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Mainzer Journal. Nr. 172. Mainz, 23. Dezember 1848.

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Mainzer Journal.


Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den "Rheinischen Unterhaltungs-
blättern " schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;
für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz
jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-
falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.



Nro 172. Samstag, den 23. December. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Die Sterne am politischen Himmel der bayeri-
schen Pfalz.

# Germersheim 20. December. Die Pfalz ist allerwärts
und wie uns scheint mit Recht als ein intelligentes Land bekannt.
Wollte man aber den Grad der Jntelligenz nach dem Resultate
der für den nächsten Landtag vorgenommenen Wahlen bemessen,
so würde man der Pfalz schreiendes Unrecht thun; denn die Ge-
wählten, weit entfernt der wahre Ausdruck der Wünsche und Be-
dürfnisse, mithin Organe des Willens der gesammten Bevölke-
rung zu seyn, sind nur Organe einer im Lande zwar allerdings
vorhandenen Partei, aber immer nur einer Partei, welche an und
für sich eine Minorität, durch Wahlintriguen und demagogische
Kunststücke die Majorität unterjochte, wobei weniger das schlechte
Wahlgesetz und der schlechte Wahlmodus, als hauptsächlich die
tadelnswerthe Jndolenz der Stillen im Lande gewirkt hat. Eine
kurze Charakteristik der Koryphäen der pfälzischen sogenannten
Volksrepräsentanten ist daher um so nothwendiger und zweckmä-
ßiger, als daraus sich ergeben wird, welches Armuthszeugniß die
Pfalz sich selbst ausgestellt, welchen schwarzen Schatten sie auf
den weitverbreiteten Nimbus ihrer Jntelligenz geworfen haben
würde, wenn in den Gewählten in der That die geistige, mora-
lische und politische Aristokratie der Pfalz personificirt wäre. Doch
wenden wir uns zu den Personen der Gewählten selbst.

Vor Allem begegnen wir hier dem Abgeordneten Willich
aus Frankenthal. Dieser Mann gehört zu jenen phrasenreichen
liberalen Advocaten, welche mit glatter gewandter Zunge im
Rechte wie in der Politik je nach Umständen rechts oder links
Fronte zu machen verstehen. Er hat früher einen wohlfeilen
Ruhm dadurch erlangt, daß er lange Zeit auf den Bänken der
Oppositon gesessen ist. Die Hauptepoche seines Glanzes fällt
aber in die Periode des Ministeriums Abel, wo er, unter dem
Gewichte der geistigen Suprematie dieses Mannes erliegend, alle
Mienen springen ließ, um diesen Minister zu stürzen. Er har
sogar aus seinem sonst zum Schreien gar nicht organisirten
Munde schreckliche halsbrechende Worte ertönen, er hat Ketten
und Bande rasseln lassen und endlich die aus dem Journal des
Debats übersetzte Phrase mit weinerlicher Stimme ausgestoßen:
"Armes geknechtetes Vaterland!" Dadurch gerieth Willichs Ruhm
und der Ruf seines politischen Muthes auf seinen Culminations-
punkt; aber dennoch wollten von dem Posaunenstoße der Willich-
schen Phraseologie die Mauern des Ministeriums Abel nicht zu-
sammenfallen. Was aber dem Munde Willichs nicht gelungen,
ist dem Munde Lola's gelungen. Abel mußte ihm zu Ehren, ab[er]
Bayern zur größten Schande und Schmach, dem Minister Mau-
rer Platz machen, welcher zum Handlanger einer Maitressen-
herrschaft sich herzugeben die zum erröthen unfähige Stirne
hatte. Und nun ereignete sich das Wunder, daß der Heros poli-
tischen Muthes, der angebliche Feind aller ministeriellen Will-
kür, der Mann des Rechtes, plötzlich unter dem brutalen und
brutalisirenden Lola=Ministerium ganz zahm und geschmeidig
ward, und dies gerade zu einer Zeit, wo der echte Freund der
Freiheit, der Wahrheit, der Gerechtigkeit, der Moral, der von
dem Rechte untrennbaren Politik so viele Aufforderung hatte, den
Mund zu öffnen. Die Fittiche seines Ruhmes fingen nun an ihre
Schwungkraft zu verlieren, noch einmal zwar trugen ihn die
Märzwinde des Jahres 1848 auf eine schwindliche Höhe, allein
je höher der Flug war, desto jäher war der Sturz. Der Mann
erborgter hyperbolischer Phrasen, der Mann, welcher auf der
Oppositionsbank alle Regierungsmaßregeln tadelte, welcher Alles
besser zu machen können von sich glauben machen wollte, welcher
[Spaltenumbruch] alleinwissend und im Alleinbesitze des echten Steines der volksbe-
glückenden Staatsweisheit zu seyn vorgab, sah mit einem Male ver-
blüfft sich in die Lage versetzt, an die Spitze des Staates zu treten und
seine ruhmredigen Worte zur That werden zu lassen. Er hatte
die Wahl zu jedem beliebigen Posten. Klugerweise hat er zwar
eine Ministerstelle abgelehnt, weil sie nur dazu geführt hätte,
seine mit Advocatenkünsten nicht mehr zu deckende Blöße zu offen-
baren, er hat auch nach dem Vorgange seines Freundes, " Schul-
meister " Welker die Stelle eines Bundestagsgesandten für sich
auserkoren und sie ist ihm auch wirklich geworden. Man harrte
nun der Energie, welche Willich entwickeln, der Fülle von Kennt-
niß und Erfahrenheit, welche er manifestiren, der menschenbe-
glückenden Reform, welche er mit der Kraft seines vielvermögenden
Geistes in Deutschlands durch ihn und seinesgleichen von Grund aus
verwirrte Verhältnisse einführen würde. Aber man harrte ver-
gebens, es kam nichts zum Vorscheine als die absolute politische und
diplomatische Unfähigkeit des gefeierten Namens. Nach mehrmo-
natlicher völliger Rath= und Thatlosigkeit kehrte der bundestagsge-
sandtschaftliche Volksmann still und traurig als pensionirter Ge-
heimer Rath zurück nach Frankenthal, wo er endlich im Gefühle
seiner Vernichtung theils aus Scham, theils aus Speculation auf
Wiedergewinnung verlorener Popularität auf Titel und Gehalt
verzichtete und auf den aufgegebenen Posten eines Advocaten zu-
rücktrat, von welchem er sich zu seinem eignen Besten nie hätte
entfernen sollen. Er ist ein warnendes Beispiel der Wahrheit
jenes Satzes: "Schuster, bleib' beim Leisten." Die Wahl Wil-
lichs erfolgte hauptsächltch aus Mitleid mit dem ehemals so über-
mäßig gepriesenen Manne, welcher nach dem Geständnisse seiner
eigenen Freunde sich überlebt hat, aber zum Danke sich alle Mühe
geben wird, aus der Rüstkammer seiner auswendig gelernten
Schlagworte jene Phrasen zu componiren, welche, wenn auch zum
hundertsten Male wiederholt, bei allen Jenen Effect machen, deren
Kopf hohl und deren Sinne verwirrt sind; wahrscheinlich hat er
auch einige moderne, in der Paulskirche erst parlamentarisch ge-
wordene Kraftausdrücke memorirt, um dem alten Rocke seiner
Sermone etwelche neue Knöpfe aufzusetzen. Soviel von dieser
Ci-devant parlamentarischen Notabilität.

Jhr zur Seite erblicken wir zwei neue republikanische Capaci-
täten, ein par nobile fratrum, beide ebenfalls aus Frankenthal,
wo sie als Fixsterne am juristischen Horizonte in mattem trübem
Lichte glänzen und bis jetzt das Schicksal so vieler ähnlicher
Sterne darin theilen, daß sie ohne Namen blieben. Der eine ist
der Bezirksrichter Boy e, der andere der Advocat Heinz. Der
erste, dessen wir uns noch recht gut aus jenen Zeiten erinnern, wo
er als Friedensrichter eine größere Vertrautheit mit Schillers
Werken als mit dem Corpus juris und den cinq Codes entfaltete,
hat bisher, um andere frühere Dinge unerwähnt zu lassen, mit
handwerksmäßiger Prosa sein Geschäft betrieben und sich ruhiger
Unscheinbarkeit hingegeben. Allein die Märzwinde des Jahres
1848 haben auch in dem Kopfe dieses Mannes einen politischen
Veitstanz hervorgerufen. Es scheint nämlich eine Reminiscenz
des römischen Volkstribunates in dem Eise seines Hauptes aufge-
thaut zu seyn und da es bekanntlich auf der Tribune viel leichter
hergeht, als auf dem Tribunale, so hat sich Richter Boy e auf
das Halten hirnloser Reden verlegt und es wirklich darin zu einer
grandiosen Virtuosität gebracht. Wehe der Majorität in der bay-
rischen Deputirtenkammer, wenn sie es wagt einen ihm mißfälli-
gen Beschluß zu adoptiren; sie kann sich darauf gefaßt machen,
gleich der Majorität der Paulskirche, durch Herrn Boye des
Hochverrathes an Bayern angeklagt zu werden, denn was Herrn
Boye nicht gefällt, darf nicht Rechtens werden, und Herr Boye
[Ende Spaltensatz]

Mainzer Journal.


Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den „Rheinischen Unterhaltungs-
blättern “ schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;
für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz
jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-
falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.



Nro 172. Samstag, den 23. December. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Die Sterne am politischen Himmel der bayeri-
schen Pfalz.

# Germersheim 20. December. Die Pfalz ist allerwärts
und wie uns scheint mit Recht als ein intelligentes Land bekannt.
Wollte man aber den Grad der Jntelligenz nach dem Resultate
der für den nächsten Landtag vorgenommenen Wahlen bemessen,
so würde man der Pfalz schreiendes Unrecht thun; denn die Ge-
wählten, weit entfernt der wahre Ausdruck der Wünsche und Be-
dürfnisse, mithin Organe des Willens der gesammten Bevölke-
rung zu seyn, sind nur Organe einer im Lande zwar allerdings
vorhandenen Partei, aber immer nur einer Partei, welche an und
für sich eine Minorität, durch Wahlintriguen und demagogische
Kunststücke die Majorität unterjochte, wobei weniger das schlechte
Wahlgesetz und der schlechte Wahlmodus, als hauptsächlich die
tadelnswerthe Jndolenz der Stillen im Lande gewirkt hat. Eine
kurze Charakteristik der Koryphäen der pfälzischen sogenannten
Volksrepräsentanten ist daher um so nothwendiger und zweckmä-
ßiger, als daraus sich ergeben wird, welches Armuthszeugniß die
Pfalz sich selbst ausgestellt, welchen schwarzen Schatten sie auf
den weitverbreiteten Nimbus ihrer Jntelligenz geworfen haben
würde, wenn in den Gewählten in der That die geistige, mora-
lische und politische Aristokratie der Pfalz personificirt wäre. Doch
wenden wir uns zu den Personen der Gewählten selbst.

Vor Allem begegnen wir hier dem Abgeordneten Willich
aus Frankenthal. Dieser Mann gehört zu jenen phrasenreichen
liberalen Advocaten, welche mit glatter gewandter Zunge im
Rechte wie in der Politik je nach Umständen rechts oder links
Fronte zu machen verstehen. Er hat früher einen wohlfeilen
Ruhm dadurch erlangt, daß er lange Zeit auf den Bänken der
Oppositon gesessen ist. Die Hauptepoche seines Glanzes fällt
aber in die Periode des Ministeriums Abel, wo er, unter dem
Gewichte der geistigen Suprematie dieses Mannes erliegend, alle
Mienen springen ließ, um diesen Minister zu stürzen. Er har
sogar aus seinem sonst zum Schreien gar nicht organisirten
Munde schreckliche halsbrechende Worte ertönen, er hat Ketten
und Bande rasseln lassen und endlich die aus dem Journal des
Débats übersetzte Phrase mit weinerlicher Stimme ausgestoßen:
„Armes geknechtetes Vaterland!“ Dadurch gerieth Willichs Ruhm
und der Ruf seines politischen Muthes auf seinen Culminations-
punkt; aber dennoch wollten von dem Posaunenstoße der Willich-
schen Phraseologie die Mauern des Ministeriums Abel nicht zu-
sammenfallen. Was aber dem Munde Willichs nicht gelungen,
ist dem Munde Lola's gelungen. Abel mußte ihm zu Ehren, ab[er]
Bayern zur größten Schande und Schmach, dem Minister Mau-
rer Platz machen, welcher zum Handlanger einer Maitressen-
herrschaft sich herzugeben die zum erröthen unfähige Stirne
hatte. Und nun ereignete sich das Wunder, daß der Heros poli-
tischen Muthes, der angebliche Feind aller ministeriellen Will-
kür, der Mann des Rechtes, plötzlich unter dem brutalen und
brutalisirenden Lola=Ministerium ganz zahm und geschmeidig
ward, und dies gerade zu einer Zeit, wo der echte Freund der
Freiheit, der Wahrheit, der Gerechtigkeit, der Moral, der von
dem Rechte untrennbaren Politik so viele Aufforderung hatte, den
Mund zu öffnen. Die Fittiche seines Ruhmes fingen nun an ihre
Schwungkraft zu verlieren, noch einmal zwar trugen ihn die
Märzwinde des Jahres 1848 auf eine schwindliche Höhe, allein
je höher der Flug war, desto jäher war der Sturz. Der Mann
erborgter hyperbolischer Phrasen, der Mann, welcher auf der
Oppositionsbank alle Regierungsmaßregeln tadelte, welcher Alles
besser zu machen können von sich glauben machen wollte, welcher
[Spaltenumbruch] alleinwissend und im Alleinbesitze des echten Steines der volksbe-
glückenden Staatsweisheit zu seyn vorgab, sah mit einem Male ver-
blüfft sich in die Lage versetzt, an die Spitze des Staates zu treten und
seine ruhmredigen Worte zur That werden zu lassen. Er hatte
die Wahl zu jedem beliebigen Posten. Klugerweise hat er zwar
eine Ministerstelle abgelehnt, weil sie nur dazu geführt hätte,
seine mit Advocatenkünsten nicht mehr zu deckende Blöße zu offen-
baren, er hat auch nach dem Vorgange seines Freundes, „ Schul-
meister “ Welker die Stelle eines Bundestagsgesandten für sich
auserkoren und sie ist ihm auch wirklich geworden. Man harrte
nun der Energie, welche Willich entwickeln, der Fülle von Kennt-
niß und Erfahrenheit, welche er manifestiren, der menschenbe-
glückenden Reform, welche er mit der Kraft seines vielvermögenden
Geistes in Deutschlands durch ihn und seinesgleichen von Grund aus
verwirrte Verhältnisse einführen würde. Aber man harrte ver-
gebens, es kam nichts zum Vorscheine als die absolute politische und
diplomatische Unfähigkeit des gefeierten Namens. Nach mehrmo-
natlicher völliger Rath= und Thatlosigkeit kehrte der bundestagsge-
sandtschaftliche Volksmann still und traurig als pensionirter Ge-
heimer Rath zurück nach Frankenthal, wo er endlich im Gefühle
seiner Vernichtung theils aus Scham, theils aus Speculation auf
Wiedergewinnung verlorener Popularität auf Titel und Gehalt
verzichtete und auf den aufgegebenen Posten eines Advocaten zu-
rücktrat, von welchem er sich zu seinem eignen Besten nie hätte
entfernen sollen. Er ist ein warnendes Beispiel der Wahrheit
jenes Satzes: „Schuster, bleib' beim Leisten.“ Die Wahl Wil-
lichs erfolgte hauptsächltch aus Mitleid mit dem ehemals so über-
mäßig gepriesenen Manne, welcher nach dem Geständnisse seiner
eigenen Freunde sich überlebt hat, aber zum Danke sich alle Mühe
geben wird, aus der Rüstkammer seiner auswendig gelernten
Schlagworte jene Phrasen zu componiren, welche, wenn auch zum
hundertsten Male wiederholt, bei allen Jenen Effect machen, deren
Kopf hohl und deren Sinne verwirrt sind; wahrscheinlich hat er
auch einige moderne, in der Paulskirche erst parlamentarisch ge-
wordene Kraftausdrücke memorirt, um dem alten Rocke seiner
Sermone etwelche neue Knöpfe aufzusetzen. Soviel von dieser
Ci-devant parlamentarischen Notabilität.

Jhr zur Seite erblicken wir zwei neue republikanische Capaci-
täten, ein par nobile fratrum, beide ebenfalls aus Frankenthal,
wo sie als Fixsterne am juristischen Horizonte in mattem trübem
Lichte glänzen und bis jetzt das Schicksal so vieler ähnlicher
Sterne darin theilen, daß sie ohne Namen blieben. Der eine ist
der Bezirksrichter Boy é, der andere der Advocat Heinz. Der
erste, dessen wir uns noch recht gut aus jenen Zeiten erinnern, wo
er als Friedensrichter eine größere Vertrautheit mit Schillers
Werken als mit dem Corpus juris und den cinq Codes entfaltete,
hat bisher, um andere frühere Dinge unerwähnt zu lassen, mit
handwerksmäßiger Prosa sein Geschäft betrieben und sich ruhiger
Unscheinbarkeit hingegeben. Allein die Märzwinde des Jahres
1848 haben auch in dem Kopfe dieses Mannes einen politischen
Veitstanz hervorgerufen. Es scheint nämlich eine Reminiscenz
des römischen Volkstribunates in dem Eise seines Hauptes aufge-
thaut zu seyn und da es bekanntlich auf der Tribune viel leichter
hergeht, als auf dem Tribunale, so hat sich Richter Boy é auf
das Halten hirnloser Reden verlegt und es wirklich darin zu einer
grandiosen Virtuosität gebracht. Wehe der Majorität in der bay-
rischen Deputirtenkammer, wenn sie es wagt einen ihm mißfälli-
gen Beschluß zu adoptiren; sie kann sich darauf gefaßt machen,
gleich der Majorität der Paulskirche, durch Herrn Boyé des
Hochverrathes an Bayern angeklagt zu werden, denn was Herrn
Boyé nicht gefällt, darf nicht Rechtens werden, und Herr Boyé
[Ende Spaltensatz]

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[0001] Mainzer Journal. Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den „Rheinischen Unterhaltungs- blättern “ schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an; für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben- falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet. Nro 172. Samstag, den 23. December. 1848. Die Sterne am politischen Himmel der bayeri- schen Pfalz. # Germersheim 20. December. Die Pfalz ist allerwärts und wie uns scheint mit Recht als ein intelligentes Land bekannt. Wollte man aber den Grad der Jntelligenz nach dem Resultate der für den nächsten Landtag vorgenommenen Wahlen bemessen, so würde man der Pfalz schreiendes Unrecht thun; denn die Ge- wählten, weit entfernt der wahre Ausdruck der Wünsche und Be- dürfnisse, mithin Organe des Willens der gesammten Bevölke- rung zu seyn, sind nur Organe einer im Lande zwar allerdings vorhandenen Partei, aber immer nur einer Partei, welche an und für sich eine Minorität, durch Wahlintriguen und demagogische Kunststücke die Majorität unterjochte, wobei weniger das schlechte Wahlgesetz und der schlechte Wahlmodus, als hauptsächlich die tadelnswerthe Jndolenz der Stillen im Lande gewirkt hat. Eine kurze Charakteristik der Koryphäen der pfälzischen sogenannten Volksrepräsentanten ist daher um so nothwendiger und zweckmä- ßiger, als daraus sich ergeben wird, welches Armuthszeugniß die Pfalz sich selbst ausgestellt, welchen schwarzen Schatten sie auf den weitverbreiteten Nimbus ihrer Jntelligenz geworfen haben würde, wenn in den Gewählten in der That die geistige, mora- lische und politische Aristokratie der Pfalz personificirt wäre. Doch wenden wir uns zu den Personen der Gewählten selbst. Vor Allem begegnen wir hier dem Abgeordneten Willich aus Frankenthal. Dieser Mann gehört zu jenen phrasenreichen liberalen Advocaten, welche mit glatter gewandter Zunge im Rechte wie in der Politik je nach Umständen rechts oder links Fronte zu machen verstehen. Er hat früher einen wohlfeilen Ruhm dadurch erlangt, daß er lange Zeit auf den Bänken der Oppositon gesessen ist. Die Hauptepoche seines Glanzes fällt aber in die Periode des Ministeriums Abel, wo er, unter dem Gewichte der geistigen Suprematie dieses Mannes erliegend, alle Mienen springen ließ, um diesen Minister zu stürzen. Er har sogar aus seinem sonst zum Schreien gar nicht organisirten Munde schreckliche halsbrechende Worte ertönen, er hat Ketten und Bande rasseln lassen und endlich die aus dem Journal des Débats übersetzte Phrase mit weinerlicher Stimme ausgestoßen: „Armes geknechtetes Vaterland!“ Dadurch gerieth Willichs Ruhm und der Ruf seines politischen Muthes auf seinen Culminations- punkt; aber dennoch wollten von dem Posaunenstoße der Willich- schen Phraseologie die Mauern des Ministeriums Abel nicht zu- sammenfallen. Was aber dem Munde Willichs nicht gelungen, ist dem Munde Lola's gelungen. Abel mußte ihm zu Ehren, aber Bayern zur größten Schande und Schmach, dem Minister Mau- rer Platz machen, welcher zum Handlanger einer Maitressen- herrschaft sich herzugeben die zum erröthen unfähige Stirne hatte. Und nun ereignete sich das Wunder, daß der Heros poli- tischen Muthes, der angebliche Feind aller ministeriellen Will- kür, der Mann des Rechtes, plötzlich unter dem brutalen und brutalisirenden Lola=Ministerium ganz zahm und geschmeidig ward, und dies gerade zu einer Zeit, wo der echte Freund der Freiheit, der Wahrheit, der Gerechtigkeit, der Moral, der von dem Rechte untrennbaren Politik so viele Aufforderung hatte, den Mund zu öffnen. Die Fittiche seines Ruhmes fingen nun an ihre Schwungkraft zu verlieren, noch einmal zwar trugen ihn die Märzwinde des Jahres 1848 auf eine schwindliche Höhe, allein je höher der Flug war, desto jäher war der Sturz. Der Mann erborgter hyperbolischer Phrasen, der Mann, welcher auf der Oppositionsbank alle Regierungsmaßregeln tadelte, welcher Alles besser zu machen können von sich glauben machen wollte, welcher alleinwissend und im Alleinbesitze des echten Steines der volksbe- glückenden Staatsweisheit zu seyn vorgab, sah mit einem Male ver- blüfft sich in die Lage versetzt, an die Spitze des Staates zu treten und seine ruhmredigen Worte zur That werden zu lassen. Er hatte die Wahl zu jedem beliebigen Posten. Klugerweise hat er zwar eine Ministerstelle abgelehnt, weil sie nur dazu geführt hätte, seine mit Advocatenkünsten nicht mehr zu deckende Blöße zu offen- baren, er hat auch nach dem Vorgange seines Freundes, „ Schul- meister “ Welker die Stelle eines Bundestagsgesandten für sich auserkoren und sie ist ihm auch wirklich geworden. Man harrte nun der Energie, welche Willich entwickeln, der Fülle von Kennt- niß und Erfahrenheit, welche er manifestiren, der menschenbe- glückenden Reform, welche er mit der Kraft seines vielvermögenden Geistes in Deutschlands durch ihn und seinesgleichen von Grund aus verwirrte Verhältnisse einführen würde. Aber man harrte ver- gebens, es kam nichts zum Vorscheine als die absolute politische und diplomatische Unfähigkeit des gefeierten Namens. Nach mehrmo- natlicher völliger Rath= und Thatlosigkeit kehrte der bundestagsge- sandtschaftliche Volksmann still und traurig als pensionirter Ge- heimer Rath zurück nach Frankenthal, wo er endlich im Gefühle seiner Vernichtung theils aus Scham, theils aus Speculation auf Wiedergewinnung verlorener Popularität auf Titel und Gehalt verzichtete und auf den aufgegebenen Posten eines Advocaten zu- rücktrat, von welchem er sich zu seinem eignen Besten nie hätte entfernen sollen. Er ist ein warnendes Beispiel der Wahrheit jenes Satzes: „Schuster, bleib' beim Leisten.“ Die Wahl Wil- lichs erfolgte hauptsächltch aus Mitleid mit dem ehemals so über- mäßig gepriesenen Manne, welcher nach dem Geständnisse seiner eigenen Freunde sich überlebt hat, aber zum Danke sich alle Mühe geben wird, aus der Rüstkammer seiner auswendig gelernten Schlagworte jene Phrasen zu componiren, welche, wenn auch zum hundertsten Male wiederholt, bei allen Jenen Effect machen, deren Kopf hohl und deren Sinne verwirrt sind; wahrscheinlich hat er auch einige moderne, in der Paulskirche erst parlamentarisch ge- wordene Kraftausdrücke memorirt, um dem alten Rocke seiner Sermone etwelche neue Knöpfe aufzusetzen. Soviel von dieser Ci-devant parlamentarischen Notabilität. Jhr zur Seite erblicken wir zwei neue republikanische Capaci- täten, ein par nobile fratrum, beide ebenfalls aus Frankenthal, wo sie als Fixsterne am juristischen Horizonte in mattem trübem Lichte glänzen und bis jetzt das Schicksal so vieler ähnlicher Sterne darin theilen, daß sie ohne Namen blieben. Der eine ist der Bezirksrichter Boy é, der andere der Advocat Heinz. Der erste, dessen wir uns noch recht gut aus jenen Zeiten erinnern, wo er als Friedensrichter eine größere Vertrautheit mit Schillers Werken als mit dem Corpus juris und den cinq Codes entfaltete, hat bisher, um andere frühere Dinge unerwähnt zu lassen, mit handwerksmäßiger Prosa sein Geschäft betrieben und sich ruhiger Unscheinbarkeit hingegeben. Allein die Märzwinde des Jahres 1848 haben auch in dem Kopfe dieses Mannes einen politischen Veitstanz hervorgerufen. Es scheint nämlich eine Reminiscenz des römischen Volkstribunates in dem Eise seines Hauptes aufge- thaut zu seyn und da es bekanntlich auf der Tribune viel leichter hergeht, als auf dem Tribunale, so hat sich Richter Boy é auf das Halten hirnloser Reden verlegt und es wirklich darin zu einer grandiosen Virtuosität gebracht. Wehe der Majorität in der bay- rischen Deputirtenkammer, wenn sie es wagt einen ihm mißfälli- gen Beschluß zu adoptiren; sie kann sich darauf gefaßt machen, gleich der Majorität der Paulskirche, durch Herrn Boyé des Hochverrathes an Bayern angeklagt zu werden, denn was Herrn Boyé nicht gefällt, darf nicht Rechtens werden, und Herr Boyé

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 172. Mainz, 23. Dezember 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal172_1848/1>, abgerufen am 21.11.2024.