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Mainzer Journal. Nr. 173. Mainz, 26. Dezember 1848.

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Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 173. Mittwoch, den 27. December. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.

Berlin 23. December. Die Angabe, daß General von
Wrangel Berlin demnächst verlassen werde, gewinnt von Tag
zu Tag mehr Bestand und bestimmtere Form. Der seitherige
Oberbefehlshaber der Marken ist zum commandirenden General
der Rheinprovinz und zum Befehlshaber der dort aufzustel-
lenden Armee
ernannt. Die Regierung, schreibt ein in der
Regel gut unterrichteter Correspondent der "Leipziger Zeitung,"
scheint jetzt einen Krieg mit Frankreich für nicht ganz unwahr-
scheinlich zu halten. Zum Nachfolger Wrangels ist General v.
Colomb, jetzt commandirender General in Königsberg ernannt.
[ Hier in Mainz, wo die Defensionscasernen mit ihren Kanonen
ausgerüstet und das Glacis nächster Tage rasirt werden soll, heißt
es, General Wrangel werde sein Hauptquartier hier aufschlagen. ]

Posen 22. December. ( O. P. A. Z. ) Hier ist heute das Ge-
rücht verbreitet, daß bereits die vorläufige Nachricht eingegangen
sey, daß das in unserm Großherzogthume garnisonirende Armee-
corps demnächst mobil gemacht werden solle; die Besorgniß vor
dem Ausbruche eines allgemeinen Krieges mag die Ursache dieser
Maßnahmen seyn, die in der dermaligen politischen Lage der
Provinz ihren Grund nicht haben kann, weil eine neue Schilder-
hebung der Polen jetzt so wenig als ein Conflict mit Rußland zu
befürchten ist. Es sollen bereits die Contracte für die schleunigste
Lieferung einer großen Anzahl Wagen für die Artillerie abge-
schlossen seyn.

Düsseldorf 23. December. ( O. P. A. Z. ) Privatbriefe aus
Berlin aus sonst gut unterrichteten Quellen melden, daß dem-
nächst das dritte Armeecorps Befehl zum Aufbruche nach dem
Rheine erhalten werde und daß Düsseldorf zum Sitze des Ge-
neralcommando 's dieses Truppencorps bestimmt sey.

Aus Bayern 20. December bringt die "Deutsche Allgemeine
Zeitung" einen Artikel, dessen malitiöse Tendenzen nicht die unsrigen
sind, der aber aus anderen Gründen der Mittheilung werth ist.
Er lautet wie folgt: "Daß eine Wiederholung der in Potsdam
und Olmütz stattgefundenen Bewegung in den obersten Regie-
rungskreisen auch in Bayern sich zutragen werde, war allerdings
nicht zu verwundern, allein obgleich manche Zeichen der Zeit
darauf hinwiesen, wollte man doch der sodann eintretenden Noth-
wendigkeit sich nicht als unausbleiblich bewußt werden. Natür-
lich aber ist doch Alles so gekommen, wie es eben in der Natur der
Sache lag, und wenn jetzt die meisten hoffenden und vertrauens-
vollen Vernichter jedes Zweifels am unausgesetzten Fortschritte
etwas verblüfft und, in kräftigen Worten ausgedrückt, übertölpelt
dastehen, so ist die Schuld nur in dem deutschen Charakter im
Allgemeinen zu suchen. Jn Preußen bringen es die Verhältnisse
mit sich, daß der Rückschlag als ein Zurücktreten in den alten
Soldatenstaat sich ausspricht; in Bayern war ebenfalls natur-
gemäß gegeben, in welcher Form die Aufhebung der Revolu-
tion des März und das Wiederkehren des alten Systemes sich
offenbaren mußte. Es ist hier die Wiederzuwendung zum Ul-
tramontanismus. Es ist durchaus nicht nothwendig, daß diese
Wahrheit schon jetzt von Jedermann geglaubt werde, die nächste
Zukunft wird statt unserer den Beweis übernehmen; und
manche kleinere Züge, die mehr dem Privatleben angehören,
verschweigend, machen wir nur aufmerksam auf den Brief,
welchen König Max an den Grafen Spaur bezüglich dessen
Rettung des Papstes geschrieben hat und welcher wenigstens die
Hälfte der ganzen Geistlichkeit gut bayerisch gesinnt macht und er-
zählen im Vorbeigehen, welchen guten Eindruck es hier gemacht
hat, daß die Königin, die protestantische Preußin, das Hochamt
besuchte, welches zum Danke für die glückliche Rettung des
Papstes in der Kirche zu unserer lieben Frau in München
abgehalten wurde. Dadurch wird nun auch leicht begreiflich,
wie man die abgetretenen Minister des März ersetzen will. Zwar
hat Hr. v. Abel, so viel man vernimmt, die ihm angetragene
Offerte abgelehnt, die officiellen Zeitungen werden natürlich sagen,
man habe ihm in Nymphenburg gar keine gemacht, er sey nur
Privatangelegenheiten halber so oft dort gewesen; Hr. v. Abel
ist aber ein Mann von viel zu scharfem Verstande und durchge-
bildeter politischer Einsicht, als daß er nicht erst die nächste
Kammer und vielleicht auch die Präsidentschaft Ludwig Napo-
leons und das Kaiserthum Friedrich Wilhelms IV. etwas näher
betrachten wollte, ehe er sich zum Vertheidiger des "constitutionell-
[Spaltenumbruch] bayrischen" Königthumes machen möchte. Statt seiner hat man
sich alsdann per Estafette an den Freiherrn v. Schrenk, zur Zeit
in Frankfurt gewendet, der schon einmal Minister der Justiz und
des Cultus gewesen. Mit ihm wird vielleicht der jesuitisch be-
kannte pensionirte Oberconsistorialpräsident Roth, der noch vor
dem März sich unmöglich erwiesen und der jetzt einer der ober-
sten Rathgeber des Hofes in Nymphenburg ist, eintreten. Diese
Dinge sind nun allerdings den Verhältnissen nach keineswegs
erstaunenerregend, und ganz in der Natur der Dinge, wie
sie sich in Europa gestalten, begründet; unbegreiflich erscheint
nur Eins: die "Camarilla," oder um wortgetreuer zu reden,
die nächsten Freunde des Königs ( nicht als staatsrechtlicher
Begriff, sondern als Mensch ) sind anerkannt theilweise Leute,
die an politischem Scharfsinne und an Begriff über ein wei-
ter als den Athemzug einer Hofdame reichendes Verständniß
der Zeit ganz tadellos sind. Ein Beispiel anzuführen, Hof-
rath Dönniges ist doch ein Mann, der billig nach Dem,
was er bisher geleistet hat, annehmen läßt, daß er eine solche
Va=banquespielerei, die nur auf den nächsten Augenblick rechnet,
unmöglich guthheißen kann. Ueberhaupt scheint es für Jeden, der
den gänzlichen Mangel an entschiedener Thatkraft, welcher den
Hof von Nymphenburg charakterisirt, kennt, eine sehr merk-
würdige Erscheinung, daß man ohne sehr dringenden Grund
eine solche Richtung der Politik einzuschlagen scheint. Doch ist
das Räthsel nicht zu schwer zu lösen. Es handelt sich im jetzigen
Augenblicke um die Stellung der Dynastie Wittelsbach gegen Habs-
burg und Hohenzollern. Was wir neulich andeuteten, daß nur im eng-
sten Anschlusse an das Volk für die Krone Bayerns in dieser Frage
eine genügende Sicherung zu finden wäre, hat man natürlich in Nym-
phenburg ebenfalls längst begriffen. Man scheint daher die uralten
bayerischen Traditionen von einem katholischen Halt in Deutschland,
als das sicherste Mittel, einer preußischen Kaiserkrone entgegen-
treten zu können, wieder in den Vordergrund zu drängen und
das ist die einfache Jdee, welche den auf den ersten Anblick un-
politisch und abnorm scheinenden Vorgängen in Bayern zu
Grunde liegt." Man scheint also in München endlich auf den
grundgescheidten Gedanken gekommen zu seyn, daß die Katholiken
dem wackligen Systeme wieder auf die Beine helfen und die Ka-
stanien aus dem Feuer holen sollen! Was die Katholiken als
Bürger
thun werden, darüber läßt sich, wie natürlich, nichts
voraussagen, es steht Das jedem Einzelnen frei. Die katholische
Kirche in Bayern aber wird sich wohl hüten zu derlei politischen
und höfischen Jntriguen die Hand zu bieten: sie hat mit der
Gründung und Wahrung ihrer eigenen Selbstständigkeit und
Freiheit so viel zu thun, daß ihr keine Zeit übrig bleibt, sich in
politische Händel zu mischen, was ohnedies weder mit ihren
Grundsätzen noch mit ihrer gegenwärtigen Stellung verträglich
wäre. Stellen wir uns endlich einmal auf unsere eigenen Füße,
dann brauchen wir weder einen Wittelsbacher noch Habsburger
zum Schutzherrn!

Aus dem badischen Oberlande 21. December. ( Karlsr. Z. )
Graf Deym hat Recht: jedes deutsche Herz muß von Wehmuth
ergriffen werden bei dem Gedanken, Oesterreich von Deutschland
getrennt, einen Theil unserer Brüder, die mit uns gelitten, mit
uns gekämpft und gesiegt, seit Jahrhunderten Freud und Leid
mit uns getheilt, von uns geschieden zu sehen. Jetzt sollen sie
austreten aus unserm Bunde, die Bande der Brüderschaft durch-
schnitten werden; diplomatische Noten an die Stelle treten, wo
allein das Herz hingehört; kalte Diplomaten die Vermittler wer-
den, wo das deutsche Blut warm und lebendig allein die Sprache
führen sollte; acht Millionen uns entfremdet werden, wie die
Völker des Elsaßes, Lothringens und der Schweiz, -- was der
Schöpfer zusammengegeben, gesprengt werden durch eine Hand-
voll Politiker, die weiser seyn wollen als der Weltgeist. Und
Dies soll geschehen in dem erleuchteten 19. Jahrhunderte! Wahr-
lich, wenn Dies am grünen Holze geschieht, was soll am dürren
werden?

Die Erkorenen des Volkes von Oesterreich, die Erwählten
von Preußen, Sachsen, Bayern klügeln, streiten, drohen;
Jeder will Deutschland für sich, auf die Gefahr hin, Deutsch-
land
zu gefährden. Wo sind die Männer, in deren Brust ge-
schrieben: kein Oesterreich, kein Preußen mehr? Jst es möglich,
daß es zu diesem Schritte kommen kann, daß dieses Unheil von
uns, von Deutschen an Deutschen vollbracht werde! Was werden
[Ende Spaltensatz]

Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 173. Mittwoch, den 27. December. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.

Berlin 23. December. Die Angabe, daß General von
Wrangel Berlin demnächst verlassen werde, gewinnt von Tag
zu Tag mehr Bestand und bestimmtere Form. Der seitherige
Oberbefehlshaber der Marken ist zum commandirenden General
der Rheinprovinz und zum Befehlshaber der dort aufzustel-
lenden Armee
ernannt. Die Regierung, schreibt ein in der
Regel gut unterrichteter Correspondent der „Leipziger Zeitung,“
scheint jetzt einen Krieg mit Frankreich für nicht ganz unwahr-
scheinlich zu halten. Zum Nachfolger Wrangels ist General v.
Colomb, jetzt commandirender General in Königsberg ernannt.
[ Hier in Mainz, wo die Defensionscasernen mit ihren Kanonen
ausgerüstet und das Glacis nächster Tage rasirt werden soll, heißt
es, General Wrangel werde sein Hauptquartier hier aufschlagen. ]

Posen 22. December. ( O. P. A. Z. ) Hier ist heute das Ge-
rücht verbreitet, daß bereits die vorläufige Nachricht eingegangen
sey, daß das in unserm Großherzogthume garnisonirende Armee-
corps demnächst mobil gemacht werden solle; die Besorgniß vor
dem Ausbruche eines allgemeinen Krieges mag die Ursache dieser
Maßnahmen seyn, die in der dermaligen politischen Lage der
Provinz ihren Grund nicht haben kann, weil eine neue Schilder-
hebung der Polen jetzt so wenig als ein Conflict mit Rußland zu
befürchten ist. Es sollen bereits die Contracte für die schleunigste
Lieferung einer großen Anzahl Wagen für die Artillerie abge-
schlossen seyn.

Düsseldorf 23. December. ( O. P. A. Z. ) Privatbriefe aus
Berlin aus sonst gut unterrichteten Quellen melden, daß dem-
nächst das dritte Armeecorps Befehl zum Aufbruche nach dem
Rheine erhalten werde und daß Düsseldorf zum Sitze des Ge-
neralcommando 's dieses Truppencorps bestimmt sey.

Aus Bayern 20. December bringt die „Deutsche Allgemeine
Zeitung“ einen Artikel, dessen malitiöse Tendenzen nicht die unsrigen
sind, der aber aus anderen Gründen der Mittheilung werth ist.
Er lautet wie folgt: „Daß eine Wiederholung der in Potsdam
und Olmütz stattgefundenen Bewegung in den obersten Regie-
rungskreisen auch in Bayern sich zutragen werde, war allerdings
nicht zu verwundern, allein obgleich manche Zeichen der Zeit
darauf hinwiesen, wollte man doch der sodann eintretenden Noth-
wendigkeit sich nicht als unausbleiblich bewußt werden. Natür-
lich aber ist doch Alles so gekommen, wie es eben in der Natur der
Sache lag, und wenn jetzt die meisten hoffenden und vertrauens-
vollen Vernichter jedes Zweifels am unausgesetzten Fortschritte
etwas verblüfft und, in kräftigen Worten ausgedrückt, übertölpelt
dastehen, so ist die Schuld nur in dem deutschen Charakter im
Allgemeinen zu suchen. Jn Preußen bringen es die Verhältnisse
mit sich, daß der Rückschlag als ein Zurücktreten in den alten
Soldatenstaat sich ausspricht; in Bayern war ebenfalls natur-
gemäß gegeben, in welcher Form die Aufhebung der Revolu-
tion des März und das Wiederkehren des alten Systemes sich
offenbaren mußte. Es ist hier die Wiederzuwendung zum Ul-
tramontanismus. Es ist durchaus nicht nothwendig, daß diese
Wahrheit schon jetzt von Jedermann geglaubt werde, die nächste
Zukunft wird statt unserer den Beweis übernehmen; und
manche kleinere Züge, die mehr dem Privatleben angehören,
verschweigend, machen wir nur aufmerksam auf den Brief,
welchen König Max an den Grafen Spaur bezüglich dessen
Rettung des Papstes geschrieben hat und welcher wenigstens die
Hälfte der ganzen Geistlichkeit gut bayerisch gesinnt macht und er-
zählen im Vorbeigehen, welchen guten Eindruck es hier gemacht
hat, daß die Königin, die protestantische Preußin, das Hochamt
besuchte, welches zum Danke für die glückliche Rettung des
Papstes in der Kirche zu unserer lieben Frau in München
abgehalten wurde. Dadurch wird nun auch leicht begreiflich,
wie man die abgetretenen Minister des März ersetzen will. Zwar
hat Hr. v. Abel, so viel man vernimmt, die ihm angetragene
Offerte abgelehnt, die officiellen Zeitungen werden natürlich sagen,
man habe ihm in Nymphenburg gar keine gemacht, er sey nur
Privatangelegenheiten halber so oft dort gewesen; Hr. v. Abel
ist aber ein Mann von viel zu scharfem Verstande und durchge-
bildeter politischer Einsicht, als daß er nicht erst die nächste
Kammer und vielleicht auch die Präsidentschaft Ludwig Napo-
leons und das Kaiserthum Friedrich Wilhelms IV. etwas näher
betrachten wollte, ehe er sich zum Vertheidiger des „constitutionell-
[Spaltenumbruch] bayrischen“ Königthumes machen möchte. Statt seiner hat man
sich alsdann per Estafette an den Freiherrn v. Schrenk, zur Zeit
in Frankfurt gewendet, der schon einmal Minister der Justiz und
des Cultus gewesen. Mit ihm wird vielleicht der jesuitisch be-
kannte pensionirte Oberconsistorialpräsident Roth, der noch vor
dem März sich unmöglich erwiesen und der jetzt einer der ober-
sten Rathgeber des Hofes in Nymphenburg ist, eintreten. Diese
Dinge sind nun allerdings den Verhältnissen nach keineswegs
erstaunenerregend, und ganz in der Natur der Dinge, wie
sie sich in Europa gestalten, begründet; unbegreiflich erscheint
nur Eins: die „Camarilla,“ oder um wortgetreuer zu reden,
die nächsten Freunde des Königs ( nicht als staatsrechtlicher
Begriff, sondern als Mensch ) sind anerkannt theilweise Leute,
die an politischem Scharfsinne und an Begriff über ein wei-
ter als den Athemzug einer Hofdame reichendes Verständniß
der Zeit ganz tadellos sind. Ein Beispiel anzuführen, Hof-
rath Dönniges ist doch ein Mann, der billig nach Dem,
was er bisher geleistet hat, annehmen läßt, daß er eine solche
Va=banquespielerei, die nur auf den nächsten Augenblick rechnet,
unmöglich guthheißen kann. Ueberhaupt scheint es für Jeden, der
den gänzlichen Mangel an entschiedener Thatkraft, welcher den
Hof von Nymphenburg charakterisirt, kennt, eine sehr merk-
würdige Erscheinung, daß man ohne sehr dringenden Grund
eine solche Richtung der Politik einzuschlagen scheint. Doch ist
das Räthsel nicht zu schwer zu lösen. Es handelt sich im jetzigen
Augenblicke um die Stellung der Dynastie Wittelsbach gegen Habs-
burg und Hohenzollern. Was wir neulich andeuteten, daß nur im eng-
sten Anschlusse an das Volk für die Krone Bayerns in dieser Frage
eine genügende Sicherung zu finden wäre, hat man natürlich in Nym-
phenburg ebenfalls längst begriffen. Man scheint daher die uralten
bayerischen Traditionen von einem katholischen Halt in Deutschland,
als das sicherste Mittel, einer preußischen Kaiserkrone entgegen-
treten zu können, wieder in den Vordergrund zu drängen und
das ist die einfache Jdee, welche den auf den ersten Anblick un-
politisch und abnorm scheinenden Vorgängen in Bayern zu
Grunde liegt.“ Man scheint also in München endlich auf den
grundgescheidten Gedanken gekommen zu seyn, daß die Katholiken
dem wackligen Systeme wieder auf die Beine helfen und die Ka-
stanien aus dem Feuer holen sollen! Was die Katholiken als
Bürger
thun werden, darüber läßt sich, wie natürlich, nichts
voraussagen, es steht Das jedem Einzelnen frei. Die katholische
Kirche in Bayern aber wird sich wohl hüten zu derlei politischen
und höfischen Jntriguen die Hand zu bieten: sie hat mit der
Gründung und Wahrung ihrer eigenen Selbstständigkeit und
Freiheit so viel zu thun, daß ihr keine Zeit übrig bleibt, sich in
politische Händel zu mischen, was ohnedies weder mit ihren
Grundsätzen noch mit ihrer gegenwärtigen Stellung verträglich
wäre. Stellen wir uns endlich einmal auf unsere eigenen Füße,
dann brauchen wir weder einen Wittelsbacher noch Habsburger
zum Schutzherrn!

Aus dem badischen Oberlande 21. December. ( Karlsr. Z. )
Graf Deym hat Recht: jedes deutsche Herz muß von Wehmuth
ergriffen werden bei dem Gedanken, Oesterreich von Deutschland
getrennt, einen Theil unserer Brüder, die mit uns gelitten, mit
uns gekämpft und gesiegt, seit Jahrhunderten Freud und Leid
mit uns getheilt, von uns geschieden zu sehen. Jetzt sollen sie
austreten aus unserm Bunde, die Bande der Brüderschaft durch-
schnitten werden; diplomatische Noten an die Stelle treten, wo
allein das Herz hingehört; kalte Diplomaten die Vermittler wer-
den, wo das deutsche Blut warm und lebendig allein die Sprache
führen sollte; acht Millionen uns entfremdet werden, wie die
Völker des Elsaßes, Lothringens und der Schweiz, — was der
Schöpfer zusammengegeben, gesprengt werden durch eine Hand-
voll Politiker, die weiser seyn wollen als der Weltgeist. Und
Dies soll geschehen in dem erleuchteten 19. Jahrhunderte! Wahr-
lich, wenn Dies am grünen Holze geschieht, was soll am dürren
werden?

Die Erkorenen des Volkes von Oesterreich, die Erwählten
von Preußen, Sachsen, Bayern klügeln, streiten, drohen;
Jeder will Deutschland für sich, auf die Gefahr hin, Deutsch-
land
zu gefährden. Wo sind die Männer, in deren Brust ge-
schrieben: kein Oesterreich, kein Preußen mehr? Jst es möglich,
daß es zu diesem Schritte kommen kann, daß dieses Unheil von
uns, von Deutschen an Deutschen vollbracht werde! Was werden
[Ende Spaltensatz]

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[0005] Beilage zum Mainzer Journal. Nro 173. Mittwoch, den 27. December. 1848. Deutschland. Berlin 23. December. Die Angabe, daß General von Wrangel Berlin demnächst verlassen werde, gewinnt von Tag zu Tag mehr Bestand und bestimmtere Form. Der seitherige Oberbefehlshaber der Marken ist zum commandirenden General der Rheinprovinz und zum Befehlshaber der dort aufzustel- lenden Armee ernannt. Die Regierung, schreibt ein in der Regel gut unterrichteter Correspondent der „Leipziger Zeitung,“ scheint jetzt einen Krieg mit Frankreich für nicht ganz unwahr- scheinlich zu halten. Zum Nachfolger Wrangels ist General v. Colomb, jetzt commandirender General in Königsberg ernannt. [ Hier in Mainz, wo die Defensionscasernen mit ihren Kanonen ausgerüstet und das Glacis nächster Tage rasirt werden soll, heißt es, General Wrangel werde sein Hauptquartier hier aufschlagen. ] Posen 22. December. ( O. P. A. Z. ) Hier ist heute das Ge- rücht verbreitet, daß bereits die vorläufige Nachricht eingegangen sey, daß das in unserm Großherzogthume garnisonirende Armee- corps demnächst mobil gemacht werden solle; die Besorgniß vor dem Ausbruche eines allgemeinen Krieges mag die Ursache dieser Maßnahmen seyn, die in der dermaligen politischen Lage der Provinz ihren Grund nicht haben kann, weil eine neue Schilder- hebung der Polen jetzt so wenig als ein Conflict mit Rußland zu befürchten ist. Es sollen bereits die Contracte für die schleunigste Lieferung einer großen Anzahl Wagen für die Artillerie abge- schlossen seyn. Düsseldorf 23. December. ( O. P. A. Z. ) Privatbriefe aus Berlin aus sonst gut unterrichteten Quellen melden, daß dem- nächst das dritte Armeecorps Befehl zum Aufbruche nach dem Rheine erhalten werde und daß Düsseldorf zum Sitze des Ge- neralcommando 's dieses Truppencorps bestimmt sey. Aus Bayern 20. December bringt die „Deutsche Allgemeine Zeitung“ einen Artikel, dessen malitiöse Tendenzen nicht die unsrigen sind, der aber aus anderen Gründen der Mittheilung werth ist. Er lautet wie folgt: „Daß eine Wiederholung der in Potsdam und Olmütz stattgefundenen Bewegung in den obersten Regie- rungskreisen auch in Bayern sich zutragen werde, war allerdings nicht zu verwundern, allein obgleich manche Zeichen der Zeit darauf hinwiesen, wollte man doch der sodann eintretenden Noth- wendigkeit sich nicht als unausbleiblich bewußt werden. Natür- lich aber ist doch Alles so gekommen, wie es eben in der Natur der Sache lag, und wenn jetzt die meisten hoffenden und vertrauens- vollen Vernichter jedes Zweifels am unausgesetzten Fortschritte etwas verblüfft und, in kräftigen Worten ausgedrückt, übertölpelt dastehen, so ist die Schuld nur in dem deutschen Charakter im Allgemeinen zu suchen. Jn Preußen bringen es die Verhältnisse mit sich, daß der Rückschlag als ein Zurücktreten in den alten Soldatenstaat sich ausspricht; in Bayern war ebenfalls natur- gemäß gegeben, in welcher Form die Aufhebung der Revolu- tion des März und das Wiederkehren des alten Systemes sich offenbaren mußte. Es ist hier die Wiederzuwendung zum Ul- tramontanismus. Es ist durchaus nicht nothwendig, daß diese Wahrheit schon jetzt von Jedermann geglaubt werde, die nächste Zukunft wird statt unserer den Beweis übernehmen; und manche kleinere Züge, die mehr dem Privatleben angehören, verschweigend, machen wir nur aufmerksam auf den Brief, welchen König Max an den Grafen Spaur bezüglich dessen Rettung des Papstes geschrieben hat und welcher wenigstens die Hälfte der ganzen Geistlichkeit gut bayerisch gesinnt macht und er- zählen im Vorbeigehen, welchen guten Eindruck es hier gemacht hat, daß die Königin, die protestantische Preußin, das Hochamt besuchte, welches zum Danke für die glückliche Rettung des Papstes in der Kirche zu unserer lieben Frau in München abgehalten wurde. Dadurch wird nun auch leicht begreiflich, wie man die abgetretenen Minister des März ersetzen will. Zwar hat Hr. v. Abel, so viel man vernimmt, die ihm angetragene Offerte abgelehnt, die officiellen Zeitungen werden natürlich sagen, man habe ihm in Nymphenburg gar keine gemacht, er sey nur Privatangelegenheiten halber so oft dort gewesen; Hr. v. Abel ist aber ein Mann von viel zu scharfem Verstande und durchge- bildeter politischer Einsicht, als daß er nicht erst die nächste Kammer und vielleicht auch die Präsidentschaft Ludwig Napo- leons und das Kaiserthum Friedrich Wilhelms IV. etwas näher betrachten wollte, ehe er sich zum Vertheidiger des „constitutionell- bayrischen“ Königthumes machen möchte. Statt seiner hat man sich alsdann per Estafette an den Freiherrn v. Schrenk, zur Zeit in Frankfurt gewendet, der schon einmal Minister der Justiz und des Cultus gewesen. Mit ihm wird vielleicht der jesuitisch be- kannte pensionirte Oberconsistorialpräsident Roth, der noch vor dem März sich unmöglich erwiesen und der jetzt einer der ober- sten Rathgeber des Hofes in Nymphenburg ist, eintreten. Diese Dinge sind nun allerdings den Verhältnissen nach keineswegs erstaunenerregend, und ganz in der Natur der Dinge, wie sie sich in Europa gestalten, begründet; unbegreiflich erscheint nur Eins: die „Camarilla,“ oder um wortgetreuer zu reden, die nächsten Freunde des Königs ( nicht als staatsrechtlicher Begriff, sondern als Mensch ) sind anerkannt theilweise Leute, die an politischem Scharfsinne und an Begriff über ein wei- ter als den Athemzug einer Hofdame reichendes Verständniß der Zeit ganz tadellos sind. Ein Beispiel anzuführen, Hof- rath Dönniges ist doch ein Mann, der billig nach Dem, was er bisher geleistet hat, annehmen läßt, daß er eine solche Va=banquespielerei, die nur auf den nächsten Augenblick rechnet, unmöglich guthheißen kann. Ueberhaupt scheint es für Jeden, der den gänzlichen Mangel an entschiedener Thatkraft, welcher den Hof von Nymphenburg charakterisirt, kennt, eine sehr merk- würdige Erscheinung, daß man ohne sehr dringenden Grund eine solche Richtung der Politik einzuschlagen scheint. Doch ist das Räthsel nicht zu schwer zu lösen. Es handelt sich im jetzigen Augenblicke um die Stellung der Dynastie Wittelsbach gegen Habs- burg und Hohenzollern. Was wir neulich andeuteten, daß nur im eng- sten Anschlusse an das Volk für die Krone Bayerns in dieser Frage eine genügende Sicherung zu finden wäre, hat man natürlich in Nym- phenburg ebenfalls längst begriffen. Man scheint daher die uralten bayerischen Traditionen von einem katholischen Halt in Deutschland, als das sicherste Mittel, einer preußischen Kaiserkrone entgegen- treten zu können, wieder in den Vordergrund zu drängen und das ist die einfache Jdee, welche den auf den ersten Anblick un- politisch und abnorm scheinenden Vorgängen in Bayern zu Grunde liegt.“ Man scheint also in München endlich auf den grundgescheidten Gedanken gekommen zu seyn, daß die Katholiken dem wackligen Systeme wieder auf die Beine helfen und die Ka- stanien aus dem Feuer holen sollen! Was die Katholiken als Bürger thun werden, darüber läßt sich, wie natürlich, nichts voraussagen, es steht Das jedem Einzelnen frei. Die katholische Kirche in Bayern aber wird sich wohl hüten zu derlei politischen und höfischen Jntriguen die Hand zu bieten: sie hat mit der Gründung und Wahrung ihrer eigenen Selbstständigkeit und Freiheit so viel zu thun, daß ihr keine Zeit übrig bleibt, sich in politische Händel zu mischen, was ohnedies weder mit ihren Grundsätzen noch mit ihrer gegenwärtigen Stellung verträglich wäre. Stellen wir uns endlich einmal auf unsere eigenen Füße, dann brauchen wir weder einen Wittelsbacher noch Habsburger zum Schutzherrn! Aus dem badischen Oberlande 21. December. ( Karlsr. Z. ) Graf Deym hat Recht: jedes deutsche Herz muß von Wehmuth ergriffen werden bei dem Gedanken, Oesterreich von Deutschland getrennt, einen Theil unserer Brüder, die mit uns gelitten, mit uns gekämpft und gesiegt, seit Jahrhunderten Freud und Leid mit uns getheilt, von uns geschieden zu sehen. Jetzt sollen sie austreten aus unserm Bunde, die Bande der Brüderschaft durch- schnitten werden; diplomatische Noten an die Stelle treten, wo allein das Herz hingehört; kalte Diplomaten die Vermittler wer- den, wo das deutsche Blut warm und lebendig allein die Sprache führen sollte; acht Millionen uns entfremdet werden, wie die Völker des Elsaßes, Lothringens und der Schweiz, — was der Schöpfer zusammengegeben, gesprengt werden durch eine Hand- voll Politiker, die weiser seyn wollen als der Weltgeist. Und Dies soll geschehen in dem erleuchteten 19. Jahrhunderte! Wahr- lich, wenn Dies am grünen Holze geschieht, was soll am dürren werden? Die Erkorenen des Volkes von Oesterreich, die Erwählten von Preußen, Sachsen, Bayern klügeln, streiten, drohen; Jeder will Deutschland für sich, auf die Gefahr hin, Deutsch- land zu gefährden. Wo sind die Männer, in deren Brust ge- schrieben: kein Oesterreich, kein Preußen mehr? Jst es möglich, daß es zu diesem Schritte kommen kann, daß dieses Unheil von uns, von Deutschen an Deutschen vollbracht werde! Was werden

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 173. Mainz, 26. Dezember 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal173_1848/5>, abgerufen am 01.06.2024.