Marburger Zeitung. Nr. 220, Marburg, 26.09.1916.Marburger Zeitung. Tagblatt. [Spaltenumbruch] Der Preis des Blattes beträgt: Nr. 220 Dienstag, 26. September 1916 55. Jahrgang Vierter Tag der neuen Somme-Schlacht. [Spaltenumbruch] Die Tragik eines Königs. "König Konstantin von Griechenland wird [Spaltenumbruch] Im Wahn der Schuld. 4. (Unberechtigter Nachdruck verboten.) Werner hörte auch Tante Amaliens ein wenig Und dazu dieses beschämende Gefühl, so höchst "Denke nur nicht, Werner, daß ich komme, Mit Ungestüm ergriff er, sobald sie das Tablett "Ella, du liebes, einziges Mädchen! Ja, es ist Fortsetzung folgt. Marburger Zeitung. Tagblatt. [Spaltenumbruch] Der Preis des Blattes beträgt: Nr. 220 Dienstag, 26. September 1916 55. Jahrgang Vierter Tag der neuen Somme-Schlacht. [Spaltenumbruch] Die Tragik eines Königs. „König Konſtantin von Griechenland wird [Spaltenumbruch] Im Wahn der Schuld. 4. (Unberechtigter Nachdruck verboten.) Werner hörte auch Tante Amaliens ein wenig Und dazu dieſes beſchämende Gefühl, ſo höchſt „Denke nur nicht, Werner, daß ich komme, Mit Ungeſtüm ergriff er, ſobald ſie das Tablett „Ella, du liebes, einziges Mädchen! Ja, es iſt Fortſetzung folgt. <TEI> <text> <front> <pb facs="#f0001" n="[1]"/> <titlePage xml:id="tp1a" type="heading" next="#tp1b"> <titlePart type="main"> <hi rendition="#b">Marburger Zeitung.</hi> </titlePart><lb/> <titlePart type="sub"> <hi rendition="#b">Tagblatt.</hi> </titlePart> </titlePage><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jExpedition"> <p>Der Preis des Blattes beträgt:<lb/> Für Marburg monatlich 1 <hi rendition="#aq">K 50 h.</hi> Bei Zuſtellung ins Haus<lb/> monatlich 40 <hi rendition="#aq">h</hi> mehr.<lb/> Mit Poſtverſendung wie bisher:<lb/> Ganzjährig 14 <hi rendition="#aq">K,</hi> halbjährig 7 <hi rendition="#aq">K,</hi> vierteljährig 3 <hi rendition="#aq">K 50 h.</hi><lb/> Der Bezug dauert bis zur ſchriftlichen Abbeſtellung.<lb/><cb/> <hi rendition="#b">Erſcheint täglich um <supplied>6</supplied> Uhr abends.<lb/> Sprechſtunden</hi> des Schriftleiters an allen Wochentagen von<lb/><hi rendition="#b">11—12</hi> Uhr und von <hi rendition="#b">5—6</hi> Uhr Edmund Schmidgaſſe 4.<lb/> Verwaltung: Edmund Schmidgaſſe 4. (Telephon Nr. 24.)<lb/><cb/> <hi rendition="#g">Anzeigen</hi> werden im Verlage des Blattes und von<lb/> allen größeren Annoncen-Expeditionen entgegengenommen<lb/> und koſtet die fünfmal geſpaltene Kleinzeile 12 <hi rendition="#aq">h.</hi><lb/> Die Einzelnummer koſtet <hi rendition="#b">10</hi> Heller</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <titlePage xml:id="tp1b" prev="#tp1a" type="heading"> <docImprint> <docDate> <hi rendition="#b">Nr. 220 Dienstag, 26. September 1916 55. Jahrgang</hi> </docDate> </docImprint><lb/> </titlePage> </front> <body> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="1"> <p> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#b">Vierter Tag der neuen Somme-Schlacht.<lb/> „Von der Kriegsinduſtrie der ganzen Welt bereitgeltelltes Material“. Einheit-<lb/> licher Mallenangriff der englisch-franz. Infanterie. Rullenltürme zulammengebrochen</hi> </hi> </p> </div><lb/> <cb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Die Tragik eines Königs.</hi> </head><lb/> <p>„König Konſtantin von Griechenland wird<lb/> ſeinen Aufenthalt in Athen nicht weiter ver-<lb/> längern; das königliche Palais iſt bereits ge-<lb/> ſchloſſen.“ So meldet ein Pariſer Blatt und<lb/> andere Meldungen, deren Quellen freilich alle aus<lb/> den Lagern und journaliſtiſchen Gefäſſen der<lb/> Entente entſpringen, teilen mit, daß der Aufruhr<lb/> in Griechenland gegen das königliche Haus und<lb/> im Dienſte der Entente ſein Haupt erhebe, daß<lb/> man Veniſelos frei und unbehelligt nach Saloniki<lb/> fahren läßt, um die Leitung der unter der<lb/> Kontrolle des Vierverbandes ſtehenden revolutio-<lb/> nären Partei zu übernehmen, daß auf den grie-<lb/> chiſchen Inſeln der Brand des Aufruhrs die<lb/> königstreue Geſinnung ſchon verzehrt hat, daß<lb/> Garniſonen von Küſtenſtädten ihren Fahneneid<lb/> brachen und zu den Rebellenführern übergingen<lb/> und griechiſche Behörden die Regierungsgebäude<lb/> den Aufſtändiſchen überließen. Freilich nur auf<lb/> den Inſeln und im Raume von Saloniki,<lb/> wo die revolutionäre Partei den König ent-<lb/> thronen, das Land ihm entreißen und unter der<lb/> Scheingewalt des orientaliſchem Blute entſproſſenen<lb/> Kreters Veniſelos ein eigenes ‚unabhängiges‘ ſtaat-<lb/><cb/> liches Gebilde ſchaffen will, das dennoch in den<lb/> ſchwerſten Feſſeln liegen würde, in den Banden<lb/> der Entente und das nicht einen freien Atemzug<lb/> ſich gönnen dürfte, den die Entente nicht erlaubt.<lb/> Vom eigentlichen Griechenlande vermögen weder<lb/> Reuter noch des Vierverbandes lauernde Blätter<lb/> ſolche Nachricht in die Welt zu ſenden; nur wo<lb/> die Flotte und die Armee der Alliierten und ihr<lb/> rollendes Gold die Alleinherrſchaft ausüben und<lb/> dieſe gebrauchen, wie ſie nie zuvor gebraucht worden<lb/> iſt in einem neutralen Lande, das die Peiniger<lb/> aufnahm in ſeinem Gebiete, nur dort ſteht der<lb/> Aufruhr auf und ſtellt ſich an die Seite der<lb/> Entente. Den einen treibt der falſche Ehrgeiz, die<lb/> Zukunft des eigenen Landes zu verraten, wie<lb/> Veniſelos, der falſche Kreter, zu ſeinem Vorteile es<lb/> tut, die anderen laufen dem Golde nach, das die<lb/> Entente aus vollen Händen verſtreut und nur<lb/> wenige mögen von falſchen und ſelber beſtochenen<lb/> Propheten betört, in ihrem Tun eine Tat für ihr<lb/> Land erblicken. Im eigentlichen alten Griechenland<lb/> aber ſteht noch die Treue feſt zum König und<lb/> zum Lande und der Zug von mehr als hundert<lb/> getreuen Offizieren, die von Saloniki huldigend<lb/> nach Athen zum König kamen und die Lage des<lb/> Armeekorps von Kavalla, das unter deutſchen<lb/><cb/> Schutz ſich ſtellen mußte, laſſen erkennen, mit<lb/> welchen Mitteln im Gebiet von Saloniki und<lb/> überall, wo ihre Klauen einſchlugen in das Land,<lb/> die Entente an dem Eidbruch, an der Zerſtörung<lb/> der Armee des Königs Konſtantin unabläſſig<lb/> arbeitet. Dem König der Griechen wird wohl die<lb/> Geſchichte dereinſt einen ſeltſamen Beinamen<lb/> verleihen; auf dem Haupte ſeiner Königsgeſtalt<lb/> laſtet eine Dornenkrone und die Henkersknechte<lb/> der Entente ſind Tag und Nacht am Werke,<lb/> die Dornen dieſer Krone tiefer hineinzudrücken ins<lb/> Haupt des heldenhaften Königs. Wenn Rumänien<lb/> nicht uns die Treue gebrochen hätte und wenn<lb/> wir ſicher geweſen wären dieſer Treue, dann wäre<lb/> die Plage Griechenlands ſchon verjagt worden vom<lb/> zertretenen Königreiche und waffenſtarke Erlöſer<lb/> hätten das Land und ſeinen König vom Martyrium<lb/> befreit; jetzt aber ſtehen die Freunde in Mazedonin<lb/> und können nur wehren, aber nicht verjagen, weil<lb/> die rumäniſche Front ihre Kräfte verlangt. Aber<lb/> auch in Schmerzen ſteht Griechenlands König auf-<lb/> recht mitten in ſeinem Volke und wo zehn andere<lb/> im Verzagen ſich gebeugt und unterworfen hätten,<lb/> bleibt er ein König voller Ehre und Treue.<lb/> So wird er fortleben in den ſpäteſten Zeitaltern<lb/> unſerer Geſchichte!</p> <byline>N. J.</byline><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> </div> </div> <div type="jFeuilleton" n="1"> <head> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#b">Im Wahn der Schuld.</hi> </hi> </head><lb/> <byline>Roman von Ludwig <hi rendition="#g">Blümcke.</hi> </byline><lb/> <p>4.<space dim="horizontal"/>(Unberechtigter Nachdruck verboten.)</p><lb/> <p>Werner hörte auch Tante Amaliens ein wenig<lb/> verlegene Stimme. Aber dann ward es ſtill, die<lb/> Gäſte befanden ſich im Salon. Das Auto ratterte<lb/> wieder von dannen und der Einſame, Nichtgewürdigte<lb/> ſaß wie vorhin grübelnd in ſeinem Zimmer.<lb/> Agathe, eines der Dienſtmädchen, brachte ihm in<lb/> großer Haſt ſein Abendbrot und ohne Appetit<lb/> würgte er ein paar Biſſen hinunter. Noch niemals<lb/> in ſeinem Leben hatte er gefühlt, wie Eiferſucht<lb/> tun kann. In dieſer Stunde verſpürte er es.</p><lb/> <p>Und dazu dieſes beſchämende Gefühl, ſo höchſt<lb/> unbedeutend und überflüſſig zu ſein: ein armer<lb/> Zivil-Ingenieur, ein Dutzendmenſch, der ums<lb/> tägliche Brot kämpfen mußte und nicht die geringſte<lb/> Ausſicht hatte, jemals etwas Beſonderes zu leiſten?<lb/> Wo waren denn auf einmal die kühnen Ideen,<lb/> ſeine himmelſtürmenden Zukunftspläne? Wollte<lb/> auch nicht er ein Erfinder werden? Arbeitete er<lb/> nicht ſchon ſeit Wochen an dem Problem einer<lb/> neuen Flugmaſchine? Ach, jetzt hätte er all die<lb/> Zeichnungen, die drüben fertig im Schreibpult<lb/> lagen, zerreißen und verbrennen mögen als etwas<lb/> höchſt Unbrauchbares. Dieſe entſetzliche Laune. Da<lb/> pochte es ganz leiſe an die Tür. Gewiß das<lb/><cb/> Mädchen, das abdecken wollte. Barſch rief er<lb/> „herein!“ Aber was bedeutete denn das? Helles<lb/> Licht flutete urplötzlich in ſein halbdunkles Stübchen,<lb/> wie wenn hundert Sonnen hineinſtrahlten: Auf<lb/> leichten Füßen ſchwebte holdlächelnd eine wunder-<lb/> volle Fee herein. Ella war es in ihrem feinſten<lb/> Ballſtaat von blütenweißer Seide. Rote Roſen<lb/> glühten in ihrem herrlichen Haar, ſchämige Röte<lb/> lag auf den lieblichen Wangen, und die ſtrahlenden<lb/> Augen wagten in mädchenhafter Scheu nicht auf-<lb/> zuſchauen von dem ſilbernen Tablett, das ſie in<lb/> den zierlichen, mit blitzenden Ringen geſchmückten<lb/> Händen trug. Ein feingeſchliffenes Weinglas klirrte<lb/> leiſe an eine Sektflaſche, Weintranben und Obſt<lb/> aus dem eigenen Garten füllten die große Kriſtall-<lb/> ſchale, die außerdem noch darauf ſtand, in zittern-<lb/> der Bewegung. Werner war wie geblendet. So<lb/> ſchön hatte er dieſes Mädchen noch niemals geſehen.<lb/> Eine königliche Erſcheinung, ein Gebild aus<lb/> Himmelshöhen war das ja, — viel zu herrlich für<lb/> dieſe arme Erde. Siedend heiß ſchoß ihm das Blut<lb/> vom wild pochenden Herzen in die Schläfe, ins<lb/> Hirn, ſeine Augen weiteten ſich in ſtarrem Staunen,<lb/> ein Taumel packte ihn — und wortlos ſtand er<lb/> der ſchweſterlichen Freundin gegenüber, die auf<lb/> einmal eine andere für ihn geworden war. Ja,<lb/> eine andere. Das wußte er in dieſem Augenblick<lb/> ganz genau. Gewiß wußte auch ſie es. Warum<lb/> wäre ſie denn ſonſt ſo zaghaft, ſo verlegen geweſen,<lb/> warum ſtotterte ſie faſt ängſtlich:</p><lb/> <p>„Denke nur nicht, Werner, daß ich komme,<lb/><cb/> um mich dir in meinem Putz zu präſentieren. Du<lb/> weißt doch, daß ich keine Zierpuppe bin. Aber ich<lb/> hielt es für meine Schuldigkeit, dir auch eine<lb/> Flaſche Sekt und etwas Obſt heraufzubringen. Du<lb/> biſt gewiß außer dir über die Zurückſetzung, daß<lb/> du nicht mit uns ſpeiſen ſollſt, armer Junge. Darum<lb/> wollte ich dir dies zum Troſt bringen. Es iſt<lb/> wirklich nicht hübſch von meinen Eltern. Ich —<lb/> ich habe mit Mama deswegen — Aber du weißt<lb/> ja, das ſind ſo kleine Abſonderlichkeiten, über die<lb/> wir — Kinder uns tröſten müſſen. Ich hätte es<lb/> zu gerne geſehen, daß du mit unten geweſen wäreſt,<lb/> und lieber noch: die beiden Herren wären in der<lb/> Stadt geblieben.“</p><lb/> <p>Mit Ungeſtüm ergriff er, ſobald ſie das Tablett<lb/> niedergeſtellt hatte, ihre beiden Hände, ſchaute ihr<lb/> mit verklärten Blicken ins glühende, wunder-<lb/> liebliche Antlitz und rief mit bewegter Stimme aus:</p><lb/> <p>„Ella, du liebes, einziges Mädchen! Ja, es iſt<lb/> wahr, ich fühlte mich, obwohl das undankbar ſein<lb/> mag, etwas zurückgeſetzt und war — rieſig eifer-<lb/> ſüchtig auf den Aſſeſſor, wenn ich ganz ehrlich ſein<lb/> ſoll. Aber nun bin ich überglücklich, du Gute, daß<lb/> du mich nicht ganz vergeſſen haſt und es mir offen<lb/> ſagſt, es wäre dir lieber geweſen, wenn die beiden<lb/> Herren in der Stadt geblieben wären. Ella — ach,<lb/> ich war niemals ein Schmeichler — aber ich muß<lb/> es dir geſtehen: Ich bin ganz hingeriſſen von<lb/> deinem Anblick!“</p><lb/> <p> <ref>Fortſetzung folgt.</ref> </p> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [[1]/0001]
Marburger Zeitung.
Tagblatt.
Der Preis des Blattes beträgt:
Für Marburg monatlich 1 K 50 h. Bei Zuſtellung ins Haus
monatlich 40 h mehr.
Mit Poſtverſendung wie bisher:
Ganzjährig 14 K, halbjährig 7 K, vierteljährig 3 K 50 h.
Der Bezug dauert bis zur ſchriftlichen Abbeſtellung.
Erſcheint täglich um 6 Uhr abends.
Sprechſtunden des Schriftleiters an allen Wochentagen von
11—12 Uhr und von 5—6 Uhr Edmund Schmidgaſſe 4.
Verwaltung: Edmund Schmidgaſſe 4. (Telephon Nr. 24.)
Anzeigen werden im Verlage des Blattes und von
allen größeren Annoncen-Expeditionen entgegengenommen
und koſtet die fünfmal geſpaltene Kleinzeile 12 h.
Die Einzelnummer koſtet 10 Heller
Nr. 220 Dienstag, 26. September 1916 55. Jahrgang
Vierter Tag der neuen Somme-Schlacht.
„Von der Kriegsinduſtrie der ganzen Welt bereitgeltelltes Material“. Einheit-
licher Mallenangriff der englisch-franz. Infanterie. Rullenltürme zulammengebrochen
Die Tragik eines Königs.
„König Konſtantin von Griechenland wird
ſeinen Aufenthalt in Athen nicht weiter ver-
längern; das königliche Palais iſt bereits ge-
ſchloſſen.“ So meldet ein Pariſer Blatt und
andere Meldungen, deren Quellen freilich alle aus
den Lagern und journaliſtiſchen Gefäſſen der
Entente entſpringen, teilen mit, daß der Aufruhr
in Griechenland gegen das königliche Haus und
im Dienſte der Entente ſein Haupt erhebe, daß
man Veniſelos frei und unbehelligt nach Saloniki
fahren läßt, um die Leitung der unter der
Kontrolle des Vierverbandes ſtehenden revolutio-
nären Partei zu übernehmen, daß auf den grie-
chiſchen Inſeln der Brand des Aufruhrs die
königstreue Geſinnung ſchon verzehrt hat, daß
Garniſonen von Küſtenſtädten ihren Fahneneid
brachen und zu den Rebellenführern übergingen
und griechiſche Behörden die Regierungsgebäude
den Aufſtändiſchen überließen. Freilich nur auf
den Inſeln und im Raume von Saloniki,
wo die revolutionäre Partei den König ent-
thronen, das Land ihm entreißen und unter der
Scheingewalt des orientaliſchem Blute entſproſſenen
Kreters Veniſelos ein eigenes ‚unabhängiges‘ ſtaat-
liches Gebilde ſchaffen will, das dennoch in den
ſchwerſten Feſſeln liegen würde, in den Banden
der Entente und das nicht einen freien Atemzug
ſich gönnen dürfte, den die Entente nicht erlaubt.
Vom eigentlichen Griechenlande vermögen weder
Reuter noch des Vierverbandes lauernde Blätter
ſolche Nachricht in die Welt zu ſenden; nur wo
die Flotte und die Armee der Alliierten und ihr
rollendes Gold die Alleinherrſchaft ausüben und
dieſe gebrauchen, wie ſie nie zuvor gebraucht worden
iſt in einem neutralen Lande, das die Peiniger
aufnahm in ſeinem Gebiete, nur dort ſteht der
Aufruhr auf und ſtellt ſich an die Seite der
Entente. Den einen treibt der falſche Ehrgeiz, die
Zukunft des eigenen Landes zu verraten, wie
Veniſelos, der falſche Kreter, zu ſeinem Vorteile es
tut, die anderen laufen dem Golde nach, das die
Entente aus vollen Händen verſtreut und nur
wenige mögen von falſchen und ſelber beſtochenen
Propheten betört, in ihrem Tun eine Tat für ihr
Land erblicken. Im eigentlichen alten Griechenland
aber ſteht noch die Treue feſt zum König und
zum Lande und der Zug von mehr als hundert
getreuen Offizieren, die von Saloniki huldigend
nach Athen zum König kamen und die Lage des
Armeekorps von Kavalla, das unter deutſchen
Schutz ſich ſtellen mußte, laſſen erkennen, mit
welchen Mitteln im Gebiet von Saloniki und
überall, wo ihre Klauen einſchlugen in das Land,
die Entente an dem Eidbruch, an der Zerſtörung
der Armee des Königs Konſtantin unabläſſig
arbeitet. Dem König der Griechen wird wohl die
Geſchichte dereinſt einen ſeltſamen Beinamen
verleihen; auf dem Haupte ſeiner Königsgeſtalt
laſtet eine Dornenkrone und die Henkersknechte
der Entente ſind Tag und Nacht am Werke,
die Dornen dieſer Krone tiefer hineinzudrücken ins
Haupt des heldenhaften Königs. Wenn Rumänien
nicht uns die Treue gebrochen hätte und wenn
wir ſicher geweſen wären dieſer Treue, dann wäre
die Plage Griechenlands ſchon verjagt worden vom
zertretenen Königreiche und waffenſtarke Erlöſer
hätten das Land und ſeinen König vom Martyrium
befreit; jetzt aber ſtehen die Freunde in Mazedonin
und können nur wehren, aber nicht verjagen, weil
die rumäniſche Front ihre Kräfte verlangt. Aber
auch in Schmerzen ſteht Griechenlands König auf-
recht mitten in ſeinem Volke und wo zehn andere
im Verzagen ſich gebeugt und unterworfen hätten,
bleibt er ein König voller Ehre und Treue.
So wird er fortleben in den ſpäteſten Zeitaltern
unſerer Geſchichte!
N. J.
Im Wahn der Schuld.
Roman von Ludwig Blümcke.
4. (Unberechtigter Nachdruck verboten.)
Werner hörte auch Tante Amaliens ein wenig
verlegene Stimme. Aber dann ward es ſtill, die
Gäſte befanden ſich im Salon. Das Auto ratterte
wieder von dannen und der Einſame, Nichtgewürdigte
ſaß wie vorhin grübelnd in ſeinem Zimmer.
Agathe, eines der Dienſtmädchen, brachte ihm in
großer Haſt ſein Abendbrot und ohne Appetit
würgte er ein paar Biſſen hinunter. Noch niemals
in ſeinem Leben hatte er gefühlt, wie Eiferſucht
tun kann. In dieſer Stunde verſpürte er es.
Und dazu dieſes beſchämende Gefühl, ſo höchſt
unbedeutend und überflüſſig zu ſein: ein armer
Zivil-Ingenieur, ein Dutzendmenſch, der ums
tägliche Brot kämpfen mußte und nicht die geringſte
Ausſicht hatte, jemals etwas Beſonderes zu leiſten?
Wo waren denn auf einmal die kühnen Ideen,
ſeine himmelſtürmenden Zukunftspläne? Wollte
auch nicht er ein Erfinder werden? Arbeitete er
nicht ſchon ſeit Wochen an dem Problem einer
neuen Flugmaſchine? Ach, jetzt hätte er all die
Zeichnungen, die drüben fertig im Schreibpult
lagen, zerreißen und verbrennen mögen als etwas
höchſt Unbrauchbares. Dieſe entſetzliche Laune. Da
pochte es ganz leiſe an die Tür. Gewiß das
Mädchen, das abdecken wollte. Barſch rief er
„herein!“ Aber was bedeutete denn das? Helles
Licht flutete urplötzlich in ſein halbdunkles Stübchen,
wie wenn hundert Sonnen hineinſtrahlten: Auf
leichten Füßen ſchwebte holdlächelnd eine wunder-
volle Fee herein. Ella war es in ihrem feinſten
Ballſtaat von blütenweißer Seide. Rote Roſen
glühten in ihrem herrlichen Haar, ſchämige Röte
lag auf den lieblichen Wangen, und die ſtrahlenden
Augen wagten in mädchenhafter Scheu nicht auf-
zuſchauen von dem ſilbernen Tablett, das ſie in
den zierlichen, mit blitzenden Ringen geſchmückten
Händen trug. Ein feingeſchliffenes Weinglas klirrte
leiſe an eine Sektflaſche, Weintranben und Obſt
aus dem eigenen Garten füllten die große Kriſtall-
ſchale, die außerdem noch darauf ſtand, in zittern-
der Bewegung. Werner war wie geblendet. So
ſchön hatte er dieſes Mädchen noch niemals geſehen.
Eine königliche Erſcheinung, ein Gebild aus
Himmelshöhen war das ja, — viel zu herrlich für
dieſe arme Erde. Siedend heiß ſchoß ihm das Blut
vom wild pochenden Herzen in die Schläfe, ins
Hirn, ſeine Augen weiteten ſich in ſtarrem Staunen,
ein Taumel packte ihn — und wortlos ſtand er
der ſchweſterlichen Freundin gegenüber, die auf
einmal eine andere für ihn geworden war. Ja,
eine andere. Das wußte er in dieſem Augenblick
ganz genau. Gewiß wußte auch ſie es. Warum
wäre ſie denn ſonſt ſo zaghaft, ſo verlegen geweſen,
warum ſtotterte ſie faſt ängſtlich:
„Denke nur nicht, Werner, daß ich komme,
um mich dir in meinem Putz zu präſentieren. Du
weißt doch, daß ich keine Zierpuppe bin. Aber ich
hielt es für meine Schuldigkeit, dir auch eine
Flaſche Sekt und etwas Obſt heraufzubringen. Du
biſt gewiß außer dir über die Zurückſetzung, daß
du nicht mit uns ſpeiſen ſollſt, armer Junge. Darum
wollte ich dir dies zum Troſt bringen. Es iſt
wirklich nicht hübſch von meinen Eltern. Ich —
ich habe mit Mama deswegen — Aber du weißt
ja, das ſind ſo kleine Abſonderlichkeiten, über die
wir — Kinder uns tröſten müſſen. Ich hätte es
zu gerne geſehen, daß du mit unten geweſen wäreſt,
und lieber noch: die beiden Herren wären in der
Stadt geblieben.“
Mit Ungeſtüm ergriff er, ſobald ſie das Tablett
niedergeſtellt hatte, ihre beiden Hände, ſchaute ihr
mit verklärten Blicken ins glühende, wunder-
liebliche Antlitz und rief mit bewegter Stimme aus:
„Ella, du liebes, einziges Mädchen! Ja, es iſt
wahr, ich fühlte mich, obwohl das undankbar ſein
mag, etwas zurückgeſetzt und war — rieſig eifer-
ſüchtig auf den Aſſeſſor, wenn ich ganz ehrlich ſein
ſoll. Aber nun bin ich überglücklich, du Gute, daß
du mich nicht ganz vergeſſen haſt und es mir offen
ſagſt, es wäre dir lieber geweſen, wenn die beiden
Herren in der Stadt geblieben wären. Ella — ach,
ich war niemals ein Schmeichler — aber ich muß
es dir geſtehen: Ich bin ganz hingeriſſen von
deinem Anblick!“
Fortſetzung folgt.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Benjamin Fiechter, Susanne Haaf: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat).
(2018-01-26T13:38:42Z)
grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung.
(2018-01-26T13:38:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Amelie Meister: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung.
(2018-01-26T13:38:42Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): keine Angabe; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: keine Angabe; Silbentrennung: keine Angabe; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: keine Angabe;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |