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Mainzer Journal. Nr. 174. Mainz, 27. Dezember 1848.

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[Beginn Spaltensatz] schütterten Vertrauens, dieser Grundbedingung alles Handels und
Verkehrs, überhaupt der Wohlfahrt aller Bürger.

Die Versammlung erkannte rühmlich an, wie sehr sich die
Mitglieder dieser Vereine um das Allgemeine verdient machten,
daß sie gerade in dem aufgeregtesten Theile unserer Provinz
muthig die Fahne der Ordnung und des gesetzlichen Fortschrittes
pflanzten und den anarchischen Gelüsten, den Umsturzlehren
einer kleinen, aber entschiedenen und in der Wahl der Mittel zur
Erreichung ihrer Zwecke eben nicht scrupulösen Partei entschieden
entgegenträten. Man versprach den neu entstandenen Vereinen
auf jede mögliche Weise in ihren Bestrebungen hilfreiche Hand zu
leisten und gab sich der Hoffnung hin, daß diese Beispiele nicht
isolirt bleiben, sondern recht baldige, zahlreiche Nachahmung fin-
den möchten.

Der Vorsitzende, Herr Krämer, theilte der Versammlung
weiter eine Adresse mit, welche der vaterländische Verein zu
Gießen an unsere eben versammelten Kammern der Landstände
gerichtet hatte und worin eine entschiedene Verwahrung gegen
die sofortige Einberufung einer constituirenden Versammlung für
das Großherzogthum Hessen niedergelegt war. Von mehreren
Rednern wurde das Sachgemäße eines solchen Schrittes nachge-
wiesen und das Bedauern ausgedrückt, daß so viele Deputirte aus
Rheinhessen im entgegengesetzten Sinne in der zweiten Kammer
gestimmt hätten, zugleich aber bemerkt, wie es von Seiten unseres
Vereines einer desfallsigen Kundgebung nicht weiter bedürfe, nach-
dem wir dieselben Ansichten wie der vaterländische Verein zu
Gießen bereits in einer unserer ersten Sitzungen ausgesprochen
und veröffentlicht hätten. Hieran reihte sich die kurze Benach-
richtigung, daß der zur Zeit in Kassel bestehende Vorort deut-
scher Bürgervereine sämmtlichen mit ihm in Verbindung stehen-
den Vereinen gleicher Tendenz unsere Adresse an die National-
versammlung zu Frankfurt wegen Berufung Preußens an die
Spitze von Deutschland mitgetheilt und sie zur ungesäumten
Kundgebung ihrer Ansichten darüber aufgefordert habe.

Der Wormser Bürgerverein hatte das Ansuchen an die
Staatsregierung gestellt, es möchte bei allen künftigen Wahlen
der Abstimmende die von ihm gewählten Personen in dem Abstim-
mungslocale entweder selbst schreiben oder durch Personen, welche
die Wahlcommission dazu bestimmt und in Pflicht genommen,
schreiben lassen. Unser Verein, welchem der Wormser hiervon
Mittheilung gemacht, trat diesem Antrage um so unbedenklicher
bei, als er selbst vor kurzem bei der berüchtigten Wahl unseres
famösen Bezirkrathes einen ähnlichen Antrag an die Wahlcom-
mission gestellt hatte und die damaligen Vorkommnisse sehr wün-
schen lassen, es möge dem tollen Treiben Derjenigen, welche zwar
Freiheit der Wahl, aber nur für sich und nicht auch für Andere
wollten, wenigstens einiger Maßen gesteuert werden. Jndem sich
der Verein daher mit jenem Vorschlage vollkommen einverstanden
erklärte, beschloß er zugleich diesen Gegenstand der Berücksichtigung
des Centralausschusses in Gießen zu empfehlen.

Herr Krämer lenkte nun die Aufmerksamkeit der Versamm-
lung auf die particularistischen Tendenzen, welche sich in neuerer
Zeit in mehreren Gegenden Deutschlands kund gegeben, so wie auf
die Stellung, welche Oesterreich dem übrigen Deutschland gegen-
über eingenommen. Er machte darauf aufmerksam, wie dadurch
sogar unter den Mitgliedern der Nationalversammlung zu Frank-
furt eine Spaltung eingetreten sey, die für die Zukunft unserer
Nation von den traurigsten Folgen seyn könne. Der Vorsitzende
entwickelte, wie sehr man die Ansichten von Gagerns über das
Verhältniß Oesterreichs zu Deutschland billigen müsse und schlug
der Versammlung vor, der Verein, welcher sich bereits früher für
die definitive Centralgewalt in den Händen Preußens ausgespro-
chen, möge eine Adresse an die Nationalversammlung richten,
worin er sich auf's Entschiedendste gegen jede landsmannschaftliche
Sonderung der einzelnen Stämme Deutschlands und ihrer Abge-
ordneten zu Frankfurt ausspreche und zugleich bezüglich Oester-
reichs zur Billigung der von Gagernschen Politik auffordere.
Diese Entwickelungen und Propositionen führten eine längere,
sehr interessante politische Discussion herbei, an welcher sich
außer dem Vorsitzenden viele Mitglieder des Vereines, nament-
lich die Herren Bernays, Dr. Creizenach, Dael, Levy, Munier,
Risse und Schöller betheiligten. Jn Folge dieser Verhandlungen
ward sofort eine Adresse in obigem Sinne an die Nationalver-
sammlung beschlossen und dieser Adresse folgende Fassung ge-
geben:

An die deutsche verfassunggebende Versammlung zu
Frankfurt
a. M.

Die gesammte deutsche Nation hat Sie berufen, für Deutschland
eine einheitliche Verfassung und in einem kräftigen Oberhaupte das
Mittel zu schaffen, ein einiges, großes Deutschland glücklich im Jn-
nern, kräftig und würdig nach Außen zu gründen.

[Spaltenumbruch]

Mögen Sie bedenken, daß dieses das Mandat ist, welches das deut-
sche Volk Jhnen ertheilt hat. Mögen Sie sich erinnern, daß Sie be-
rufen sind, dem Vaterlande die Einheit zu schaffen, daß jeder Augen-
blick, wo Sie diese Jhre strenge Aufgabe außer Augen verlieren, eine
Ueberschreitung, eine Verletzung Jhres Mandates mit sich führt, wäh-
rend jede andere Aufgabe volksthümlicher Bestrebungen theils eben so
gut, theils noch besser in den Einzelstaaten und durch dieselben gelöst
werden könnte, die Herstellung der Einheit und Größe des Vaterlandes
dagegen einzig Jhre Aufgabe und Jhre einzige Aufgabe seyn muß.
Zu unserm schmerzlichen Bedauern müssen wir aber, muß das harrende
Vaterland, welches seine Schicksale in Jhre Hände gelegt hat und Jh-
nen dereinst gebieterisch und ernst Rechnung abverlangen wird über das,
was Sie zu leisten hatten und leisten konnten, sehen, wie gerade in den
Räumen, welche die Nation für den Tempel hielt, in welchem das hei-
lige Feuer der Begeisterung für nationale Einheit erhalten werden
sollte, wie gerade da diesem Werke, auf dessen Vollendung die Nation
opferbereit harrt, entgegengearbeitet wir, wie Mitglieder der Ver-
sammlung sich nach Stämmen und Provinzen absondern, um Sympa-
thien zu nähren, die anderswo ihren Ausdruck finden konnten. Die
Nation muß sehen, wie jede vorgefaßte Meinung, wie jede particulari-
stische, religiöse und materialistische Antipathie sich für berechtigt hält
bervorzutreten und sollte darüber der Zweck selber, der Sie in Frank-
furt versammelt, zu Grunde gehen. Verbannen Sie, wir beschwören
Sie inständigst bei Allem was dem Vaterlande heilig ist, diesen Geist,
den wir aus Achtung vor der deutschen Nation nicht näher bezeichnen
wollen, der aber schon so oft unser Vaterland an den Rand des Ver-
derbens gebracht hat.

Die Verfassung! die Verfassung! so tönt es aus allen
Gauen des Vaterlandes Jhnen entgegen. Die Verfassung! so rufen
auch wir Jhnen zu, die Verfassung, d. i. nicht sowohl ein noch so
gründlich und in vollendetster Technik ausgearbeitetes Gesetz über die
disparatesten Dinge, Jnstitute und organischen Einrichtungen, sondern
die Niedersetzung einer der Nation kenntlichen und erkennbaren defini-
tiven
obersten Reichsgewalt, die leistet, was jetzt erreichbar ist.

Nochmals beschwören wir Sie, bringen Sie dem Wohle des ge-
sammten Vaterlandes das Opfer Jhrer provinziellen Vorliebe, Jhrer
persönlichen Sympathien, hören Sie auf die Stimme, die Jhnen zu-
ruft: "Oesterreich kann vorerst nur durch Staatsverträge an das üb-
rige Deutschland gebunden werden, Oesterreich wird auch in dieser
Stellung ein treuer Bundesgenosse für Deutschlands Ehre, Glück und
Wohlfahrt, Preußen durch Jntelligenz und Macht Deutschlands kräf-
tiges und redliches Oberhaupt seyn."

Die politischen Debatten hatten heute die Aufmerksamkeit der
Zuhörer in so hohem Grade gefesselt und dabei so viele Zeit in
Anspruch genommen, daß die Behandlung socialer und anderer
Fragen, welche für unsere Stadt von Jnteresse sind, für heute un-
terbleiben mußte. Man verschob daher einen längern Vortrag des
Hrn. Dr. Dael über Arbeit und Arbeitnachweisungsanstalten, so wie
die Besprechung unserer Eisenbahn nach Worms durch Herrn
Sam. Goldschmitt jun. auf die Sitzung vom nächsten Freitag.



Deutschland.

Wien 22. December. ( St. C. ) Seit vorgestern fehlen nähere
Berichte über Ungarn, was zu verschiedenen Gerüchten Anlaß
gibt. -- Die Chancen für die morgen im ersten Wahlbezirke vor-
zunehmende Wahl eines Deputirten zum österreichischen Reichs-
tage scheinen für den Ministerpräsidenten Fürsten Schwarzen-
berg
vorzuwiegen. -- Wegen Ertheilung von Passirscheinen nach
Ungarn werden Anstände gemacht, während das Heraufkommen
der aus jenem Lande Flüchtenden keinen Schwierigkeiten unter-
liegt. -- Strobach, der erst nach dreimaligem Scrutinium in
der Kammer wieder zur Präsidentschaft gelangte, wird als künf-
tiger Leiter des böhmischen, und der Abgeordnete Gleispach als
jener des steierischen Guberniums bezeichnet. -- Das Buchhand-
lungsgremium,
das zu den von den Zeitverhältnissen am
Meisten mitgenommenen Gewerbscorporationen gehört, ist beim
Gemeinderathe um einen Vorschuß von 200,000 fl. eingekommen,
jedoch abschlägig beschieden worden. -- Jn Preßburg sind meh-
rere Verhaftungen und unter diesen jene eines Buchhändlers
vorgekommen, nichtsdestoweniger herrscht in dieser Stadt eine
frohe Stimmung über die Anwesenheit der kaiserlichen Truppen. --
Die seit gestern verbreiteten Gerüchte, daß Tyrnau wieder von
den Ungarn genommen und Jellachich gefangen worden sey,
verdienen keine Widerlegung; vielmehr erfährt man, daß bei
Raab an 200,000 Mann kaiserlicher Truppen kampfgerüstet
stehen und man bei diesem wichtigen Bollwerke einer ernstlichen
Affaire entgegenzusehen habe. -- Einem Fleischhauer auf der
Wieden ist eine Katzenmusik gebracht worden, das Militär inter-
venirte und, wiewohl nur blind geladen wurde, ging es doch
nicht ohne Verwundungen ab. -- Durch die Willfährigkeit, die
man bei dem Reichstage zur Bewilligung des vollen Errdits von
achtzig Million voraussetzt, wird der Rücktritt des Finanzmini-
sters Kraus wieder zweifelhaft; dennoch unterhält man sich noch
fortwährend von der schon erwähnten Ministercombination. --
Man bemerkt, daß in den verschiedenen Departements viele
Slaven angestellt werden. -- Das Resultat der gestrigen Reichs-
tagssitzung, die bis 8 Uhr Abends dauerte, ist wichtig: dem
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] schütterten Vertrauens, dieser Grundbedingung alles Handels und
Verkehrs, überhaupt der Wohlfahrt aller Bürger.

Die Versammlung erkannte rühmlich an, wie sehr sich die
Mitglieder dieser Vereine um das Allgemeine verdient machten,
daß sie gerade in dem aufgeregtesten Theile unserer Provinz
muthig die Fahne der Ordnung und des gesetzlichen Fortschrittes
pflanzten und den anarchischen Gelüsten, den Umsturzlehren
einer kleinen, aber entschiedenen und in der Wahl der Mittel zur
Erreichung ihrer Zwecke eben nicht scrupulösen Partei entschieden
entgegenträten. Man versprach den neu entstandenen Vereinen
auf jede mögliche Weise in ihren Bestrebungen hilfreiche Hand zu
leisten und gab sich der Hoffnung hin, daß diese Beispiele nicht
isolirt bleiben, sondern recht baldige, zahlreiche Nachahmung fin-
den möchten.

Der Vorsitzende, Herr Krämer, theilte der Versammlung
weiter eine Adresse mit, welche der vaterländische Verein zu
Gießen an unsere eben versammelten Kammern der Landstände
gerichtet hatte und worin eine entschiedene Verwahrung gegen
die sofortige Einberufung einer constituirenden Versammlung für
das Großherzogthum Hessen niedergelegt war. Von mehreren
Rednern wurde das Sachgemäße eines solchen Schrittes nachge-
wiesen und das Bedauern ausgedrückt, daß so viele Deputirte aus
Rheinhessen im entgegengesetzten Sinne in der zweiten Kammer
gestimmt hätten, zugleich aber bemerkt, wie es von Seiten unseres
Vereines einer desfallsigen Kundgebung nicht weiter bedürfe, nach-
dem wir dieselben Ansichten wie der vaterländische Verein zu
Gießen bereits in einer unserer ersten Sitzungen ausgesprochen
und veröffentlicht hätten. Hieran reihte sich die kurze Benach-
richtigung, daß der zur Zeit in Kassel bestehende Vorort deut-
scher Bürgervereine sämmtlichen mit ihm in Verbindung stehen-
den Vereinen gleicher Tendenz unsere Adresse an die National-
versammlung zu Frankfurt wegen Berufung Preußens an die
Spitze von Deutschland mitgetheilt und sie zur ungesäumten
Kundgebung ihrer Ansichten darüber aufgefordert habe.

Der Wormser Bürgerverein hatte das Ansuchen an die
Staatsregierung gestellt, es möchte bei allen künftigen Wahlen
der Abstimmende die von ihm gewählten Personen in dem Abstim-
mungslocale entweder selbst schreiben oder durch Personen, welche
die Wahlcommission dazu bestimmt und in Pflicht genommen,
schreiben lassen. Unser Verein, welchem der Wormser hiervon
Mittheilung gemacht, trat diesem Antrage um so unbedenklicher
bei, als er selbst vor kurzem bei der berüchtigten Wahl unseres
famösen Bezirkrathes einen ähnlichen Antrag an die Wahlcom-
mission gestellt hatte und die damaligen Vorkommnisse sehr wün-
schen lassen, es möge dem tollen Treiben Derjenigen, welche zwar
Freiheit der Wahl, aber nur für sich und nicht auch für Andere
wollten, wenigstens einiger Maßen gesteuert werden. Jndem sich
der Verein daher mit jenem Vorschlage vollkommen einverstanden
erklärte, beschloß er zugleich diesen Gegenstand der Berücksichtigung
des Centralausschusses in Gießen zu empfehlen.

Herr Krämer lenkte nun die Aufmerksamkeit der Versamm-
lung auf die particularistischen Tendenzen, welche sich in neuerer
Zeit in mehreren Gegenden Deutschlands kund gegeben, so wie auf
die Stellung, welche Oesterreich dem übrigen Deutschland gegen-
über eingenommen. Er machte darauf aufmerksam, wie dadurch
sogar unter den Mitgliedern der Nationalversammlung zu Frank-
furt eine Spaltung eingetreten sey, die für die Zukunft unserer
Nation von den traurigsten Folgen seyn könne. Der Vorsitzende
entwickelte, wie sehr man die Ansichten von Gagerns über das
Verhältniß Oesterreichs zu Deutschland billigen müsse und schlug
der Versammlung vor, der Verein, welcher sich bereits früher für
die definitive Centralgewalt in den Händen Preußens ausgespro-
chen, möge eine Adresse an die Nationalversammlung richten,
worin er sich auf's Entschiedendste gegen jede landsmannschaftliche
Sonderung der einzelnen Stämme Deutschlands und ihrer Abge-
ordneten zu Frankfurt ausspreche und zugleich bezüglich Oester-
reichs zur Billigung der von Gagernschen Politik auffordere.
Diese Entwickelungen und Propositionen führten eine längere,
sehr interessante politische Discussion herbei, an welcher sich
außer dem Vorsitzenden viele Mitglieder des Vereines, nament-
lich die Herren Bernays, Dr. Creizenach, Dael, Levy, Munier,
Risse und Schöller betheiligten. Jn Folge dieser Verhandlungen
ward sofort eine Adresse in obigem Sinne an die Nationalver-
sammlung beschlossen und dieser Adresse folgende Fassung ge-
geben:

An die deutsche verfassunggebende Versammlung zu
Frankfurt
a. M.

Die gesammte deutsche Nation hat Sie berufen, für Deutschland
eine einheitliche Verfassung und in einem kräftigen Oberhaupte das
Mittel zu schaffen, ein einiges, großes Deutschland glücklich im Jn-
nern, kräftig und würdig nach Außen zu gründen.

[Spaltenumbruch]

Mögen Sie bedenken, daß dieses das Mandat ist, welches das deut-
sche Volk Jhnen ertheilt hat. Mögen Sie sich erinnern, daß Sie be-
rufen sind, dem Vaterlande die Einheit zu schaffen, daß jeder Augen-
blick, wo Sie diese Jhre strenge Aufgabe außer Augen verlieren, eine
Ueberschreitung, eine Verletzung Jhres Mandates mit sich führt, wäh-
rend jede andere Aufgabe volksthümlicher Bestrebungen theils eben so
gut, theils noch besser in den Einzelstaaten und durch dieselben gelöst
werden könnte, die Herstellung der Einheit und Größe des Vaterlandes
dagegen einzig Jhre Aufgabe und Jhre einzige Aufgabe seyn muß.
Zu unserm schmerzlichen Bedauern müssen wir aber, muß das harrende
Vaterland, welches seine Schicksale in Jhre Hände gelegt hat und Jh-
nen dereinst gebieterisch und ernst Rechnung abverlangen wird über das,
was Sie zu leisten hatten und leisten konnten, sehen, wie gerade in den
Räumen, welche die Nation für den Tempel hielt, in welchem das hei-
lige Feuer der Begeisterung für nationale Einheit erhalten werden
sollte, wie gerade da diesem Werke, auf dessen Vollendung die Nation
opferbereit harrt, entgegengearbeitet wir, wie Mitglieder der Ver-
sammlung sich nach Stämmen und Provinzen absondern, um Sympa-
thien zu nähren, die anderswo ihren Ausdruck finden konnten. Die
Nation muß sehen, wie jede vorgefaßte Meinung, wie jede particulari-
stische, religiöse und materialistische Antipathie sich für berechtigt hält
bervorzutreten und sollte darüber der Zweck selber, der Sie in Frank-
furt versammelt, zu Grunde gehen. Verbannen Sie, wir beschwören
Sie inständigst bei Allem was dem Vaterlande heilig ist, diesen Geist,
den wir aus Achtung vor der deutschen Nation nicht näher bezeichnen
wollen, der aber schon so oft unser Vaterland an den Rand des Ver-
derbens gebracht hat.

Die Verfassung! die Verfassung! so tönt es aus allen
Gauen des Vaterlandes Jhnen entgegen. Die Verfassung! so rufen
auch wir Jhnen zu, die Verfassung, d. i. nicht sowohl ein noch so
gründlich und in vollendetster Technik ausgearbeitetes Gesetz über die
disparatesten Dinge, Jnstitute und organischen Einrichtungen, sondern
die Niedersetzung einer der Nation kenntlichen und erkennbaren defini-
tiven
obersten Reichsgewalt, die leistet, was jetzt erreichbar ist.

Nochmals beschwören wir Sie, bringen Sie dem Wohle des ge-
sammten Vaterlandes das Opfer Jhrer provinziellen Vorliebe, Jhrer
persönlichen Sympathien, hören Sie auf die Stimme, die Jhnen zu-
ruft: „Oesterreich kann vorerst nur durch Staatsverträge an das üb-
rige Deutschland gebunden werden, Oesterreich wird auch in dieser
Stellung ein treuer Bundesgenosse für Deutschlands Ehre, Glück und
Wohlfahrt, Preußen durch Jntelligenz und Macht Deutschlands kräf-
tiges und redliches Oberhaupt seyn.“

Die politischen Debatten hatten heute die Aufmerksamkeit der
Zuhörer in so hohem Grade gefesselt und dabei so viele Zeit in
Anspruch genommen, daß die Behandlung socialer und anderer
Fragen, welche für unsere Stadt von Jnteresse sind, für heute un-
terbleiben mußte. Man verschob daher einen längern Vortrag des
Hrn. Dr. Dael über Arbeit und Arbeitnachweisungsanstalten, so wie
die Besprechung unserer Eisenbahn nach Worms durch Herrn
Sam. Goldschmitt jun. auf die Sitzung vom nächsten Freitag.



Deutschland.

Wien 22. December. ( St. C. ) Seit vorgestern fehlen nähere
Berichte über Ungarn, was zu verschiedenen Gerüchten Anlaß
gibt. — Die Chancen für die morgen im ersten Wahlbezirke vor-
zunehmende Wahl eines Deputirten zum österreichischen Reichs-
tage scheinen für den Ministerpräsidenten Fürsten Schwarzen-
berg
vorzuwiegen. — Wegen Ertheilung von Passirscheinen nach
Ungarn werden Anstände gemacht, während das Heraufkommen
der aus jenem Lande Flüchtenden keinen Schwierigkeiten unter-
liegt. — Strobach, der erst nach dreimaligem Scrutinium in
der Kammer wieder zur Präsidentschaft gelangte, wird als künf-
tiger Leiter des böhmischen, und der Abgeordnete Gleispach als
jener des steierischen Guberniums bezeichnet. — Das Buchhand-
lungsgremium,
das zu den von den Zeitverhältnissen am
Meisten mitgenommenen Gewerbscorporationen gehört, ist beim
Gemeinderathe um einen Vorschuß von 200,000 fl. eingekommen,
jedoch abschlägig beschieden worden. — Jn Preßburg sind meh-
rere Verhaftungen und unter diesen jene eines Buchhändlers
vorgekommen, nichtsdestoweniger herrscht in dieser Stadt eine
frohe Stimmung über die Anwesenheit der kaiserlichen Truppen. —
Die seit gestern verbreiteten Gerüchte, daß Tyrnau wieder von
den Ungarn genommen und Jellachich gefangen worden sey,
verdienen keine Widerlegung; vielmehr erfährt man, daß bei
Raab an 200,000 Mann kaiserlicher Truppen kampfgerüstet
stehen und man bei diesem wichtigen Bollwerke einer ernstlichen
Affaire entgegenzusehen habe. — Einem Fleischhauer auf der
Wieden ist eine Katzenmusik gebracht worden, das Militär inter-
venirte und, wiewohl nur blind geladen wurde, ging es doch
nicht ohne Verwundungen ab. — Durch die Willfährigkeit, die
man bei dem Reichstage zur Bewilligung des vollen Errdits von
achtzig Million voraussetzt, wird der Rücktritt des Finanzmini-
sters Kraus wieder zweifelhaft; dennoch unterhält man sich noch
fortwährend von der schon erwähnten Ministercombination. —
Man bemerkt, daß in den verschiedenen Departements viele
Slaven angestellt werden. — Das Resultat der gestrigen Reichs-
tagssitzung, die bis 8 Uhr Abends dauerte, ist wichtig: dem
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[0002] schütterten Vertrauens, dieser Grundbedingung alles Handels und Verkehrs, überhaupt der Wohlfahrt aller Bürger. Die Versammlung erkannte rühmlich an, wie sehr sich die Mitglieder dieser Vereine um das Allgemeine verdient machten, daß sie gerade in dem aufgeregtesten Theile unserer Provinz muthig die Fahne der Ordnung und des gesetzlichen Fortschrittes pflanzten und den anarchischen Gelüsten, den Umsturzlehren einer kleinen, aber entschiedenen und in der Wahl der Mittel zur Erreichung ihrer Zwecke eben nicht scrupulösen Partei entschieden entgegenträten. Man versprach den neu entstandenen Vereinen auf jede mögliche Weise in ihren Bestrebungen hilfreiche Hand zu leisten und gab sich der Hoffnung hin, daß diese Beispiele nicht isolirt bleiben, sondern recht baldige, zahlreiche Nachahmung fin- den möchten. Der Vorsitzende, Herr Krämer, theilte der Versammlung weiter eine Adresse mit, welche der vaterländische Verein zu Gießen an unsere eben versammelten Kammern der Landstände gerichtet hatte und worin eine entschiedene Verwahrung gegen die sofortige Einberufung einer constituirenden Versammlung für das Großherzogthum Hessen niedergelegt war. Von mehreren Rednern wurde das Sachgemäße eines solchen Schrittes nachge- wiesen und das Bedauern ausgedrückt, daß so viele Deputirte aus Rheinhessen im entgegengesetzten Sinne in der zweiten Kammer gestimmt hätten, zugleich aber bemerkt, wie es von Seiten unseres Vereines einer desfallsigen Kundgebung nicht weiter bedürfe, nach- dem wir dieselben Ansichten wie der vaterländische Verein zu Gießen bereits in einer unserer ersten Sitzungen ausgesprochen und veröffentlicht hätten. Hieran reihte sich die kurze Benach- richtigung, daß der zur Zeit in Kassel bestehende Vorort deut- scher Bürgervereine sämmtlichen mit ihm in Verbindung stehen- den Vereinen gleicher Tendenz unsere Adresse an die National- versammlung zu Frankfurt wegen Berufung Preußens an die Spitze von Deutschland mitgetheilt und sie zur ungesäumten Kundgebung ihrer Ansichten darüber aufgefordert habe. Der Wormser Bürgerverein hatte das Ansuchen an die Staatsregierung gestellt, es möchte bei allen künftigen Wahlen der Abstimmende die von ihm gewählten Personen in dem Abstim- mungslocale entweder selbst schreiben oder durch Personen, welche die Wahlcommission dazu bestimmt und in Pflicht genommen, schreiben lassen. Unser Verein, welchem der Wormser hiervon Mittheilung gemacht, trat diesem Antrage um so unbedenklicher bei, als er selbst vor kurzem bei der berüchtigten Wahl unseres famösen Bezirkrathes einen ähnlichen Antrag an die Wahlcom- mission gestellt hatte und die damaligen Vorkommnisse sehr wün- schen lassen, es möge dem tollen Treiben Derjenigen, welche zwar Freiheit der Wahl, aber nur für sich und nicht auch für Andere wollten, wenigstens einiger Maßen gesteuert werden. Jndem sich der Verein daher mit jenem Vorschlage vollkommen einverstanden erklärte, beschloß er zugleich diesen Gegenstand der Berücksichtigung des Centralausschusses in Gießen zu empfehlen. Herr Krämer lenkte nun die Aufmerksamkeit der Versamm- lung auf die particularistischen Tendenzen, welche sich in neuerer Zeit in mehreren Gegenden Deutschlands kund gegeben, so wie auf die Stellung, welche Oesterreich dem übrigen Deutschland gegen- über eingenommen. Er machte darauf aufmerksam, wie dadurch sogar unter den Mitgliedern der Nationalversammlung zu Frank- furt eine Spaltung eingetreten sey, die für die Zukunft unserer Nation von den traurigsten Folgen seyn könne. Der Vorsitzende entwickelte, wie sehr man die Ansichten von Gagerns über das Verhältniß Oesterreichs zu Deutschland billigen müsse und schlug der Versammlung vor, der Verein, welcher sich bereits früher für die definitive Centralgewalt in den Händen Preußens ausgespro- chen, möge eine Adresse an die Nationalversammlung richten, worin er sich auf's Entschiedendste gegen jede landsmannschaftliche Sonderung der einzelnen Stämme Deutschlands und ihrer Abge- ordneten zu Frankfurt ausspreche und zugleich bezüglich Oester- reichs zur Billigung der von Gagernschen Politik auffordere. Diese Entwickelungen und Propositionen führten eine längere, sehr interessante politische Discussion herbei, an welcher sich außer dem Vorsitzenden viele Mitglieder des Vereines, nament- lich die Herren Bernays, Dr. Creizenach, Dael, Levy, Munier, Risse und Schöller betheiligten. Jn Folge dieser Verhandlungen ward sofort eine Adresse in obigem Sinne an die Nationalver- sammlung beschlossen und dieser Adresse folgende Fassung ge- geben: An die deutsche verfassunggebende Versammlung zu Frankfurt a. M. Die gesammte deutsche Nation hat Sie berufen, für Deutschland eine einheitliche Verfassung und in einem kräftigen Oberhaupte das Mittel zu schaffen, ein einiges, großes Deutschland glücklich im Jn- nern, kräftig und würdig nach Außen zu gründen. Mögen Sie bedenken, daß dieses das Mandat ist, welches das deut- sche Volk Jhnen ertheilt hat. Mögen Sie sich erinnern, daß Sie be- rufen sind, dem Vaterlande die Einheit zu schaffen, daß jeder Augen- blick, wo Sie diese Jhre strenge Aufgabe außer Augen verlieren, eine Ueberschreitung, eine Verletzung Jhres Mandates mit sich führt, wäh- rend jede andere Aufgabe volksthümlicher Bestrebungen theils eben so gut, theils noch besser in den Einzelstaaten und durch dieselben gelöst werden könnte, die Herstellung der Einheit und Größe des Vaterlandes dagegen einzig Jhre Aufgabe und Jhre einzige Aufgabe seyn muß. Zu unserm schmerzlichen Bedauern müssen wir aber, muß das harrende Vaterland, welches seine Schicksale in Jhre Hände gelegt hat und Jh- nen dereinst gebieterisch und ernst Rechnung abverlangen wird über das, was Sie zu leisten hatten und leisten konnten, sehen, wie gerade in den Räumen, welche die Nation für den Tempel hielt, in welchem das hei- lige Feuer der Begeisterung für nationale Einheit erhalten werden sollte, wie gerade da diesem Werke, auf dessen Vollendung die Nation opferbereit harrt, entgegengearbeitet wir, wie Mitglieder der Ver- sammlung sich nach Stämmen und Provinzen absondern, um Sympa- thien zu nähren, die anderswo ihren Ausdruck finden konnten. Die Nation muß sehen, wie jede vorgefaßte Meinung, wie jede particulari- stische, religiöse und materialistische Antipathie sich für berechtigt hält bervorzutreten und sollte darüber der Zweck selber, der Sie in Frank- furt versammelt, zu Grunde gehen. Verbannen Sie, wir beschwören Sie inständigst bei Allem was dem Vaterlande heilig ist, diesen Geist, den wir aus Achtung vor der deutschen Nation nicht näher bezeichnen wollen, der aber schon so oft unser Vaterland an den Rand des Ver- derbens gebracht hat. Die Verfassung! die Verfassung! so tönt es aus allen Gauen des Vaterlandes Jhnen entgegen. Die Verfassung! so rufen auch wir Jhnen zu, die Verfassung, d. i. nicht sowohl ein noch so gründlich und in vollendetster Technik ausgearbeitetes Gesetz über die disparatesten Dinge, Jnstitute und organischen Einrichtungen, sondern die Niedersetzung einer der Nation kenntlichen und erkennbaren defini- tiven obersten Reichsgewalt, die leistet, was jetzt erreichbar ist. Nochmals beschwören wir Sie, bringen Sie dem Wohle des ge- sammten Vaterlandes das Opfer Jhrer provinziellen Vorliebe, Jhrer persönlichen Sympathien, hören Sie auf die Stimme, die Jhnen zu- ruft: „Oesterreich kann vorerst nur durch Staatsverträge an das üb- rige Deutschland gebunden werden, Oesterreich wird auch in dieser Stellung ein treuer Bundesgenosse für Deutschlands Ehre, Glück und Wohlfahrt, Preußen durch Jntelligenz und Macht Deutschlands kräf- tiges und redliches Oberhaupt seyn.“ Die politischen Debatten hatten heute die Aufmerksamkeit der Zuhörer in so hohem Grade gefesselt und dabei so viele Zeit in Anspruch genommen, daß die Behandlung socialer und anderer Fragen, welche für unsere Stadt von Jnteresse sind, für heute un- terbleiben mußte. Man verschob daher einen längern Vortrag des Hrn. Dr. Dael über Arbeit und Arbeitnachweisungsanstalten, so wie die Besprechung unserer Eisenbahn nach Worms durch Herrn Sam. Goldschmitt jun. auf die Sitzung vom nächsten Freitag. Deutschland. Wien 22. December. ( St. C. ) Seit vorgestern fehlen nähere Berichte über Ungarn, was zu verschiedenen Gerüchten Anlaß gibt. — Die Chancen für die morgen im ersten Wahlbezirke vor- zunehmende Wahl eines Deputirten zum österreichischen Reichs- tage scheinen für den Ministerpräsidenten Fürsten Schwarzen- berg vorzuwiegen. — Wegen Ertheilung von Passirscheinen nach Ungarn werden Anstände gemacht, während das Heraufkommen der aus jenem Lande Flüchtenden keinen Schwierigkeiten unter- liegt. — Strobach, der erst nach dreimaligem Scrutinium in der Kammer wieder zur Präsidentschaft gelangte, wird als künf- tiger Leiter des böhmischen, und der Abgeordnete Gleispach als jener des steierischen Guberniums bezeichnet. — Das Buchhand- lungsgremium, das zu den von den Zeitverhältnissen am Meisten mitgenommenen Gewerbscorporationen gehört, ist beim Gemeinderathe um einen Vorschuß von 200,000 fl. eingekommen, jedoch abschlägig beschieden worden. — Jn Preßburg sind meh- rere Verhaftungen und unter diesen jene eines Buchhändlers vorgekommen, nichtsdestoweniger herrscht in dieser Stadt eine frohe Stimmung über die Anwesenheit der kaiserlichen Truppen. — Die seit gestern verbreiteten Gerüchte, daß Tyrnau wieder von den Ungarn genommen und Jellachich gefangen worden sey, verdienen keine Widerlegung; vielmehr erfährt man, daß bei Raab an 200,000 Mann kaiserlicher Truppen kampfgerüstet stehen und man bei diesem wichtigen Bollwerke einer ernstlichen Affaire entgegenzusehen habe. — Einem Fleischhauer auf der Wieden ist eine Katzenmusik gebracht worden, das Militär inter- venirte und, wiewohl nur blind geladen wurde, ging es doch nicht ohne Verwundungen ab. — Durch die Willfährigkeit, die man bei dem Reichstage zur Bewilligung des vollen Errdits von achtzig Million voraussetzt, wird der Rücktritt des Finanzmini- sters Kraus wieder zweifelhaft; dennoch unterhält man sich noch fortwährend von der schon erwähnten Ministercombination. — Man bemerkt, daß in den verschiedenen Departements viele Slaven angestellt werden. — Das Resultat der gestrigen Reichs- tagssitzung, die bis 8 Uhr Abends dauerte, ist wichtig: dem

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 174. Mainz, 27. Dezember 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal174_1848/2>, abgerufen am 24.11.2024.