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Marburger Zeitung. Nr. 66, Marburg, 04.06.1901.

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Marburger Zeitung Nr. 66, 4. Juni 1901

[Spaltenumbruch]

niemals eine große Siedlungspolitik betrieben und
natürlich noch weniger germanisiert, aber sie hat
auch den nach der Occupation ins Land gekommenen
Bauern keine Hindernisse in den Weg gelegt, viel-
mehr, wo es angieng, solche Niederlassungen ge-
fördert. Heute weist Bosnien eine ganz beträchtliche
Zahl von Colonien auf. Unter den Colonisten des
Occupationslandes nehmen die Deutschen sowohl in
Bezug auf Tüchtigkeit, als der Zahl nach den ersten
Rang ein. Bosnien zählt gegenwärtig 898 deutsche
Colonisten-Familien mit 4861 Seelen. Unter
Colonisten verstehen wir hier nur landwirtschaftliche
Ansiedler, also solche, welche auf dem eigenen Grund
und Boden selbst Landwirtschaft betreiben, nicht aber
Kleinpächter privater Grundstücke, deren es auch eine
größere Anzahl im Lande gibt. Die wichtigsten
Colonien sind folgende:

1. Die Colonie Windthorst. Diese im Bezirke
Bosn.-Gradiska, Kreis Banjaluka, gelegene Colonie
und das daran grenzende Maglaj (im Bezirke Banja-
luka) sind die ältesten der in Bosnien bestehenden
deutschen Colonien. Sie wurden im Jahre 1879
ohne staatliche Intervention von katholischen An-
gehörigen des Deutschen Reiches gegründet. Beide
Colonien zusammen bedecken eine Areale von 3200
Hektar und zählen 309 Familien mit etwa 1500 Köpfen.
Auf die Colonie Windthorst entfallen 2364 Hektar
an Fläche, 226 Familien mit 1081 Seelen. Die
Colonisten sind katholisch und durchwegs deutscher
Nationalität.

2. Die Colonie Rudolfsthal, Bezirk und Kreis
Banjaluka. Diese Colonie ist kurz nach der Occupation
von deutschen Tirolern gegründet worden. Die Grund-
stücke sind durchwegs käuflich erworbenes Eigenthum
der Colonisten, ihr Gesammtausmaß beträgt 812
Hektar, auf welchen 83 Familien mit 406 Köpfen
wohnen. Die Colonisten sind fast durchwegs katholisch.

3. Die Colonie Franz-Josefsfeld im Bezirke
Bjelina, Kreis Dolnja Tuzla. Dieser Ort ist eine
von Banater "Schwaben" Ende der Achtziger Jahre
gegründete deutsche Colonie, welche gut gedeiht und
trotz der schweren Heimsuchung durch eine Ueber-
schwemmung im Jahre 1897 materiell erstarkte und
nun gesichert dasteht. Die Gründung der Colonie
erfreute sich der besonderen Förderung der Regierung,
theils durch Ankauf von Privat-Grundstücken für
Zwecke der Colonie, theils durch Zuweisung landes-
ärarischer Rodegründe an die Ansiedler. Die Colonie
umfasst heute eine Grundfläche von 1026 Hektar,
welche von 178 Familien mit 1084 Köpfen bewohnt
wird. Die Franz-Josefsfelder Colonisten sind durch-
wegs evangelischer Confession.

4. In den Kreisen Banjaluka, Travnik und
Dolnja Tuzla gibt es eine Anzahl von kleineren
Niederlassungen, die von Deutschen aus der Bukowina,
aus Galizien, Ungarn und Croatien besiedelt wurden.
Bemerkenswert ist, dass viele dieser Ansiedler früher
nach Rußland ausgewandert waren, es aber später
vorzogen, in Bosnien sich niederzulassen. Die Zahl
[Spaltenumbruch] dieser zerstreuten Colonisten wird mit 411 Familien
mit 2290 Seelen angegeben, wovon 59 Familien
mit 344 Seelen katholisch und 352 Familien mit
1946 Seelen evangelisch sind.

Was den Zustand der deutschen Colonien in
den Occupationsländern betrifft, so können die beiden
ältesten, Windthorst und Maglaj (Kreis Banjaluka),
bereits als sehr wohlhabend bezeichnet werden. Land-
wirtschaft und Viehzucht werden intensiv betrieben
und die Colonisten haben auch bereits landwirt-
schaftliche Industrie-Unternehmungen eingerichtet, wie
Ringöfen, eine größere und eine kleinere Dampfmühle
und eine Liqueurfabrik. In Maglaj sowohl, als in
Windthorst befindet sich je eine große Molkerei der
bei Banjaluka angesiedelten Trappisten.

Die Colonie Franz-Josefsfeld hat wie erwähnt
durch Ueberschwemmungen der Save und Drina
schwer gelitten, trotzdem wird aber ein Drittel der
Colonie als sehr wohlhabend, ein zweites Drittel als
gut situiert bezeichnet. Bei dem Rest macht sich der
Mangel an ausreichenden eigenen Grundstücken recht
stark fühlbar, da diese Familien nur Grundstücke in
geringem Ausmaße angekauft, das Uebrige aber nur
gepachtet haben. Der Bestand der Colonie ist aber
heute ein völlig sicherer und ein weiteres Aufblühen
zu erwarten.

Auch den anderen Colonien lässt sich eine
günstige Vorhersagung machen, nur in Vranovac
und Prozora ist die Colonisation nicht so rasch ge-
glückt, weil man mit den vochandenen Barmitteln
unpraktisch umgegangen ist. Aber auch diese beiden
im Bezirke Dubica gelegenen Colonien haben so
günstige Bedingungen, dass mit Sicherheit ihre
baldige Sanierung erwartet wird.

Der größte Theil der deutschen Ansiedler
gehört der evangelischen Confession an. Die deutschen
Bauern sind ein für die Colonisation besonders ge-
eignetes Element, es sind besonnene, äußerst fleißige
Leute, physisch kräftig, ausdauernd, nüchtern und
von hochentwickeltem Gemeinsinn. Es wäre nur zu
wünschen, dass die deutschen Colonisten in Bosnien
und der Herzegowina auch auf die Dauer ihre deutsche
Nationalität und ihre guten nationalen Eigenschaften
bewahren. Sie im Zusammenhange mit dem Mutter-
lande zu erhalten, ist eine Aufgabe, welche der
deutschen Intelligenz des Landes und der deutschen
Presse Oesterreichs zufällt. Für eine alldeutsche Wirt-
schaftspolitik werden Bosnien und die Herzegowina
als Hinterländer des dalmatischen Küstensaumes
einmal eine große Bedeutung erhalten und die deutschen
Colonien in diesen Ländern sind gute Grundlagen
für intensive deutsche Handelsbeziehungen.




Politische Umschau.
Inland.
-- Eine Niederlage der Lehrer-
feinde.

Das Unterrichtsministerium hat die Ent-
lassung
des Wiener Lehrers Rehling
[Spaltenumbruch] aufgehoben
und diesen in gleicher Eigenschaft
an eine andere Dienststelle versetzt. Herr Rehling
war bekanntlich wegen einer deutschnationalen Ver-
sammlungsrede in Disciplinaruntersuchung gezogen
und vom christlichsocialen niederösterreichischen Lan-
desschulrathe entlassen worden, wie es der christlich-
sociale Bezirksschulrath von Wien gewünscht hatte.

Der niederösterreichische Landesschulrath hat
die vom christlichsocialen Wiener Bezirksschulrathe
verfügte Suspendierung des Abg. Lehrer
Seitz vom Lehramte, als ungesetzlich, aufge-
hoben.
Die christlichsociale Brutalität gegen
Andersdenkende wird selbst unseren Behörden schon
zu arg.

-- Das Abgeordnetenhaus hielt am
Samstag eine denkwürdige Sitzung ab. Die beiden
großen Investitions-Gesetze, jenes über die Alpen-
bahnen
und das über die Wasserstraßen,
gelangten zur dritten Lesung und in wenigen
Wochen werden sie auch Gesetzeskraft erlangt haben.
Die beiden Referenten über die Gesetze, welche die-
selben mit kurzen Worten der dritten Lesung em-
pfahlen, Dr. Sylvester und Dr. Menger,
wurden acclamiert. Die Investitions-Vorlage wurde
einstimmig angenommen. Bei der dritten Lesung
der Wasserstraßen-Vorlage stellte Abg. Lemisch
den Antrag auf namentliche Abstimmung, um den
enragiertesten Gegnern der Vorlage die Möglichkeit
zu bieten, noch einmal gegen die Vorlage zu de-
monstrieren. Der feudale böhmische Hochadel und
ein Theil des verfassungstreuen Großgrundbesitzes
entfernten sich aus dem Saale und stimmten nicht,
ebenso der größte Theil der bäuerlichen Vertreter
in der katholischen Volkspartei und der Slovenen.
Die Alldeutschen waren spärlich im Saale ver-
treten und stimmten geschlossen gegen die Vorlage
-- aber die Vertreter der Industriebezirke in ihren
Reihen waren im Saale nicht anwesend. Mit den
Alldeutschen stimmte ein Theil der Agrarier aller
übrigen Parteien auf der Linken wie auf der
Rechten des Hauses. Das Gesetz wurde mit 198
gegen 46 Stimmen angenommen. Dieses Re-
sultat wurde mit stürmischem Beifalle aufgenommen.
Minister-Präsident Dr. v. Koerber wurde beglück-
wünscht.

-- In der gestrigen Sitzung des Abgeord-
netenhauses wurde die Debatte über das Budget-
provisorium fortgesetzt.
Es waren im
ganzen sechzehn Redner zum Worte gemeldet. Man
konnte also auf eine lange Dauer der Sitzung ge-
fasst sein. Als erster Redner sprach der Vertreter
der Deutschen Fortschrittspartei, Dr. Groß, der,
im Gegensatze zur Stellung, welche die Deutsche
Volkspartei durch den Abg. Löcker präcisieren ließ,
erklärte, dass seine Partei kein Vertrauen zur Re-
gierung habe und dass sie nur deshalb für das
Budget stimme, um endlich der Wirtschaft mit dem
§ 14 ein Ende zu machen. Auch Ministerpräsident
Dr. v. Koerber griff in die Debatte ein.




[Spaltenumbruch]

Eben tritt Paul von seinem Vater fort. Ein
Freund, der einige Schritte von den beiden ent-
fernt seinen Platz hatte, rief dem Jüngling etwas
zu, und dieser geht, da er nichts versteht, näher
heran. Im selben Augenblick schwirrt ein sonder-
barer, pfeifender Ton durch die Luft.

"Wieder eins von den Dingern, die nicht
krepieren", bemerkt ein Mann, indem er sich gleich-
müthig die Pfeife anzündet.

"Sie wollen ihre schlechte Munition los sein",
scherzte ein anderer. Drum verschießen sie sie."

Bisher waren die meisten Geschosse an den
Felsen abgeprallt, und die in das Lager herabfielen,
explodierten nicht. Dieses aber senkt sich im Bogen.
Sand und Steinsplitter fliegen. Und dann sieht
Henrik seinen Jüngsten neben seinem Freunde am
Boden liegen. Blut rieselt über die erdfarbenen
Joppen .....

Auf seinen Armen trägt Hendrik Paul nach
der anderen Seite des Hügels, wo man bereits
zwei Verwundete gebettet hat, und bereitet ihm auf
dürrem Gras ein möglichst bequemes Lager. Man
legt dem jungen Mann einen Nothverband an.
Leise ächzend öffnet er die großen, blauen Augen.

"Wasser, Wasser!"

"Ja, mein Junge. Sollst gleich welches
haben."

Hendrik begiebt sich zum Commandanten der Ab-
theilung. Derselbe soll ihm erlauben, für den Ver-
wundeten Wasser zu holen. Der Felsenkegel, auf
dem sich das Häuflein Buren verschanzt hat, tritt
an einer Stelle bis dicht an das Flussbett heran.
Es scheint Hendrik ausführbar, von einem etwa auf
[Spaltenumbruch] halber Höhe überhängenden Felsvorsprung ein Seil
mit einem Eimer in den Strom hinabzulassen und
wieder heraufzuziehen.

Der Commandant nickt bedächtig. Ja, das
ist möglich. Aber um bis zu dem Vorsprung zu
gelangen, muss man eine steile Wand herunter-
klettern, an der man dem Feuer der feindlichen
Kugeln zur Zielscheibe dient.

"Schießen und treffen ist zweierlei", schmunzelte
Hendrik.

Der andere lacht kurz auf. "Und wie willst
Du mit dem gefüllten Eimer heraufkommen?" fragte
er dann.

"Der wird von oben die Wand emporgezogen.
Mit Hilfe einer Wagendeichsel und Striken leicht
gemacht. Die Leute werden dazu nicht einmal
gefährdet sein. Sie sehen ja, wenn die drüben
schießen und können sich ducken."

"Wenn die andern Dir helfen wollen -- ich
will's nicht verbieten."

"Danke", sagt Hendrik kurz und geht, einige
Helfer zu werben, die sich sogleich bereit finden
lassen.

Nur sein ältester Sohn, ein stattlicher Dreißi-
ger, macht ihm Vorstellungen. "Lass mich 'runter-
klettern, Vater. Ich bin jünger und --"

"Nein", unterbricht der Alte in entschiedenem
Ton. "Du magst das Aufwinden besorgen, Pieter.
Es ist recht, dass der Vater den gefährlicheren Theil
übernimmt."

Und so geschieht es. Vorsichtig, mit einer
für seine Jahre bewunderungswürdigen Gewandt-
heit steigt Hendrik die Felswand hinab. Staunend
[Spaltenumbruch] sehen die Engländer das Beginnen des kühnen
Mannes. Ihren Augen erscheint es geradezu wunder-
bar, wie er an der steilen Mauer nur Platz findet, die
Füße aufzusetzen. Anfangs glauben sie, es würden
ihm noch andere zur Ausführung eines kriegerischen
Zweckes folgen, und ein Hagel von Flintenkugeln
ergießt sich in seiner Richtung. Aber die Buren sind
nicht faul in der Erwiderung, und da die engli-
schen Schützen so gut wie gar keine Deckung haben,
so kostet dieser Kugelwechsel ihnen noch manchen
Mann. Unentwegt klimmt Hendrik weiter. Der
Schweiß perlt ihm von der Stirn, seine Hände
bluten von den scharfen Felszacken, seine Hände
zerreißen. Seine kraftstrotzenden, sehnigen Glieder
fangen an zu zittern von der furchtbaren Anspan-
nung. Er achtete es nicht. Jetzt -- endlich! -- hat
er den Vorsprung erreicht -- befestigt das Seil,
lässt den Eimer herab. Die Feinde hören plötzlich
auf zu feuern. In athemloser Spannung verfolgen
hunderte von Augen jede seiner Bewegungen.

Und ruhig, als verrichte er das Geschäft am
Ziehbrunnen seiner Farm, füllt er den Eimer und
zieht ihn vorsichtig wieder nach oben. Sein Hut
fällt ihm dabei vom Haupte und rollt in eine
Felsspalte hinab. Er wendet nicht einmal den
Kopf darnach. Die Sonne brennt auf seinem grauen
Scheitel. Nun beugt er sich vor und hebt mit
starker Hand den Eimer über den Rand der natür-
lichen Felsenbrüstung zu sich in die Höhe. Und
dann steht er einen Augenblick regungslos und
blickt mit den falkenscharfen, ungeblendeten Augen
über die Ebene jenseits des Flusses, über die
Stellung des Feindes mit ihren auf ihn gerichte-


Marburger Zeitung Nr. 66, 4. Juni 1901

[Spaltenumbruch]

niemals eine große Siedlungspolitik betrieben und
natürlich noch weniger germaniſiert, aber ſie hat
auch den nach der Occupation ins Land gekommenen
Bauern keine Hinderniſſe in den Weg gelegt, viel-
mehr, wo es angieng, ſolche Niederlaſſungen ge-
fördert. Heute weist Bosnien eine ganz beträchtliche
Zahl von Colonien auf. Unter den Coloniſten des
Occupationslandes nehmen die Deutſchen ſowohl in
Bezug auf Tüchtigkeit, als der Zahl nach den erſten
Rang ein. Bosnien zählt gegenwärtig 898 deutſche
Coloniſten-Familien mit 4861 Seelen. Unter
Coloniſten verſtehen wir hier nur landwirtſchaftliche
Anſiedler, alſo ſolche, welche auf dem eigenen Grund
und Boden ſelbſt Landwirtſchaft betreiben, nicht aber
Kleinpächter privater Grundſtücke, deren es auch eine
größere Anzahl im Lande gibt. Die wichtigſten
Colonien ſind folgende:

1. Die Colonie Windthorſt. Dieſe im Bezirke
Bosn.-Gradiska, Kreis Banjaluka, gelegene Colonie
und das daran grenzende Maglaj (im Bezirke Banja-
luka) ſind die älteſten der in Bosnien beſtehenden
deutſchen Colonien. Sie wurden im Jahre 1879
ohne ſtaatliche Intervention von katholiſchen An-
gehörigen des Deutſchen Reiches gegründet. Beide
Colonien zuſammen bedecken eine Areale von 3200
Hektar und zählen 309 Familien mit etwa 1500 Köpfen.
Auf die Colonie Windthorſt entfallen 2364 Hektar
an Fläche, 226 Familien mit 1081 Seelen. Die
Coloniſten ſind katholiſch und durchwegs deutſcher
Nationalität.

2. Die Colonie Rudolfsthal, Bezirk und Kreis
Banjaluka. Dieſe Colonie iſt kurz nach der Occupation
von deutſchen Tirolern gegründet worden. Die Grund-
ſtücke ſind durchwegs käuflich erworbenes Eigenthum
der Coloniſten, ihr Geſammtausmaß beträgt 812
Hektar, auf welchen 83 Familien mit 406 Köpfen
wohnen. Die Coloniſten ſind faſt durchwegs katholiſch.

3. Die Colonie Franz-Joſefsfeld im Bezirke
Bjelina, Kreis Dolnja Tuzla. Dieſer Ort iſt eine
von Banater „Schwaben“ Ende der Achtziger Jahre
gegründete deutſche Colonie, welche gut gedeiht und
trotz der ſchweren Heimſuchung durch eine Ueber-
ſchwemmung im Jahre 1897 materiell erſtarkte und
nun geſichert daſteht. Die Gründung der Colonie
erfreute ſich der beſonderen Förderung der Regierung,
theils durch Ankauf von Privat-Grundſtücken für
Zwecke der Colonie, theils durch Zuweiſung landes-
ärariſcher Rodegründe an die Anſiedler. Die Colonie
umfaſst heute eine Grundfläche von 1026 Hektar,
welche von 178 Familien mit 1084 Köpfen bewohnt
wird. Die Franz-Joſefsfelder Coloniſten ſind durch-
wegs evangeliſcher Confeſſion.

4. In den Kreiſen Banjaluka, Travnik und
Dolnja Tuzla gibt es eine Anzahl von kleineren
Niederlaſſungen, die von Deutſchen aus der Bukowina,
aus Galizien, Ungarn und Croatien beſiedelt wurden.
Bemerkenswert iſt, daſs viele dieſer Anſiedler früher
nach Rußland ausgewandert waren, es aber ſpäter
vorzogen, in Bosnien ſich niederzulaſſen. Die Zahl
[Spaltenumbruch] dieſer zerſtreuten Coloniſten wird mit 411 Familien
mit 2290 Seelen angegeben, wovon 59 Familien
mit 344 Seelen katholiſch und 352 Familien mit
1946 Seelen evangeliſch ſind.

Was den Zuſtand der deutſchen Colonien in
den Occupationsländern betrifft, ſo können die beiden
älteſten, Windthorſt und Maglaj (Kreis Banjaluka),
bereits als ſehr wohlhabend bezeichnet werden. Land-
wirtſchaft und Viehzucht werden intenſiv betrieben
und die Coloniſten haben auch bereits landwirt-
ſchaftliche Induſtrie-Unternehmungen eingerichtet, wie
Ringöfen, eine größere und eine kleinere Dampfmühle
und eine Liqueurfabrik. In Maglaj ſowohl, als in
Windthorſt befindet ſich je eine große Molkerei der
bei Banjaluka angeſiedelten Trappiſten.

Die Colonie Franz-Joſefsfeld hat wie erwähnt
durch Ueberſchwemmungen der Save und Drina
ſchwer gelitten, trotzdem wird aber ein Drittel der
Colonie als ſehr wohlhabend, ein zweites Drittel als
gut ſituiert bezeichnet. Bei dem Reſt macht ſich der
Mangel an ausreichenden eigenen Grundſtücken recht
ſtark fühlbar, da dieſe Familien nur Grundſtücke in
geringem Ausmaße angekauft, das Uebrige aber nur
gepachtet haben. Der Beſtand der Colonie iſt aber
heute ein völlig ſicherer und ein weiteres Aufblühen
zu erwarten.

Auch den anderen Colonien läſst ſich eine
günſtige Vorherſagung machen, nur in Vranovac
und Prozora iſt die Coloniſation nicht ſo raſch ge-
glückt, weil man mit den vochandenen Barmitteln
unpraktiſch umgegangen iſt. Aber auch dieſe beiden
im Bezirke Dubica gelegenen Colonien haben ſo
günſtige Bedingungen, daſs mit Sicherheit ihre
baldige Sanierung erwartet wird.

Der größte Theil der deutſchen Anſiedler
gehört der evangeliſchen Confeſſion an. Die deutſchen
Bauern ſind ein für die Coloniſation beſonders ge-
eignetes Element, es ſind beſonnene, äußerſt fleißige
Leute, phyſiſch kräftig, ausdauernd, nüchtern und
von hochentwickeltem Gemeinſinn. Es wäre nur zu
wünſchen, daſs die deutſchen Coloniſten in Bosnien
und der Herzegowina auch auf die Dauer ihre deutſche
Nationalität und ihre guten nationalen Eigenſchaften
bewahren. Sie im Zuſammenhange mit dem Mutter-
lande zu erhalten, iſt eine Aufgabe, welche der
deutſchen Intelligenz des Landes und der deutſchen
Preſſe Oeſterreichs zufällt. Für eine alldeutſche Wirt-
ſchaftspolitik werden Bosnien und die Herzegowina
als Hinterländer des dalmatiſchen Küſtenſaumes
einmal eine große Bedeutung erhalten und die deutſchen
Colonien in dieſen Ländern ſind gute Grundlagen
für intenſive deutſche Handelsbeziehungen.




Politiſche Umſchau.
Inland.
Eine Niederlage der Lehrer-
feinde.

Das Unterrichtsminiſterium hat die Ent-
laſſung
des Wiener Lehrers Rehling
[Spaltenumbruch] aufgehoben
und dieſen in gleicher Eigenſchaft
an eine andere Dienſtſtelle verſetzt. Herr Rehling
war bekanntlich wegen einer deutſchnationalen Ver-
ſammlungsrede in Diſciplinarunterſuchung gezogen
und vom chriſtlichſocialen niederöſterreichiſchen Lan-
desſchulrathe entlaſſen worden, wie es der chriſtlich-
ſociale Bezirksſchulrath von Wien gewünſcht hatte.

Der niederöſterreichiſche Landesſchulrath hat
die vom chriſtlichſocialen Wiener Bezirksſchulrathe
verfügte Suspendierung des Abg. Lehrer
Seitz vom Lehramte, als ungeſetzlich, aufge-
hoben.
Die chriſtlichſociale Brutalität gegen
Andersdenkende wird ſelbſt unſeren Behörden ſchon
zu arg.

— Das Abgeordnetenhaus hielt am
Samstag eine denkwürdige Sitzung ab. Die beiden
großen Inveſtitions-Geſetze, jenes über die Alpen-
bahnen
und das über die Waſſerſtraßen,
gelangten zur dritten Leſung und in wenigen
Wochen werden ſie auch Geſetzeskraft erlangt haben.
Die beiden Referenten über die Geſetze, welche die-
ſelben mit kurzen Worten der dritten Leſung em-
pfahlen, Dr. Sylveſter und Dr. Menger,
wurden acclamiert. Die Inveſtitions-Vorlage wurde
einſtimmig angenommen. Bei der dritten Leſung
der Waſſerſtraßen-Vorlage ſtellte Abg. Lemiſch
den Antrag auf namentliche Abſtimmung, um den
enragierteſten Gegnern der Vorlage die Möglichkeit
zu bieten, noch einmal gegen die Vorlage zu de-
monſtrieren. Der feudale böhmiſche Hochadel und
ein Theil des verfaſſungstreuen Großgrundbeſitzes
entfernten ſich aus dem Saale und ſtimmten nicht,
ebenſo der größte Theil der bäuerlichen Vertreter
in der katholiſchen Volkspartei und der Slovenen.
Die Alldeutſchen waren ſpärlich im Saale ver-
treten und ſtimmten geſchloſſen gegen die Vorlage
— aber die Vertreter der Induſtriebezirke in ihren
Reihen waren im Saale nicht anweſend. Mit den
Alldeutſchen ſtimmte ein Theil der Agrarier aller
übrigen Parteien auf der Linken wie auf der
Rechten des Hauſes. Das Geſetz wurde mit 198
gegen 46 Stimmen angenommen. Dieſes Re-
ſultat wurde mit ſtürmiſchem Beifalle aufgenommen.
Miniſter-Präſident Dr. v. Koerber wurde beglück-
wünſcht.

— In der geſtrigen Sitzung des Abgeord-
netenhauſes wurde die Debatte über das Budget-
proviſorium fortgeſetzt.
Es waren im
ganzen ſechzehn Redner zum Worte gemeldet. Man
konnte alſo auf eine lange Dauer der Sitzung ge-
faſst ſein. Als erſter Redner ſprach der Vertreter
der Deutſchen Fortſchrittspartei, Dr. Groß, der,
im Gegenſatze zur Stellung, welche die Deutſche
Volkspartei durch den Abg. Löcker präciſieren ließ,
erklärte, daſs ſeine Partei kein Vertrauen zur Re-
gierung habe und daſs ſie nur deshalb für das
Budget ſtimme, um endlich der Wirtſchaft mit dem
§ 14 ein Ende zu machen. Auch Miniſterpräſident
Dr. v. Koerber griff in die Debatte ein.




[Spaltenumbruch]

Eben tritt Paul von ſeinem Vater fort. Ein
Freund, der einige Schritte von den beiden ent-
fernt ſeinen Platz hatte, rief dem Jüngling etwas
zu, und dieſer geht, da er nichts verſteht, näher
heran. Im ſelben Augenblick ſchwirrt ein ſonder-
barer, pfeifender Ton durch die Luft.

„Wieder eins von den Dingern, die nicht
krepieren“, bemerkt ein Mann, indem er ſich gleich-
müthig die Pfeife anzündet.

„Sie wollen ihre ſchlechte Munition los ſein“,
ſcherzte ein anderer. Drum verſchießen ſie ſie.“

Bisher waren die meiſten Geſchoſſe an den
Felſen abgeprallt, und die in das Lager herabfielen,
explodierten nicht. Dieſes aber ſenkt ſich im Bogen.
Sand und Steinſplitter fliegen. Und dann ſieht
Henrik ſeinen Jüngſten neben ſeinem Freunde am
Boden liegen. Blut rieſelt über die erdfarbenen
Joppen .....

Auf ſeinen Armen trägt Hendrik Paul nach
der anderen Seite des Hügels, wo man bereits
zwei Verwundete gebettet hat, und bereitet ihm auf
dürrem Gras ein möglichſt bequemes Lager. Man
legt dem jungen Mann einen Nothverband an.
Leiſe ächzend öffnet er die großen, blauen Augen.

„Waſſer, Waſſer!“

„Ja, mein Junge. Sollſt gleich welches
haben.“

Hendrik begiebt ſich zum Commandanten der Ab-
theilung. Derſelbe ſoll ihm erlauben, für den Ver-
wundeten Waſſer zu holen. Der Felſenkegel, auf
dem ſich das Häuflein Buren verſchanzt hat, tritt
an einer Stelle bis dicht an das Fluſsbett heran.
Es ſcheint Hendrik ausführbar, von einem etwa auf
[Spaltenumbruch] halber Höhe überhängenden Felsvorſprung ein Seil
mit einem Eimer in den Strom hinabzulaſſen und
wieder heraufzuziehen.

Der Commandant nickt bedächtig. Ja, das
iſt möglich. Aber um bis zu dem Vorſprung zu
gelangen, muſs man eine ſteile Wand herunter-
klettern, an der man dem Feuer der feindlichen
Kugeln zur Zielſcheibe dient.

„Schießen und treffen iſt zweierlei“, ſchmunzelte
Hendrik.

Der andere lacht kurz auf. „Und wie willſt
Du mit dem gefüllten Eimer heraufkommen?“ fragte
er dann.

„Der wird von oben die Wand emporgezogen.
Mit Hilfe einer Wagendeichſel und Striken leicht
gemacht. Die Leute werden dazu nicht einmal
gefährdet ſein. Sie ſehen ja, wenn die drüben
ſchießen und können ſich ducken.“

„Wenn die andern Dir helfen wollen — ich
will’s nicht verbieten.“

„Danke“, ſagt Hendrik kurz und geht, einige
Helfer zu werben, die ſich ſogleich bereit finden
laſſen.

Nur ſein älteſter Sohn, ein ſtattlicher Dreißi-
ger, macht ihm Vorſtellungen. „Laſs mich ’runter-
klettern, Vater. Ich bin jünger und —“

„Nein“, unterbricht der Alte in entſchiedenem
Ton. „Du magſt das Aufwinden beſorgen, Pieter.
Es iſt recht, daſs der Vater den gefährlicheren Theil
übernimmt.“

Und ſo geſchieht es. Vorſichtig, mit einer
für ſeine Jahre bewunderungswürdigen Gewandt-
heit ſteigt Hendrik die Felswand hinab. Staunend
[Spaltenumbruch] ſehen die Engländer das Beginnen des kühnen
Mannes. Ihren Augen erſcheint es geradezu wunder-
bar, wie er an der ſteilen Mauer nur Platz findet, die
Füße aufzuſetzen. Anfangs glauben ſie, es würden
ihm noch andere zur Ausführung eines kriegeriſchen
Zweckes folgen, und ein Hagel von Flintenkugeln
ergießt ſich in ſeiner Richtung. Aber die Buren ſind
nicht faul in der Erwiderung, und da die engli-
ſchen Schützen ſo gut wie gar keine Deckung haben,
ſo koſtet dieſer Kugelwechſel ihnen noch manchen
Mann. Unentwegt klimmt Hendrik weiter. Der
Schweiß perlt ihm von der Stirn, ſeine Hände
bluten von den ſcharfen Felszacken, ſeine Hände
zerreißen. Seine kraftſtrotzenden, ſehnigen Glieder
fangen an zu zittern von der furchtbaren Anſpan-
nung. Er achtete es nicht. Jetzt — endlich! — hat
er den Vorſprung erreicht — befeſtigt das Seil,
läſst den Eimer herab. Die Feinde hören plötzlich
auf zu feuern. In athemloſer Spannung verfolgen
hunderte von Augen jede ſeiner Bewegungen.

Und ruhig, als verrichte er das Geſchäft am
Ziehbrunnen ſeiner Farm, füllt er den Eimer und
zieht ihn vorſichtig wieder nach oben. Sein Hut
fällt ihm dabei vom Haupte und rollt in eine
Felsſpalte hinab. Er wendet nicht einmal den
Kopf darnach. Die Sonne brennt auf ſeinem grauen
Scheitel. Nun beugt er ſich vor und hebt mit
ſtarker Hand den Eimer über den Rand der natür-
lichen Felſenbrüſtung zu ſich in die Höhe. Und
dann ſteht er einen Augenblick regungslos und
blickt mit den falkenſcharfen, ungeblendeten Augen
über die Ebene jenſeits des Fluſſes, über die
Stellung des Feindes mit ihren auf ihn gerichte-


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Auf die Colonie Windthor&#x017F;t entfallen 2364 Hektar<lb/>
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Banjaluka. Die&#x017F;e Colonie i&#x017F;t kurz nach der Occupation<lb/>
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&#x017F;tücke &#x017F;ind durchwegs käuflich erworbenes Eigenthum<lb/>
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Bjelina, Kreis Dolnja Tuzla. Die&#x017F;er Ort i&#x017F;t eine<lb/>
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gegründete deut&#x017F;che Colonie, welche gut gedeiht und<lb/>
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&#x017F;chwemmung im Jahre 1897 materiell er&#x017F;tarkte und<lb/>
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Dolnja Tuzla gibt es eine Anzahl von kleineren<lb/>
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Windthor&#x017F;t befindet &#x017F;ich je eine große Molkerei der<lb/>
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und der Herzegowina auch auf die Dauer ihre deut&#x017F;che<lb/>
Nationalität und ihre guten nationalen Eigen&#x017F;chaften<lb/>
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Pre&#x017F;&#x017F;e Oe&#x017F;terreichs zufällt. Für eine alldeut&#x017F;che Wirt-<lb/>
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Colonien in die&#x017F;en Ländern &#x017F;ind gute Grundlagen<lb/>
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[2/0002] Marburger Zeitung Nr. 66, 4. Juni 1901 niemals eine große Siedlungspolitik betrieben und natürlich noch weniger germaniſiert, aber ſie hat auch den nach der Occupation ins Land gekommenen Bauern keine Hinderniſſe in den Weg gelegt, viel- mehr, wo es angieng, ſolche Niederlaſſungen ge- fördert. Heute weist Bosnien eine ganz beträchtliche Zahl von Colonien auf. Unter den Coloniſten des Occupationslandes nehmen die Deutſchen ſowohl in Bezug auf Tüchtigkeit, als der Zahl nach den erſten Rang ein. Bosnien zählt gegenwärtig 898 deutſche Coloniſten-Familien mit 4861 Seelen. Unter Coloniſten verſtehen wir hier nur landwirtſchaftliche Anſiedler, alſo ſolche, welche auf dem eigenen Grund und Boden ſelbſt Landwirtſchaft betreiben, nicht aber Kleinpächter privater Grundſtücke, deren es auch eine größere Anzahl im Lande gibt. Die wichtigſten Colonien ſind folgende: 1. Die Colonie Windthorſt. Dieſe im Bezirke Bosn.-Gradiska, Kreis Banjaluka, gelegene Colonie und das daran grenzende Maglaj (im Bezirke Banja- luka) ſind die älteſten der in Bosnien beſtehenden deutſchen Colonien. Sie wurden im Jahre 1879 ohne ſtaatliche Intervention von katholiſchen An- gehörigen des Deutſchen Reiches gegründet. Beide Colonien zuſammen bedecken eine Areale von 3200 Hektar und zählen 309 Familien mit etwa 1500 Köpfen. Auf die Colonie Windthorſt entfallen 2364 Hektar an Fläche, 226 Familien mit 1081 Seelen. Die Coloniſten ſind katholiſch und durchwegs deutſcher Nationalität. 2. Die Colonie Rudolfsthal, Bezirk und Kreis Banjaluka. Dieſe Colonie iſt kurz nach der Occupation von deutſchen Tirolern gegründet worden. Die Grund- ſtücke ſind durchwegs käuflich erworbenes Eigenthum der Coloniſten, ihr Geſammtausmaß beträgt 812 Hektar, auf welchen 83 Familien mit 406 Köpfen wohnen. Die Coloniſten ſind faſt durchwegs katholiſch. 3. Die Colonie Franz-Joſefsfeld im Bezirke Bjelina, Kreis Dolnja Tuzla. Dieſer Ort iſt eine von Banater „Schwaben“ Ende der Achtziger Jahre gegründete deutſche Colonie, welche gut gedeiht und trotz der ſchweren Heimſuchung durch eine Ueber- ſchwemmung im Jahre 1897 materiell erſtarkte und nun geſichert daſteht. Die Gründung der Colonie erfreute ſich der beſonderen Förderung der Regierung, theils durch Ankauf von Privat-Grundſtücken für Zwecke der Colonie, theils durch Zuweiſung landes- ärariſcher Rodegründe an die Anſiedler. Die Colonie umfaſst heute eine Grundfläche von 1026 Hektar, welche von 178 Familien mit 1084 Köpfen bewohnt wird. Die Franz-Joſefsfelder Coloniſten ſind durch- wegs evangeliſcher Confeſſion. 4. In den Kreiſen Banjaluka, Travnik und Dolnja Tuzla gibt es eine Anzahl von kleineren Niederlaſſungen, die von Deutſchen aus der Bukowina, aus Galizien, Ungarn und Croatien beſiedelt wurden. Bemerkenswert iſt, daſs viele dieſer Anſiedler früher nach Rußland ausgewandert waren, es aber ſpäter vorzogen, in Bosnien ſich niederzulaſſen. Die Zahl dieſer zerſtreuten Coloniſten wird mit 411 Familien mit 2290 Seelen angegeben, wovon 59 Familien mit 344 Seelen katholiſch und 352 Familien mit 1946 Seelen evangeliſch ſind. Was den Zuſtand der deutſchen Colonien in den Occupationsländern betrifft, ſo können die beiden älteſten, Windthorſt und Maglaj (Kreis Banjaluka), bereits als ſehr wohlhabend bezeichnet werden. Land- wirtſchaft und Viehzucht werden intenſiv betrieben und die Coloniſten haben auch bereits landwirt- ſchaftliche Induſtrie-Unternehmungen eingerichtet, wie Ringöfen, eine größere und eine kleinere Dampfmühle und eine Liqueurfabrik. In Maglaj ſowohl, als in Windthorſt befindet ſich je eine große Molkerei der bei Banjaluka angeſiedelten Trappiſten. Die Colonie Franz-Joſefsfeld hat wie erwähnt durch Ueberſchwemmungen der Save und Drina ſchwer gelitten, trotzdem wird aber ein Drittel der Colonie als ſehr wohlhabend, ein zweites Drittel als gut ſituiert bezeichnet. Bei dem Reſt macht ſich der Mangel an ausreichenden eigenen Grundſtücken recht ſtark fühlbar, da dieſe Familien nur Grundſtücke in geringem Ausmaße angekauft, das Uebrige aber nur gepachtet haben. Der Beſtand der Colonie iſt aber heute ein völlig ſicherer und ein weiteres Aufblühen zu erwarten. Auch den anderen Colonien läſst ſich eine günſtige Vorherſagung machen, nur in Vranovac und Prozora iſt die Coloniſation nicht ſo raſch ge- glückt, weil man mit den vochandenen Barmitteln unpraktiſch umgegangen iſt. Aber auch dieſe beiden im Bezirke Dubica gelegenen Colonien haben ſo günſtige Bedingungen, daſs mit Sicherheit ihre baldige Sanierung erwartet wird. Der größte Theil der deutſchen Anſiedler gehört der evangeliſchen Confeſſion an. Die deutſchen Bauern ſind ein für die Coloniſation beſonders ge- eignetes Element, es ſind beſonnene, äußerſt fleißige Leute, phyſiſch kräftig, ausdauernd, nüchtern und von hochentwickeltem Gemeinſinn. Es wäre nur zu wünſchen, daſs die deutſchen Coloniſten in Bosnien und der Herzegowina auch auf die Dauer ihre deutſche Nationalität und ihre guten nationalen Eigenſchaften bewahren. Sie im Zuſammenhange mit dem Mutter- lande zu erhalten, iſt eine Aufgabe, welche der deutſchen Intelligenz des Landes und der deutſchen Preſſe Oeſterreichs zufällt. Für eine alldeutſche Wirt- ſchaftspolitik werden Bosnien und die Herzegowina als Hinterländer des dalmatiſchen Küſtenſaumes einmal eine große Bedeutung erhalten und die deutſchen Colonien in dieſen Ländern ſind gute Grundlagen für intenſive deutſche Handelsbeziehungen. Politiſche Umſchau. Inland. — Eine Niederlage der Lehrer- feinde. Das Unterrichtsminiſterium hat die Ent- laſſung des Wiener Lehrers Rehling aufgehoben und dieſen in gleicher Eigenſchaft an eine andere Dienſtſtelle verſetzt. Herr Rehling war bekanntlich wegen einer deutſchnationalen Ver- ſammlungsrede in Diſciplinarunterſuchung gezogen und vom chriſtlichſocialen niederöſterreichiſchen Lan- desſchulrathe entlaſſen worden, wie es der chriſtlich- ſociale Bezirksſchulrath von Wien gewünſcht hatte. Der niederöſterreichiſche Landesſchulrath hat die vom chriſtlichſocialen Wiener Bezirksſchulrathe verfügte Suspendierung des Abg. Lehrer Seitz vom Lehramte, als ungeſetzlich, aufge- hoben. Die chriſtlichſociale Brutalität gegen Andersdenkende wird ſelbſt unſeren Behörden ſchon zu arg. — Das Abgeordnetenhaus hielt am Samstag eine denkwürdige Sitzung ab. Die beiden großen Inveſtitions-Geſetze, jenes über die Alpen- bahnen und das über die Waſſerſtraßen, gelangten zur dritten Leſung und in wenigen Wochen werden ſie auch Geſetzeskraft erlangt haben. Die beiden Referenten über die Geſetze, welche die- ſelben mit kurzen Worten der dritten Leſung em- pfahlen, Dr. Sylveſter und Dr. Menger, wurden acclamiert. Die Inveſtitions-Vorlage wurde einſtimmig angenommen. Bei der dritten Leſung der Waſſerſtraßen-Vorlage ſtellte Abg. Lemiſch den Antrag auf namentliche Abſtimmung, um den enragierteſten Gegnern der Vorlage die Möglichkeit zu bieten, noch einmal gegen die Vorlage zu de- monſtrieren. Der feudale böhmiſche Hochadel und ein Theil des verfaſſungstreuen Großgrundbeſitzes entfernten ſich aus dem Saale und ſtimmten nicht, ebenſo der größte Theil der bäuerlichen Vertreter in der katholiſchen Volkspartei und der Slovenen. Die Alldeutſchen waren ſpärlich im Saale ver- treten und ſtimmten geſchloſſen gegen die Vorlage — aber die Vertreter der Induſtriebezirke in ihren Reihen waren im Saale nicht anweſend. Mit den Alldeutſchen ſtimmte ein Theil der Agrarier aller übrigen Parteien auf der Linken wie auf der Rechten des Hauſes. Das Geſetz wurde mit 198 gegen 46 Stimmen angenommen. Dieſes Re- ſultat wurde mit ſtürmiſchem Beifalle aufgenommen. Miniſter-Präſident Dr. v. Koerber wurde beglück- wünſcht. — In der geſtrigen Sitzung des Abgeord- netenhauſes wurde die Debatte über das Budget- proviſorium fortgeſetzt. Es waren im ganzen ſechzehn Redner zum Worte gemeldet. Man konnte alſo auf eine lange Dauer der Sitzung ge- faſst ſein. Als erſter Redner ſprach der Vertreter der Deutſchen Fortſchrittspartei, Dr. Groß, der, im Gegenſatze zur Stellung, welche die Deutſche Volkspartei durch den Abg. Löcker präciſieren ließ, erklärte, daſs ſeine Partei kein Vertrauen zur Re- gierung habe und daſs ſie nur deshalb für das Budget ſtimme, um endlich der Wirtſchaft mit dem § 14 ein Ende zu machen. Auch Miniſterpräſident Dr. v. Koerber griff in die Debatte ein. Eben tritt Paul von ſeinem Vater fort. Ein Freund, der einige Schritte von den beiden ent- fernt ſeinen Platz hatte, rief dem Jüngling etwas zu, und dieſer geht, da er nichts verſteht, näher heran. Im ſelben Augenblick ſchwirrt ein ſonder- barer, pfeifender Ton durch die Luft. „Wieder eins von den Dingern, die nicht krepieren“, bemerkt ein Mann, indem er ſich gleich- müthig die Pfeife anzündet. „Sie wollen ihre ſchlechte Munition los ſein“, ſcherzte ein anderer. Drum verſchießen ſie ſie.“ Bisher waren die meiſten Geſchoſſe an den Felſen abgeprallt, und die in das Lager herabfielen, explodierten nicht. Dieſes aber ſenkt ſich im Bogen. Sand und Steinſplitter fliegen. Und dann ſieht Henrik ſeinen Jüngſten neben ſeinem Freunde am Boden liegen. Blut rieſelt über die erdfarbenen Joppen ..... Auf ſeinen Armen trägt Hendrik Paul nach der anderen Seite des Hügels, wo man bereits zwei Verwundete gebettet hat, und bereitet ihm auf dürrem Gras ein möglichſt bequemes Lager. Man legt dem jungen Mann einen Nothverband an. Leiſe ächzend öffnet er die großen, blauen Augen. „Waſſer, Waſſer!“ „Ja, mein Junge. Sollſt gleich welches haben.“ Hendrik begiebt ſich zum Commandanten der Ab- theilung. Derſelbe ſoll ihm erlauben, für den Ver- wundeten Waſſer zu holen. Der Felſenkegel, auf dem ſich das Häuflein Buren verſchanzt hat, tritt an einer Stelle bis dicht an das Fluſsbett heran. Es ſcheint Hendrik ausführbar, von einem etwa auf halber Höhe überhängenden Felsvorſprung ein Seil mit einem Eimer in den Strom hinabzulaſſen und wieder heraufzuziehen. Der Commandant nickt bedächtig. Ja, das iſt möglich. Aber um bis zu dem Vorſprung zu gelangen, muſs man eine ſteile Wand herunter- klettern, an der man dem Feuer der feindlichen Kugeln zur Zielſcheibe dient. „Schießen und treffen iſt zweierlei“, ſchmunzelte Hendrik. Der andere lacht kurz auf. „Und wie willſt Du mit dem gefüllten Eimer heraufkommen?“ fragte er dann. „Der wird von oben die Wand emporgezogen. Mit Hilfe einer Wagendeichſel und Striken leicht gemacht. Die Leute werden dazu nicht einmal gefährdet ſein. Sie ſehen ja, wenn die drüben ſchießen und können ſich ducken.“ „Wenn die andern Dir helfen wollen — ich will’s nicht verbieten.“ „Danke“, ſagt Hendrik kurz und geht, einige Helfer zu werben, die ſich ſogleich bereit finden laſſen. Nur ſein älteſter Sohn, ein ſtattlicher Dreißi- ger, macht ihm Vorſtellungen. „Laſs mich ’runter- klettern, Vater. Ich bin jünger und —“ „Nein“, unterbricht der Alte in entſchiedenem Ton. „Du magſt das Aufwinden beſorgen, Pieter. Es iſt recht, daſs der Vater den gefährlicheren Theil übernimmt.“ Und ſo geſchieht es. Vorſichtig, mit einer für ſeine Jahre bewunderungswürdigen Gewandt- heit ſteigt Hendrik die Felswand hinab. Staunend ſehen die Engländer das Beginnen des kühnen Mannes. Ihren Augen erſcheint es geradezu wunder- bar, wie er an der ſteilen Mauer nur Platz findet, die Füße aufzuſetzen. Anfangs glauben ſie, es würden ihm noch andere zur Ausführung eines kriegeriſchen Zweckes folgen, und ein Hagel von Flintenkugeln ergießt ſich in ſeiner Richtung. Aber die Buren ſind nicht faul in der Erwiderung, und da die engli- ſchen Schützen ſo gut wie gar keine Deckung haben, ſo koſtet dieſer Kugelwechſel ihnen noch manchen Mann. Unentwegt klimmt Hendrik weiter. Der Schweiß perlt ihm von der Stirn, ſeine Hände bluten von den ſcharfen Felszacken, ſeine Hände zerreißen. Seine kraftſtrotzenden, ſehnigen Glieder fangen an zu zittern von der furchtbaren Anſpan- nung. Er achtete es nicht. Jetzt — endlich! — hat er den Vorſprung erreicht — befeſtigt das Seil, läſst den Eimer herab. Die Feinde hören plötzlich auf zu feuern. In athemloſer Spannung verfolgen hunderte von Augen jede ſeiner Bewegungen. Und ruhig, als verrichte er das Geſchäft am Ziehbrunnen ſeiner Farm, füllt er den Eimer und zieht ihn vorſichtig wieder nach oben. Sein Hut fällt ihm dabei vom Haupte und rollt in eine Felsſpalte hinab. Er wendet nicht einmal den Kopf darnach. Die Sonne brennt auf ſeinem grauen Scheitel. Nun beugt er ſich vor und hebt mit ſtarker Hand den Eimer über den Rand der natür- lichen Felſenbrüſtung zu ſich in die Höhe. Und dann ſteht er einen Augenblick regungslos und blickt mit den falkenſcharfen, ungeblendeten Augen über die Ebene jenſeits des Fluſſes, über die Stellung des Feindes mit ihren auf ihn gerichte-

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Benjamin Fiechter, Susanne Haaf: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat). (2018-01-26T13:38:42Z)
grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Amelie Meister: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z)

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Zitationshilfe: Marburger Zeitung. Nr. 66, Marburg, 04.06.1901, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_marburger66_1901/2>, abgerufen am 03.12.2024.