisch ist, obschon er
noch mehr als der Ausdruck „Seyn“ den Accent auf
das Bleibende und Beharrende in der Bewegung legt,
so daß unter „Substanz“ die Bewegung, sofern
sie stets in sich verharrt,
d. h. niemals aus
der Bewegung heraus geht, niemals wirk-
licher Stillstand oder Tod wird,
zu denken ist;

2 ) daß das Bestreben, die Bewegung aus irgend
einem andern als aus der absoluten Selbstbewegung
ableiten und erklären zu wollen, ein von vornherein
verkehrtes ist und niemals einen Erfolg haben kann,
weil ein anderes als das allgemeine Seyn oder die
absolute Selbstbewegung überhaupt nicht denkbar ist;

3 ) daß die Bewegung auch nicht eine bloße Ei-
genschaft oder Qualität irgend einer Substanz, am we-
nigsten der Materie, sondern vielmehr die Substanz
selber ist, daß sie aber als Selbstbewegung sich selbst
in verschiedenen Formen zeigen kann, je nachdem sie
[Ende Spaltensatz]

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Das Seyn ist also kein ruhig in einer und derselben Form Verharrendes, sondern ein die Form Wechselndes; es ist mithin kein Starres, Todtes, son- dern ein in Bewegung Begriffenes, Lebendi- ges. — Weil aber das Seyn Alles ist und nichts außer ihm, kann die Bewegung nichts von außen ihm Zugekommenes seyn, sondern es muß vielmehr seine Be- wegung nothwendig als eine Selbstbewegung ge- dacht werden. Diese Selbstbewegung ist aber auch nicht als etwas bloß an dem Seyn Befindliches, sondern vielmehr als der eigentliche Jnbegriff seines Wesens und seiner drei Formen, mithin geradezu als das Seyn selbst zu denken. Seyn und Selbstbewegung sind daher nur zwei verschiedene Ausdrücke für eine und die- selbe Sache, und die Ausdrücke selbst unterscheiden sich nur insofern, daß der Ausdruck „Selbstbewegung“ noch deutlicher als der Ausdruck „Seyn“ die in der Einheit des Seyns mit einbegriffene Differenzirungsfähigkeit und Veränderlichkeit mit zum Bewußtseyn bringt. 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Jndem wir den Begriff des Seyns als mit dem Begriff der universalen Selbstbewegung gleichbedeutend erkannt haben, ist von uns zugleich Folgendes ge- wonnen: 1 ) daß auch der Begriff Substanz, sofern er in demselben Sinne wie „Seyn“ gefaßt wird, mit dem Begriff der Selbstbewegung identisch ist, obschon er noch mehr als der Ausdruck „Seyn“ den Accent auf das Bleibende und Beharrende in der Bewegung legt, so daß unter „Substanz“ die Bewegung, sofern sie stets in sich verharrt, d. h. niemals aus der Bewegung heraus geht, niemals wirk- licher Stillstand oder Tod wird, zu denken ist; 2 ) daß das Bestreben, die Bewegung aus irgend einem andern als aus der absoluten Selbstbewegung ableiten und erklären zu wollen, ein von vornherein verkehrtes ist und niemals einen Erfolg haben kann, weil ein anderes als das allgemeine Seyn oder die absolute Selbstbewegung überhaupt nicht denkbar ist; 3 ) daß die Bewegung auch nicht eine bloße Ei- genschaft oder Qualität irgend einer Substanz, am we- nigsten der Materie, sondern vielmehr die Substanz selber ist, daß sie aber als Selbstbewegung sich selbst in verschiedenen Formen zeigen kann, je nachdem sie

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Zitationshilfe: Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 31. Stuttgart/Tübingen, 3. August 1856, S. 726. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_morgenblatt31_1856/6>, abgerufen am 23.11.2024.