Marburger Zeitung. Nr. 153, Marburg, 20.12.1904.Marburger Zeitung. [Spaltenumbruch] Der Preis des Blattes beträgt: Für Marburg: Mit Postversendung: [Spaltenumbruch] Erscheint jeden Dienstag, Donnerstag und Sprechstunden des Schriftleiters an allen Wochentagen von Die Verwaltung befindet sich: Postgasse 4. (Telephon-Nr. 24.) [Spaltenumbruch] Einschaltungen werden im Verlage des Blattes und von Nr. 153 Dienstag, 20. Dezember 1904 43. Jahrgang. [Spaltenumbruch] Wo bleibt der Ackerbauminister? Vor wenigen Wochen hat Herr v. Koerber Von einem Ackerbauminister, der, wie man Das Gesamtministerium und damit auch der Daraus ergibt sich: der Einfluß des Acker- Graf Buquoy hat bis jetzt nur seine Einfluß- [Spaltenumbruch] Ein Opfer. 14 (Nachdruck verboten) "Ich komme morgen wieder in Ihrer Mutter "Sie werden es verschlossen finden. Gehen Es führten durch den Wald zwei Wege, der Veronika ging einige Schritte, dann stand Sie lehnte den Kopf gegen den Stamm des Durch die Bäume fuhr klagend ein Windstoß, VI. Die kleine St. Annenkirche war für den Atemlos, keuchend, in kaltem Schweiß gebadet, "Ich gehe nicht in die Kirche, ich kann, -- Die Alte schlug erschrocken die Hände zu- "Nein, nein!" stöhnte Hellborn und wehrte "Wie sehen Sie nur aus?" fuhr die Alte fort, "Schweig!" fuhr er so wütend auf, daß Nach einigen Minuten, während welcher er, "Herr Pfarrer, soll ich Ihnen irgend eine Er schüttelte den Kopf. "Ich gehe nicht in "Es ist die höchste Zeit." "Ich gehe nicht in die Kirche, nie, nie wieder "Gelobt sei Jesus Christus, da sind Sie ja, "Ich kann nicht", erwiderte der Pfarrer "Die hochwürdigen Herren sind nicht daheim, "Ich will aber nicht!" stöhnte der Pfarrer. "Es harren auch zwei Frauen, die beichten Der Mann ergriff Hellborn beim Arme und Marburger Zeitung. [Spaltenumbruch] Der Preis des Blattes beträgt: Für Marburg: Mit Poſtverſendung: [Spaltenumbruch] Erſcheint jeden Dienstag, Donnerstag und Sprechſtunden des Schriftleiters an allen Wochentagen von Die Verwaltung befindet ſich: Poſtgaſſe 4. (Telephon-Nr. 24.) [Spaltenumbruch] Einſchaltungen werden im Verlage des Blattes und von Nr. 153 Dienstag, 20. Dezember 1904 43. Jahrgang. [Spaltenumbruch] Wo bleibt der Ackerbauminiſter? Vor wenigen Wochen hat Herr v. Koerber Von einem Ackerbauminiſter, der, wie man Das Geſamtminiſterium und damit auch der Daraus ergibt ſich: der Einfluß des Acker- Graf Buquoy hat bis jetzt nur ſeine Einfluß- [Spaltenumbruch] Ein Opfer. 14 (Nachdruck verboten) „Ich komme morgen wieder in Ihrer Mutter „Sie werden es verſchloſſen finden. Gehen Es führten durch den Wald zwei Wege, der Veronika ging einige Schritte, dann ſtand Sie lehnte den Kopf gegen den Stamm des Durch die Bäume fuhr klagend ein Windſtoß, VI. Die kleine St. Annenkirche war für den Atemlos, keuchend, in kaltem Schweiß gebadet, „Ich gehe nicht in die Kirche, ich kann, — Die Alte ſchlug erſchrocken die Hände zu- „Nein, nein!“ ſtöhnte Hellborn und wehrte „Wie ſehen Sie nur aus?“ fuhr die Alte fort, „Schweig!“ fuhr er ſo wütend auf, daß Nach einigen Minuten, während welcher er, „Herr Pfarrer, ſoll ich Ihnen irgend eine Er ſchüttelte den Kopf. „Ich gehe nicht in „Es iſt die höchſte Zeit.“ „Ich gehe nicht in die Kirche, nie, nie wieder „Gelobt ſei Jeſus Chriſtus, da ſind Sie ja, „Ich kann nicht“, erwiderte der Pfarrer „Die hochwürdigen Herren ſind nicht daheim, „Ich will aber nicht!“ ſtöhnte der Pfarrer. „Es harren auch zwei Frauen, die beichten Der Mann ergriff Hellborn beim Arme und <TEI> <text> <front> <pb facs="#f0001" n="[1]"/> <titlePage xml:id="title1" type="heading" next="#title2"> <titlePart type="main"> <hi rendition="#b">Marburger Zeitung.</hi> </titlePart> </titlePage><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> <div type="jExpedition"> <p>Der Preis des Blattes beträgt: Für Marburg:<lb/> Ganzjährig 12 <hi rendition="#aq">K,</hi> halbjährig 6 <hi rendition="#aq">K,</hi> vierteljährig 3 <hi rendition="#aq">K,</hi> monat-<lb/> lich 1 <hi rendition="#aq">K.</hi> Bei Zuſtellung ins Haus monatlich 20 <hi rendition="#aq">h</hi> mehr.</p><lb/> <p>Mit Poſtverſendung:<lb/> Ganzjährig 14 <hi rendition="#aq">K,</hi> halbjährig 7 <hi rendition="#aq">K,</hi> vierteljährig 3 <hi rendition="#aq">K 50 h.</hi><lb/> Das Abonnement dauert bis zur ſchriftlichen Abbeſtellung.</p><lb/> <cb/> <p> <hi rendition="#b">Erſcheint jeden Dienstag, Donnerstag und<lb/> Samstag abends.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#b">Sprechſtunden des Schriftleiters an allen Wochentagen von<lb/> 11—12 Uhr vorm. und von 5—6 Uhr nachm. 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Gehen<lb/> Sie! —“</p><lb/> <p>Es führten durch den Wald zwei Wege, der<lb/> eine ging ſchnurſtracks auf das St. Annenthor zu,<lb/> in deſſen unmittelbarer Nähe die St. Annen-Kapelle<lb/> und die Pfarrwohnung lagen, der andere an den<lb/> Weinbergen vorüber, nach der Vorſtadt, wo Frau<lb/> von Staufen wohnte. Das junge Mädchen wandte<lb/> ſich dem letzteren zu, es blieb Hellborn nichts übrig,<lb/> als den erſteren einzuſchlagen.</p><lb/> <p>Veronika ging einige Schritte, dann ſtand<lb/> ſie ſtill und lauſchte, und in dem Maße, als ſie<lb/> ſeine Tritte verhallen hörte, verließ ſie die Willens-<lb/> kraft, die ſie bis dahin aufrecht gehalten. 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Es war<lb/> ſpät geworden, die Stunde, welche ihn zum Gottes-<lb/> dienſt rief, hatte bereits geſchlagen; ſeine alte Haus-<lb/> hälterin lief ihm mit dem Rufe entgegen, er möge<lb/> eilen, in die Kirche zu kommen, der Meßner ſei<lb/> ſchon dageweſen und habe nach ihm gefragt. Er<lb/> machte jedoch keine Miene, ihrer Aufforderung<lb/> Folge zu leiſten, ſondern warf ſich, den Hut von<lb/> ſich ſchleudernd, in den nächſten Stuhl und rief:</p><lb/> <p>„Ich gehe nicht in die Kirche, ich kann, —<lb/> ich kann nicht in die Kirche.“</p><lb/> <p>Die Alte ſchlug erſchrocken die Hände zu-<lb/> ſammen und bekreuzte ſich. „Heilige gebenedeiete<lb/> Jungfrau, was iſt Ihnen?“ ſchrie ſie. „Sind<lb/> Sie krank?“</p><lb/> <p>„Nein, nein!“ ſtöhnte Hellborn und wehrte<lb/> die auf ihn einredende Haushälterin ab, laſſen Sie<lb/> mich, Beate!“</p><lb/> <p>„Wie ſehen Sie nur aus?“ fuhr die Alte fort,<lb/> während Hellborn ſich mit dem Taſchentuche die<lb/> Stirn trocknete, „Herr und Heiland, verzeihe mir<lb/> die Sünde, man ſollte meinen, der Böſe ſei Ihnen<lb/> da draußen begegnet.“</p><lb/> <p>„Schweig!“ fuhr er ſo wütend auf, daß<lb/><cb/> Beate, welche von ihrem Herrn Pfarrer nur ein<lb/> gütiges gelaſſenes Weſen kannte, erſchrocken zurück-<lb/> fuhr, verſtohlen nach ihrem Roſenkranz griff und<lb/> in aller Eile ein paar Paternoſter betete, überzeugt,<lb/> es könne bei ihm nicht mit rechten Dingen zugehen.</p><lb/> <p>Nach einigen Minuten, während welcher er,<lb/> ohne ſich zu rühren, dageſeſſen hatte, glaubte ſie<lb/> doch ihn von neuem mahnen zu müſſen.</p><lb/> <p>„Herr Pfarrer, ſoll ich Ihnen irgend eine<lb/> Herzſtärkung bringen?“ fragte ſie, „denn Sie<lb/> müſſen in die Kirche.“</p><lb/> <p>Er ſchüttelte den Kopf. „Ich gehe nicht in<lb/> die Kirche.“</p><lb/> <p>„Es iſt die höchſte Zeit.“</p><lb/> <p>„Ich gehe nicht in die Kirche, nie, nie wieder<lb/> kann ich vor den Altar treten“, murmelte er für<lb/> ſich, Beatens Ohr hatte aber die Worte doch auf-<lb/> gefangen. Ratlos ſtand ſie da, aber ſchon kam ihr<lb/> Hilfe. Die Haustüre ward aufgeriſſen, die Stuben-<lb/> tür flog auf, der Meßner ſtürzt herein.</p><lb/> <p>„Gelobt ſei Jeſus Chriſtus, da ſind Sie ja,<lb/> Herr Pfarrer!“ ſagte er, Atem ſchöpfend, „kommen<lb/> Sie in die Kirche, man wartet.“</p><lb/> <p>„Ich kann nicht“, erwiderte der Pfarrer<lb/> dumpf, „holen Sie einen andern.“</p><lb/> <p>„Die hochwürdigen Herren ſind nicht daheim,<lb/> ſo bleibt denn nichts übrig, Herr Pfarrer, Sie<lb/> müſſen kommen.“</p><lb/> <p>„Ich will aber nicht!“ ſtöhnte der Pfarrer.</p><lb/> <p>„Es harren auch zwei Frauen, die beichten<lb/> wollen, ehe ſie morgen zum Hochamt gehen“, fuhr<lb/> der Meßner dringender fort, „Sie dürfen die Kirche<lb/> nicht verwaiſt laſſen, kommen Sie.“</p><lb/> <p>Der Mann ergriff Hellborn beim Arme und</p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [[1]/0001]
Marburger Zeitung.
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Wiederholung bedeut. Nachlaß. Schluß für Einſchaltungen
Dienstag, Donnerstag, Samstag mittags. Manuſkripte
werden nicht zurückgegeben. Die Einzelnummer koner 10 h.
Nr. 153 Dienstag, 20. Dezember 1904 43. Jahrgang.
Wo bleibt der Ackerbauminiſter?
Vor wenigen Wochen hat Herr v. Koerber
eine Erneuerung ſeines Miniſteriums vorgenommen,
die ſich auch auf das Ackerbauminiſterium erſtreckte.
Als damals bekannt wurde, daß an Stelle des
ſchon lange vorher unmöglich gewordenen Barons
Giovanelli mit dem Portefeuille des Ackerbau-
miniſteriums Graf Buquoy bedacht worden ſei, da
ging eine freudige Bewegung durch die Reihen
unſerer nur-agrariſchen Agitatoren. Einer der ihrigen
war zur Macht gelangt. Jetzt, ſo erzählte man den
Bauern, werde für die öſterreichiſche Landwirtſchaft
eine Epoche ungetrübteſten Glückes anbrechen. Denn
Graf Buquoy ſei einer der Führer der ſogenannten
„agrariſchen Bewegung“, mit ſeiner Ernennung zum
Ackerbauminiſter ſei dieſe Bewegung zur Macht
gelangt und habe einen Sieg errungen. Einen Sieg
über wen? Wer war der Beſiegte? Etwa
jener unglückſelige Geiſt des traditionellen öſter-
reichiſchen Regierungsſyſtemes, der ſich in den Acker-
bauminiſtern Grafen Falkenhayn und Baron
Giovanelli verkörpert hatte, der Geiſt der
Verneinung aller jener Forderungen, die ſeit
Jahrzehnten vergeblich von den Bauern ge-
ſtellt wurden? Nein, dieſer Geiſt wirkt auch heute
noch, auch heute noch und trotz des Eintrittes
des Grafen Buquoy in das Miniſterium Koerber
harren die Bauern vergebens darauf, daß ſich die
Regierung ernſtlich mit der Notlage des Bauern-
ſtandes beſchäftige.
Von einem Ackerbauminiſter, der, wie man
ſagte, „von der mächtigen agrariſchen Bewegung
zu ſeiner hohen Stellung emporgetragen worden
war“, mußte man erwarten, daß ihm dieſe Bewe-
gung, als deren Vertreter im Miniſterium er
bezeichnet wurde und als welcher er auch gelten
muß, erhöhten Einfluß auf die Entſchei-
dungen des Geſamtminiſterium verleihen
werde. Das Votum eines Ackerbauminiſters, der
ſich auf eine, wie man ſagt, mächtige Bewegung
zu ſtützen vermag, mußte auch bei ſolchen politiſchen
Entſcheidungen ins Gewicht fallen, durch die bäuer-
liche Intereſſen in Mitleidenſchaft gezogen wurden.
Eine ſolche Entſcheidung war die über den bäuer-
lichen Notſtandskredit von 15½ Millionen
Kronen. Hier mußte ſich ein „agrariſcher“ Ackerbau-
miniſter dafür einſetzen, daß dieſe Regierungsvorlage
nicht an politiſche Bedingungen geknüpft wurde,
durch die die Annahme der Vorlage in Frage ge-
ſtellt erſchien. Ein einflußreicher Ackerbauminiſter
durfte ſolchen Bedingungen im Miniſterrate nicht
zuſtimmen, er mußte ſeinen Einfluß aufbieten, um
die Stellung ſolcher Bedingungen, die einer
frivolen Spekulation gleichkamen, zu ver-
hindern und er mußte, wenn ſich ſein Einfluß als
zu ſchwach erwies, die entſprechenden Konſe-
quenzen ziehen.
Das Geſamtminiſterium und damit auch der
Ackerbauminiſter Graf Buquoy, machte den Not-
ſtandskredit für die Bauernſchaft abhängig von der
Bewilligung des ſogenannten Refundierungs-
anleihens im Betrage von 69 Millionen Kronen.
Als dieſe Forderung von der Negierung geſtellt
wurde, mußte ſie wiſſen, daß ſie auf Widerſtand
ſtoßen werde. Im Budgetausſchuſſe wurde denn
auch, einem von der Freien Deutſchen Agrar-
Vereinigung beſchloſſenen Dringlichkeitsantrage ent-
ſprechend, zur Bedeckung des Notſtandskredites der
Regierung die Ausgabe von Tilgungsrente im
Betrage von 15½ Millionen Kronen bewilligt und
das Haus der Abgeordneten hätte ohne Zweifel
dem Antrage dees Budgetausſchuſſes zugeſtimmt.
Die Regierung hatte alſo die Möglichkeit, auf
Grund einer verfaſſungsmäßigen Bewilligung die
Notſtandsunterſtützungen flüſſig zu machen. Von
dieſer Möglichkeit machte ſie aber keinen Gebrauch,
weil ihr der Budgetausſchuß nicht 69 Millionen
bewilligte. Wo blieb hier der Einfluß des
Ackerbauminiſters? Es war ein Intereſſe
der Bauern, der durch Ueberſchwemmungen und
Dürre notleidend gewordenen Bauern, das in Frage
ſtand. Hier mußte der Einfluß des Ackerbauminiſters
zur Geltung gebracht werden gegenüber den
politiſchen Abſichten des Miniſterpräſidenten.
Aber in dieſer Frage verſagte der „Einfluß“ des
„nur-agrariſchen“ Ackerbauminiſters Grafen Buquoy
vollſtändig — wenn er überhaupt geltend gemacht
wurde.
Daraus ergibt ſich: der Einfluß des Acker-
bauminiſters auf die Entſcheidungen des Miniſteriums
in ſolchen Fragen, die die Intereſſen des Bauern-
ſtandes berühren, iſt gleich Null. Er beſteht leider
nur in der Einbildung derjenigen, die ſich von den
phraſenhaften Veröffentlichungen der „Zentralſtelle“
täuſchen ließen. Gleichzeitig ergibt ſich aber auch
etwas anderes. Während der „agrariſche“ Acker-
bauminiſter nicht über den Einfluß verfügt, den
Notſtand der Bauern durch Unterſtützungen zu lin-
dern, während ſein Einfluß nicht hinreicht, die Re-
gierung von politiſchen Spekulationen mit der
Bauernnot abzuhalten, benutzt die Regierung die
agrariſchen Verbindungen des Grafen Buquoy
zu Quertreibereien unter den deutſchen
Bauern. Es iſt alſo nichts anderes als Bauern-
fängerei, was die Regierung betreibt und von
den „Nur-Agrariern“ betreiben läßt. Durch die
Hetze gegen das Parlament, die planmäßig von
oben betrieben wird, ſoll der Bauernſtand nicht
zur Erkenntnis kommen, daß ſein wahrer Gegner
die Regierung iſt.
Graf Buquoy hat bis jetzt nur ſeine Einfluß-
loſigkeit bewieſen. Von der Notſtandsunterſtützung
hört man nichts. Aber vom Grafen Buquoy, dem
einflußloſen Ackerbauminiſter, hören wir, daß er am
12. d. M. in Prag einer Feier „des Jubiläums
der unbefleckten Empfängnis“ beiwohnte. Daß die
Bauern angeſichts der Frömmigkeit des Acker-
bauminiſters ſeine Einflußloſigkeit vergeſſen
werden, bezweifeln wir.
V. Liſchko.
Ein Opfer.
Erzählung von F. Arnefeldt.
14 (Nachdruck verboten)
„Ich komme morgen wieder in Ihrer Mutter
Haus.“
„Sie werden es verſchloſſen finden. Gehen
Sie! —“
Es führten durch den Wald zwei Wege, der
eine ging ſchnurſtracks auf das St. Annenthor zu,
in deſſen unmittelbarer Nähe die St. Annen-Kapelle
und die Pfarrwohnung lagen, der andere an den
Weinbergen vorüber, nach der Vorſtadt, wo Frau
von Staufen wohnte. Das junge Mädchen wandte
ſich dem letzteren zu, es blieb Hellborn nichts übrig,
als den erſteren einzuſchlagen.
Veronika ging einige Schritte, dann ſtand
ſie ſtill und lauſchte, und in dem Maße, als ſie
ſeine Tritte verhallen hörte, verließ ſie die Willens-
kraft, die ſie bis dahin aufrecht gehalten. Die
Füße verſagten ihr den Dienſt, nur mit Mühe
ſchleppte ſie ſich zurück zu der Bank unter der Pla-
tane, dort ſank ſie wie gebrochen nieder.
Sie lehnte den Kopf gegen den Stamm des
Baumes, ſchloß die Augen und ſaß da, ſtarr, bleich
und regungslos, einem Marmorbilde gleich.
Durch die Bäume fuhr klagend ein Windſtoß,
die Schwäne hatten den See verlaſſen, um ihre
Neſter aufzuſuchen und die Dämmerung ging in
Dunkelheit über.
VI.
Die kleine St. Annenkirche war für den
morgenden Feſttag der Geburt Mariae, welche auch
die Schutzpatronin des Gotteshauſes als Mutter
der Jungfrau beſonders feierte, mit Laubgewinden,
Topfgewächſen, Kränzen und Fahnen geſchmückt,
die bemalten Holzfiguren der Heiligen trugen ihre
beſten Gewänder und ihren koſtbarſten Schmuck,
vor mehreren Altären brannten Kerzen, in den
Stühlen knieten Beter und Beterinnen und am
Altare der heiligen Anna waltete ein junger, toten-
bleicher Prieſter ſeines Amtes.
Atemlos, keuchend, in kaltem Schweiß gebadet,
war Hellborn in ſeine Wohnung gelangt. Es war
ſpät geworden, die Stunde, welche ihn zum Gottes-
dienſt rief, hatte bereits geſchlagen; ſeine alte Haus-
hälterin lief ihm mit dem Rufe entgegen, er möge
eilen, in die Kirche zu kommen, der Meßner ſei
ſchon dageweſen und habe nach ihm gefragt. Er
machte jedoch keine Miene, ihrer Aufforderung
Folge zu leiſten, ſondern warf ſich, den Hut von
ſich ſchleudernd, in den nächſten Stuhl und rief:
„Ich gehe nicht in die Kirche, ich kann, —
ich kann nicht in die Kirche.“
Die Alte ſchlug erſchrocken die Hände zu-
ſammen und bekreuzte ſich. „Heilige gebenedeiete
Jungfrau, was iſt Ihnen?“ ſchrie ſie. „Sind
Sie krank?“
„Nein, nein!“ ſtöhnte Hellborn und wehrte
die auf ihn einredende Haushälterin ab, laſſen Sie
mich, Beate!“
„Wie ſehen Sie nur aus?“ fuhr die Alte fort,
während Hellborn ſich mit dem Taſchentuche die
Stirn trocknete, „Herr und Heiland, verzeihe mir
die Sünde, man ſollte meinen, der Böſe ſei Ihnen
da draußen begegnet.“
„Schweig!“ fuhr er ſo wütend auf, daß
Beate, welche von ihrem Herrn Pfarrer nur ein
gütiges gelaſſenes Weſen kannte, erſchrocken zurück-
fuhr, verſtohlen nach ihrem Roſenkranz griff und
in aller Eile ein paar Paternoſter betete, überzeugt,
es könne bei ihm nicht mit rechten Dingen zugehen.
Nach einigen Minuten, während welcher er,
ohne ſich zu rühren, dageſeſſen hatte, glaubte ſie
doch ihn von neuem mahnen zu müſſen.
„Herr Pfarrer, ſoll ich Ihnen irgend eine
Herzſtärkung bringen?“ fragte ſie, „denn Sie
müſſen in die Kirche.“
Er ſchüttelte den Kopf. „Ich gehe nicht in
die Kirche.“
„Es iſt die höchſte Zeit.“
„Ich gehe nicht in die Kirche, nie, nie wieder
kann ich vor den Altar treten“, murmelte er für
ſich, Beatens Ohr hatte aber die Worte doch auf-
gefangen. Ratlos ſtand ſie da, aber ſchon kam ihr
Hilfe. Die Haustüre ward aufgeriſſen, die Stuben-
tür flog auf, der Meßner ſtürzt herein.
„Gelobt ſei Jeſus Chriſtus, da ſind Sie ja,
Herr Pfarrer!“ ſagte er, Atem ſchöpfend, „kommen
Sie in die Kirche, man wartet.“
„Ich kann nicht“, erwiderte der Pfarrer
dumpf, „holen Sie einen andern.“
„Die hochwürdigen Herren ſind nicht daheim,
ſo bleibt denn nichts übrig, Herr Pfarrer, Sie
müſſen kommen.“
„Ich will aber nicht!“ ſtöhnte der Pfarrer.
„Es harren auch zwei Frauen, die beichten
wollen, ehe ſie morgen zum Hochamt gehen“, fuhr
der Meßner dringender fort, „Sie dürfen die Kirche
nicht verwaiſt laſſen, kommen Sie.“
Der Mann ergriff Hellborn beim Arme und
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