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Marburger Zeitung. Nr. 96, Marburg, 11.08.1908.

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Nr. 96, 11. August 1908. Marburger Zeitung.

[Spaltenumbruch]
Eidesablegung.

Herr Karl Kiß, hiesiger
Geschäftsleiter, welcher bisher ungarischer Staats-
angehöriger war, hat auf Grund der ihm erteilten
österreichischen Staatsbürgerschaft am heutigen Tage
in die Hände des Bürgermeisters Herrn Dr. Johann
Schmiderer den Staatsbürgereid abgelegt.

Konzert.

Die Südbahnwerkstätten-Kapelle
konzertiert am Donnerstag von 8 bis halb 11 Uhr
bei der Highlife-Vorstellung des Bioskops im
Hotel "Stadt Wien".

Waffenübung.

Jene Reservemannschaft des
47. Infanterie-Regimentes, welche für den 16. d.
zur Waffenübung einberufen ist und diese Waffen-
übung als Radfahrer ableisten will, hat darum
sofort beim Ergänzungsbezirkskommando Nr. 47
anzusuchen. Bedingung ist die Mitnahme eines
eigenen, gut brauchbaren Fahrrades.

Gesteigerter Bahnverkehr zu den
Doppelfeiertagen.

Um für die zu erwartende
Verkehrssteigerung an den Tagen 15. und 16. August
Vorsorge treffen zu können, ersucht die Südbahn-
gesellschaft im Interesse einer anstandslosen Abwicklung
des Verkehres die in Betracht kommenden Körper-
schaften, ehestens mitzureilen, wann und wohin
gemeinsame Reisen (insbesondere Wallfahrten) unter-
nommen werden, wie viele Personen daran teil-
nehmen, welche Züge und Wagenklassen benützt werden.

Wach- und Schließanstalt.

Von den
Organen der Wach- und Schließanstalt wurden bei
den Rundgängen in der Zeit vom 27. Juli bis
10. August folgende Vorfälle gemeldet: Es wurden
85 Haustüren, 20 Hoftore, 12 Werkstätten,
4 Geschäfte, 16 Zeugkammern, 10 Holzhütten,
8 Gartentore, 3 Magazine, 4 Stallungen offen
gefunden und von den Wächtern geschlossen.
In zwei Fällen wurden Tiere frei angetroffen.
Zwei Knaben wurden beim Obststehlen erwischt,
zwei Knaben von fremden Objekten, die ihre dortige
Aufenthaltsberechtigung nicht nachweisen konnten,
wurden der Polizei übergeben.

Postlotterie.

Die Ziehung dieser von den
Postbeamten Österreichs anläßlich des 60jährigen
Regierungsjubiläums des Kaisers veranstalteten
Lotterie, deren Reinerträgnis der im Jahre 1898
errichteten Inbiläums-Schüler-Stiftung zufällt und
die mit 3000 Treffern im Gesamtwerte von
30.000 K. ausgestattet ist, findet schon am
15. Oktober l. J. statt. Ein Los dieser Lotterie
kostet nur 50 H.

Die Anrechnung von Staats- und
Landesdiensten.

Mit der in der samstägigen
"Wiener Zeitung" verlautbarten Herstellung der
Reziprozität hinsichtlich der Anrechnung von Staats-
und Landesdiensten zwischen dem Staate und der
österreichischen Landesverwaltung erstreckt sich dieses
Verhältnis nunmehr auf Niederösterreich, Salzburg,
Steiermark, Kärnten, Küstenland, Böhmen,
Mähren, Schlesien, Galizien und Dalmatien. Be-
züglich Tirols sind erst Verhandlungen im Zuge.
Mit der bosnisch-herzegowinischen Verwaltung besteht
seit einigen Jahren ein gleiches Verhältnis.

Eine neue Apotheke.

Man schreibt uns:
Eine fünfte Apotheke in Marburg mit dem Stand-
orte in der Nähe des Südbahnhofes wurde laut
Kundmachung des Stadtrates Marburg von Herrn
J. Sirak, Mag. Pharm. und Provisor der Apotheke
König in Anregung gebracht. Bei der stets zu-
nehmenden Ausdehnung der angrenzenden Gebiete
dieses Rayons, hauptsächlich der Vorstadt Melling
und der sich an das Stadtgebiet enganschließenden
Gemeinde Kartschowin, sowie in Anbetracht des stets
wachsenden Verkehres der Südbahn, wäre die Er-
richtung dieser Apotheke gewiß wünschenswert und
notwendig und würde dadurch einem oft sehr ge-
fühlten Bedürfnisse Rechnung getragen werden. Wir
glauben annehmen zu dürfen, daß sich die hiefür
maßgebenden Faktoren nicht verschließen werden,
auch diesen Teil der Stadt Marburg der Wohltat
einer derartigen Sanitätsanstalt teilhaftig werde[n]
zu lassen.

Kostplatz gesucht.

Ein zehnjähriges Waisen-
mädchen, das anher zuständig ist, trifft demnächst
hier ein und ist von der Stadtgemeinde Marburg
in weitere Obhut zu nehmen. Personen, welche das
Kind in Pflege oder als eigenes annehmen wollen,
mögen sich Amtsabteilung I des Stadtamtes melden.
Dasselbe kann außer der Schulzeit zu kleinen
häuslichen Arbeiten verwendet werden.

Vom Zuge überfahren.

Am 6. d. wurde
nahe dem nördlichen Einfahrtssignal der Station
Kranichsfeld, wahrscheinlich vom südlichen Personen-
[Spaltenumbruch] zuge um 10 Uhr abends ein Mann überfahren.
Der Wächter fand bald nach Passieren dieses Zuges
einen Mann bewußtlos am Bahnkörper liegen.
Das linke Bein lag vollständig abgetrennt abseits,
der Kopf wies auch mehrere Verwundungen auf.
Der Wächter hielt den darauf kommenden Eilgüter-
zug an und veranlaßte die Überführung des
Schwerverletzten nach Marburg. Der Verunglückte
soll der Meier des Roßmannschen Besitzes in
Frauheim sein. Ob er aus dem Zuge gesprungen
ist oder ob er längs der Strecke gegangen und vom
Zuge erfaßt wurde, ist nicht bekannt. Der Überführte
erlitt anscheinend so schwere Verletzungen, daß sein
Aufkommen unwahrscheinlich ist.

Herrenloses Fahrrad.

Gestern wurde
ein Fahrrad gefunden und am Polizeiamte
aufbewahrt, wo es der Verlustträger gegen Nach-
weis des Eigentumrechtes in Empfang nehmen kann.

Entsprungener Häftling.

In der Nacht
von Sonntag auf Montag ist laut eines aus
Cilli eingelangten Telegramms der Untersuchungs-
häftling des dortigen Kreisgerichtes Florian
Panagl aus dem Krankenhause entsprungen.
Panagl ist als Herausgeber des "Internationalen
Geschäftscourier" bekannt.




Aus dem Gerichtssaale.
Große Messerstecherei bei Kranichs-
feld.

Auf der Anklagebank saßen: Anton Toma-
nic,
25 Jahre alt, geboren in Schiltern, zuständig
nach St. Lorenzen a. Df., katholisch, ledig, Besitzers-
sohn in Unter-Goritzen, Anton Ferlesch, 20 Jahre
alt, geboren in Zirkowetz, zuständig nach Ratten-
berg, katholisch, ledig, Schuster in Ober-Goritzen
und Franz Celofiga, 21 Jahre alt, geboren in
Unter-Goritzen, dorthin zuständig, katholisch, ledig,
Besitzerssohn in Ober-Goritzen. Am 8. Juni l. J.
zechten die Beschuldigten in Gesellschaft des Franz
Beranic, Michael Ferlesch, sowie der Marie
Klep und Marie Kumeric im Gasthause Mahorko
in Kranichsfeld, von wo sie sich um 2 Uhr nach-
mittags ins Gasthaus Laschitsch begaben. Von dort
begaben sich Franz Beranic mit Marie Kumeric
und Anton Tomanic mit Marie Klep um zirka
4 Uhr nachmittags auf den Heimweg nach Goritzen.
Anton Ferlesch folgte ihnen alsbald nach, während
Michael Ferlesch und Franz Celofiga noch bei
Laschitsch verblieben. Als Anton Ferlesch die Erst-
genannten eingeholt hatte, begann er mit Marie
Kumeric zu sprechen, worüber sich Beranic aufhielt,
so daß es schließlich zwischen beiden zu Tätlichkeiten
kam, in deren Verlaufe Beranic Ferlesch durch
Schläge mit einem geschlossenen Messer, Ferlesch
aber ersteren durch einen Messerstich an der linken
Hand leicht verletzte. Schließlich warfen sich beide
gegenseitig zu Boden, worauf Anton Tomanic her-
beieilte, auf Ferlesch loszuschlagen begann und dem-
selben einen Messerstich in den Rücken versetzte, der
eine Verletzung zur Folge hatte. Anton Ferlesch
kehrte sodann nach Kranichsfeld zurück, erzählte
seinem Bruder, daß er von Tomanic gestochen
worden sei und eilte dann mit einem Ziegel be-
waffnet Tomanic und Beranic abermals nach. Als
er dieselben erreicht hatte, fiel er über Tomanic
her und fügte ihm durch einen Schlag mit dem
Ziegel am Kopfe eine leichte Verletzung zu, wurde
jedoch sofort von seinem Bruder Michael Ferlesch,
der ihm in der Absicht, Ruhe zu stiften, gefolgt
war, beruhigt und bewogen, zu Laschitsch zurück-
zukehren. Daselbst befand sich noch immer Franz
Celofiga. An diesen wandte sich nun Anton Ferlesch,
erzählte ihm, daß er von Tomanic und Beranic
mißhandelt worden sei und bewog unter der An-
gabe, Tomanic und Beranic hätten ihn (Celofiga)
"smrkovec" (Rotzbube) genannt, mit ihm denselben
nachzueilen, um sich für die Mißhandlung, respektive
Beschimpfung, zu rächen. In der Tat fielen dieselben
auch als sie Tomanic erreicht hatten, sogleich über
denselben her, wobei Ferlesch mit einem Riemen
auf denselben losschlug, während Celofiga dem
Tomanic, welcher sich vergeblich mit seinem Messer
zu verteidigen suchte, durch Messerstiche außer einigen
leichten Verletzungen an beiden Oberarmen und an
der linken Hand auch eine schwere Beschädigung
an der rechten Brustseite zufügte, welche laut Gut-
achten der Sachverständigen mit einer Gesundheits-
störung und Berufsunfähigkeit von mindestens
20tägiger Dauer verbunden ist, außerdem aber auch
mit einem solchen Werkzeuge und auf eine solche
Art zugefügt erscheint, womit gemeiniglich Lebens-
gefahr verbunden ist. Anton Tomanic behauptet,
er habe möglicherweise dem Anton Ferlesch damals
[Spaltenumbruch] den Messerstich versetzt, als er infolge des ihm von
jenem versetzten Schlages auf den Kopf halb betäubt
war. Nach der bestimmten Angabe des A. Ferlesch
erscheint dies jedoch ausgeschlossen. Anton Ferlesch
und Franz Celofiga sind geständig, Tomanic, resp.
auch Beranic, verletzt zu haben; Ferlesch stellt es
jedoch auf das bestimmteste in Abrede, Celofiga zur
Mißhandlung des Tomanic aufgefordert zu haben,
während Celofiga angibt, sich daran nicht erinnern
zu können. Celofiga kann jedoch ein Motiv für
seine Handlungsweise nicht angeben. Die Angabe
des Ferlesch, er sei von Tomanic und Beranic be-
schimpft worden, stellte sich übrigens als unwahr
heraus. Tomanic wurde zu drei, Celofiga zu sechs
Monaten schweren und Ferlesch zu einem Monat
Kerker verurteilt.




Die Durchführung der Mittelschulreform.

Der Reform der Maturitätsprüfung, welche im
heurigen Sommer bereits zur Durchführung gelangt
ist, soll im kommenden Schuljahre die Schaffung
der neuen Mittelschultypen folgen, welche in der
großen Enquete im Monate Februar als die wesent-
liche Forderung der Reformfreunde der österreichischen
Mittelschule aufgestellt worden ist. Österreich wird
künftig vier Arten von Mittelschulen haben:

1. das Gymnasium,

2. die Realschule,

3. das Realgymnasium,

4. das Reform-Realgymnasium.

Die beiden ersten Kategorien von Mittelschulen
bestehen bereits, auf die Schaffung der beiden letzteren
sind die gegenwärtig im Zuge befindlichen Arbeiten
der Unterrichtsverwaltung gerichtet.

Das Realgymnasium wird sich im wesent-
lichen vom Gymnasium dadurch unterscheiden, daß
an Stelle des Griechischen eine zweite lebende
Sprache tritt, daß darstellende Geometrie, Chemie
als selbständiger Obligatgegenstand neu eingeführt
werden und daß die Lehrpläne aller Fächer in einer
Weise umgrenzt werden, welche sowohl eine Ver-
einfachung des Unterrichtes wie eine Belebung und
Vertiefung ermöglicht. Der Schüler soll von rein
mechanischer Gedächtnisarbeit entlastet werden, sein
Interesse an allen Lehrgegenständen geweckt, durch
Exkursionen, durch Experimente, durch Pflege der
räumlichen Anschauung, durch Redeübungen der
Schüler gewöhnt werden, nicht nur positive Kennt-
nisse zu erwerben, sondern sorgfältig zu beobachten
und aus den Beobachtungen richtige Schlüsse zu
ziehen.

Das Reform-Realgymnasium wird eine
vierklassige Oberstufe mit Lateinunterricht, auf der
Unterrealschule aufgebaut, darstellen, so daß es der
Wahl des Absolventen der Unterrealschule überlassen
bleiben wird, ob er dann die Oberrealschule oder
das Reform-Realgymnasium besuchen wird.

Beiden achtklassigen neuen Mittelschulen soll
die Berechtigung zum ordentlichen Universitätsstudium
an den drei weltlichen Fakultäten eingeräumt werden.
Eine Einschränkung würde nur für einzelne Disziplinen
der philosophischen Fakultät eintreten.




[irrelevantes Material]
Nr. 96, 11. Auguſt 1908. Marburger Zeitung.

[Spaltenumbruch]
Eidesablegung.

Herr Karl Kiß, hieſiger
Geſchäftsleiter, welcher bisher ungariſcher Staats-
angehöriger war, hat auf Grund der ihm erteilten
öſterreichiſchen Staatsbürgerſchaft am heutigen Tage
in die Hände des Bürgermeiſters Herrn Dr. Johann
Schmiderer den Staatsbürgereid abgelegt.

Konzert.

Die Südbahnwerkſtätten-Kapelle
konzertiert am Donnerstag von 8 bis halb 11 Uhr
bei der Highlife-Vorſtellung des Bioſkops im
Hotel „Stadt Wien“.

Waffenübung.

Jene Reſervemannſchaft des
47. Infanterie-Regimentes, welche für den 16. d.
zur Waffenübung einberufen iſt und dieſe Waffen-
übung als Radfahrer ableiſten will, hat darum
ſofort beim Ergänzungsbezirkskommando Nr. 47
anzuſuchen. Bedingung iſt die Mitnahme eines
eigenen, gut brauchbaren Fahrrades.

Geſteigerter Bahnverkehr zu den
Doppelfeiertagen.

Um für die zu erwartende
Verkehrsſteigerung an den Tagen 15. und 16. Auguſt
Vorſorge treffen zu können, erſucht die Südbahn-
geſellſchaft im Intereſſe einer anſtandsloſen Abwicklung
des Verkehres die in Betracht kommenden Körper-
ſchaften, eheſtens mitzureilen, wann und wohin
gemeinſame Reiſen (insbeſondere Wallfahrten) unter-
nommen werden, wie viele Perſonen daran teil-
nehmen, welche Züge und Wagenklaſſen benützt werden.

Wach- und Schließanſtalt.

Von den
Organen der Wach- und Schließanſtalt wurden bei
den Rundgängen in der Zeit vom 27. Juli bis
10. Auguſt folgende Vorfälle gemeldet: Es wurden
85 Haustüren, 20 Hoftore, 12 Werkſtätten,
4 Geſchäfte, 16 Zeugkammern, 10 Holzhütten,
8 Gartentore, 3 Magazine, 4 Stallungen offen
gefunden und von den Wächtern geſchloſſen.
In zwei Fällen wurden Tiere frei angetroffen.
Zwei Knaben wurden beim Obſtſtehlen erwiſcht,
zwei Knaben von fremden Objekten, die ihre dortige
Aufenthaltsberechtigung nicht nachweiſen konnten,
wurden der Polizei übergeben.

Poſtlotterie.

Die Ziehung dieſer von den
Poſtbeamten Öſterreichs anläßlich des 60jährigen
Regierungsjubiläums des Kaiſers veranſtalteten
Lotterie, deren Reinerträgnis der im Jahre 1898
errichteten Inbiläums-Schüler-Stiftung zufällt und
die mit 3000 Treffern im Geſamtwerte von
30.000 K. ausgeſtattet iſt, findet ſchon am
15. Oktober l. J. ſtatt. Ein Los dieſer Lotterie
koſtet nur 50 H.

Die Anrechnung von Staats- und
Landesdienſten.

Mit der in der ſamstägigen
„Wiener Zeitung“ verlautbarten Herſtellung der
Reziprozität hinſichtlich der Anrechnung von Staats-
und Landesdienſten zwiſchen dem Staate und der
öſterreichiſchen Landesverwaltung erſtreckt ſich dieſes
Verhältnis nunmehr auf Niederöſterreich, Salzburg,
Steiermark, Kärnten, Küſtenland, Böhmen,
Mähren, Schleſien, Galizien und Dalmatien. Be-
züglich Tirols ſind erſt Verhandlungen im Zuge.
Mit der bosniſch-herzegowiniſchen Verwaltung beſteht
ſeit einigen Jahren ein gleiches Verhältnis.

Eine neue Apotheke.

Man ſchreibt uns:
Eine fünfte Apotheke in Marburg mit dem Stand-
orte in der Nähe des Südbahnhofes wurde laut
Kundmachung des Stadtrates Marburg von Herrn
J. Sirak, Mag. Pharm. und Proviſor der Apotheke
König in Anregung gebracht. Bei der ſtets zu-
nehmenden Ausdehnung der angrenzenden Gebiete
dieſes Rayons, hauptſächlich der Vorſtadt Melling
und der ſich an das Stadtgebiet enganſchließenden
Gemeinde Kartſchowin, ſowie in Anbetracht des ſtets
wachſenden Verkehres der Südbahn, wäre die Er-
richtung dieſer Apotheke gewiß wünſchenswert und
notwendig und würde dadurch einem oft ſehr ge-
fühlten Bedürfniſſe Rechnung getragen werden. Wir
glauben annehmen zu dürfen, daß ſich die hiefür
maßgebenden Faktoren nicht verſchließen werden,
auch dieſen Teil der Stadt Marburg der Wohltat
einer derartigen Sanitätsanſtalt teilhaftig werde[n]
zu laſſen.

Koſtplatz geſucht.

Ein zehnjähriges Waiſen-
mädchen, das anher zuſtändig iſt, trifft demnächſt
hier ein und iſt von der Stadtgemeinde Marburg
in weitere Obhut zu nehmen. Perſonen, welche das
Kind in Pflege oder als eigenes annehmen wollen,
mögen ſich Amtsabteilung I des Stadtamtes melden.
Dasſelbe kann außer der Schulzeit zu kleinen
häuslichen Arbeiten verwendet werden.

Vom Zuge überfahren.

Am 6. d. wurde
nahe dem nördlichen Einfahrtsſignal der Station
Kranichsfeld, wahrſcheinlich vom ſüdlichen Perſonen-
[Spaltenumbruch] zuge um 10 Uhr abends ein Mann überfahren.
Der Wächter fand bald nach Paſſieren dieſes Zuges
einen Mann bewußtlos am Bahnkörper liegen.
Das linke Bein lag vollſtändig abgetrennt abſeits,
der Kopf wies auch mehrere Verwundungen auf.
Der Wächter hielt den darauf kommenden Eilgüter-
zug an und veranlaßte die Überführung des
Schwerverletzten nach Marburg. Der Verunglückte
ſoll der Meier des Roßmannſchen Beſitzes in
Frauheim ſein. Ob er aus dem Zuge geſprungen
iſt oder ob er längs der Strecke gegangen und vom
Zuge erfaßt wurde, iſt nicht bekannt. Der Überführte
erlitt anſcheinend ſo ſchwere Verletzungen, daß ſein
Aufkommen unwahrſcheinlich iſt.

Herrenloſes Fahrrad.

Geſtern wurde
ein Fahrrad gefunden und am Polizeiamte
aufbewahrt, wo es der Verluſtträger gegen Nach-
weis des Eigentumrechtes in Empfang nehmen kann.

Entſprungener Häftling.

In der Nacht
von Sonntag auf Montag iſt laut eines aus
Cilli eingelangten Telegramms der Unterſuchungs-
häftling des dortigen Kreisgerichtes Florian
Panagl aus dem Krankenhauſe entſprungen.
Panagl iſt als Herausgeber des „Internationalen
Geſchäftscourier“ bekannt.




Aus dem Gerichtsſaale.
Große Meſſerſtecherei bei Kranichs-
feld.

Auf der Anklagebank ſaßen: Anton Toma-
nic,
25 Jahre alt, geboren in Schiltern, zuſtändig
nach St. Lorenzen a. Df., katholiſch, ledig, Beſitzers-
ſohn in Unter-Goritzen, Anton Ferleſch, 20 Jahre
alt, geboren in Zirkowetz, zuſtändig nach Ratten-
berg, katholiſch, ledig, Schuſter in Ober-Goritzen
und Franz Celofiga, 21 Jahre alt, geboren in
Unter-Goritzen, dorthin zuſtändig, katholiſch, ledig,
Beſitzersſohn in Ober-Goritzen. Am 8. Juni l. J.
zechten die Beſchuldigten in Geſellſchaft des Franz
Beranic, Michael Ferleſch, ſowie der Marie
Klep und Marie Kumeric im Gaſthauſe Mahorko
in Kranichsfeld, von wo ſie ſich um 2 Uhr nach-
mittags ins Gaſthaus Laſchitſch begaben. Von dort
begaben ſich Franz Beranic mit Marie Kumeric
und Anton Tomanic mit Marie Klep um zirka
4 Uhr nachmittags auf den Heimweg nach Goritzen.
Anton Ferleſch folgte ihnen alsbald nach, während
Michael Ferleſch und Franz Celofiga noch bei
Laſchitſch verblieben. Als Anton Ferleſch die Erſt-
genannten eingeholt hatte, begann er mit Marie
Kumeric zu ſprechen, worüber ſich Beranic aufhielt,
ſo daß es ſchließlich zwiſchen beiden zu Tätlichkeiten
kam, in deren Verlaufe Beranic Ferleſch durch
Schläge mit einem geſchloſſenen Meſſer, Ferleſch
aber erſteren durch einen Meſſerſtich an der linken
Hand leicht verletzte. Schließlich warfen ſich beide
gegenſeitig zu Boden, worauf Anton Tomanic her-
beieilte, auf Ferleſch loszuſchlagen begann und dem-
ſelben einen Meſſerſtich in den Rücken verſetzte, der
eine Verletzung zur Folge hatte. Anton Ferleſch
kehrte ſodann nach Kranichsfeld zurück, erzählte
ſeinem Bruder, daß er von Tomanic geſtochen
worden ſei und eilte dann mit einem Ziegel be-
waffnet Tomanic und Beranic abermals nach. Als
er dieſelben erreicht hatte, fiel er über Tomanic
her und fügte ihm durch einen Schlag mit dem
Ziegel am Kopfe eine leichte Verletzung zu, wurde
jedoch ſofort von ſeinem Bruder Michael Ferleſch,
der ihm in der Abſicht, Ruhe zu ſtiften, gefolgt
war, beruhigt und bewogen, zu Laſchitſch zurück-
zukehren. Daſelbſt befand ſich noch immer Franz
Celofiga. An dieſen wandte ſich nun Anton Ferleſch,
erzählte ihm, daß er von Tomanic und Beranic
mißhandelt worden ſei und bewog unter der An-
gabe, Tomanic und Beranic hätten ihn (Celofiga)
„smrkovec“ (Rotzbube) genannt, mit ihm denſelben
nachzueilen, um ſich für die Mißhandlung, reſpektive
Beſchimpfung, zu rächen. In der Tat fielen dieſelben
auch als ſie Tomanic erreicht hatten, ſogleich über
denſelben her, wobei Ferleſch mit einem Riemen
auf denſelben losſchlug, während Celofiga dem
Tomanic, welcher ſich vergeblich mit ſeinem Meſſer
zu verteidigen ſuchte, durch Meſſerſtiche außer einigen
leichten Verletzungen an beiden Oberarmen und an
der linken Hand auch eine ſchwere Beſchädigung
an der rechten Bruſtſeite zufügte, welche laut Gut-
achten der Sachverſtändigen mit einer Geſundheits-
ſtörung und Berufsunfähigkeit von mindeſtens
20tägiger Dauer verbunden iſt, außerdem aber auch
mit einem ſolchen Werkzeuge und auf eine ſolche
Art zugefügt erſcheint, womit gemeiniglich Lebens-
gefahr verbunden iſt. Anton Tomanic behauptet,
er habe möglicherweiſe dem Anton Ferleſch damals
[Spaltenumbruch] den Meſſerſtich verſetzt, als er infolge des ihm von
jenem verſetzten Schlages auf den Kopf halb betäubt
war. Nach der beſtimmten Angabe des A. Ferleſch
erſcheint dies jedoch ausgeſchloſſen. Anton Ferleſch
und Franz Celofiga ſind geſtändig, Tomanic, reſp.
auch Beranic, verletzt zu haben; Ferleſch ſtellt es
jedoch auf das beſtimmteſte in Abrede, Celofiga zur
Mißhandlung des Tomanic aufgefordert zu haben,
während Celofiga angibt, ſich daran nicht erinnern
zu können. Celofiga kann jedoch ein Motiv für
ſeine Handlungsweiſe nicht angeben. Die Angabe
des Ferleſch, er ſei von Tomanic und Beranic be-
ſchimpft worden, ſtellte ſich übrigens als unwahr
heraus. Tomanic wurde zu drei, Celofiga zu ſechs
Monaten ſchweren und Ferleſch zu einem Monat
Kerker verurteilt.




Die Durchführung der Mittelſchulreform.

Der Reform der Maturitätsprüfung, welche im
heurigen Sommer bereits zur Durchführung gelangt
iſt, ſoll im kommenden Schuljahre die Schaffung
der neuen Mittelſchultypen folgen, welche in der
großen Enquete im Monate Februar als die weſent-
liche Forderung der Reformfreunde der öſterreichiſchen
Mittelſchule aufgeſtellt worden iſt. Öſterreich wird
künftig vier Arten von Mittelſchulen haben:

1. das Gymnaſium,

2. die Realſchule,

3. das Realgymnaſium,

4. das Reform-Realgymnaſium.

Die beiden erſten Kategorien von Mittelſchulen
beſtehen bereits, auf die Schaffung der beiden letzteren
ſind die gegenwärtig im Zuge befindlichen Arbeiten
der Unterrichtsverwaltung gerichtet.

Das Realgymnaſium wird ſich im weſent-
lichen vom Gymnaſium dadurch unterſcheiden, daß
an Stelle des Griechiſchen eine zweite lebende
Sprache tritt, daß darſtellende Geometrie, Chemie
als ſelbſtändiger Obligatgegenſtand neu eingeführt
werden und daß die Lehrpläne aller Fächer in einer
Weiſe umgrenzt werden, welche ſowohl eine Ver-
einfachung des Unterrichtes wie eine Belebung und
Vertiefung ermöglicht. Der Schüler ſoll von rein
mechaniſcher Gedächtnisarbeit entlaſtet werden, ſein
Intereſſe an allen Lehrgegenſtänden geweckt, durch
Exkurſionen, durch Experimente, durch Pflege der
räumlichen Anſchauung, durch Redeübungen der
Schüler gewöhnt werden, nicht nur poſitive Kennt-
niſſe zu erwerben, ſondern ſorgfältig zu beobachten
und aus den Beobachtungen richtige Schlüſſe zu
ziehen.

Das Reform-Realgymnaſium wird eine
vierklaſſige Oberſtufe mit Lateinunterricht, auf der
Unterrealſchule aufgebaut, darſtellen, ſo daß es der
Wahl des Abſolventen der Unterrealſchule überlaſſen
bleiben wird, ob er dann die Oberrealſchule oder
das Reform-Realgymnaſium beſuchen wird.

Beiden achtklaſſigen neuen Mittelſchulen ſoll
die Berechtigung zum ordentlichen Univerſitätsſtudium
an den drei weltlichen Fakultäten eingeräumt werden.
Eine Einſchränkung würde nur für einzelne Disziplinen
der philoſophiſchen Fakultät eintreten.




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[5/0005] Nr. 96, 11. Auguſt 1908. Marburger Zeitung. Eidesablegung. Herr Karl Kiß, hieſiger Geſchäftsleiter, welcher bisher ungariſcher Staats- angehöriger war, hat auf Grund der ihm erteilten öſterreichiſchen Staatsbürgerſchaft am heutigen Tage in die Hände des Bürgermeiſters Herrn Dr. Johann Schmiderer den Staatsbürgereid abgelegt. Konzert. Die Südbahnwerkſtätten-Kapelle konzertiert am Donnerstag von 8 bis halb 11 Uhr bei der Highlife-Vorſtellung des Bioſkops im Hotel „Stadt Wien“. Waffenübung. Jene Reſervemannſchaft des 47. Infanterie-Regimentes, welche für den 16. d. zur Waffenübung einberufen iſt und dieſe Waffen- übung als Radfahrer ableiſten will, hat darum ſofort beim Ergänzungsbezirkskommando Nr. 47 anzuſuchen. Bedingung iſt die Mitnahme eines eigenen, gut brauchbaren Fahrrades. Geſteigerter Bahnverkehr zu den Doppelfeiertagen. Um für die zu erwartende Verkehrsſteigerung an den Tagen 15. und 16. Auguſt Vorſorge treffen zu können, erſucht die Südbahn- geſellſchaft im Intereſſe einer anſtandsloſen Abwicklung des Verkehres die in Betracht kommenden Körper- ſchaften, eheſtens mitzureilen, wann und wohin gemeinſame Reiſen (insbeſondere Wallfahrten) unter- nommen werden, wie viele Perſonen daran teil- nehmen, welche Züge und Wagenklaſſen benützt werden. Wach- und Schließanſtalt. Von den Organen der Wach- und Schließanſtalt wurden bei den Rundgängen in der Zeit vom 27. Juli bis 10. Auguſt folgende Vorfälle gemeldet: Es wurden 85 Haustüren, 20 Hoftore, 12 Werkſtätten, 4 Geſchäfte, 16 Zeugkammern, 10 Holzhütten, 8 Gartentore, 3 Magazine, 4 Stallungen offen gefunden und von den Wächtern geſchloſſen. In zwei Fällen wurden Tiere frei angetroffen. Zwei Knaben wurden beim Obſtſtehlen erwiſcht, zwei Knaben von fremden Objekten, die ihre dortige Aufenthaltsberechtigung nicht nachweiſen konnten, wurden der Polizei übergeben. Poſtlotterie. Die Ziehung dieſer von den Poſtbeamten Öſterreichs anläßlich des 60jährigen Regierungsjubiläums des Kaiſers veranſtalteten Lotterie, deren Reinerträgnis der im Jahre 1898 errichteten Inbiläums-Schüler-Stiftung zufällt und die mit 3000 Treffern im Geſamtwerte von 30.000 K. ausgeſtattet iſt, findet ſchon am 15. Oktober l. J. ſtatt. Ein Los dieſer Lotterie koſtet nur 50 H. Die Anrechnung von Staats- und Landesdienſten. Mit der in der ſamstägigen „Wiener Zeitung“ verlautbarten Herſtellung der Reziprozität hinſichtlich der Anrechnung von Staats- und Landesdienſten zwiſchen dem Staate und der öſterreichiſchen Landesverwaltung erſtreckt ſich dieſes Verhältnis nunmehr auf Niederöſterreich, Salzburg, Steiermark, Kärnten, Küſtenland, Böhmen, Mähren, Schleſien, Galizien und Dalmatien. Be- züglich Tirols ſind erſt Verhandlungen im Zuge. Mit der bosniſch-herzegowiniſchen Verwaltung beſteht ſeit einigen Jahren ein gleiches Verhältnis. Eine neue Apotheke. Man ſchreibt uns: Eine fünfte Apotheke in Marburg mit dem Stand- orte in der Nähe des Südbahnhofes wurde laut Kundmachung des Stadtrates Marburg von Herrn J. Sirak, Mag. Pharm. und Proviſor der Apotheke König in Anregung gebracht. Bei der ſtets zu- nehmenden Ausdehnung der angrenzenden Gebiete dieſes Rayons, hauptſächlich der Vorſtadt Melling und der ſich an das Stadtgebiet enganſchließenden Gemeinde Kartſchowin, ſowie in Anbetracht des ſtets wachſenden Verkehres der Südbahn, wäre die Er- richtung dieſer Apotheke gewiß wünſchenswert und notwendig und würde dadurch einem oft ſehr ge- fühlten Bedürfniſſe Rechnung getragen werden. Wir glauben annehmen zu dürfen, daß ſich die hiefür maßgebenden Faktoren nicht verſchließen werden, auch dieſen Teil der Stadt Marburg der Wohltat einer derartigen Sanitätsanſtalt teilhaftig werden zu laſſen. Koſtplatz geſucht. Ein zehnjähriges Waiſen- mädchen, das anher zuſtändig iſt, trifft demnächſt hier ein und iſt von der Stadtgemeinde Marburg in weitere Obhut zu nehmen. Perſonen, welche das Kind in Pflege oder als eigenes annehmen wollen, mögen ſich Amtsabteilung I des Stadtamtes melden. Dasſelbe kann außer der Schulzeit zu kleinen häuslichen Arbeiten verwendet werden. Vom Zuge überfahren. Am 6. d. wurde nahe dem nördlichen Einfahrtsſignal der Station Kranichsfeld, wahrſcheinlich vom ſüdlichen Perſonen- zuge um 10 Uhr abends ein Mann überfahren. Der Wächter fand bald nach Paſſieren dieſes Zuges einen Mann bewußtlos am Bahnkörper liegen. Das linke Bein lag vollſtändig abgetrennt abſeits, der Kopf wies auch mehrere Verwundungen auf. Der Wächter hielt den darauf kommenden Eilgüter- zug an und veranlaßte die Überführung des Schwerverletzten nach Marburg. Der Verunglückte ſoll der Meier des Roßmannſchen Beſitzes in Frauheim ſein. Ob er aus dem Zuge geſprungen iſt oder ob er längs der Strecke gegangen und vom Zuge erfaßt wurde, iſt nicht bekannt. Der Überführte erlitt anſcheinend ſo ſchwere Verletzungen, daß ſein Aufkommen unwahrſcheinlich iſt. Herrenloſes Fahrrad. Geſtern wurde ein Fahrrad gefunden und am Polizeiamte aufbewahrt, wo es der Verluſtträger gegen Nach- weis des Eigentumrechtes in Empfang nehmen kann. Entſprungener Häftling. In der Nacht von Sonntag auf Montag iſt laut eines aus Cilli eingelangten Telegramms der Unterſuchungs- häftling des dortigen Kreisgerichtes Florian Panagl aus dem Krankenhauſe entſprungen. Panagl iſt als Herausgeber des „Internationalen Geſchäftscourier“ bekannt. Aus dem Gerichtsſaale. Große Meſſerſtecherei bei Kranichs- feld. Auf der Anklagebank ſaßen: Anton Toma- nic, 25 Jahre alt, geboren in Schiltern, zuſtändig nach St. Lorenzen a. Df., katholiſch, ledig, Beſitzers- ſohn in Unter-Goritzen, Anton Ferleſch, 20 Jahre alt, geboren in Zirkowetz, zuſtändig nach Ratten- berg, katholiſch, ledig, Schuſter in Ober-Goritzen und Franz Celofiga, 21 Jahre alt, geboren in Unter-Goritzen, dorthin zuſtändig, katholiſch, ledig, Beſitzersſohn in Ober-Goritzen. Am 8. Juni l. J. zechten die Beſchuldigten in Geſellſchaft des Franz Beranic, Michael Ferleſch, ſowie der Marie Klep und Marie Kumeric im Gaſthauſe Mahorko in Kranichsfeld, von wo ſie ſich um 2 Uhr nach- mittags ins Gaſthaus Laſchitſch begaben. Von dort begaben ſich Franz Beranic mit Marie Kumeric und Anton Tomanic mit Marie Klep um zirka 4 Uhr nachmittags auf den Heimweg nach Goritzen. Anton Ferleſch folgte ihnen alsbald nach, während Michael Ferleſch und Franz Celofiga noch bei Laſchitſch verblieben. Als Anton Ferleſch die Erſt- genannten eingeholt hatte, begann er mit Marie Kumeric zu ſprechen, worüber ſich Beranic aufhielt, ſo daß es ſchließlich zwiſchen beiden zu Tätlichkeiten kam, in deren Verlaufe Beranic Ferleſch durch Schläge mit einem geſchloſſenen Meſſer, Ferleſch aber erſteren durch einen Meſſerſtich an der linken Hand leicht verletzte. Schließlich warfen ſich beide gegenſeitig zu Boden, worauf Anton Tomanic her- beieilte, auf Ferleſch loszuſchlagen begann und dem- ſelben einen Meſſerſtich in den Rücken verſetzte, der eine Verletzung zur Folge hatte. Anton Ferleſch kehrte ſodann nach Kranichsfeld zurück, erzählte ſeinem Bruder, daß er von Tomanic geſtochen worden ſei und eilte dann mit einem Ziegel be- waffnet Tomanic und Beranic abermals nach. Als er dieſelben erreicht hatte, fiel er über Tomanic her und fügte ihm durch einen Schlag mit dem Ziegel am Kopfe eine leichte Verletzung zu, wurde jedoch ſofort von ſeinem Bruder Michael Ferleſch, der ihm in der Abſicht, Ruhe zu ſtiften, gefolgt war, beruhigt und bewogen, zu Laſchitſch zurück- zukehren. Daſelbſt befand ſich noch immer Franz Celofiga. An dieſen wandte ſich nun Anton Ferleſch, erzählte ihm, daß er von Tomanic und Beranic mißhandelt worden ſei und bewog unter der An- gabe, Tomanic und Beranic hätten ihn (Celofiga) „smrkovec“ (Rotzbube) genannt, mit ihm denſelben nachzueilen, um ſich für die Mißhandlung, reſpektive Beſchimpfung, zu rächen. In der Tat fielen dieſelben auch als ſie Tomanic erreicht hatten, ſogleich über denſelben her, wobei Ferleſch mit einem Riemen auf denſelben losſchlug, während Celofiga dem Tomanic, welcher ſich vergeblich mit ſeinem Meſſer zu verteidigen ſuchte, durch Meſſerſtiche außer einigen leichten Verletzungen an beiden Oberarmen und an der linken Hand auch eine ſchwere Beſchädigung an der rechten Bruſtſeite zufügte, welche laut Gut- achten der Sachverſtändigen mit einer Geſundheits- ſtörung und Berufsunfähigkeit von mindeſtens 20tägiger Dauer verbunden iſt, außerdem aber auch mit einem ſolchen Werkzeuge und auf eine ſolche Art zugefügt erſcheint, womit gemeiniglich Lebens- gefahr verbunden iſt. Anton Tomanic behauptet, er habe möglicherweiſe dem Anton Ferleſch damals den Meſſerſtich verſetzt, als er infolge des ihm von jenem verſetzten Schlages auf den Kopf halb betäubt war. Nach der beſtimmten Angabe des A. Ferleſch erſcheint dies jedoch ausgeſchloſſen. Anton Ferleſch und Franz Celofiga ſind geſtändig, Tomanic, reſp. auch Beranic, verletzt zu haben; Ferleſch ſtellt es jedoch auf das beſtimmteſte in Abrede, Celofiga zur Mißhandlung des Tomanic aufgefordert zu haben, während Celofiga angibt, ſich daran nicht erinnern zu können. Celofiga kann jedoch ein Motiv für ſeine Handlungsweiſe nicht angeben. Die Angabe des Ferleſch, er ſei von Tomanic und Beranic be- ſchimpft worden, ſtellte ſich übrigens als unwahr heraus. Tomanic wurde zu drei, Celofiga zu ſechs Monaten ſchweren und Ferleſch zu einem Monat Kerker verurteilt. Die Durchführung der Mittelſchulreform. Der Reform der Maturitätsprüfung, welche im heurigen Sommer bereits zur Durchführung gelangt iſt, ſoll im kommenden Schuljahre die Schaffung der neuen Mittelſchultypen folgen, welche in der großen Enquete im Monate Februar als die weſent- liche Forderung der Reformfreunde der öſterreichiſchen Mittelſchule aufgeſtellt worden iſt. Öſterreich wird künftig vier Arten von Mittelſchulen haben: 1. das Gymnaſium, 2. die Realſchule, 3. das Realgymnaſium, 4. das Reform-Realgymnaſium. Die beiden erſten Kategorien von Mittelſchulen beſtehen bereits, auf die Schaffung der beiden letzteren ſind die gegenwärtig im Zuge befindlichen Arbeiten der Unterrichtsverwaltung gerichtet. Das Realgymnaſium wird ſich im weſent- lichen vom Gymnaſium dadurch unterſcheiden, daß an Stelle des Griechiſchen eine zweite lebende Sprache tritt, daß darſtellende Geometrie, Chemie als ſelbſtändiger Obligatgegenſtand neu eingeführt werden und daß die Lehrpläne aller Fächer in einer Weiſe umgrenzt werden, welche ſowohl eine Ver- einfachung des Unterrichtes wie eine Belebung und Vertiefung ermöglicht. Der Schüler ſoll von rein mechaniſcher Gedächtnisarbeit entlaſtet werden, ſein Intereſſe an allen Lehrgegenſtänden geweckt, durch Exkurſionen, durch Experimente, durch Pflege der räumlichen Anſchauung, durch Redeübungen der Schüler gewöhnt werden, nicht nur poſitive Kennt- niſſe zu erwerben, ſondern ſorgfältig zu beobachten und aus den Beobachtungen richtige Schlüſſe zu ziehen. Das Reform-Realgymnaſium wird eine vierklaſſige Oberſtufe mit Lateinunterricht, auf der Unterrealſchule aufgebaut, darſtellen, ſo daß es der Wahl des Abſolventen der Unterrealſchule überlaſſen bleiben wird, ob er dann die Oberrealſchule oder das Reform-Realgymnaſium beſuchen wird. Beiden achtklaſſigen neuen Mittelſchulen ſoll die Berechtigung zum ordentlichen Univerſitätsſtudium an den drei weltlichen Fakultäten eingeräumt werden. Eine Einſchränkung würde nur für einzelne Disziplinen der philoſophiſchen Fakultät eintreten. _

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grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Amelie Meister: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z)

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Zitationshilfe: Marburger Zeitung. Nr. 96, Marburg, 11.08.1908, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_marburger96_1908/5>, abgerufen am 23.11.2024.