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Marburger Zeitung. Nr. 53, Marburg, 15.05.1900.

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Nr. 53, 14. Mai 1900 Marburger Zeitung

[Spaltenumbruch]

geschlossen fanden. Der Hauptlehrer wurde erst
von ihnen durch Klopfen aus dem Schlafe geweckt
und erschien bald darauf in nothdürftiger Kleidung.
Als er die hohen Herren gewahr wurde, stotterte
er einige Worte der Entschuldigung und begründete
seinen Schulschluss dadurch, dass seine Familie in
der vergangenen Nacht von Zwillingen bereichert
sei. Die persönliche Ueberzeugung ließ die Herren
Revisoren zu dem Schluss kommen, dass nichts zu
ändern sei, denn aus der Wiege lächelten ihnen
ein paar junge Weltbürger entgegen. Es fand all-
gemeine Gratulation statt nnd es gieng jetzt zum
zweiten Lehrer. Auch dessen Classe ist geschlossen
und in demselben Habit erscheint der Unterlehrer und
zitternd und zagend meldet er den Herren den Zu-
wachs seiner Familie in der vergangenen Nacht an.
Der Herr runzelt bedenklich die Stirne und fragt
ironisch "doch nicht Zwillinge?" -- "Jawohl, Herr
Schulrath, auch Zwillinge" erwidert der in Aengsten
schwebende Lehrer. Die Herren Revisoren traten
an die zweite Wiege und wieder lächelte ihnen dort
ein frohvergnügtes Zwillingspaar entgegen. Nach
wiederholtem Glückwunsche verließen die Herren die
so reich gesegnete Stätte ihres Revisionsbezirkes.

(Ein Mittel gegen Keuchhusten.)

Bei dem häufigen Auftreten dieser lä-
stigen Kinderkrankheit, finden wir es für
angezeigt, folgende Zeilen mitzutheilen: Eine der
langwierigsten Kinderkrankheiten ist der Keuchhusten;
ohne eigentlich gefährlich zu sein, zählt er zu einem
der bösartigsten, hartnäckigsten Uebel, die die armen
Kleinen durchzumachen haben. Bis vor kurzem hat
man kein Mittcl gekannt, die fast regelmäßige Dauer
des Keuchhustens -- 12 bis 14 Wochen -- abzu-
brechen, als Luftveränderung und diese hat nicht
immer den erwünschten Erfolg erzielt. Durch Zufall
hat man in Poris die Entdeckung gemacht, dass
Naphtalin im geschmolzenen Zustande eine ungemein
wohlthuende Wirkung auf die vom Keuchhusten
Befallenen, ja in den meisten Fällen sogar voll-
ständige Heilung bervorbringt. Man nimmt 1 bis
11/2 Deka Naphtalin und gibt auf einen mäßig er-
wärmten Ofen immer nur so viel, als man zwischen
zwei Fingerspitzen fassen kann; ein zu großes
Quantum auf einmal auf die Ofenplatte gestreut,
würde sich leicht entzünden. Es beginnt zu schmelzen,
erfüllt das Zimmer mit Dämpfen, die den Husten-
anfall sofort lindern, wenn nicht gänzlich beseitigen.
Wiederholt man dieses Verfahren 1--2mal täglich,
am besten des morgens und abends, so kann der
Husten in einigen Tagen gründlich geheilt sein.

(Eine telegraphische Trauung.)

Eine
echt amerikanische Hochzeit hat, wie aus Newyork
berichtet wird, jüngst in Kansas City und Mulhall
stattgefunden. Da der Bräutigam unaufschiebbarer
Geschäfte halber am Tage der Trauung in Washington
sein musste, und die Braut nicht rasch genug in
Kansas City eintreffen konnte, wurde ein Arrangement
mit der Telegraphen-Gesellschaft getroffen, welche
dem Paare eine directe Verbindung zur Verfügung
stellte. Der Bräutigam, der Pastor und zwei Zeugen
befanden sich an der einen, die Braut, von ihren
Eltern und einer Schwester begleitet, an der anderen
Station. Sämmtliche im Gesetze vorgeschriebenen
Fragen und Antworten, sowie die Ansprache, mit
welcher der Pastor das Paar verband, wurden per
Draht übermittelt, an jedem Ende von dem auf-
nehmenden Telegraphisten verlesen, und das alles
so glatt und exact, dass die ganze Ceremonie knappe
20 Minuten in Anspruch nahm.

(Eine Adelsfabrik)

ist die neueste Er-
rungenschaft findiger Russen, die binnen kurzem
vor den Schranken des Senats die gebürende
Würdigung finden wird. Im Gouvernement Kutais
ist eine Anzahl Personen in Haft genommen worden,
die sich gegen anständige Zahlung zur Fälschung
von Adelsbriefen des imeritischen Zaren Salomo
und der einstigen Beherrscher Mingreliens, der
Fürsten David und Leo Dadiani, hergaben und
dieselbe ungestraft in sehr großem Maßstabe jahre-
lang betrieben haben. Die Untersuchung steht hier
vor einem grandiosen Meineids-, Fälschungs- und
Bestechungsprocess, der sehr charakteristische Streif-
lichter auf das Beamtenthum in den russischen
Grenzmarken wirft und in einem solchen Umfange
wohl noch nie vor russischen Gerichten verhandelt
worden ist. Die Häupter dieser Fälscherbande,
Aschostria, Schelia, Burgawa und Zulaiskeri, alle
Kaukasier, befinden sich gegenwärtig im Gefängnis
zu Kutais, dessen ganzes Gouvernement sie mit
ihren Vertretern bezogen hatten, die alle nach
Leuten suchten, die für einen Adelsbrief Geld zahlen.
Außerdem unterhielten sie eine Filiale in Tiflis,
[Spaltenumbruch] die gleichfalls sehr gut arbeitete, da bisher die
Fälschung von allein 285 Fürstendiplomen fest-
gestellt werden konnte, während die Zahl der son-
stigen Adelsbriese Legion ist. -- Diese Documente
wurden von deren Inhaber in das Adelsarchiv
von Kutais zur Eintragung in die Adelsbücher ein-
gesandt, was gewisse bestochene Beamte de[r] dortigen
Kanzlei seit mehreren Jahren anstandslos im Dienste
der Fälscher gethan haben, bis plötzlich kürzlich der
Wechsel des Vicegouverneurs das ganze Treiben
dieser Adelsfabrik aufdeckte. Dem neueingesetzten
Vicegouverneur fielen die vielen Radierungen in
den Adelsbüchern auf, zudem bestärkte ein aus dem
Heroldsdepartement an ihn unbestätigt zurück-
gesandtes Fürstendiplom eines stadtbekannten
Wucherers seinen Verdacht, der sich bei einer tele-
graphischen Anfrage in Petersburg bestätigte, weil
es sich erwies, dass der dem besagten Fürsten-
diplom beigelegte Brief des Vicegouverneurs, in
welchem er das Heroldsdepartement darum ersuchte,
das Diplom nicht ihm, sondern dem Adelsarchiv
bestätigt zuzustelle[n], gefälscht war. Nun erfolgte die
Aufdeckung der grandiosen Fälschungen, in denen
viele Beamte verwickelt sind, und die Uebergabe an
die Procuratur. Der Monstreprocess, der 285 Per-
sonen ihres unrechtmäßigen Fürstentitels entkleiden
wird, dürfte zahllose Missbräuche in dem Ver-
waltungsapparat der Provinz aufdecken.

(Eisenbahn-Zusammenstoß.)

Auf
der Baltimore-Ohio-Eisenbahn stießen am Samstag
im Tunnel bei Philadelphia zwei Güterzüge zusammen,
wobei sieben Personen ums Leben kamen.

(Am Operationstische gestorben.)

Der Professor an der Prager Klinik, Wölfler,
sollte Samstag an einem 16jährigen Mädchen die
Operation eines Halsabcesses vornehmen, zu welchem
Zwecke das Mädchen narkotisiert werden musste. Die
Patientin starb jedoch während der Narkose, noch ehe
die Operation vorgenommen worden war.

(Strafe für Bigamie in England.)

Lord Russell, der sich im glücklichen Besitze zweier
legitimer Gattinnen befindet, von denen er die eine
in England und die andere in Amerika geheiratet hat,
wird in einigen Tagen in London erwartet, wo sein
Fall zur Verhandlung kommen soll. Man streitet in-
zwischen darüber, ob eine der beiden Ehen für ungiltig
erklärt werden muss oder ob Lord Russell wegen
Bigamie anzuklagen ist. Der Oberrichter von Eng-
land, Sir Killowen, wurde über den merkwürdigen
Fall von einem wissbegierigen Reporter befragt.
"Welche Strafe erhält ein Mann, welcher zwei Frauen
geheiratet hat?" begehrte der Reporter zu wissen.
"Zwei Schwiegermütter!" antwortete Sir Killowen
ohne Besinnen, und man sah es ihm an, dass er
von der Härte dieses Schicksals tief ergriffen war.

(Die Kosten des Krieges)

Im englischen
Unterhause theilt der Staatssecretär des Kriegsamtes
mit, dass die Kriegskosten sich bis jetzt auf 23,250.000
Pfund Sterling beziffern. Das sind ungefähr 465
Millionen Mark. Der Staatssecretär scheint aber in
seiner Zusammenstellung der Kriegsausgaben einige
Posten vergessen oder absichtlich übersehen zu haben,
denn nach anderen Angaben betragen die Kosten
2 Milliarden Mark.




Eigen-Berichte.
(Hauptver-
sammlungen.)

Am 12. d. hielten die beiden
Ortsgruppen des Deutschen Schulvereines und die
Südmarkortsgruppe ihre Hauptversammlung ab.
Herr Bürgermeister Schwarz eröffnete die Ver-
sammlungen mit der Begrüßung der Erschienenen
und erwähnte in kurzen Worten, dass im abge-
gelaufenen Jahre sich die Verhältnisse der Deutschen,
insbesondere des steirischen Unterlandes, wieder
nicht gebessert haben, daher ein zielbewusstes völ-
kisches Wirken aller Deutschen mehr denn je noth-
wendig ist. Herr Wirth erstattete hierauf den
Rechenschaftsbericht über die beiden Ortsgruppen
des Deutschen Schulvereines. Aus demselben war
zu entnehmen der erfreuliche Zuwachs an Mit-
gliedern bei der Frauen- und Mädchenortsgruppe
von 22 auf 46 Mitgliedern, was den Bemühungen
der Frau Jesernig besonders zu danken ist.
Beide Ortsgruppen sind im verflossenen Vereins-
jahre dem südsteirischen Gaue beigetreten. Herr
Mauritsch trug den Cassabericht vor. Die Ein-
nahmen waren bei der Herrenortsgruppe 21 fl.,
bei der Frauen- und Mädchenortsgruppe 47 fl.,
Herr Mauritsch begründete auch die geringe Mit-
gliederzahl der Herrenortsgruppe, indem er auf die
beträchtliche Zahl von Vereinen in Luttenberg hin-
wies. Der Frau Jesernig wird der Dank durch ein
[Spaltenumbruch] Heil ausgedrückt. Nachdem Frau Notar Thurn
erklären ließ, die Stelle einer Obfrau nicht mehr
annehmen zu können, wurde die Wahl der Vereins-
leitung bei der Frauen- und Mädchenortsgruppe
vorgenommen; sie hatte folgendes Ergebnis: Obfrau
Frau v. Ducar, Stellvertreterin Frau Names-
nig,
Schriftführerin Frau Derniatsch, Stell-
vertreterin Frau Hönigmann, Cassierin Frau
Jesernig, Stellvertreterin Frau Duller. Bei
der Männerortsgruppe: Obmann Herr Bürger-
meister Schwarz, Stellvertreter Herr Thurn,
Schriftführer Herr Wirth, Stellvertreter Herr
Voller, Cassier Herr Mauritsch, Stellvertreter
Herr Hönigmann. Auf Antrag des Herrn
Duller wird den Herren Schwarz und Mau-
ritsch der besondere Dank ausgedrückt. Den im ver-
gangenen Jahre verstorbenen Mitgliedern Frau
Nowak und Herrn Steier hält Herr Schwarz
einen Nachruf, worauf sich die Anwesenden von den
Sitzen erhoben. Als Vertreter für die Hauptver-
sammlung in Graz wird von beiden Ortsgruppen
Herr Mauritsch gewählt. Herr Schwarz be-
antragt, der Frau Notar Thurn in geeigneter
Weise den Dank für die Leitung der Frauen- und
Mädchenortsgruppe auszudrücken. -- Die Versamm-
lung der Südmarkortsgruppe leitete Herr Mau-
ritsch.
Gewählt wird als Obmann Herr Notar
Thurn, als Schriftführer Herr Lehrer Voller,
als Cassier Herr Postmeister Mauritsch. Der
Antrag der Hauptleitung auf Gründung eines Gaues,
der die Ortsgruppen Luttenberg, Radkersburg,
Mureck, Straß und Egydi umfassen soll, wird
freudigst begrüßt. Zur diesbezüglichen Vorbesprechung
in Radkersburg werden die Herren Thurn und
Mauritsch gewählt. Unter den Anträgen ist
besonders bemerkenswert der Antrag auf Einführung
der Südmarkzünder. Herr Hönigmann erklärt
sich bereit, den Verkauf zu übernehmen. Zum Schlusse
richtete Herr Dr. Namesnig an die neue Leitung
Worte der Aufmunterung zu eifriger Thätigkeit.

(Nach Mahren-
berg.)

Gegen die in der Nr. 39 der "Marburger
Zeitung" unter obiger Spitzmarke gemachten Vor-
würfe der "Waschlappigkeit" und "nationalen Zwie-
schlächtigkeit", die auf die deutschen Lehrer des
Mahrenberger Lehrervereines gerichtet waren, nahm
die letzte in Hohenmauthen tagende Versammlung
des oben genannten Vereines entschiedene Stellung
und erklärten die Angegriffenen, wie folgt: "Die
deutsche Lehrerschaft des Mahrenberger Lehrer-
vereines steht nach wie vor treu zum deutschen
Volke und denkt nicht im geringsten daran, ihr
völkisches Fühlen in den Hintergrund zu stellen.
Sie ist sich ihrer schweren Aufgabe an der Sprach-
grenze voll bewusst und will mit ihren besten
Kräften für die Hebung der ihr anvertrauten
Schulen wirken. In eine weitere Zeitungspolemik
lässt sich der Verein nicht ein." Diese Entschließung
wurde vom Obmanne vorgetragen und begründet,
worauf die anwesenden deutschen Lehrer ein-
stimmig ihre Zustimmung ausdrückten.

(Stellung.)

Das Ergebnis der am 9., 10. und 11. d. M. hier
abgehaltenen Stellung ist Folgendes: Von den
200 vorgeführten einheimischen Stellungspflichtigen
aller drei Altersclassen wurden 46 und von den
250 vorgeführten fremden Stellungspflichtigen aller
drei Classen 62 für tauglich befunden. Das Tauglich-
keitspercent stellte sich somit bei den Einheimischen
auf 23, bei den Fremden auf 24·4.

(Zur Er-
richtung einer Bezirkshauptmannschaft.)

Wie verlautet, hat das k. k. Finanzministerium beim
k. k. Justizministerium, das wegen der weiteren Be-
lassung der Steueramtsräume im k. k. Bezirksgerichte
die Freimachung dieser Localitäten verlangte, eine
Frist bis zum Juni des Jahres 1902 angestrebt.
Während dieser Zeit soll ein neues Amtsgebäude
in Mürzzuschlag errichtet werden und soll im Ein-
verständnisse mit dem k. k. Ministerium des Innern
dort auch die zu errichtende k. k. Bezirkshauptmann-
schaft untergebracht werden. Es wird die neue Bezirks-
hnuptmannschaft nicht die Gerichtsbezirke Mürzzuschlag
und Maria-Zell, sondern Mürzzuschlag und Kindberg
umfassen, während Maria-Zell der Bezirkshaupt-
mannschaft Bruck a. d. Mur einverleibt bleibt.




Aufruf an die geehrten Radfahrer
und Radfahrerinnen der Steiermark.

Der Fahrradverkehr erfreut sich in unserem
Lande von Jahr zu Jahr größerer Verbreitung.
In demselben Maße jedoch und als natürliche Folge
dieser Verbreitung entäußert sich derselbe seines

Nr. 53, 14. Mai 1900 Marburger Zeitung

[Spaltenumbruch]

geſchloſſen fanden. Der Hauptlehrer wurde erſt
von ihnen durch Klopfen aus dem Schlafe geweckt
und erſchien bald darauf in nothdürftiger Kleidung.
Als er die hohen Herren gewahr wurde, ſtotterte
er einige Worte der Entſchuldigung und begründete
ſeinen Schulſchluſs dadurch, daſs ſeine Familie in
der vergangenen Nacht von Zwillingen bereichert
ſei. Die perſönliche Ueberzeugung ließ die Herren
Reviſoren zu dem Schluſs kommen, daſs nichts zu
ändern ſei, denn aus der Wiege lächelten ihnen
ein paar junge Weltbürger entgegen. Es fand all-
gemeine Gratulation ſtatt nnd es gieng jetzt zum
zweiten Lehrer. Auch deſſen Claſſe iſt geſchloſſen
und in demſelben Habit erſcheint der Unterlehrer und
zitternd und zagend meldet er den Herren den Zu-
wachs ſeiner Familie in der vergangenen Nacht an.
Der Herr runzelt bedenklich die Stirne und fragt
ironiſch „doch nicht Zwillinge?“ — „Jawohl, Herr
Schulrath, auch Zwillinge“ erwidert der in Aengſten
ſchwebende Lehrer. Die Herren Reviſoren traten
an die zweite Wiege und wieder lächelte ihnen dort
ein frohvergnügtes Zwillingspaar entgegen. Nach
wiederholtem Glückwunſche verließen die Herren die
ſo reich geſegnete Stätte ihres Reviſionsbezirkes.

(Ein Mittel gegen Keuchhuſten.)

Bei dem häufigen Auftreten dieſer lä-
ſtigen Kinderkrankheit, finden wir es für
angezeigt, folgende Zeilen mitzutheilen: Eine der
langwierigſten Kinderkrankheiten iſt der Keuchhuſten;
ohne eigentlich gefährlich zu ſein, zählt er zu einem
der bösartigſten, hartnäckigſten Uebel, die die armen
Kleinen durchzumachen haben. Bis vor kurzem hat
man kein Mittcl gekannt, die faſt regelmäßige Dauer
des Keuchhuſtens — 12 bis 14 Wochen — abzu-
brechen, als Luftveränderung und dieſe hat nicht
immer den erwünſchten Erfolg erzielt. Durch Zufall
hat man in Poris die Entdeckung gemacht, daſs
Naphtalin im geſchmolzenen Zuſtande eine ungemein
wohlthuende Wirkung auf die vom Keuchhuſten
Befallenen, ja in den meiſten Fällen ſogar voll-
ſtändige Heilung bervorbringt. Man nimmt 1 bis
1½ Deka Naphtalin und gibt auf einen mäßig er-
wärmten Ofen immer nur ſo viel, als man zwiſchen
zwei Fingerſpitzen faſſen kann; ein zu großes
Quantum auf einmal auf die Ofenplatte geſtreut,
würde ſich leicht entzünden. Es beginnt zu ſchmelzen,
erfüllt das Zimmer mit Dämpfen, die den Huſten-
anfall ſofort lindern, wenn nicht gänzlich beſeitigen.
Wiederholt man dieſes Verfahren 1—2mal täglich,
am beſten des morgens und abends, ſo kann der
Huſten in einigen Tagen gründlich geheilt ſein.

(Eine telegraphiſche Trauung.)

Eine
echt amerikaniſche Hochzeit hat, wie aus Newyork
berichtet wird, jüngſt in Kanſas City und Mulhall
ſtattgefunden. Da der Bräutigam unaufſchiebbarer
Geſchäfte halber am Tage der Trauung in Waſhington
ſein muſste, und die Braut nicht raſch genug in
Kanſas City eintreffen konnte, wurde ein Arrangement
mit der Telegraphen-Geſellſchaft getroffen, welche
dem Paare eine directe Verbindung zur Verfügung
ſtellte. Der Bräutigam, der Paſtor und zwei Zeugen
befanden ſich an der einen, die Braut, von ihren
Eltern und einer Schweſter begleitet, an der anderen
Station. Sämmtliche im Geſetze vorgeſchriebenen
Fragen und Antworten, ſowie die Anſprache, mit
welcher der Paſtor das Paar verband, wurden per
Draht übermittelt, an jedem Ende von dem auf-
nehmenden Telegraphiſten verleſen, und das alles
ſo glatt und exact, daſs die ganze Ceremonie knappe
20 Minuten in Anſpruch nahm.

(Eine Adelsfabrik)

iſt die neueſte Er-
rungenſchaft findiger Ruſſen, die binnen kurzem
vor den Schranken des Senats die gebürende
Würdigung finden wird. Im Gouvernement Kutais
iſt eine Anzahl Perſonen in Haft genommen worden,
die ſich gegen anſtändige Zahlung zur Fälſchung
von Adelsbriefen des imeritiſchen Zaren Salomo
und der einſtigen Beherrſcher Mingreliens, der
Fürſten David und Leo Dadiani, hergaben und
dieſelbe ungeſtraft in ſehr großem Maßſtabe jahre-
lang betrieben haben. Die Unterſuchung ſteht hier
vor einem grandioſen Meineids-, Fälſchungs- und
Beſtechungsproceſs, der ſehr charakteriſtiſche Streif-
lichter auf das Beamtenthum in den ruſſiſchen
Grenzmarken wirft und in einem ſolchen Umfange
wohl noch nie vor ruſſiſchen Gerichten verhandelt
worden iſt. Die Häupter dieſer Fälſcherbande,
Aſchoſtria, Schelia, Burgawa und Zulaiskeri, alle
Kaukaſier, befinden ſich gegenwärtig im Gefängnis
zu Kutais, deſſen ganzes Gouvernement ſie mit
ihren Vertretern bezogen hatten, die alle nach
Leuten ſuchten, die für einen Adelsbrief Geld zahlen.
Außerdem unterhielten ſie eine Filiale in Tiflis,
[Spaltenumbruch] die gleichfalls ſehr gut arbeitete, da bisher die
Fälſchung von allein 285 Fürſtendiplomen feſt-
geſtellt werden konnte, während die Zahl der ſon-
ſtigen Adelsbrieſe Legion iſt. — Dieſe Documente
wurden von deren Inhaber in das Adelsarchiv
von Kutais zur Eintragung in die Adelsbücher ein-
geſandt, was gewiſſe beſtochene Beamte de[r] dortigen
Kanzlei ſeit mehreren Jahren anſtandslos im Dienſte
der Fälſcher gethan haben, bis plötzlich kürzlich der
Wechſel des Vicegouverneurs das ganze Treiben
dieſer Adelsfabrik aufdeckte. Dem neueingeſetzten
Vicegouverneur fielen die vielen Radierungen in
den Adelsbüchern auf, zudem beſtärkte ein aus dem
Heroldsdepartement an ihn unbeſtätigt zurück-
geſandtes Fürſtendiplom eines ſtadtbekannten
Wucherers ſeinen Verdacht, der ſich bei einer tele-
graphiſchen Anfrage in Petersburg beſtätigte, weil
es ſich erwies, daſs der dem beſagten Fürſten-
diplom beigelegte Brief des Vicegouverneurs, in
welchem er das Heroldsdepartement darum erſuchte,
das Diplom nicht ihm, ſondern dem Adelsarchiv
beſtätigt zuzuſtelle[n], gefälſcht war. Nun erfolgte die
Aufdeckung der grandioſen Fälſchungen, in denen
viele Beamte verwickelt ſind, und die Uebergabe an
die Procuratur. Der Monſtreproceſs, der 285 Per-
ſonen ihres unrechtmäßigen Fürſtentitels entkleiden
wird, dürfte zahlloſe Miſsbräuche in dem Ver-
waltungsapparat der Provinz aufdecken.

(Eiſenbahn-Zuſammenſtoß.)

Auf
der Baltimore-Ohio-Eiſenbahn ſtießen am Samstag
im Tunnel bei Philadelphia zwei Güterzüge zuſammen,
wobei ſieben Perſonen ums Leben kamen.

(Am Operationstiſche geſtorben.)

Der Profeſſor an der Prager Klinik, Wölfler,
ſollte Samstag an einem 16jährigen Mädchen die
Operation eines Halsabceſſes vornehmen, zu welchem
Zwecke das Mädchen narkotiſiert werden muſste. Die
Patientin ſtarb jedoch während der Narkoſe, noch ehe
die Operation vorgenommen worden war.

(Strafe für Bigamie in England.)

Lord Ruſſell, der ſich im glücklichen Beſitze zweier
legitimer Gattinnen befindet, von denen er die eine
in England und die andere in Amerika geheiratet hat,
wird in einigen Tagen in London erwartet, wo ſein
Fall zur Verhandlung kommen ſoll. Man ſtreitet in-
zwiſchen darüber, ob eine der beiden Ehen für ungiltig
erklärt werden muſs oder ob Lord Ruſſell wegen
Bigamie anzuklagen iſt. Der Oberrichter von Eng-
land, Sir Killowen, wurde über den merkwürdigen
Fall von einem wiſsbegierigen Reporter befragt.
„Welche Strafe erhält ein Mann, welcher zwei Frauen
geheiratet hat?“ begehrte der Reporter zu wiſſen.
„Zwei Schwiegermütter!“ antwortete Sir Killowen
ohne Beſinnen, und man ſah es ihm an, daſs er
von der Härte dieſes Schickſals tief ergriffen war.

(Die Koſten des Krieges)

Im engliſchen
Unterhauſe theilt der Staatsſecretär des Kriegsamtes
mit, daſs die Kriegskoſten ſich bis jetzt auf 23,250.000
Pfund Sterling beziffern. Das ſind ungefähr 465
Millionen Mark. Der Staatsſecretär ſcheint aber in
ſeiner Zuſammenſtellung der Kriegsausgaben einige
Poſten vergeſſen oder abſichtlich überſehen zu haben,
denn nach anderen Angaben betragen die Koſten
2 Milliarden Mark.




Eigen-Berichte.
(Hauptver-
ſammlungen.)

Am 12. d. hielten die beiden
Ortsgruppen des Deutſchen Schulvereines und die
Südmarkortsgruppe ihre Hauptverſammlung ab.
Herr Bürgermeiſter Schwarz eröffnete die Ver-
ſammlungen mit der Begrüßung der Erſchienenen
und erwähnte in kurzen Worten, daſs im abge-
gelaufenen Jahre ſich die Verhältniſſe der Deutſchen,
insbeſondere des ſteiriſchen Unterlandes, wieder
nicht gebeſſert haben, daher ein zielbewuſstes völ-
kiſches Wirken aller Deutſchen mehr denn je noth-
wendig iſt. Herr Wirth erſtattete hierauf den
Rechenſchaftsbericht über die beiden Ortsgruppen
des Deutſchen Schulvereines. Aus demſelben war
zu entnehmen der erfreuliche Zuwachs an Mit-
gliedern bei der Frauen- und Mädchenortsgruppe
von 22 auf 46 Mitgliedern, was den Bemühungen
der Frau Jeſernig beſonders zu danken iſt.
Beide Ortsgruppen ſind im verfloſſenen Vereins-
jahre dem ſüdſteiriſchen Gaue beigetreten. Herr
Mauritſch trug den Caſſabericht vor. Die Ein-
nahmen waren bei der Herrenortsgruppe 21 fl.,
bei der Frauen- und Mädchenortsgruppe 47 fl.,
Herr Mauritſch begründete auch die geringe Mit-
gliederzahl der Herrenortsgruppe, indem er auf die
beträchtliche Zahl von Vereinen in Luttenberg hin-
wies. Der Frau Jeſernig wird der Dank durch ein
[Spaltenumbruch] Heil ausgedrückt. Nachdem Frau Notar Thurn
erklären ließ, die Stelle einer Obfrau nicht mehr
annehmen zu können, wurde die Wahl der Vereins-
leitung bei der Frauen- und Mädchenortsgruppe
vorgenommen; ſie hatte folgendes Ergebnis: Obfrau
Frau v. Ducar, Stellvertreterin Frau Names-
nig,
Schriftführerin Frau Derniatſch, Stell-
vertreterin Frau Hönigmann, Caſſierin Frau
Jeſernig, Stellvertreterin Frau Duller. Bei
der Männerortsgruppe: Obmann Herr Bürger-
meiſter Schwarz, Stellvertreter Herr Thurn,
Schriftführer Herr Wirth, Stellvertreter Herr
Voller, Caſſier Herr Mauritſch, Stellvertreter
Herr Hönigmann. Auf Antrag des Herrn
Duller wird den Herren Schwarz und Mau-
ritſch der beſondere Dank ausgedrückt. Den im ver-
gangenen Jahre verſtorbenen Mitgliedern Frau
Nowak und Herrn Steier hält Herr Schwarz
einen Nachruf, worauf ſich die Anweſenden von den
Sitzen erhoben. Als Vertreter für die Hauptver-
ſammlung in Graz wird von beiden Ortsgruppen
Herr Mauritſch gewählt. Herr Schwarz be-
antragt, der Frau Notar Thurn in geeigneter
Weiſe den Dank für die Leitung der Frauen- und
Mädchenortsgruppe auszudrücken. — Die Verſamm-
lung der Südmarkortsgruppe leitete Herr Mau-
ritſch.
Gewählt wird als Obmann Herr Notar
Thurn, als Schriftführer Herr Lehrer Voller,
als Caſſier Herr Poſtmeiſter Mauritſch. Der
Antrag der Hauptleitung auf Gründung eines Gaues,
der die Ortsgruppen Luttenberg, Radkersburg,
Mureck, Straß und Egydi umfaſſen ſoll, wird
freudigſt begrüßt. Zur diesbezüglichen Vorbeſprechung
in Radkersburg werden die Herren Thurn und
Mauritſch gewählt. Unter den Anträgen iſt
beſonders bemerkenswert der Antrag auf Einführung
der Südmarkzünder. Herr Hönigmann erklärt
ſich bereit, den Verkauf zu übernehmen. Zum Schluſſe
richtete Herr Dr. Namesnig an die neue Leitung
Worte der Aufmunterung zu eifriger Thätigkeit.

(Nach Mahren-
berg.)

Gegen die in der Nr. 39 der „Marburger
Zeitung“ unter obiger Spitzmarke gemachten Vor-
würfe der „Waſchlappigkeit“ und „nationalen Zwie-
ſchlächtigkeit“, die auf die deutſchen Lehrer des
Mahrenberger Lehrervereines gerichtet waren, nahm
die letzte in Hohenmauthen tagende Verſammlung
des oben genannten Vereines entſchiedene Stellung
und erklärten die Angegriffenen, wie folgt: „Die
deutſche Lehrerſchaft des Mahrenberger Lehrer-
vereines ſteht nach wie vor treu zum deutſchen
Volke und denkt nicht im geringſten daran, ihr
völkiſches Fühlen in den Hintergrund zu ſtellen.
Sie iſt ſich ihrer ſchweren Aufgabe an der Sprach-
grenze voll bewuſst und will mit ihren beſten
Kräften für die Hebung der ihr anvertrauten
Schulen wirken. In eine weitere Zeitungspolemik
läſst ſich der Verein nicht ein.“ Dieſe Entſchließung
wurde vom Obmanne vorgetragen und begründet,
worauf die anweſenden deutſchen Lehrer ein-
ſtimmig ihre Zuſtimmung ausdrückten.

(Stellung.)

Das Ergebnis der am 9., 10. und 11. d. M. hier
abgehaltenen Stellung iſt Folgendes: Von den
200 vorgeführten einheimiſchen Stellungspflichtigen
aller drei Altersclaſſen wurden 46 und von den
250 vorgeführten fremden Stellungspflichtigen aller
drei Claſſen 62 für tauglich befunden. Das Tauglich-
keitspercent ſtellte ſich ſomit bei den Einheimiſchen
auf 23, bei den Fremden auf 24·4.

(Zur Er-
richtung einer Bezirkshauptmannſchaft.)

Wie verlautet, hat das k. k. Finanzminiſterium beim
k. k. Juſtizminiſterium, das wegen der weiteren Be-
laſſung der Steueramtsräume im k. k. Bezirksgerichte
die Freimachung dieſer Localitäten verlangte, eine
Friſt bis zum Juni des Jahres 1902 angeſtrebt.
Während dieſer Zeit ſoll ein neues Amtsgebäude
in Mürzzuſchlag errichtet werden und ſoll im Ein-
verſtändniſſe mit dem k. k. Miniſterium des Innern
dort auch die zu errichtende k. k. Bezirkshauptmann-
ſchaft untergebracht werden. Es wird die neue Bezirks-
hnuptmannſchaft nicht die Gerichtsbezirke Mürzzuſchlag
und Maria-Zell, ſondern Mürzzuſchlag und Kindberg
umfaſſen, während Maria-Zell der Bezirkshaupt-
mannſchaft Bruck a. d. Mur einverleibt bleibt.




Aufruf an die geehrten Radfahrer
und Radfahrerinnen der Steiermark.

Der Fahrradverkehr erfreut ſich in unſerem
Lande von Jahr zu Jahr größerer Verbreitung.
In demſelben Maße jedoch und als natürliche Folge
dieſer Verbreitung entäußert ſich derſelbe ſeines

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[3/0003] Nr. 53, 14. Mai 1900 Marburger Zeitung geſchloſſen fanden. Der Hauptlehrer wurde erſt von ihnen durch Klopfen aus dem Schlafe geweckt und erſchien bald darauf in nothdürftiger Kleidung. Als er die hohen Herren gewahr wurde, ſtotterte er einige Worte der Entſchuldigung und begründete ſeinen Schulſchluſs dadurch, daſs ſeine Familie in der vergangenen Nacht von Zwillingen bereichert ſei. Die perſönliche Ueberzeugung ließ die Herren Reviſoren zu dem Schluſs kommen, daſs nichts zu ändern ſei, denn aus der Wiege lächelten ihnen ein paar junge Weltbürger entgegen. Es fand all- gemeine Gratulation ſtatt nnd es gieng jetzt zum zweiten Lehrer. Auch deſſen Claſſe iſt geſchloſſen und in demſelben Habit erſcheint der Unterlehrer und zitternd und zagend meldet er den Herren den Zu- wachs ſeiner Familie in der vergangenen Nacht an. Der Herr runzelt bedenklich die Stirne und fragt ironiſch „doch nicht Zwillinge?“ — „Jawohl, Herr Schulrath, auch Zwillinge“ erwidert der in Aengſten ſchwebende Lehrer. Die Herren Reviſoren traten an die zweite Wiege und wieder lächelte ihnen dort ein frohvergnügtes Zwillingspaar entgegen. Nach wiederholtem Glückwunſche verließen die Herren die ſo reich geſegnete Stätte ihres Reviſionsbezirkes. (Ein Mittel gegen Keuchhuſten.) Bei dem häufigen Auftreten dieſer lä- ſtigen Kinderkrankheit, finden wir es für angezeigt, folgende Zeilen mitzutheilen: Eine der langwierigſten Kinderkrankheiten iſt der Keuchhuſten; ohne eigentlich gefährlich zu ſein, zählt er zu einem der bösartigſten, hartnäckigſten Uebel, die die armen Kleinen durchzumachen haben. Bis vor kurzem hat man kein Mittcl gekannt, die faſt regelmäßige Dauer des Keuchhuſtens — 12 bis 14 Wochen — abzu- brechen, als Luftveränderung und dieſe hat nicht immer den erwünſchten Erfolg erzielt. Durch Zufall hat man in Poris die Entdeckung gemacht, daſs Naphtalin im geſchmolzenen Zuſtande eine ungemein wohlthuende Wirkung auf die vom Keuchhuſten Befallenen, ja in den meiſten Fällen ſogar voll- ſtändige Heilung bervorbringt. Man nimmt 1 bis 1½ Deka Naphtalin und gibt auf einen mäßig er- wärmten Ofen immer nur ſo viel, als man zwiſchen zwei Fingerſpitzen faſſen kann; ein zu großes Quantum auf einmal auf die Ofenplatte geſtreut, würde ſich leicht entzünden. Es beginnt zu ſchmelzen, erfüllt das Zimmer mit Dämpfen, die den Huſten- anfall ſofort lindern, wenn nicht gänzlich beſeitigen. Wiederholt man dieſes Verfahren 1—2mal täglich, am beſten des morgens und abends, ſo kann der Huſten in einigen Tagen gründlich geheilt ſein. (Eine telegraphiſche Trauung.) Eine echt amerikaniſche Hochzeit hat, wie aus Newyork berichtet wird, jüngſt in Kanſas City und Mulhall ſtattgefunden. Da der Bräutigam unaufſchiebbarer Geſchäfte halber am Tage der Trauung in Waſhington ſein muſste, und die Braut nicht raſch genug in Kanſas City eintreffen konnte, wurde ein Arrangement mit der Telegraphen-Geſellſchaft getroffen, welche dem Paare eine directe Verbindung zur Verfügung ſtellte. Der Bräutigam, der Paſtor und zwei Zeugen befanden ſich an der einen, die Braut, von ihren Eltern und einer Schweſter begleitet, an der anderen Station. Sämmtliche im Geſetze vorgeſchriebenen Fragen und Antworten, ſowie die Anſprache, mit welcher der Paſtor das Paar verband, wurden per Draht übermittelt, an jedem Ende von dem auf- nehmenden Telegraphiſten verleſen, und das alles ſo glatt und exact, daſs die ganze Ceremonie knappe 20 Minuten in Anſpruch nahm. (Eine Adelsfabrik) iſt die neueſte Er- rungenſchaft findiger Ruſſen, die binnen kurzem vor den Schranken des Senats die gebürende Würdigung finden wird. Im Gouvernement Kutais iſt eine Anzahl Perſonen in Haft genommen worden, die ſich gegen anſtändige Zahlung zur Fälſchung von Adelsbriefen des imeritiſchen Zaren Salomo und der einſtigen Beherrſcher Mingreliens, der Fürſten David und Leo Dadiani, hergaben und dieſelbe ungeſtraft in ſehr großem Maßſtabe jahre- lang betrieben haben. Die Unterſuchung ſteht hier vor einem grandioſen Meineids-, Fälſchungs- und Beſtechungsproceſs, der ſehr charakteriſtiſche Streif- lichter auf das Beamtenthum in den ruſſiſchen Grenzmarken wirft und in einem ſolchen Umfange wohl noch nie vor ruſſiſchen Gerichten verhandelt worden iſt. Die Häupter dieſer Fälſcherbande, Aſchoſtria, Schelia, Burgawa und Zulaiskeri, alle Kaukaſier, befinden ſich gegenwärtig im Gefängnis zu Kutais, deſſen ganzes Gouvernement ſie mit ihren Vertretern bezogen hatten, die alle nach Leuten ſuchten, die für einen Adelsbrief Geld zahlen. Außerdem unterhielten ſie eine Filiale in Tiflis, die gleichfalls ſehr gut arbeitete, da bisher die Fälſchung von allein 285 Fürſtendiplomen feſt- geſtellt werden konnte, während die Zahl der ſon- ſtigen Adelsbrieſe Legion iſt. — Dieſe Documente wurden von deren Inhaber in das Adelsarchiv von Kutais zur Eintragung in die Adelsbücher ein- geſandt, was gewiſſe beſtochene Beamte der dortigen Kanzlei ſeit mehreren Jahren anſtandslos im Dienſte der Fälſcher gethan haben, bis plötzlich kürzlich der Wechſel des Vicegouverneurs das ganze Treiben dieſer Adelsfabrik aufdeckte. Dem neueingeſetzten Vicegouverneur fielen die vielen Radierungen in den Adelsbüchern auf, zudem beſtärkte ein aus dem Heroldsdepartement an ihn unbeſtätigt zurück- geſandtes Fürſtendiplom eines ſtadtbekannten Wucherers ſeinen Verdacht, der ſich bei einer tele- graphiſchen Anfrage in Petersburg beſtätigte, weil es ſich erwies, daſs der dem beſagten Fürſten- diplom beigelegte Brief des Vicegouverneurs, in welchem er das Heroldsdepartement darum erſuchte, das Diplom nicht ihm, ſondern dem Adelsarchiv beſtätigt zuzuſtellen, gefälſcht war. Nun erfolgte die Aufdeckung der grandioſen Fälſchungen, in denen viele Beamte verwickelt ſind, und die Uebergabe an die Procuratur. Der Monſtreproceſs, der 285 Per- ſonen ihres unrechtmäßigen Fürſtentitels entkleiden wird, dürfte zahlloſe Miſsbräuche in dem Ver- waltungsapparat der Provinz aufdecken. (Eiſenbahn-Zuſammenſtoß.) Auf der Baltimore-Ohio-Eiſenbahn ſtießen am Samstag im Tunnel bei Philadelphia zwei Güterzüge zuſammen, wobei ſieben Perſonen ums Leben kamen. (Am Operationstiſche geſtorben.) Der Profeſſor an der Prager Klinik, Wölfler, ſollte Samstag an einem 16jährigen Mädchen die Operation eines Halsabceſſes vornehmen, zu welchem Zwecke das Mädchen narkotiſiert werden muſste. Die Patientin ſtarb jedoch während der Narkoſe, noch ehe die Operation vorgenommen worden war. (Strafe für Bigamie in England.) Lord Ruſſell, der ſich im glücklichen Beſitze zweier legitimer Gattinnen befindet, von denen er die eine in England und die andere in Amerika geheiratet hat, wird in einigen Tagen in London erwartet, wo ſein Fall zur Verhandlung kommen ſoll. Man ſtreitet in- zwiſchen darüber, ob eine der beiden Ehen für ungiltig erklärt werden muſs oder ob Lord Ruſſell wegen Bigamie anzuklagen iſt. Der Oberrichter von Eng- land, Sir Killowen, wurde über den merkwürdigen Fall von einem wiſsbegierigen Reporter befragt. „Welche Strafe erhält ein Mann, welcher zwei Frauen geheiratet hat?“ begehrte der Reporter zu wiſſen. „Zwei Schwiegermütter!“ antwortete Sir Killowen ohne Beſinnen, und man ſah es ihm an, daſs er von der Härte dieſes Schickſals tief ergriffen war. (Die Koſten des Krieges) Im engliſchen Unterhauſe theilt der Staatsſecretär des Kriegsamtes mit, daſs die Kriegskoſten ſich bis jetzt auf 23,250.000 Pfund Sterling beziffern. Das ſind ungefähr 465 Millionen Mark. Der Staatsſecretär ſcheint aber in ſeiner Zuſammenſtellung der Kriegsausgaben einige Poſten vergeſſen oder abſichtlich überſehen zu haben, denn nach anderen Angaben betragen die Koſten 2 Milliarden Mark. Eigen-Berichte. Luttenberg, 13. April. (Hauptver- ſammlungen.) Am 12. d. hielten die beiden Ortsgruppen des Deutſchen Schulvereines und die Südmarkortsgruppe ihre Hauptverſammlung ab. Herr Bürgermeiſter Schwarz eröffnete die Ver- ſammlungen mit der Begrüßung der Erſchienenen und erwähnte in kurzen Worten, daſs im abge- gelaufenen Jahre ſich die Verhältniſſe der Deutſchen, insbeſondere des ſteiriſchen Unterlandes, wieder nicht gebeſſert haben, daher ein zielbewuſstes völ- kiſches Wirken aller Deutſchen mehr denn je noth- wendig iſt. Herr Wirth erſtattete hierauf den Rechenſchaftsbericht über die beiden Ortsgruppen des Deutſchen Schulvereines. Aus demſelben war zu entnehmen der erfreuliche Zuwachs an Mit- gliedern bei der Frauen- und Mädchenortsgruppe von 22 auf 46 Mitgliedern, was den Bemühungen der Frau Jeſernig beſonders zu danken iſt. Beide Ortsgruppen ſind im verfloſſenen Vereins- jahre dem ſüdſteiriſchen Gaue beigetreten. Herr Mauritſch trug den Caſſabericht vor. Die Ein- nahmen waren bei der Herrenortsgruppe 21 fl., bei der Frauen- und Mädchenortsgruppe 47 fl., Herr Mauritſch begründete auch die geringe Mit- gliederzahl der Herrenortsgruppe, indem er auf die beträchtliche Zahl von Vereinen in Luttenberg hin- wies. Der Frau Jeſernig wird der Dank durch ein Heil ausgedrückt. Nachdem Frau Notar Thurn erklären ließ, die Stelle einer Obfrau nicht mehr annehmen zu können, wurde die Wahl der Vereins- leitung bei der Frauen- und Mädchenortsgruppe vorgenommen; ſie hatte folgendes Ergebnis: Obfrau Frau v. Ducar, Stellvertreterin Frau Names- nig, Schriftführerin Frau Derniatſch, Stell- vertreterin Frau Hönigmann, Caſſierin Frau Jeſernig, Stellvertreterin Frau Duller. Bei der Männerortsgruppe: Obmann Herr Bürger- meiſter Schwarz, Stellvertreter Herr Thurn, Schriftführer Herr Wirth, Stellvertreter Herr Voller, Caſſier Herr Mauritſch, Stellvertreter Herr Hönigmann. Auf Antrag des Herrn Duller wird den Herren Schwarz und Mau- ritſch der beſondere Dank ausgedrückt. Den im ver- gangenen Jahre verſtorbenen Mitgliedern Frau Nowak und Herrn Steier hält Herr Schwarz einen Nachruf, worauf ſich die Anweſenden von den Sitzen erhoben. Als Vertreter für die Hauptver- ſammlung in Graz wird von beiden Ortsgruppen Herr Mauritſch gewählt. Herr Schwarz be- antragt, der Frau Notar Thurn in geeigneter Weiſe den Dank für die Leitung der Frauen- und Mädchenortsgruppe auszudrücken. — Die Verſamm- lung der Südmarkortsgruppe leitete Herr Mau- ritſch. Gewählt wird als Obmann Herr Notar Thurn, als Schriftführer Herr Lehrer Voller, als Caſſier Herr Poſtmeiſter Mauritſch. Der Antrag der Hauptleitung auf Gründung eines Gaues, der die Ortsgruppen Luttenberg, Radkersburg, Mureck, Straß und Egydi umfaſſen ſoll, wird freudigſt begrüßt. Zur diesbezüglichen Vorbeſprechung in Radkersburg werden die Herren Thurn und Mauritſch gewählt. Unter den Anträgen iſt beſonders bemerkenswert der Antrag auf Einführung der Südmarkzünder. Herr Hönigmann erklärt ſich bereit, den Verkauf zu übernehmen. Zum Schluſſe richtete Herr Dr. Namesnig an die neue Leitung Worte der Aufmunterung zu eifriger Thätigkeit. Mahrenberg, 10. Mai. (Nach Mahren- berg.) Gegen die in der Nr. 39 der „Marburger Zeitung“ unter obiger Spitzmarke gemachten Vor- würfe der „Waſchlappigkeit“ und „nationalen Zwie- ſchlächtigkeit“, die auf die deutſchen Lehrer des Mahrenberger Lehrervereines gerichtet waren, nahm die letzte in Hohenmauthen tagende Verſammlung des oben genannten Vereines entſchiedene Stellung und erklärten die Angegriffenen, wie folgt: „Die deutſche Lehrerſchaft des Mahrenberger Lehrer- vereines ſteht nach wie vor treu zum deutſchen Volke und denkt nicht im geringſten daran, ihr völkiſches Fühlen in den Hintergrund zu ſtellen. Sie iſt ſich ihrer ſchweren Aufgabe an der Sprach- grenze voll bewuſst und will mit ihren beſten Kräften für die Hebung der ihr anvertrauten Schulen wirken. In eine weitere Zeitungspolemik läſst ſich der Verein nicht ein.“ Dieſe Entſchließung wurde vom Obmanne vorgetragen und begründet, worauf die anweſenden deutſchen Lehrer ein- ſtimmig ihre Zuſtimmung ausdrückten. Bruck a. d. M., 13. Mai. (Stellung.) Das Ergebnis der am 9., 10. und 11. d. M. hier abgehaltenen Stellung iſt Folgendes: Von den 200 vorgeführten einheimiſchen Stellungspflichtigen aller drei Altersclaſſen wurden 46 und von den 250 vorgeführten fremden Stellungspflichtigen aller drei Claſſen 62 für tauglich befunden. Das Tauglich- keitspercent ſtellte ſich ſomit bei den Einheimiſchen auf 23, bei den Fremden auf 24·4. Mürzzuſchlag, 14. Mai. (Zur Er- richtung einer Bezirkshauptmannſchaft.) Wie verlautet, hat das k. k. Finanzminiſterium beim k. k. Juſtizminiſterium, das wegen der weiteren Be- laſſung der Steueramtsräume im k. k. Bezirksgerichte die Freimachung dieſer Localitäten verlangte, eine Friſt bis zum Juni des Jahres 1902 angeſtrebt. Während dieſer Zeit ſoll ein neues Amtsgebäude in Mürzzuſchlag errichtet werden und ſoll im Ein- verſtändniſſe mit dem k. k. Miniſterium des Innern dort auch die zu errichtende k. k. Bezirkshauptmann- ſchaft untergebracht werden. Es wird die neue Bezirks- hnuptmannſchaft nicht die Gerichtsbezirke Mürzzuſchlag und Maria-Zell, ſondern Mürzzuſchlag und Kindberg umfaſſen, während Maria-Zell der Bezirkshaupt- mannſchaft Bruck a. d. Mur einverleibt bleibt. Aufruf an die geehrten Radfahrer und Radfahrerinnen der Steiermark. Der Fahrradverkehr erfreut ſich in unſerem Lande von Jahr zu Jahr größerer Verbreitung. In demſelben Maße jedoch und als natürliche Folge dieſer Verbreitung entäußert ſich derſelbe ſeines

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Zitationshilfe: Marburger Zeitung. Nr. 53, Marburg, 15.05.1900, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_marburger53_1900/3>, abgerufen am 21.11.2024.