Marburger Zeitung. Nr. 77, Marburg, 10.07.1900.Marburger Zeitung Nr. 77, 10. Juli 1900 [Spaltenumbruch] werden sollte. Jedenfalls wird die Verwaltung der Politische Umschau. Inland. Alldeutscher Tag in Eger. Am 11. Juli jährt sich zum drittenmale der Um diesen Tag in Erinnerung zu bringen, Nachmittags 3 Uhr wird unter dem Vorsitze 1. "Der 11. Juli 1897." Redner Abgeord- 2. "Die clericale Gefahr in Oesterreich." Zu dieser Versammlung haben auch Frauen -- Die Tracenrevision der Pyhrn- -- Die "Moravska Orlice" weiß zu be- -- Die gestrigen Gemeinderathswahlen in -- Die zunehmende hussitische Bewegung Ausland. -- Das deutsche Fleischbeschaugesetz -- In der Mandschurei sind aufrührerische -- Der finnländische Senat hat nunmehr -- In den letzten Tagen wurde in Constan- [Spaltenumbruch] -- Die nationalistische Partei in -- Der russische Botschafter beab- Tagesneuigkeiten. (Verhafteter Priester.) Von der Inns- (Ein Familiendrama.) Am Donners- (Schnee.) Infolge des Wettersturzes der (Ein Idyll von der Kleinbahn!) Am [Spaltenumbruch] wirft eine nach der andern über Bord -- und Wie solche Gedanken heute ihm immer wieder Ein paar Minuten nur wollte er rasten hier Doch was war das, klang das nicht wie Er trat näher. "Fred! Fred!" ertönte da "Mein Gott, was ist denn passiert?" fragte "Das habe ich auch", versetzte Melitta, "ein "Vielleicht doch und zwar in nächster Nähe", "Mein Verlobter, Oberförster in F.", stellte Ja, das war Glück, volles Menschenglück, O, wie arm, wie bettelarm kam sich Fred "Heute morgen habe ich ihn von der Station "Es war die schönste Dampferfahrt meines Ein eigener Blick brach aus Freds düstern "Habt Ihr Euch denn Flora schon vor- "Gewiss, wir haben unsere feierliche Visite "Ah, darum ertönte auch noch nicht die omi- (Fortsetzung folgt.) Marburger Zeitung Nr. 77, 10. Juli 1900 [Spaltenumbruch] werden ſollte. Jedenfalls wird die Verwaltung der Politiſche Umſchau. Inland. Alldeutſcher Tag in Eger. Am 11. Juli jährt ſich zum drittenmale der Um dieſen Tag in Erinnerung zu bringen, Nachmittags 3 Uhr wird unter dem Vorſitze 1. „Der 11. Juli 1897.“ Redner Abgeord- 2. „Die clericale Gefahr in Oeſterreich.“ Zu dieſer Verſammlung haben auch Frauen — Die Tracenreviſion der Pyhrn- — Die „Moravska Orlice“ weiß zu be- — Die geſtrigen Gemeinderathswahlen in — Die zunehmende huſſitiſche Bewegung Ausland. — Das deutſche Fleiſchbeſchaugeſetz — In der Mandſchurei ſind aufrühreriſche — Der finnländiſche Senat hat nunmehr — In den letzten Tagen wurde in Conſtan- [Spaltenumbruch] — Die nationaliſtiſche Partei in — Der ruſſiſche Botſchafter beab- Tagesneuigkeiten. (Verhafteter Prieſter.) Von der Inns- (Ein Familiendrama.) Am Donners- (Schnee.) Infolge des Wetterſturzes der (Ein Idyll von der Kleinbahn!) Am [Spaltenumbruch] wirft eine nach der andern über Bord — und Wie ſolche Gedanken heute ihm immer wieder Ein paar Minuten nur wollte er raſten hier Doch was war das, klang das nicht wie Er trat näher. „Fred! Fred!“ ertönte da „Mein Gott, was iſt denn paſſiert?“ fragte „Das habe ich auch“, verſetzte Melitta, „ein „Vielleicht doch und zwar in nächſter Nähe“, „Mein Verlobter, Oberförſter in F.“, ſtellte Ja, das war Glück, volles Menſchenglück, O, wie arm, wie bettelarm kam ſich Fred „Heute morgen habe ich ihn von der Station „Es war die ſchönſte Dampferfahrt meines Ein eigener Blick brach aus Freds düſtern „Habt Ihr Euch denn Flora ſchon vor- „Gewiſs, wir haben unſere feierliche Viſite „Ah, darum ertönte auch noch nicht die omi- (Fortſetzung folgt.) <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0002" n="2"/> <fw place="top" type="header">Marburger Zeitung Nr. 77, 10. Juli 1900</fw><lb/> <cb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div xml:id="steuerschraube2" prev="#steuerschraube1" type="jArticle" n="2"> <p>werden ſollte. Jedenfalls wird die Verwaltung der<lb/> directen Steuern, welche übrigens im Hinblicke auf<lb/> die eben geſchilderten Erforderniſſe des Finanz-<lb/> planes eigentlich gar keine ſtaatsbudgetären Auf-<lb/> gaben zu erfüllen, ſondern nur als Geſchäftsführer<lb/> der Nachlaſs- und Ueberweiſungs-Berechtigten zu<lb/> fungieren hat, kaum in der Lage ſein, den mannig-<lb/> fach geäußerten Wünſchen nach Beſeitigung ein-<lb/> zelner Beſteuerungsarten zu entſprechen, da jeder<lb/> Einnahme-Ausfall die Einhaltung des Finanzplanes<lb/> auf das Empfindlichſte gefährden müſste.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <head> <hi rendition="#b">Politiſche Umſchau.</hi> </head><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Inland.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#g">Alldeutſcher Tag in Eger.</hi> </head><lb/> <p>Am 11. Juli jährt ſich zum drittenmale der<lb/> Deutſche Volkstag von Eger, der weit über die<lb/> Grenzen der engeren Heimat hinaus für alle Deutſchen<lb/> beſonders denkwürdig geworden iſt, bedeutet er doch<lb/> den Beginn einer mächtigen völkiſchen Erhebung<lb/> in der Oſtmark.</p><lb/> <p>Um dieſen Tag in Erinnerung zu bringen,<lb/> wird <hi rendition="#g">Sonntag, den</hi> 15. <hi rendition="#g">Juli</hi> in <hi rendition="#g">Eger</hi> ein<lb/><hi rendition="#g">Alldeutſcher Tag</hi> abgehalten.</p><lb/> <p>Nachmittags 3 Uhr wird unter dem Vorſitze<lb/> des Abgeordneten Schönerer in der Sängerfeſthalle<lb/> eine Verſammlung abgehalten mit der Tages-<lb/> ordnung:</p><lb/> <p>1. „Der 11. Juli 1897.“ Redner Abgeord-<lb/> neter Iro.</p><lb/> <p>2. „Die clericale Gefahr in Oeſterreich.“<lb/> Redner Abg. Wolf.</p><lb/> <p>Zu dieſer Verſammlung haben auch Frauen<lb/> Zutritt. Der Eintritt iſt auf Karten beſchränkt.<lb/> Mit der Verſendung der Karten wurde geſtern<lb/> begonnen.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>— Die <hi rendition="#g">Tracenreviſion der Pyhrn-<lb/> bahn</hi> fand, wie die „Wiener Abendpoſt“ meldet,<lb/> am 2. und 3. Juli für den oberöſterreichiſchen Theil<lb/> und jene für den <hi rendition="#g">ſteiermärkiſchen</hi> Theil am<lb/> 4. d. ſtatt. Die Commiſſion wurde allſeits mit<lb/> Freuden begrüßt und konnte durchaus die volle<lb/> Zuſtimmung der Intereſſenten zu den Projecten<lb/> entgegennehmen. Dem auf ſteiriſcher Seite ſeitens<lb/> der Gemeinde <hi rendition="#g">Liezen</hi> vorgebrachten Anſuchen, auf<lb/> die frühere Trace über den Pyhrn und den An-<lb/> ſchluſs in Liezen zurückzugreifen, kann im Hinblick<lb/> auf die Reſultate der oben erwähnten Studien nicht<lb/> entſprochen werden, da dieſelben ergeben haben,<lb/> daſs die Linienführung mit der Tunnelierung des<lb/> großen Oßruck und dem Anſchluſs in Selzthal in<lb/> bauökonomiſcher, betriebstechniſcher und tarifariſcher<lb/> Beziehung <hi rendition="#g">unbedingt den Vorzug ver-<lb/> dient.</hi> </p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>— Die „Moravska Orlice“ weiß zu be-<lb/> richten, daſs die <hi rendition="#g">ſloveniſchen Abgeordneten,</hi><lb/> welche kürzlich in Wien weilten und mit dem Mi-<lb/> niſterpäſidenten conferierten, den Eindruck mit-<lb/><cb/> nahmen, daſs der <hi rendition="#g">Reichsrath</hi> in ſeiner jetzigen<lb/> Zuſammenſetzung nicht mehr zuſammentreten werde,<lb/> vielmehr ſei deſſen <hi rendition="#g">Auflöſung</hi> wahrſcheinlich.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <p>— Die geſtrigen Gemeinderathswahlen in<lb/> St. <hi rendition="#g">Pölten</hi> hatten vorgeſtern ein ſtürmiſches Vor-<lb/> ſpiel. Die Chriſtlichſocialen hatten eine Verſamm-<lb/> lung einberufen, an der 200 Perſonen theilnahmen,<lb/> darunter viele Geiſtliche, die Abg. Bielohlawek,<lb/> Scheicher, Wohlmeyer u. ſ. w. Sechs Social-<lb/> demokraten waren in den Saal gedrungen. Etwa<lb/> tauſend warteten draußen. Gegen Schluſs der Ver-<lb/> ſammlung machten ſich die Socialdemokraten in<lb/> der Verſammlung bemerkbar. Die chriſtlichſocialen<lb/> Ordner warfen nun einen davon über die Treppe.<lb/> Die Socialdemokraten ſchrien darauf: „Pfui!“<lb/> „Pfaffenknechte!“ „Gauner!“ und dergleichen. Als<lb/> Abg. Bielohlawek mit Wohlmeyer, dem Bürger-<lb/> meiſter-Candidaten und den übrigen Chriſtlichſocialen<lb/> den Saal verließ, drangen die Socialdemokraten<lb/> unter Pfui-Rufen u. ſ. w. auf ſie und ſpien ſie an.<lb/> Wohlmeyer pockte einen Socialdemokraten an der<lb/> Bruſt. 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Sein Mitſchuldiger wurde ebenfalls hinter<lb/> Schloſs und Riegel geſetzt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#g">(Ein Familiendrama.)</hi> </head> <p>Am Donners-<lb/> tag erſchoſs der Stadthauptmann Julian Hecker<lb/> in Petersburg den Augenarzt Profeſſor Dohnberg<lb/> während deſſen Sprechſtunde an der Univerſität.<lb/> Dohnberg, ein Kurländer, hatte Heckers Frau ver-<lb/> führt und ſich geweigert, die Frau Heckers nach der<lb/> Scheidung zu heiraten und einen Zweikampf aus-<lb/> geſchlagen. Nun griff Hecker zu dieſem Mittel. Nach<lb/> der That ließ er ſich ruhig verhaften.</p> </div> </div><lb/> <div type="jWeatherReports" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#g">(Schnee.)</hi> </head> <p>Infolge des Wetterſturzes der<lb/> letzten Tage iſt in vielen Gegenden auf den Bergen<lb/> Neuſchnee gefallen. Wie aus Seckau berichtet wird,<lb/> ſind die Gipfel der Zinken, die Schweigerhöhe und<lb/> der Ringkogel in Schnee gehüllt. In Tirol liegt<lb/> auf allen Bergen bis zur Holzgrenze Neuſchnee.<lb/> In der Schweiz fiel im ganzen Gebiete der Central-<lb/> alpen Schnee. Interlaken war vorgeſtern früh in<lb/> Schnee gehüllt; der Rigi und Pilatus ſind beinahe<lb/> bis zum Fuße beſchneit. Geſtern betrug die Tem-<lb/> peratur in Luzern 4 Grad unter Null.</p> </div> </div><lb/> <div type="jVarious" n="1"> <div xml:id="kleinbahn1" next="#kleinbahn2" type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#g">(Ein Idyll von der Kleinbahn!)</hi> </head> <p>Am<lb/> 10. December v. J. kam auf der Bahn Kreuznach-<lb/> Winterburg ein Zug auf der Station Brockenau<lb/> ſogar einige Minuten zu früh an zur Beſchämung<lb/> aller Verleumder des Secundärbahnweſens. Zur<lb/> Feier dieſes Ereigniſſes wurde das Zugperſonal von<lb/> einem Bauunternehmer zu einem feſtlichen Umtrunk<lb/> in der Reſtauration eingeladen. Auch der Locomotiv-<lb/> führer gab der Lockung Folge, befahl jedoch vorher<lb/> dem Heizer, einem früheren Barbier, gut Obacht zu<lb/> geben und die Locomotive zu ölen. Mit dem Ge-<lb/> ſchäft des „Einſeifens“ war der ehemalige Raſeur<lb/> bald fertig, und nun gedachte auch er ſich nach der</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="schwester2" prev="#schwester1" type="jArticle" n="2"> <p>wirft eine nach der andern über Bord — und<lb/> doch — doch gäbe man manchmal nicht alles<lb/> dahin, was man mühſam errungen im Daſeins-<lb/> kampf, könnte man ſich damit die Jugendthorheiten<lb/> und Ideale zurückkaufen, noch einmal voll über-<lb/> ſprudelnder Kraft hineinſtürmen in das volle reiche<lb/> Leben.</p><lb/> <p>Wie ſolche Gedanken heute ihm immer wieder<lb/> kamen, was wollten ſie! Ihn quälen, ihm klar-<lb/> machen, daſs er das Glück, wonach ihm ſo heiß<lb/> einſt verlangt, nicht gefunden. — Wo war es<lb/> überhaupt zu finden? Er hatte es noch nie ge-<lb/> ſchaut, menſchliches Elend, die ganze Miſ<hi rendition="#aq">è</hi>re des<lb/> Erdendaſeins genug und übergenug, ſein Beruf<lb/> lernte es ihn kennen — aber Glück, volles Menſchen-<lb/> glück! Hatte das überhaupt noch eine bleibende<lb/> Stätte in dem raſtloſen Getriebe der modernen<lb/> Menſchenkinder <hi rendition="#aq">fin de siècle.</hi> Er ahnte nicht, daſs<lb/> er ſchon im nächſten Augenblicke ſolch ſeltenen<lb/> Anblick haben ſollte.</p><lb/> <p>Ein paar Minuten nur wollte er raſten hier<lb/> in der Laube, bis die Glocke ertönte, die zum<lb/> Mittageſſen in gewohnter Pünktlichkeit rief.</p><lb/> <p>Doch was war das, klang das nicht wie<lb/> Flüſtern dort aus der Laube heraus, hatte eines<lb/> der Mädchen dort vielleicht ein Stelldichein, ver-<lb/> lockend genug war ja der ſtille, ganz mit blauen<lb/> Blumen bezogene Winkel dazu, aber unter dem<lb/> ſtrengen Regiment ſeiner Gattin konnten ſolche<lb/> Dinge doch unmöglich vor ſich gehen.</p><lb/> <p>Er trat näher. „Fred! Fred!“ ertönte da<lb/> eine jubelnde Stimme und in dem blauen Clematis-<lb/> rahmen des Eingangs zur Laube ſtand da Melitta<lb/><cb/> vor ihm, ſo ſtrahlenden Antlitzes, im lichten Sommer-<lb/> kleide, wie ein wunderſchönes Bild.</p><lb/> <p>„Mein Gott, was iſt denn paſſiert?“ fragte<lb/> Fred. „Du ſiehſt ja aus, als hätteſt Du Beſitz<lb/> genommen von allen Seligkeiten des Himmels und<lb/> der Erde.“</p><lb/> <p>„Das habe ich auch“, verſetzte Melitta, „ein<lb/> glücklicheres Menſchenkind würdeſt Du heute auf<lb/> der ganzen Welt nicht finden, und wenn Du ſie<lb/> von einem E<supplied>nde</supplied> zum andern durchwanderteſt.“</p><lb/> <p>„Vielleicht doch und zwar in nächſter Nähe“,<lb/> ließ ſich da eine Stimme vernehmen, da, aus dem<lb/> Dämmerlicht der Laube trat jetzt Martin Harden<lb/> heraus.</p><lb/> <p>„Mein Verlobter, Oberförſter in F.“, ſtellte<lb/> Melitta ihn dem Bruder feierlich vor.</p><lb/> <p>Ja, das war Glück, volles Menſchenglück,<lb/> was dieſen beiden aus den Augen ſtrahlte, nicht<lb/> gewaltſam dem Schickſal abgetrotzt, nein, langſam<lb/> aufgebaut auf ſicherem Grunde.</p><lb/> <p>O, wie arm, wie bettelarm kam ſich Fred<lb/> vor, als er ihnen nun gegenüberſaß in der Laube,<lb/> und ſie ihm erzählten; wie nun doch alles ſo ſchnell<lb/> gekommen, Hardens Anſtellung, nach welcher er<lb/> ſofort an Melitta und ihre Mutter geſchrieben und<lb/> wie ſie beide dann das ſüße Geheimnis bewahrt,<lb/> bis er habe die Reiſe hierher machen können.</p><lb/> <p>„Heute morgen habe ich ihn von der Station<lb/> abgeholt und dann ſind wir mit dem Dampfer<lb/> hierhergefahren“, ſchloſs Melitta den Bericht.</p><lb/> <p>„Es war die ſchönſte Dampferfahrt meines<lb/> Lebens“, fügte Harden hinzu, „der ſonnige Morgen<lb/> und das Herz ſo voll des reichſten Glückes.“ Er<lb/><cb/> legte den Arm um Melitta und beide ſchauten ſich<lb/> in die Augen in ſeliger Weltvergeſſenheit.</p><lb/> <p>Ein eigener Blick brach aus Freds düſtern<lb/> Augen; Melitta durchſchauerte derſelbe bis ins<lb/> Herz hinein und hatte ein Gefühl, als begienge ſie<lb/> ein Unrecht, dem Bruder ihr reiches Liebesglück<lb/> ſo unbefangen zu zeigen. Ihm war es ja nicht<lb/> zutheil geworden, ſolch ein Glück, das wurde ihr<lb/> in dieſem Augenblicke zum erſtenmale ſo recht klar.</p><lb/> <p>„Habt Ihr Euch denn Flora ſchon vor-<lb/> geſtellt?“ fragte Fred jetzt.</p><lb/> <p>„Gewiſs, wir haben unſere feierliche Viſite<lb/> oben in Eurem Salon abgeſtattet“, verſetzte Me-<lb/> litta, „und Flora macht jetzt Toilette, Ihr ſollt<lb/> nämlich bei uns heute ſpeiſen zur Verlobungsfeier.“</p><lb/> <p>„Ah, darum ertönte auch noch nicht die omi-<lb/> nöſe Glocke, die unſere Tagesordnung mit mili-<lb/> täriſcher Pünkilichkeit ankündigt, als lebte man in<lb/> einer Kaſerne.“ Ein höhniſcher Zug lag um die<lb/> Lippen des jungen Doctors und Melitta wurde es<lb/> ganz weh ums Herz. Auch Harden blickte befremdet<lb/> in das blaſſe, nervöſe Geſicht, das in ſeiner Er-<lb/> innerung ſo ganz anders, ſo ſtrahlend und lebens-<lb/> luſtig vor ihm geſtanden; es war ihm, als hätte<lb/> ſich alles gewandelt, als wäre Fred der ältere, er-<lb/> fahrene Mann und er der ſorglos ins Leben hinaus-<lb/> ſtürmende Jüngling. Hatte das Glück wirklich eine<lb/> ſolche verjüngende Kraft, es muſste wohl ſo ſein,<lb/> denn auch Melitta ſah ſo fabelhaft jung aus, be-<lb/> ſonders neben ihrer Frau Schwägerin, die jetzt<lb/> erſchien.</p><lb/> <p> <ref> <hi rendition="#c">(Fortſetzung folgt.)</hi> </ref> </p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [2/0002]
Marburger Zeitung Nr. 77, 10. Juli 1900
werden ſollte. Jedenfalls wird die Verwaltung der
directen Steuern, welche übrigens im Hinblicke auf
die eben geſchilderten Erforderniſſe des Finanz-
planes eigentlich gar keine ſtaatsbudgetären Auf-
gaben zu erfüllen, ſondern nur als Geſchäftsführer
der Nachlaſs- und Ueberweiſungs-Berechtigten zu
fungieren hat, kaum in der Lage ſein, den mannig-
fach geäußerten Wünſchen nach Beſeitigung ein-
zelner Beſteuerungsarten zu entſprechen, da jeder
Einnahme-Ausfall die Einhaltung des Finanzplanes
auf das Empfindlichſte gefährden müſste.
Politiſche Umſchau.
Inland.
Alldeutſcher Tag in Eger.
Am 11. Juli jährt ſich zum drittenmale der
Deutſche Volkstag von Eger, der weit über die
Grenzen der engeren Heimat hinaus für alle Deutſchen
beſonders denkwürdig geworden iſt, bedeutet er doch
den Beginn einer mächtigen völkiſchen Erhebung
in der Oſtmark.
Um dieſen Tag in Erinnerung zu bringen,
wird Sonntag, den 15. Juli in Eger ein
Alldeutſcher Tag abgehalten.
Nachmittags 3 Uhr wird unter dem Vorſitze
des Abgeordneten Schönerer in der Sängerfeſthalle
eine Verſammlung abgehalten mit der Tages-
ordnung:
1. „Der 11. Juli 1897.“ Redner Abgeord-
neter Iro.
2. „Die clericale Gefahr in Oeſterreich.“
Redner Abg. Wolf.
Zu dieſer Verſammlung haben auch Frauen
Zutritt. Der Eintritt iſt auf Karten beſchränkt.
Mit der Verſendung der Karten wurde geſtern
begonnen.
— Die Tracenreviſion der Pyhrn-
bahn fand, wie die „Wiener Abendpoſt“ meldet,
am 2. und 3. Juli für den oberöſterreichiſchen Theil
und jene für den ſteiermärkiſchen Theil am
4. d. ſtatt. Die Commiſſion wurde allſeits mit
Freuden begrüßt und konnte durchaus die volle
Zuſtimmung der Intereſſenten zu den Projecten
entgegennehmen. Dem auf ſteiriſcher Seite ſeitens
der Gemeinde Liezen vorgebrachten Anſuchen, auf
die frühere Trace über den Pyhrn und den An-
ſchluſs in Liezen zurückzugreifen, kann im Hinblick
auf die Reſultate der oben erwähnten Studien nicht
entſprochen werden, da dieſelben ergeben haben,
daſs die Linienführung mit der Tunnelierung des
großen Oßruck und dem Anſchluſs in Selzthal in
bauökonomiſcher, betriebstechniſcher und tarifariſcher
Beziehung unbedingt den Vorzug ver-
dient.
— Die „Moravska Orlice“ weiß zu be-
richten, daſs die ſloveniſchen Abgeordneten,
welche kürzlich in Wien weilten und mit dem Mi-
niſterpäſidenten conferierten, den Eindruck mit-
nahmen, daſs der Reichsrath in ſeiner jetzigen
Zuſammenſetzung nicht mehr zuſammentreten werde,
vielmehr ſei deſſen Auflöſung wahrſcheinlich.
— Die geſtrigen Gemeinderathswahlen in
St. Pölten hatten vorgeſtern ein ſtürmiſches Vor-
ſpiel. Die Chriſtlichſocialen hatten eine Verſamm-
lung einberufen, an der 200 Perſonen theilnahmen,
darunter viele Geiſtliche, die Abg. Bielohlawek,
Scheicher, Wohlmeyer u. ſ. w. Sechs Social-
demokraten waren in den Saal gedrungen. Etwa
tauſend warteten draußen. Gegen Schluſs der Ver-
ſammlung machten ſich die Socialdemokraten in
der Verſammlung bemerkbar. Die chriſtlichſocialen
Ordner warfen nun einen davon über die Treppe.
Die Socialdemokraten ſchrien darauf: „Pfui!“
„Pfaffenknechte!“ „Gauner!“ und dergleichen. Als
Abg. Bielohlawek mit Wohlmeyer, dem Bürger-
meiſter-Candidaten und den übrigen Chriſtlichſocialen
den Saal verließ, drangen die Socialdemokraten
unter Pfui-Rufen u. ſ. w. auf ſie und ſpien ſie an.
Wohlmeyer pockte einen Socialdemokraten an der
Bruſt. Dieſem eilten Genoſſen zu Hilfe und nun
kam es zu einer fürchterlichen Keilerei,
bei der Wohlmeyer und andere Chriſtlichſociale ſehr
ſchlecht wegkamen. Endlich ſchritt auch Sicherheits-
wache ein und räumte den Hof. Abg. Bielohlawek
entfernte ſich vom Schauplatze unter polizeilichem
Schutz und wurde von Pfui-Rufen begleitet.
— Die zunehmende huſſitiſche Bewegung
unter den Tſchechen beunruhigt die römiſch-
katholiſch kirchlichen Kreiſe ſehr ſtark, weil ſich die
Bewegung ungemein raſch verbreitet und tief
greift. Das Blatt des Prager Erzbiſchofs fordert
den Landesſchulrath auf, gegen jene Schulleitungen
einzuſchreiten, die das Recht haben, drei beliebige
Tage des Schuljahres freizugeben, heuer aber das
Recht dazu benützten, um den Schülern Gelegenheit
zu geben, ſich an der Hußfeier zu betheiligen.
Ausland.
— Das deutſche Fleiſchbeſchaugeſetz
hat die kaiſerliche Genehmigung erhalten. Das Ein-
fuhrverbot von Wurſt und Büchſenfleiſch dürfte in
den nächſten Monaten zu erwarten ſein.
— In der Mandſchurei ſind aufrühreriſche
Banden aufgetaucht und haben die dortige von den
Ruſſen gebaute und verwaltete Eiſenbahn an
mehreren Punkten zerſtört; es wurden Maßnahmen
zum Schutze der Bahnlinie angeordnet.
— Der finnländiſche Senat hat nunmehr
das Reſcript des Caren über die Einführung der
ruſſiſchen Sprache in Finnland, ſoweit es ſich um
die höheren Verwaltungspoſten handelt, veröffentlicht.
— In den letzten Tagen wurde in Conſtan-
tinopel eine größere Anzahl von Armeniern ver-
haftet, die zum Theile in ihre Heimat nach Klein-
aſien abgeſchoben wurden. Als Grund hiefür wurde
angegeben, daſs die Regierung nach armeniſchen
Revolutionären fahndete, welche angeblich hier ein-
getroffen wären, um einen neuen Coup vorzubereiten.
— Die nationaliſtiſche Partei in
Frankreich führt ihren Feldzug gegen die Re-
gierung wegen der Demiſſion des Generaliſſimus
Jamont und des Generalſtabschefs Delanne weiter.
Die nationaliſtiſchen Mitglieder des Pariſer Ge-
meinderathes unterzeichneten im Namen ihrer Wähler
einen Proteſt gegen die Maßnahmen, welche die
beiden Generäle zu ihrem Rücktritt nöthigten.
— Der ruſſiſche Botſchafter beab-
ſichtigt, an die Pforte neuerlich eine energiſche
Note zu richten, und die in der Note vom
21. Mai berührte Angelegenheit, die Behinderung
einwandfreier Armenier an der Rückkehr vom Kau-
kaſus, zu regeln. Ein kaiſerliches Irade beſtimmt
die Aufhebung des Differenzialtarifes
für Montenegro und Wiedereinführung des
Regimes von 8 v. H.
Tagesneuigkeiten.
(Verhafteter Prieſter.) Von der Inns-
brucker Polizei wurde der Redemptoiriſten-Prieſter
(Liguorianer) Georg Chabot aus dem Kloſter Wilten
wegen eines gröblichen Sittlichkeitsdelictes, das er
in den Parkanlagen am Inn begangen hatte, ver-
haftet. Sein Mitſchuldiger wurde ebenfalls hinter
Schloſs und Riegel geſetzt.
(Ein Familiendrama.) Am Donners-
tag erſchoſs der Stadthauptmann Julian Hecker
in Petersburg den Augenarzt Profeſſor Dohnberg
während deſſen Sprechſtunde an der Univerſität.
Dohnberg, ein Kurländer, hatte Heckers Frau ver-
führt und ſich geweigert, die Frau Heckers nach der
Scheidung zu heiraten und einen Zweikampf aus-
geſchlagen. Nun griff Hecker zu dieſem Mittel. Nach
der That ließ er ſich ruhig verhaften.
(Schnee.) Infolge des Wetterſturzes der
letzten Tage iſt in vielen Gegenden auf den Bergen
Neuſchnee gefallen. Wie aus Seckau berichtet wird,
ſind die Gipfel der Zinken, die Schweigerhöhe und
der Ringkogel in Schnee gehüllt. In Tirol liegt
auf allen Bergen bis zur Holzgrenze Neuſchnee.
In der Schweiz fiel im ganzen Gebiete der Central-
alpen Schnee. Interlaken war vorgeſtern früh in
Schnee gehüllt; der Rigi und Pilatus ſind beinahe
bis zum Fuße beſchneit. Geſtern betrug die Tem-
peratur in Luzern 4 Grad unter Null.
(Ein Idyll von der Kleinbahn!) Am
10. December v. J. kam auf der Bahn Kreuznach-
Winterburg ein Zug auf der Station Brockenau
ſogar einige Minuten zu früh an zur Beſchämung
aller Verleumder des Secundärbahnweſens. Zur
Feier dieſes Ereigniſſes wurde das Zugperſonal von
einem Bauunternehmer zu einem feſtlichen Umtrunk
in der Reſtauration eingeladen. Auch der Locomotiv-
führer gab der Lockung Folge, befahl jedoch vorher
dem Heizer, einem früheren Barbier, gut Obacht zu
geben und die Locomotive zu ölen. Mit dem Ge-
ſchäft des „Einſeifens“ war der ehemalige Raſeur
bald fertig, und nun gedachte auch er ſich nach der
wirft eine nach der andern über Bord — und
doch — doch gäbe man manchmal nicht alles
dahin, was man mühſam errungen im Daſeins-
kampf, könnte man ſich damit die Jugendthorheiten
und Ideale zurückkaufen, noch einmal voll über-
ſprudelnder Kraft hineinſtürmen in das volle reiche
Leben.
Wie ſolche Gedanken heute ihm immer wieder
kamen, was wollten ſie! Ihn quälen, ihm klar-
machen, daſs er das Glück, wonach ihm ſo heiß
einſt verlangt, nicht gefunden. — Wo war es
überhaupt zu finden? Er hatte es noch nie ge-
ſchaut, menſchliches Elend, die ganze Miſère des
Erdendaſeins genug und übergenug, ſein Beruf
lernte es ihn kennen — aber Glück, volles Menſchen-
glück! Hatte das überhaupt noch eine bleibende
Stätte in dem raſtloſen Getriebe der modernen
Menſchenkinder fin de siècle. Er ahnte nicht, daſs
er ſchon im nächſten Augenblicke ſolch ſeltenen
Anblick haben ſollte.
Ein paar Minuten nur wollte er raſten hier
in der Laube, bis die Glocke ertönte, die zum
Mittageſſen in gewohnter Pünktlichkeit rief.
Doch was war das, klang das nicht wie
Flüſtern dort aus der Laube heraus, hatte eines
der Mädchen dort vielleicht ein Stelldichein, ver-
lockend genug war ja der ſtille, ganz mit blauen
Blumen bezogene Winkel dazu, aber unter dem
ſtrengen Regiment ſeiner Gattin konnten ſolche
Dinge doch unmöglich vor ſich gehen.
Er trat näher. „Fred! Fred!“ ertönte da
eine jubelnde Stimme und in dem blauen Clematis-
rahmen des Eingangs zur Laube ſtand da Melitta
vor ihm, ſo ſtrahlenden Antlitzes, im lichten Sommer-
kleide, wie ein wunderſchönes Bild.
„Mein Gott, was iſt denn paſſiert?“ fragte
Fred. „Du ſiehſt ja aus, als hätteſt Du Beſitz
genommen von allen Seligkeiten des Himmels und
der Erde.“
„Das habe ich auch“, verſetzte Melitta, „ein
glücklicheres Menſchenkind würdeſt Du heute auf
der ganzen Welt nicht finden, und wenn Du ſie
von einem Ende zum andern durchwanderteſt.“
„Vielleicht doch und zwar in nächſter Nähe“,
ließ ſich da eine Stimme vernehmen, da, aus dem
Dämmerlicht der Laube trat jetzt Martin Harden
heraus.
„Mein Verlobter, Oberförſter in F.“, ſtellte
Melitta ihn dem Bruder feierlich vor.
Ja, das war Glück, volles Menſchenglück,
was dieſen beiden aus den Augen ſtrahlte, nicht
gewaltſam dem Schickſal abgetrotzt, nein, langſam
aufgebaut auf ſicherem Grunde.
O, wie arm, wie bettelarm kam ſich Fred
vor, als er ihnen nun gegenüberſaß in der Laube,
und ſie ihm erzählten; wie nun doch alles ſo ſchnell
gekommen, Hardens Anſtellung, nach welcher er
ſofort an Melitta und ihre Mutter geſchrieben und
wie ſie beide dann das ſüße Geheimnis bewahrt,
bis er habe die Reiſe hierher machen können.
„Heute morgen habe ich ihn von der Station
abgeholt und dann ſind wir mit dem Dampfer
hierhergefahren“, ſchloſs Melitta den Bericht.
„Es war die ſchönſte Dampferfahrt meines
Lebens“, fügte Harden hinzu, „der ſonnige Morgen
und das Herz ſo voll des reichſten Glückes.“ Er
legte den Arm um Melitta und beide ſchauten ſich
in die Augen in ſeliger Weltvergeſſenheit.
Ein eigener Blick brach aus Freds düſtern
Augen; Melitta durchſchauerte derſelbe bis ins
Herz hinein und hatte ein Gefühl, als begienge ſie
ein Unrecht, dem Bruder ihr reiches Liebesglück
ſo unbefangen zu zeigen. Ihm war es ja nicht
zutheil geworden, ſolch ein Glück, das wurde ihr
in dieſem Augenblicke zum erſtenmale ſo recht klar.
„Habt Ihr Euch denn Flora ſchon vor-
geſtellt?“ fragte Fred jetzt.
„Gewiſs, wir haben unſere feierliche Viſite
oben in Eurem Salon abgeſtattet“, verſetzte Me-
litta, „und Flora macht jetzt Toilette, Ihr ſollt
nämlich bei uns heute ſpeiſen zur Verlobungsfeier.“
„Ah, darum ertönte auch noch nicht die omi-
nöſe Glocke, die unſere Tagesordnung mit mili-
täriſcher Pünkilichkeit ankündigt, als lebte man in
einer Kaſerne.“ Ein höhniſcher Zug lag um die
Lippen des jungen Doctors und Melitta wurde es
ganz weh ums Herz. Auch Harden blickte befremdet
in das blaſſe, nervöſe Geſicht, das in ſeiner Er-
innerung ſo ganz anders, ſo ſtrahlend und lebens-
luſtig vor ihm geſtanden; es war ihm, als hätte
ſich alles gewandelt, als wäre Fred der ältere, er-
fahrene Mann und er der ſorglos ins Leben hinaus-
ſtürmende Jüngling. Hatte das Glück wirklich eine
ſolche verjüngende Kraft, es muſste wohl ſo ſein,
denn auch Melitta ſah ſo fabelhaft jung aus, be-
ſonders neben ihrer Frau Schwägerin, die jetzt
erſchien.
(Fortſetzung folgt.)
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