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Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 31. Stuttgart/Tübingen, 3. August 1856.

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[Beginn Spaltensatz] auch die Scenen, die wir schilderten, so verschieden wie
die drei Sprachen, die wir redeten, so waren doch das
Eine und das Andere nur Variationen desselben Grundtons,
der in unsern Herzen angeschlagen war. So reichten wir
uns die Hand zum Abschied, als der Mond schon hoch im
[Spaltenumbruch] Süden stand, ohne uns zu der Gruppe vor dem Kaf-
feehause zu gesellen, aus der Musik und Gelächter zu
uns herüberschallten. Der Engländer wollte am fol-
genden Morgen dem Norden zueilen, wir unsere Ge-
birgsreise weiter gen Westen verfolgen.

[Ende Spaltensatz]



Neue Lieder von Ludwig Seeger.
[Beginn Spaltensatz]
Düfte haucht der Blumen Kehle.
Düfte haucht der Blumen Kehle,
Wenn der Sturmwind drüber weht;
Blüthen trägt des Dichters Seele,
Die im Wetter duftend steht.
Nehmt das Lied, das dornig scharfe,
Wie das kosend zarte hin.
Gönnt die Lust der Aeolsharfe,
Die Zephyr und Nord durchziehn.
Und sie jauchzt, sie lacht, sie trauert,
Auch in schrillen Tönen schreit
Sie wohl auf von Schmerz durchschauert, --
Jhrer Mutter Kind, der Zeit.
Einladung.
Jeden Strauß hab' ich gepflückt,
Den mir bot des Weges Rand,
Jedes Körnchen aufgepickt,
Das auf meinem Flug ich fand.
Wenig hab' ich nur verträumt;
Was ich fand, was ich erstritt,
Niemals hab' ich mich gesäumt,
Jn der Tasche nahm ich's mit.
Und zum Heimathhause bracht'
Jch vergnügt und selig still
Manche schmucke, bunte Fracht; --
Was daraus wohl werden will?
Schon dem Knaben sagten sie,
Wenn er seine Träume spann:
[Spaltenumbruch] Seide spinnen werd' er nie.
Was ich bringe, seht's Euch an.
"Wille nicht einmal!" -- Mag seyn!
Jhr verderbt mir nicht die Lust.
Heute noch, wie junger Wein,
Gährt es in des Mannes Brust.
Seht den grünen Wedel Jhr?
Freunde, das bedeutet Wein!
Laßt es euch gefallen hier
Jm Gemach voll Sonnenschein.
Freut den edlen Gast der Wein,
Freut den Wirth es noch viel mehr.
Und das Faß -- nur all' herein! --
Heut und morgen wird's nicht leer!
Der Fink auf der Trauerweide.
Hoch auf die Trauerweide schwang
Der Finke sich, früh schon munter.
Vom höchsten, dünnsten Wipfel sang
Er seelenvergnügt herunter.
Jn Blättern und Zweigen, ernst und lang
Herabgesenkt, erbebte
Die Weide, wie mit seinem Sang
Sie der lustige Vogel umschwebte.
Die Trauernde, sie stand verletzt,
Gestört in schmerzlichem Sinnen.
Doch wußt' ein fröhliches Säuseln zuletzt
Der Sänger ihr abzugewinnen.
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] auch die Scenen, die wir schilderten, so verschieden wie
die drei Sprachen, die wir redeten, so waren doch das
Eine und das Andere nur Variationen desselben Grundtons,
der in unsern Herzen angeschlagen war. So reichten wir
uns die Hand zum Abschied, als der Mond schon hoch im
[Spaltenumbruch] Süden stand, ohne uns zu der Gruppe vor dem Kaf-
feehause zu gesellen, aus der Musik und Gelächter zu
uns herüberschallten. Der Engländer wollte am fol-
genden Morgen dem Norden zueilen, wir unsere Ge-
birgsreise weiter gen Westen verfolgen.

[Ende Spaltensatz]



Neue Lieder von Ludwig Seeger.
[Beginn Spaltensatz]
Düfte haucht der Blumen Kehle.
Düfte haucht der Blumen Kehle,
Wenn der Sturmwind drüber weht;
Blüthen trägt des Dichters Seele,
Die im Wetter duftend steht.
Nehmt das Lied, das dornig scharfe,
Wie das kosend zarte hin.
Gönnt die Lust der Aeolsharfe,
Die Zephyr und Nord durchziehn.
Und sie jauchzt, sie lacht, sie trauert,
Auch in schrillen Tönen schreit
Sie wohl auf von Schmerz durchschauert, —
Jhrer Mutter Kind, der Zeit.
Einladung.
Jeden Strauß hab' ich gepflückt,
Den mir bot des Weges Rand,
Jedes Körnchen aufgepickt,
Das auf meinem Flug ich fand.
Wenig hab' ich nur verträumt;
Was ich fand, was ich erstritt,
Niemals hab' ich mich gesäumt,
Jn der Tasche nahm ich's mit.
Und zum Heimathhause bracht'
Jch vergnügt und selig still
Manche schmucke, bunte Fracht; —
Was daraus wohl werden will?
Schon dem Knaben sagten sie,
Wenn er seine Träume spann:
[Spaltenumbruch] Seide spinnen werd' er nie.
Was ich bringe, seht's Euch an.
„Wille nicht einmal!“ — Mag seyn!
Jhr verderbt mir nicht die Lust.
Heute noch, wie junger Wein,
Gährt es in des Mannes Brust.
Seht den grünen Wedel Jhr?
Freunde, das bedeutet Wein!
Laßt es euch gefallen hier
Jm Gemach voll Sonnenschein.
Freut den edlen Gast der Wein,
Freut den Wirth es noch viel mehr.
Und das Faß — nur all' herein! —
Heut und morgen wird's nicht leer!
Der Fink auf der Trauerweide.
Hoch auf die Trauerweide schwang
Der Finke sich, früh schon munter.
Vom höchsten, dünnsten Wipfel sang
Er seelenvergnügt herunter.
Jn Blättern und Zweigen, ernst und lang
Herabgesenkt, erbebte
Die Weide, wie mit seinem Sang
Sie der lustige Vogel umschwebte.
Die Trauernde, sie stand verletzt,
Gestört in schmerzlichem Sinnen.
Doch wußt' ein fröhliches Säuseln zuletzt
Der Sänger ihr abzugewinnen.
[Ende Spaltensatz]
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[735/0015] 735 auch die Scenen, die wir schilderten, so verschieden wie die drei Sprachen, die wir redeten, so waren doch das Eine und das Andere nur Variationen desselben Grundtons, der in unsern Herzen angeschlagen war. So reichten wir uns die Hand zum Abschied, als der Mond schon hoch im Süden stand, ohne uns zu der Gruppe vor dem Kaf- feehause zu gesellen, aus der Musik und Gelächter zu uns herüberschallten. Der Engländer wollte am fol- genden Morgen dem Norden zueilen, wir unsere Ge- birgsreise weiter gen Westen verfolgen. Neue Lieder von Ludwig Seeger. Düfte haucht der Blumen Kehle. Düfte haucht der Blumen Kehle, Wenn der Sturmwind drüber weht; Blüthen trägt des Dichters Seele, Die im Wetter duftend steht. Nehmt das Lied, das dornig scharfe, Wie das kosend zarte hin. Gönnt die Lust der Aeolsharfe, Die Zephyr und Nord durchziehn. Und sie jauchzt, sie lacht, sie trauert, Auch in schrillen Tönen schreit Sie wohl auf von Schmerz durchschauert, — Jhrer Mutter Kind, der Zeit. Einladung. Jeden Strauß hab' ich gepflückt, Den mir bot des Weges Rand, Jedes Körnchen aufgepickt, Das auf meinem Flug ich fand. Wenig hab' ich nur verträumt; Was ich fand, was ich erstritt, Niemals hab' ich mich gesäumt, Jn der Tasche nahm ich's mit. Und zum Heimathhause bracht' Jch vergnügt und selig still Manche schmucke, bunte Fracht; — Was daraus wohl werden will? Schon dem Knaben sagten sie, Wenn er seine Träume spann: Seide spinnen werd' er nie. Was ich bringe, seht's Euch an. „Wille nicht einmal!“ — Mag seyn! Jhr verderbt mir nicht die Lust. Heute noch, wie junger Wein, Gährt es in des Mannes Brust. Seht den grünen Wedel Jhr? Freunde, das bedeutet Wein! Laßt es euch gefallen hier Jm Gemach voll Sonnenschein. Freut den edlen Gast der Wein, Freut den Wirth es noch viel mehr. Und das Faß — nur all' herein! — Heut und morgen wird's nicht leer! Der Fink auf der Trauerweide. Hoch auf die Trauerweide schwang Der Finke sich, früh schon munter. Vom höchsten, dünnsten Wipfel sang Er seelenvergnügt herunter. Jn Blättern und Zweigen, ernst und lang Herabgesenkt, erbebte Die Weide, wie mit seinem Sang Sie der lustige Vogel umschwebte. Die Trauernde, sie stand verletzt, Gestört in schmerzlichem Sinnen. Doch wußt' ein fröhliches Säuseln zuletzt Der Sänger ihr abzugewinnen.

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Zitationshilfe: Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 31. Stuttgart/Tübingen, 3. August 1856, S. 735. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_morgenblatt31_1856/15>, abgerufen am 23.11.2024.