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Marburger Zeitung. Nr. 3, Marburg, 05.01.1915.

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Marburger Zeitung Nr. 3, 5. Jänner 1915

[Spaltenumbruch]

alles geregelt, entgegenkam. Offen gestanden hatte
ich ihm gegenüber deshalb ein schlechtes Gewissen,
weil ich gesättigt war und annahm, daß der Arme
noch nichts erhalten hat. Meine rechte Freude
über den Erfolg kam erst zum Durchbruche, als er
mich wohl aus demselben Empfinden heraus fragte:
Hast Du schon gegessen, ich wurde in der Offiziers-
menage gespeist. Als wir uns gegenseitig die Frage
bejahten, kam die Frage des Quartiers. Hier leistete
Herr von Kramer Großartiges. Wir wurden von
ihm auf sein Auto geladen und hin ging es durch
Nacht und Nebel, Dreck und Fuhrwerk. Unterwegs
erklärte er uns, daß er ein Zimmer beim geflüch-
teten ruthenischen Geistlichen entdeckt habe, woselbst
wir mit einer Reihe anderer Offiziere Quartier
fanden.

Und so war es. In einem tadellosen Zimmer,
welchem zur Gemütlichkeit nur die Möbel fehlten,
wogegen wir jedoch elektrisches Licht hatten, wurden
mit Hilfe eines alten Weibes, mit welchem Herr
von Kramer in einem Sprachgemengsel wie ich
mir ungefähr Volapük vorstelle verkehrte, unterge-
bracht, erhielten durch eine Ordonanz Rotwein,
kochten Thee, aßen von Herrn von Kramer Kletzen-
brot und spielten schließlich mit einem hinzuge-
kommenen Herrn Intendanten bis Mitternacht
einen recht heiteren Tarok. Das Schlafengehen gab
Veranlassung zu den heitersten Episoden. Dieser
Abend war für mehrere Tage der letzte unter Dach
und Fach.

"Kriegspläne."

Herr von Kramer entwickelte als wahrer Feld-
herr den Feldzugsplan und teilte Bernhard und
mir unsere Aufgaben zu. Der oberwähnte Herr
Intendant gab seine durch die Erfahrung gestützten
Ratschläge und stellte den für die Mannschaft er-
forderlichen Proviant, welcher für einen mehrtägigen
Marsch bestimmt war, zusammen. Vereinbarungs-
gemäß fiel mir die weitaus leichtere und mühe-
losere Aufgabe zu, da Oberleutnant Bernhard und
die beiden anderen Herren um mich eine Fürsorge
hegten, die geradezu rührend war.

Oberleutnant Bernhard übernahm die Aufgabe,
den Transport auf 12 Wägen mit der Bedeckungs-
mannschaft bis zum Korpskommando zu führen,
wohin ich mit Herrn von Kramer per Auto voraus-
zufahren und die weitere Marschrichtung und Marsch-
bewilligung zu erwirken hatte. Übereinstimmend er-
klärten der Herr Intendant und Herr von Kramer,
daß Bernhard den übernächsten Abend beim Korps-
kommando eintreffe und Kramer und ich noch diesen
Abend. Doch wie ganz anders sollte es kommen!
Kramer und ich fuhren morgens per Auto ab,
Bernhard begab sich zur Bahn, um zu verladen.

Wie man in Galizien Auto fährt!

Autofahrt in Galizien! Wer der Anschauung
ist, das Auto sei zur raschen Fortbesörderung dien-
lich, der ist noch nie auf galizischen Straßen ge-
fahren. Stolz suhren wir vom Bahnhofe weg durch
Fuhrkolonnen hindurch bis zu der von den Russen
niedergebrannten Stadtbrücke. Hier das erste Hin-
dernis. Ein Wegweiser zeigte links in metertiefen
[Spaltenumbruch] Morast die Fahrtrichtung. Chauffeur herunter, hieß
das Kommando und Vollgas voraus. Drei Meter
Fahrt und aus war die Herrlichkeit. Von den
Brückenarbeitern wurden einige 20 herbeizitiert und
mit allen möglichen scherzweisen Kutscherrufen wur-
den wir durch diesen Morast gezogen, im Stillen
die Hoffnung hegend, dies sei das letzte Hindernis
gewesen.

Auf breiter Straße in einem beiderseits durch
bewaldete Höhenzüge flankierten Tale fuhren wir
ständig mit erster oder zweiter Geschwindigkeit.
Neben uns und uns entgegenkommend Trainkolonnen,
zwischen welchen wir oft nur um Haaresbreite
durchkamen. Eine von den Russen bis auf den
Grund niedergebrannte, verwüstete Ortschaft nach
der anderen. Abermals verbrannte Brücken, welchen
wir durch kecke Fahrt durch das Wasser auswichen.
So ging es stundenlang fort, bis wir uns dem
Karpathenpasse näherten.

(Schluß folgt.)




Österr.-ung. Kriegsbericht.
Während d. Weihnachtszeit 12698 Mann gefangen.

Amtlich wird heute ver-
lautbart:

In den hartnäckigen Kämpfen im Raume süd-
lich Gorlice, die sich unter den schwierigsten
Witterungsverhältnissen abspielten, sicherten sich
unsere braven Truppen durch Besitznahme einer
wichtigen Höhenlinie eine günstige Basis für die
weiteren Ereignisse.

In den Karpathen keine Veränderung; im
oberen Ungertale nur kleine Gefechte.

Während der Kämpfe der Weihnachtszeit
wurden auf dem nördlichen Kriegsschauplatze 37
Offiziere und 12.698 Mann gefangen.

Zurückgeschlagener Serbeneinbruch.
1100 serbische Gefangene, viele Tote und Ver-
wundete.

Das Budapester Blatt ,Az Est' meldet aus
Semlin: Starke feindliche Truppen versuchten
nach der neuerlichen Sprengung der Semliner
Donaubrücke in Syrmien einzudringen. Vier
serbische Infanterie-Regimenter, unterstützt von der
Artillerie, die auf der Zigeunerinsel Stellung ge-
nommen hatte, überschritten unter dem Schutz der
Dunkelheit die Donau und drangen etwa zwanzig
Kilometer westlich von Semlin vor. Hier wurden
sie aber von unseren Truppen, die günstige Stel-
lungen eingenommen hatten, erwartet. Es entspann
sich ein heftiges, mehrere Stunden dauerndes Gefecht.
Unsere ungarischen Landwehrtruppen
schlugen sich heldenhast. Schließlich wurden die
Serben unter schweren Verlusten ge-
schlagen,
so daß sie sich in unordentlicher Flucht
zurückziehen mußten. Mehrere hundert Tote und
Verwundete bedeckten den Kampfplatz. Unsere
Truppen, die den Feind bis an die Donau ver-
folgten, machten etwa 1100 Gefangene. Bei der
Flucht der Serben fanden viele den Tod in der
Donau.


[Spaltenumbruch]
Die heldenmütigen Bayern.
Handschreiben und Spende des Königs.

(K.-B.) Wie die Korr.
Hoffmann meldet, hat der König an den Staats-
sekretär des Inneren Freiherrn von Soden-
Frauenhofen
ein Handschreiben gerichtet,
in welchem der König mit Stolz und freu-
diger Anerkennung
auf die tapfere
bayrische Armee
blickt, die in helden-
mütigen Kämpfen und herrlichen
Waffentaten
ihren alten Ruf befestigt und sich
als würdiges Glied der deutschen Armee erwiesen
hat. Mit stiller Wehmut gedenkt der König der
Helden, die im gewaltigen Ringen ihr Blut
für das Vaterland vergossen haben und aller
Familien, die den Verlust teurer Angehöriger
beklagen. Herzlichen Dank sagt er dem ganzen
bayrischen Volke,
das in diesen ernsten Zeiten
seine Liebe zum Vaterlande und zum Königshause
so glänzend bewiesen hat. Der König ersucht den
Staatsminister, diesen Erlaß zu veröffentlichen und
gleichzeitig bekannt zu geben, daß er anläßlich
seines Geburtsfestes eine Spende von
100.000 Mark zur Verfügung stelle mit der Be-
stimmung, daß sie zur Fürsorge für die Ange-
hörigen der Kriegsteilnehmer und zur Linderung
der durch den Krieg verursachten Notlage ver-
wendet werde.

Gegen Essad Pascha.
Belagerung von Durazzo. Die Aufständischen ver-
langen die Auslieferung der franz. u. serb. Gesaudten.

(K.-B.) Die Agencia Ste-
fani meldet aus Durazzo vom heutigen, 8 Uhr früh:

Gestern verlangten die Rebellen in
einem mit "Muselmanisches Komitee" gezeichneten
Schreiben die Auslieferung des französi-
schen
und des serbischen Gesandten. Um
halb 1 Uhr nachts begann der Angriff auf
die Stadt. Essad Pascha begab sich zu den
Verschanzungen und teilte der italienischen
Gesandtschaft
mit, daß große Gefahr
drohe
und verlangte jede mögliche Hilfe. Die
Gesandtschaft verständigte hievon die im Hafen
liegenden Kriegsschiffe. Um halb 3 Uhr nachts wur-
den von den Kriegsschiffen Misurata und Sar-
degna
zur Verteidigung der Stadt einige Kano-
nenschüsse
abgefeuert, womit erreicht wurde,
daß das Gewehrfeuer der Rebellen aufhörte. Die
italienische Kolonie ging hierauf mit dem Personal
der italienischen, französischen und serbischen Ge-
sandtschaften an Bord der beiden Kriegsschiffe.

Alle sagen: Ja!
Austausch kriegsdienstuntauglicher Gefangener.

(K.-B.) ,Giornale d'Italia'
meldet: Dem Heiligen Stuhle sind von Österreich-
Ungarn, Deutschland,
der Türkei, sowie




[Spaltenumbruch]

Erwin war derweil vom Wagen gesprungen
und hatte sich vorgestellt.

"Ich bitte meine Verspätung zu entschuldigen",
sagte er dann, durch das Gebaren des offenbar
sehr hochnasigen Junkers recht unangenehm berührt.
"Habe mich inzwischen bereits beim Feuerlöschen
auf dem Katzenberg betätigt."

"Wäre keineswegs nötig gewesen", schnarrte
Udo von Schultental darauf, das Monokle wieder
fallen lassend, seine grauen, kalten Augen weit
aufreißend und den Schnurrbart drehend. "Hoffent-
lich ist der ganze Kram trotz Ihrer Hilfe nieder-
gebrannt. Der Kerl verdient es."

"Gott sei Dank nur der Kuhstall, Herr von
Schultental. Aber drei Kühe und wohl sechs
Schweine hat der arme Mensch außerdem verloren",
sagte Erwin darauf, einen Widerwillen gegen diesen
Menschen, den er fortan als den Sohn seiner
Herrin respektieren sollte, nur mit Mühe ver-
bergend.

"Wenn ich sage, der Kerl verdient es, daß er
um Haus und Hof käme, dann dürfen Sie mir
schon glauben, Herrrr -- Ru--feld."

"Rudorp", verbesserte der Volontär.

"Oder auch so. -- Kerl hat nämlich im Zucht-
haus gesessen und ist ein Spitzbube. Gibt ohnehin
genug Lumpengesindel in der Gegend. Aber nun
fahren Sie nur zu. Auf dem Schloß wartet alles
schon seit vier Stunden auf Sie. -- Muß noch
auf einen Rehbock. Warte nachher -- Adieu!"


[Spaltenumbruch]

Erwin stieg wieder in den Wagen und kam sich
auf einmal ganz klein vor.

"Bist Du denn als abgedankter Leutnant rein
gar nichts mehr? Ha, so hätte Dir jemand be-
gegnen sollen, als Du den Degen noch an der
Seite tragen durftest. Aber nun hast Du nichts
mehr, darum bist Du nichts."

So seufzte er vor sich hin.

Weiter ging es an wogenden Kornfeldern und
an sattgrünen Wiesen vorüber durch ein freund-
liches Kirchdorf mit sauberen Häusern und einer
wunderschönen Lindenstraße.

Nicht weit dahinter lag der Schloßhof mit
seinen neuen, großartigen Wirtschaftsgebäuden und
dem ebenfalls neuen, von Parkanlagen und Gold-
fischteichen umgebenen Schlößlein.

Das war kein imposanter, himmelragender
Bau, wie ihn Junker Udo sich wohl gewünscht
hätte, sondern ein schlichtes, aber vornehm und
geschmackvoll anmutendes Herrenhaus.

Eine von blühenden, süßduftenden Akazien ein-
gefaßte kurzgeschorene grüne Rasenfläche dehnte sich
vor der leuchtenden weißen Terrasse, neben der
ein paar dunkelgrüne Lebensbäume standen, weithin
aus, und Erwin fielen auf den ersten Blick zwei
große, sternförmige Beete von seltener Blumen-
pracht aus.

Alle Regenbogenfarben dünkten ihn in wunder-
voller Anordnung darin vortreten zu sein. Eine
Diana aus weißem Marmor stand auf hohem Sockel
im Hintergrund und schien das schlanke Reh aus
[Spaltenumbruch] Majolika, das sich von einer Zwergengrotte ent
fernte, mit schußbereitem Bogen scharf zu beobachten.

"Wunderbar!" rief der Fremdling unwillkürlich
aus, als er nun abgestiegen war und sich der Ter-
rasse mit hastigen Schritten näherte.

Da schritten aus den Parkanlagen zwei Damen
auf ihn zu. Die vorangehende, eine, trotz ihrer
schlichten, schwarzen Kleidung sehr vornehm anmu-
tende, weißhaarige Matrone mit blassem, milden
Gisicht mußte Frau Oberst von Schultental, die
Herrin von Heinrichswalde sein, das erriet Erwin
auf den ersten Blick, und die alte Dame gefiel ihm
recht wohl. Das ihr folgende überschlanke, fast
mager zu nennende, hochaufgeschossene junge Mäd-
chen in heller Seide war ein Sammergast, der
Landluft genießen sollte, um rote Backen zu be-
kommen: Fräulein Agathe Rehfeld, Tochter eines
reichen Bankdirektors und Geschäftsfreundes der
Schloßherrin.

"Ah, Herr Leutnant Rudorp", redete die Frau
Oberst diesen nun mit verbindlichem Lächeln an,
ihm ihre wohlgepflegte, ringgeschmückte Hand rei-
chend, die er ehrerbietig an seine Lippen führte.
"Sie haben eine weite Reise hinter sich und fühlen
sich gewiß recht abgespannt. Johann soll gleich für
eine Erquickung sorgen. Wie gefällt Ihnen denn
Ihr neues Heim? Liegt Heinrichswalde nicht wun-
dervoll?" Das klang so recht herzlich und natürlich,
daß er Udos Behandlung vollständig vergaß und
sofort volles Vertrauen zu seiner Herein und Ge-
bieterin faßte. Schon, daß sie ihn mit "Herr Leut-


Marburger Zeitung Nr. 3, 5. Jänner 1915

[Spaltenumbruch]

alles geregelt, entgegenkam. Offen geſtanden hatte
ich ihm gegenüber deshalb ein ſchlechtes Gewiſſen,
weil ich geſättigt war und annahm, daß der Arme
noch nichts erhalten hat. Meine rechte Freude
über den Erfolg kam erſt zum Durchbruche, als er
mich wohl aus demſelben Empfinden heraus fragte:
Haſt Du ſchon gegeſſen, ich wurde in der Offiziers-
menage geſpeiſt. Als wir uns gegenſeitig die Frage
bejahten, kam die Frage des Quartiers. Hier leiſtete
Herr von Kramer Großartiges. Wir wurden von
ihm auf ſein Auto geladen und hin ging es durch
Nacht und Nebel, Dreck und Fuhrwerk. Unterwegs
erklärte er uns, daß er ein Zimmer beim geflüch-
teten rutheniſchen Geiſtlichen entdeckt habe, woſelbſt
wir mit einer Reihe anderer Offiziere Quartier
fanden.

Und ſo war es. In einem tadelloſen Zimmer,
welchem zur Gemütlichkeit nur die Möbel fehlten,
wogegen wir jedoch elektriſches Licht hatten, wurden
mit Hilfe eines alten Weibes, mit welchem Herr
von Kramer in einem Sprachgemengſel wie ich
mir ungefähr Volapük vorſtelle verkehrte, unterge-
bracht, erhielten durch eine Ordonanz Rotwein,
kochten Thee, aßen von Herrn von Kramer Kletzen-
brot und ſpielten ſchließlich mit einem hinzuge-
kommenen Herrn Intendanten bis Mitternacht
einen recht heiteren Tarok. Das Schlafengehen gab
Veranlaſſung zu den heiterſten Epiſoden. Dieſer
Abend war für mehrere Tage der letzte unter Dach
und Fach.

„Kriegspläne.“

Herr von Kramer entwickelte als wahrer Feld-
herr den Feldzugsplan und teilte Bernhard und
mir unſere Aufgaben zu. Der oberwähnte Herr
Intendant gab ſeine durch die Erfahrung geſtützten
Ratſchläge und ſtellte den für die Mannſchaft er-
forderlichen Proviant, welcher für einen mehrtägigen
Marſch beſtimmt war, zuſammen. Vereinbarungs-
gemäß fiel mir die weitaus leichtere und mühe-
loſere Aufgabe zu, da Oberleutnant Bernhard und
die beiden anderen Herren um mich eine Fürſorge
hegten, die geradezu rührend war.

Oberleutnant Bernhard übernahm die Aufgabe,
den Transport auf 12 Wägen mit der Bedeckungs-
mannſchaft bis zum Korpskommando zu führen,
wohin ich mit Herrn von Kramer per Auto voraus-
zufahren und die weitere Marſchrichtung und Marſch-
bewilligung zu erwirken hatte. Übereinſtimmend er-
klärten der Herr Intendant und Herr von Kramer,
daß Bernhard den übernächſten Abend beim Korps-
kommando eintreffe und Kramer und ich noch dieſen
Abend. Doch wie ganz anders ſollte es kommen!
Kramer und ich fuhren morgens per Auto ab,
Bernhard begab ſich zur Bahn, um zu verladen.

Wie man in Galizien Auto fährt!

Autofahrt in Galizien! Wer der Anſchauung
iſt, das Auto ſei zur raſchen Fortbeſörderung dien-
lich, der iſt noch nie auf galiziſchen Straßen ge-
fahren. Stolz ſuhren wir vom Bahnhofe weg durch
Fuhrkolonnen hindurch bis zu der von den Ruſſen
niedergebrannten Stadtbrücke. Hier das erſte Hin-
dernis. Ein Wegweiſer zeigte links in metertiefen
[Spaltenumbruch] Moraſt die Fahrtrichtung. Chauffeur herunter, hieß
das Kommando und Vollgas voraus. Drei Meter
Fahrt und aus war die Herrlichkeit. Von den
Brückenarbeitern wurden einige 20 herbeizitiert und
mit allen möglichen ſcherzweiſen Kutſcherrufen wur-
den wir durch dieſen Moraſt gezogen, im Stillen
die Hoffnung hegend, dies ſei das letzte Hindernis
geweſen.

Auf breiter Straße in einem beiderſeits durch
bewaldete Höhenzüge flankierten Tale fuhren wir
ſtändig mit erſter oder zweiter Geſchwindigkeit.
Neben uns und uns entgegenkommend Trainkolonnen,
zwiſchen welchen wir oft nur um Haaresbreite
durchkamen. Eine von den Ruſſen bis auf den
Grund niedergebrannte, verwüſtete Ortſchaft nach
der anderen. Abermals verbrannte Brücken, welchen
wir durch kecke Fahrt durch das Waſſer auswichen.
So ging es ſtundenlang fort, bis wir uns dem
Karpathenpaſſe näherten.

(Schluß folgt.)




Öſterr.-ung. Kriegsbericht.
Während d. Weihnachtszeit 12698 Mann gefangen.

Amtlich wird heute ver-
lautbart:

In den hartnäckigen Kämpfen im Raume ſüd-
lich Gorlice, die ſich unter den ſchwierigſten
Witterungsverhältniſſen abſpielten, ſicherten ſich
unſere braven Truppen durch Beſitznahme einer
wichtigen Höhenlinie eine günſtige Baſis für die
weiteren Ereigniſſe.

In den Karpathen keine Veränderung; im
oberen Ungertale nur kleine Gefechte.

Während der Kämpfe der Weihnachtszeit
wurden auf dem nördlichen Kriegsſchauplatze 37
Offiziere und 12.698 Mann gefangen.

Zurückgeſchlagener Serbeneinbruch.
1100 ſerbiſche Gefangene, viele Tote und Ver-
wundete.

Das Budapeſter Blatt ‚Az Eſt‘ meldet aus
Semlin: Starke feindliche Truppen verſuchten
nach der neuerlichen Sprengung der Semliner
Donaubrücke in Syrmien einzudringen. Vier
ſerbiſche Infanterie-Regimenter, unterſtützt von der
Artillerie, die auf der Zigeunerinſel Stellung ge-
nommen hatte, überſchritten unter dem Schutz der
Dunkelheit die Donau und drangen etwa zwanzig
Kilometer weſtlich von Semlin vor. Hier wurden
ſie aber von unſeren Truppen, die günſtige Stel-
lungen eingenommen hatten, erwartet. Es entſpann
ſich ein heftiges, mehrere Stunden dauerndes Gefecht.
Unſere ungariſchen Landwehrtruppen
ſchlugen ſich heldenhaſt. Schließlich wurden die
Serben unter ſchweren Verluſten ge-
ſchlagen,
ſo daß ſie ſich in unordentlicher Flucht
zurückziehen mußten. Mehrere hundert Tote und
Verwundete bedeckten den Kampfplatz. Unſere
Truppen, die den Feind bis an die Donau ver-
folgten, machten etwa 1100 Gefangene. Bei der
Flucht der Serben fanden viele den Tod in der
Donau.


[Spaltenumbruch]
Die heldenmütigen Bayern.
Handſchreiben und Spende des Königs.

(K.-B.) Wie die Korr.
Hoffmann meldet, hat der König an den Staats-
ſekretär des Inneren Freiherrn von Soden-
Frauenhofen
ein Handſchreiben gerichtet,
in welchem der König mit Stolz und freu-
diger Anerkennung
auf die tapfere
bayriſche Armee
blickt, die in helden-
mütigen Kämpfen und herrlichen
Waffentaten
ihren alten Ruf befeſtigt und ſich
als würdiges Glied der deutſchen Armee erwieſen
hat. Mit ſtiller Wehmut gedenkt der König der
Helden, die im gewaltigen Ringen ihr Blut
für das Vaterland vergoſſen haben und aller
Familien, die den Verluſt teurer Angehöriger
beklagen. Herzlichen Dank ſagt er dem ganzen
bayriſchen Volke,
das in dieſen ernſten Zeiten
ſeine Liebe zum Vaterlande und zum Königshauſe
ſo glänzend bewieſen hat. Der König erſucht den
Staatsminiſter, dieſen Erlaß zu veröffentlichen und
gleichzeitig bekannt zu geben, daß er anläßlich
ſeines Geburtsfeſtes eine Spende von
100.000 Mark zur Verfügung ſtelle mit der Be-
ſtimmung, daß ſie zur Fürſorge für die Ange-
hörigen der Kriegsteilnehmer und zur Linderung
der durch den Krieg verurſachten Notlage ver-
wendet werde.

Gegen Eſſad Paſcha.
Belagerung von Durazzo. Die Aufſtändiſchen ver-
langen die Auslieferung der franz. u. ſerb. Geſaudten.

(K.-B.) Die Agencia Ste-
fani meldet aus Durazzo vom heutigen, 8 Uhr früh:

Geſtern verlangten die Rebellen in
einem mit „Muſelmaniſches Komitee“ gezeichneten
Schreiben die Auslieferung des franzöſi-
ſchen
und des ſerbiſchen Geſandten. Um
halb 1 Uhr nachts begann der Angriff auf
die Stadt. Eſſad Paſcha begab ſich zu den
Verſchanzungen und teilte der italieniſchen
Geſandtſchaft
mit, daß große Gefahr
drohe
und verlangte jede mögliche Hilfe. Die
Geſandtſchaft verſtändigte hievon die im Hafen
liegenden Kriegsſchiffe. Um halb 3 Uhr nachts wur-
den von den Kriegsſchiffen Miſurata und Sar-
degna
zur Verteidigung der Stadt einige Kano-
nenſchüſſe
abgefeuert, womit erreicht wurde,
daß das Gewehrfeuer der Rebellen aufhörte. Die
italieniſche Kolonie ging hierauf mit dem Perſonal
der italieniſchen, franzöſiſchen und ſerbiſchen Ge-
ſandtſchaften an Bord der beiden Kriegsſchiffe.

Alle ſagen: Ja!
Austauſch kriegsdienſtuntauglicher Gefangener.

(K.-B.) ‚Giornale d’Italia‘
meldet: Dem Heiligen Stuhle ſind von Öſterreich-
Ungarn, Deutſchland,
der Türkei, ſowie




[Spaltenumbruch]

Erwin war derweil vom Wagen geſprungen
und hatte ſich vorgeſtellt.

„Ich bitte meine Verſpätung zu entſchuldigen“,
ſagte er dann, durch das Gebaren des offenbar
ſehr hochnaſigen Junkers recht unangenehm berührt.
„Habe mich inzwiſchen bereits beim Feuerlöſchen
auf dem Katzenberg betätigt.“

„Wäre keineswegs nötig geweſen“, ſchnarrte
Udo von Schultental darauf, das Monokle wieder
fallen laſſend, ſeine grauen, kalten Augen weit
aufreißend und den Schnurrbart drehend. „Hoffent-
lich iſt der ganze Kram trotz Ihrer Hilfe nieder-
gebrannt. Der Kerl verdient es.“

„Gott ſei Dank nur der Kuhſtall, Herr von
Schultental. Aber drei Kühe und wohl ſechs
Schweine hat der arme Menſch außerdem verloren“,
ſagte Erwin darauf, einen Widerwillen gegen dieſen
Menſchen, den er fortan als den Sohn ſeiner
Herrin reſpektieren ſollte, nur mit Mühe ver-
bergend.

„Wenn ich ſage, der Kerl verdient es, daß er
um Haus und Hof käme, dann dürfen Sie mir
ſchon glauben, Herrrr — Ru—feld.“

„Rudorp“, verbeſſerte der Volontär.

„Oder auch ſo. — Kerl hat nämlich im Zucht-
haus geſeſſen und iſt ein Spitzbube. Gibt ohnehin
genug Lumpengeſindel in der Gegend. Aber nun
fahren Sie nur zu. Auf dem Schloß wartet alles
ſchon ſeit vier Stunden auf Sie. — Muß noch
auf einen Rehbock. Warte nachher — Adieu!“


[Spaltenumbruch]

Erwin ſtieg wieder in den Wagen und kam ſich
auf einmal ganz klein vor.

„Biſt Du denn als abgedankter Leutnant rein
gar nichts mehr? Ha, ſo hätte Dir jemand be-
gegnen ſollen, als Du den Degen noch an der
Seite tragen durfteſt. Aber nun haſt Du nichts
mehr, darum biſt Du nichts.“

So ſeufzte er vor ſich hin.

Weiter ging es an wogenden Kornfeldern und
an ſattgrünen Wieſen vorüber durch ein freund-
liches Kirchdorf mit ſauberen Häuſern und einer
wunderſchönen Lindenſtraße.

Nicht weit dahinter lag der Schloßhof mit
ſeinen neuen, großartigen Wirtſchaftsgebäuden und
dem ebenfalls neuen, von Parkanlagen und Gold-
fiſchteichen umgebenen Schlößlein.

Das war kein impoſanter, himmelragender
Bau, wie ihn Junker Udo ſich wohl gewünſcht
hätte, ſondern ein ſchlichtes, aber vornehm und
geſchmackvoll anmutendes Herrenhaus.

Eine von blühenden, ſüßduftenden Akazien ein-
gefaßte kurzgeſchorene grüne Raſenfläche dehnte ſich
vor der leuchtenden weißen Terraſſe, neben der
ein paar dunkelgrüne Lebensbäume ſtanden, weithin
aus, und Erwin fielen auf den erſten Blick zwei
große, ſternförmige Beete von ſeltener Blumen-
pracht auſ.

Alle Regenbogenfarben dünkten ihn in wunder-
voller Anordnung darin vortreten zu ſein. Eine
Diana aus weißem Marmor ſtand auf hohem Sockel
im Hintergrund und ſchien das ſchlanke Reh aus
[Spaltenumbruch] Majolika, das ſich von einer Zwergengrotte ent
fernte, mit ſchußbereitem Bogen ſcharf zu beobachten.

„Wunderbar!“ rief der Fremdling unwillkürlich
aus, als er nun abgeſtiegen war und ſich der Ter-
raſſe mit haſtigen Schritten näherte.

Da ſchritten aus den Parkanlagen zwei Damen
auf ihn zu. Die vorangehende, eine, trotz ihrer
ſchlichten, ſchwarzen Kleidung ſehr vornehm anmu-
tende, weißhaarige Matrone mit blaſſem, milden
Giſicht mußte Frau Oberſt von Schultental, die
Herrin von Heinrichswalde ſein, das erriet Erwin
auf den erſten Blick, und die alte Dame gefiel ihm
recht wohl. Das ihr folgende überſchlanke, faſt
mager zu nennende, hochaufgeſchoſſene junge Mäd-
chen in heller Seide war ein Sammergaſt, der
Landluft genießen ſollte, um rote Backen zu be-
kommen: Fräulein Agathe Rehfeld, Tochter eines
reichen Bankdirektors und Geſchäftsfreundes der
Schloßherrin.

„Ah, Herr Leutnant Rudorp“, redete die Frau
Oberſt dieſen nun mit verbindlichem Lächeln an,
ihm ihre wohlgepflegte, ringgeſchmückte Hand rei-
chend, die er ehrerbietig an ſeine Lippen führte.
„Sie haben eine weite Reiſe hinter ſich und fühlen
ſich gewiß recht abgeſpannt. Johann ſoll gleich für
eine Erquickung ſorgen. Wie gefällt Ihnen denn
Ihr neues Heim? Liegt Heinrichswalde nicht wun-
dervoll?“ Das klang ſo recht herzlich und natürlich,
daß er Udos Behandlung vollſtändig vergaß und
ſofort volles Vertrauen zu ſeiner Herein und Ge-
bieterin faßte. Schon, daß ſie ihn mit „Herr Leut-


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[2/0002] Marburger Zeitung Nr. 3, 5. Jänner 1915 alles geregelt, entgegenkam. Offen geſtanden hatte ich ihm gegenüber deshalb ein ſchlechtes Gewiſſen, weil ich geſättigt war und annahm, daß der Arme noch nichts erhalten hat. Meine rechte Freude über den Erfolg kam erſt zum Durchbruche, als er mich wohl aus demſelben Empfinden heraus fragte: Haſt Du ſchon gegeſſen, ich wurde in der Offiziers- menage geſpeiſt. Als wir uns gegenſeitig die Frage bejahten, kam die Frage des Quartiers. Hier leiſtete Herr von Kramer Großartiges. Wir wurden von ihm auf ſein Auto geladen und hin ging es durch Nacht und Nebel, Dreck und Fuhrwerk. Unterwegs erklärte er uns, daß er ein Zimmer beim geflüch- teten rutheniſchen Geiſtlichen entdeckt habe, woſelbſt wir mit einer Reihe anderer Offiziere Quartier fanden. Und ſo war es. In einem tadelloſen Zimmer, welchem zur Gemütlichkeit nur die Möbel fehlten, wogegen wir jedoch elektriſches Licht hatten, wurden mit Hilfe eines alten Weibes, mit welchem Herr von Kramer in einem Sprachgemengſel wie ich mir ungefähr Volapük vorſtelle verkehrte, unterge- bracht, erhielten durch eine Ordonanz Rotwein, kochten Thee, aßen von Herrn von Kramer Kletzen- brot und ſpielten ſchließlich mit einem hinzuge- kommenen Herrn Intendanten bis Mitternacht einen recht heiteren Tarok. Das Schlafengehen gab Veranlaſſung zu den heiterſten Epiſoden. Dieſer Abend war für mehrere Tage der letzte unter Dach und Fach. „Kriegspläne.“ Herr von Kramer entwickelte als wahrer Feld- herr den Feldzugsplan und teilte Bernhard und mir unſere Aufgaben zu. Der oberwähnte Herr Intendant gab ſeine durch die Erfahrung geſtützten Ratſchläge und ſtellte den für die Mannſchaft er- forderlichen Proviant, welcher für einen mehrtägigen Marſch beſtimmt war, zuſammen. Vereinbarungs- gemäß fiel mir die weitaus leichtere und mühe- loſere Aufgabe zu, da Oberleutnant Bernhard und die beiden anderen Herren um mich eine Fürſorge hegten, die geradezu rührend war. Oberleutnant Bernhard übernahm die Aufgabe, den Transport auf 12 Wägen mit der Bedeckungs- mannſchaft bis zum Korpskommando zu führen, wohin ich mit Herrn von Kramer per Auto voraus- zufahren und die weitere Marſchrichtung und Marſch- bewilligung zu erwirken hatte. Übereinſtimmend er- klärten der Herr Intendant und Herr von Kramer, daß Bernhard den übernächſten Abend beim Korps- kommando eintreffe und Kramer und ich noch dieſen Abend. Doch wie ganz anders ſollte es kommen! Kramer und ich fuhren morgens per Auto ab, Bernhard begab ſich zur Bahn, um zu verladen. Wie man in Galizien Auto fährt! Autofahrt in Galizien! Wer der Anſchauung iſt, das Auto ſei zur raſchen Fortbeſörderung dien- lich, der iſt noch nie auf galiziſchen Straßen ge- fahren. Stolz ſuhren wir vom Bahnhofe weg durch Fuhrkolonnen hindurch bis zu der von den Ruſſen niedergebrannten Stadtbrücke. Hier das erſte Hin- dernis. Ein Wegweiſer zeigte links in metertiefen Moraſt die Fahrtrichtung. Chauffeur herunter, hieß das Kommando und Vollgas voraus. Drei Meter Fahrt und aus war die Herrlichkeit. Von den Brückenarbeitern wurden einige 20 herbeizitiert und mit allen möglichen ſcherzweiſen Kutſcherrufen wur- den wir durch dieſen Moraſt gezogen, im Stillen die Hoffnung hegend, dies ſei das letzte Hindernis geweſen. Auf breiter Straße in einem beiderſeits durch bewaldete Höhenzüge flankierten Tale fuhren wir ſtändig mit erſter oder zweiter Geſchwindigkeit. Neben uns und uns entgegenkommend Trainkolonnen, zwiſchen welchen wir oft nur um Haaresbreite durchkamen. Eine von den Ruſſen bis auf den Grund niedergebrannte, verwüſtete Ortſchaft nach der anderen. Abermals verbrannte Brücken, welchen wir durch kecke Fahrt durch das Waſſer auswichen. So ging es ſtundenlang fort, bis wir uns dem Karpathenpaſſe näherten. (Schluß folgt.) Öſterr.-ung. Kriegsbericht. Während d. Weihnachtszeit 12698 Mann gefangen. Wien, 4. Jänner. Amtlich wird heute ver- lautbart: In den hartnäckigen Kämpfen im Raume ſüd- lich Gorlice, die ſich unter den ſchwierigſten Witterungsverhältniſſen abſpielten, ſicherten ſich unſere braven Truppen durch Beſitznahme einer wichtigen Höhenlinie eine günſtige Baſis für die weiteren Ereigniſſe. In den Karpathen keine Veränderung; im oberen Ungertale nur kleine Gefechte. Während der Kämpfe der Weihnachtszeit wurden auf dem nördlichen Kriegsſchauplatze 37 Offiziere und 12.698 Mann gefangen. Zurückgeſchlagener Serbeneinbruch. 1100 ſerbiſche Gefangene, viele Tote und Ver- wundete. Das Budapeſter Blatt ‚Az Eſt‘ meldet aus Semlin: Starke feindliche Truppen verſuchten nach der neuerlichen Sprengung der Semliner Donaubrücke in Syrmien einzudringen. Vier ſerbiſche Infanterie-Regimenter, unterſtützt von der Artillerie, die auf der Zigeunerinſel Stellung ge- nommen hatte, überſchritten unter dem Schutz der Dunkelheit die Donau und drangen etwa zwanzig Kilometer weſtlich von Semlin vor. Hier wurden ſie aber von unſeren Truppen, die günſtige Stel- lungen eingenommen hatten, erwartet. Es entſpann ſich ein heftiges, mehrere Stunden dauerndes Gefecht. Unſere ungariſchen Landwehrtruppen ſchlugen ſich heldenhaſt. Schließlich wurden die Serben unter ſchweren Verluſten ge- ſchlagen, ſo daß ſie ſich in unordentlicher Flucht zurückziehen mußten. Mehrere hundert Tote und Verwundete bedeckten den Kampfplatz. Unſere Truppen, die den Feind bis an die Donau ver- folgten, machten etwa 1100 Gefangene. Bei der Flucht der Serben fanden viele den Tod in der Donau. Die heldenmütigen Bayern. Handſchreiben und Spende des Königs. München, 4. Jänner. (K.-B.) Wie die Korr. Hoffmann meldet, hat der König an den Staats- ſekretär des Inneren Freiherrn von Soden- Frauenhofen ein Handſchreiben gerichtet, in welchem der König mit Stolz und freu- diger Anerkennung auf die tapfere bayriſche Armee blickt, die in helden- mütigen Kämpfen und herrlichen Waffentaten ihren alten Ruf befeſtigt und ſich als würdiges Glied der deutſchen Armee erwieſen hat. Mit ſtiller Wehmut gedenkt der König der Helden, die im gewaltigen Ringen ihr Blut für das Vaterland vergoſſen haben und aller Familien, die den Verluſt teurer Angehöriger beklagen. Herzlichen Dank ſagt er dem ganzen bayriſchen Volke, das in dieſen ernſten Zeiten ſeine Liebe zum Vaterlande und zum Königshauſe ſo glänzend bewieſen hat. Der König erſucht den Staatsminiſter, dieſen Erlaß zu veröffentlichen und gleichzeitig bekannt zu geben, daß er anläßlich ſeines Geburtsfeſtes eine Spende von 100.000 Mark zur Verfügung ſtelle mit der Be- ſtimmung, daß ſie zur Fürſorge für die Ange- hörigen der Kriegsteilnehmer und zur Linderung der durch den Krieg verurſachten Notlage ver- wendet werde. Gegen Eſſad Paſcha. Belagerung von Durazzo. Die Aufſtändiſchen ver- langen die Auslieferung der franz. u. ſerb. Geſaudten. Rom, 4. Jänner. (K.-B.) Die Agencia Ste- fani meldet aus Durazzo vom heutigen, 8 Uhr früh: Geſtern verlangten die Rebellen in einem mit „Muſelmaniſches Komitee“ gezeichneten Schreiben die Auslieferung des franzöſi- ſchen und des ſerbiſchen Geſandten. Um halb 1 Uhr nachts begann der Angriff auf die Stadt. Eſſad Paſcha begab ſich zu den Verſchanzungen und teilte der italieniſchen Geſandtſchaft mit, daß große Gefahr drohe und verlangte jede mögliche Hilfe. Die Geſandtſchaft verſtändigte hievon die im Hafen liegenden Kriegsſchiffe. Um halb 3 Uhr nachts wur- den von den Kriegsſchiffen Miſurata und Sar- degna zur Verteidigung der Stadt einige Kano- nenſchüſſe abgefeuert, womit erreicht wurde, daß das Gewehrfeuer der Rebellen aufhörte. Die italieniſche Kolonie ging hierauf mit dem Perſonal der italieniſchen, franzöſiſchen und ſerbiſchen Ge- ſandtſchaften an Bord der beiden Kriegsſchiffe. Alle ſagen: Ja! Austauſch kriegsdienſtuntauglicher Gefangener. Rom, 4. Jänner. (K.-B.) ‚Giornale d’Italia‘ meldet: Dem Heiligen Stuhle ſind von Öſterreich- Ungarn, Deutſchland, der Türkei, ſowie Erwin war derweil vom Wagen geſprungen und hatte ſich vorgeſtellt. „Ich bitte meine Verſpätung zu entſchuldigen“, ſagte er dann, durch das Gebaren des offenbar ſehr hochnaſigen Junkers recht unangenehm berührt. „Habe mich inzwiſchen bereits beim Feuerlöſchen auf dem Katzenberg betätigt.“ „Wäre keineswegs nötig geweſen“, ſchnarrte Udo von Schultental darauf, das Monokle wieder fallen laſſend, ſeine grauen, kalten Augen weit aufreißend und den Schnurrbart drehend. „Hoffent- lich iſt der ganze Kram trotz Ihrer Hilfe nieder- gebrannt. Der Kerl verdient es.“ „Gott ſei Dank nur der Kuhſtall, Herr von Schultental. Aber drei Kühe und wohl ſechs Schweine hat der arme Menſch außerdem verloren“, ſagte Erwin darauf, einen Widerwillen gegen dieſen Menſchen, den er fortan als den Sohn ſeiner Herrin reſpektieren ſollte, nur mit Mühe ver- bergend. „Wenn ich ſage, der Kerl verdient es, daß er um Haus und Hof käme, dann dürfen Sie mir ſchon glauben, Herrrr — Ru—feld.“ „Rudorp“, verbeſſerte der Volontär. „Oder auch ſo. — Kerl hat nämlich im Zucht- haus geſeſſen und iſt ein Spitzbube. Gibt ohnehin genug Lumpengeſindel in der Gegend. Aber nun fahren Sie nur zu. Auf dem Schloß wartet alles ſchon ſeit vier Stunden auf Sie. — Muß noch auf einen Rehbock. Warte nachher — Adieu!“ Erwin ſtieg wieder in den Wagen und kam ſich auf einmal ganz klein vor. „Biſt Du denn als abgedankter Leutnant rein gar nichts mehr? Ha, ſo hätte Dir jemand be- gegnen ſollen, als Du den Degen noch an der Seite tragen durfteſt. Aber nun haſt Du nichts mehr, darum biſt Du nichts.“ So ſeufzte er vor ſich hin. Weiter ging es an wogenden Kornfeldern und an ſattgrünen Wieſen vorüber durch ein freund- liches Kirchdorf mit ſauberen Häuſern und einer wunderſchönen Lindenſtraße. Nicht weit dahinter lag der Schloßhof mit ſeinen neuen, großartigen Wirtſchaftsgebäuden und dem ebenfalls neuen, von Parkanlagen und Gold- fiſchteichen umgebenen Schlößlein. Das war kein impoſanter, himmelragender Bau, wie ihn Junker Udo ſich wohl gewünſcht hätte, ſondern ein ſchlichtes, aber vornehm und geſchmackvoll anmutendes Herrenhaus. Eine von blühenden, ſüßduftenden Akazien ein- gefaßte kurzgeſchorene grüne Raſenfläche dehnte ſich vor der leuchtenden weißen Terraſſe, neben der ein paar dunkelgrüne Lebensbäume ſtanden, weithin aus, und Erwin fielen auf den erſten Blick zwei große, ſternförmige Beete von ſeltener Blumen- pracht auſ. Alle Regenbogenfarben dünkten ihn in wunder- voller Anordnung darin vortreten zu ſein. Eine Diana aus weißem Marmor ſtand auf hohem Sockel im Hintergrund und ſchien das ſchlanke Reh aus Majolika, das ſich von einer Zwergengrotte ent fernte, mit ſchußbereitem Bogen ſcharf zu beobachten. „Wunderbar!“ rief der Fremdling unwillkürlich aus, als er nun abgeſtiegen war und ſich der Ter- raſſe mit haſtigen Schritten näherte. Da ſchritten aus den Parkanlagen zwei Damen auf ihn zu. Die vorangehende, eine, trotz ihrer ſchlichten, ſchwarzen Kleidung ſehr vornehm anmu- tende, weißhaarige Matrone mit blaſſem, milden Giſicht mußte Frau Oberſt von Schultental, die Herrin von Heinrichswalde ſein, das erriet Erwin auf den erſten Blick, und die alte Dame gefiel ihm recht wohl. Das ihr folgende überſchlanke, faſt mager zu nennende, hochaufgeſchoſſene junge Mäd- chen in heller Seide war ein Sammergaſt, der Landluft genießen ſollte, um rote Backen zu be- kommen: Fräulein Agathe Rehfeld, Tochter eines reichen Bankdirektors und Geſchäftsfreundes der Schloßherrin. „Ah, Herr Leutnant Rudorp“, redete die Frau Oberſt dieſen nun mit verbindlichem Lächeln an, ihm ihre wohlgepflegte, ringgeſchmückte Hand rei- chend, die er ehrerbietig an ſeine Lippen führte. „Sie haben eine weite Reiſe hinter ſich und fühlen ſich gewiß recht abgeſpannt. Johann ſoll gleich für eine Erquickung ſorgen. Wie gefällt Ihnen denn Ihr neues Heim? Liegt Heinrichswalde nicht wun- dervoll?“ Das klang ſo recht herzlich und natürlich, daß er Udos Behandlung vollſtändig vergaß und ſofort volles Vertrauen zu ſeiner Herein und Ge- bieterin faßte. Schon, daß ſie ihn mit „Herr Leut-

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Zitationshilfe: Marburger Zeitung. Nr. 3, Marburg, 05.01.1915, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_marburger3_1915/2>, abgerufen am 21.11.2024.