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Mainzer Journal. Nr. 164. Mainz, 14. Dezember 1848.

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[Beginn Spaltensatz] gehalten, die in den schlimmen Zeiten der zwanziger und dreißiger
Jahre durch Majoritäten, die mit Hilfe der Corruption und Ein-
schüchterung zu Stande gebracht waren, rasch die Verfassung ab-
ändern, das hieß meistens so viel als ganz aufheben ließ. Die
Politik, die wir an den Trägern der Metternichschen Staatskunst
perfid und verwerflich fanden, scheint uns auch, wenn die Volks-
männer par excellence sie üben, keinen bessern Namen zu verdienen;
haben jene damals Flick= und Stückwerk von ephemerer Dauer
erschlichen, so werden diese heute keine bessere Arbeit liefern. Muß-
ten wir vor nicht zu langer Zeit die Verfassungen vor dem Systeme
der Hassenpflug, du Thil, Abel, Blittersdorf u. s. w. vertheidigen,
so sind sie uns heute noch gerade so lieb, um sie gegen Sturm-
petitionäre zu schützen. Der Ruf "für die Verfassung" war ja
das Losungswort all der zähen und trüben Kämpfe im Kleinen,
und nicht Allen ist dies Losungswort eben nur ein -- Wort ge-
wesen.

Die Berechnung liegt nahe genug, nach welcher dieselbe
Partei, die vor sechs Monaten für die Alleinherrschaft eines Par-
lamentes in Frankfurt focht und gegen jede andere constituirende
Versammlung Protest einlegte, jetzt plötzlich die Tactik gerade
umkehrt und allenthalben constituirende Versammlungen verlangt.
Der Convent in Frankfurt, auf den man hoffte, hat fallirt; man
denkt es jetzt mit Miniaturconventen zu versuchen und will der
verhaßten Versammlung in Frankfurt das Leben schon sauer ma-
chen. Warum soll man in diesem oder jenem Ländchen, das ganz
aufgewühlt und von der Anarchie aller Begriffe und Rechte be-
herrscht ist, warum sollte man da nicht so eine Versammlung zu
Stande bringen können, die dann als Gegenmine gegen die
"Gesellschaft in der Paulskirche" zu gebrauchen wäre? Beschließt
man hier die Einheit, so ist der Convent in Flachsenfingen für
den entschiedensten Particularismus; erklärt man sich in Frank-
furt für die constitutionelle Monarchie, so wird in Kuhschnappel
die Föderativrepublik mit ganz dunkelrother Färbung beschlossen;
will man Heer und Diplomatie der Centralgewalt in die Hände
legen, so wird die Constituirende in Schilda beschließen, Heer und
Vertretung im Auslande müsse den einzelnen achtunddreißig sou-
veränen deutschen Völkern verbleiben. Es ist traurig und nieder-
schlagend, daß man in Zeiten einer so hochwichtigen Entscheidung
gegen solche Thorheiten auch nur sprechen muß: überflüssig ist es
aber leider nicht. Es fehlt uns die politische Selbstverläugnung,
wenn es gilt dem Ganzen ein Opfer zu bringen; es fehlt uns der
poltitische Jnstinct der Selbsterhaltung anderer Völker, wo die
bloße Gefahr einer Zersplitterung und Entkräftung hinreicht, alle
besseren Elemente rasch wieder um einen Mittelpunkt zu vereinigen.
Bei uns ist man nie sicher, daß das Bret da angebohrt wird, wo
es am dicksten ist; wahrscheinlich ist bei uns oft nur das Unwahr-
scheinlichste.

Jst die Reichsverfassung ausgearbeitet, so wird es das nächste
seyn, die Zustände der einzelnen Länder damit in Einklang zu
bringen. Der constituirenden Periode folgt die legislative, und
unseren einzelnen Kammern bleibt die schwere Arbeit übrig, das
was in Frankfurt construirt worden ist, nun auch wirklich zu
organisiren. Wie dies zu vollführen ist, darüber enthalten die
meisten einzelnen Verfassungen genaue Bestimmungen, von den
Constituantes und Conventen im Miniaturmaßstabe wissen sie
nichts. Auch davon wissen sie nichts, daß solche Versammlungen
einseitig constituiren dürfen, ohne Rücksicht auf Verträge und
Rechte, ohne Rücksicht auf die Souveränetät der ganzen Na-
tion. Es liegt ganz im Wesen des neuen Particularismus, wie
er sich jetzt von der linken Seite zeigt, der vielberedeten Souverä-
netät des ganzen Volkes eine der einzelnen zufälligen Territorien
entgegenzustellen; ist keine Aussicht dazu, daß die deutsche Nation
sich republikanisch constituirt, so thut es vielleicht das souveräne
Volk von Altenburg, Sigmaringen und Vaduz. Wir werden
dann Revolution, Reaction und Restauration in stetem Wechsel
sich wiederholen sehen; es wird dafür gesorgt werden, daß die
gemüthliche Anarchie nicht aufhört, bis schließlich das abgehetzte
und ermattete Volk froh ist, wenn die derbe Faust der Gewalt den
Kunststücken feiner politischer Seiltänzer ein Ziel setzt. Welch
eine glückselige Zukunft für unser Vaterland, wenn wir so den
Factionen die Schlupfwinkel der Kleinstaaterei wie ein heiliges
Asyl öffneten und uns selber die Möglichkeit benähmen, jemals
zu der Einheit und Kraft zu gelangen, ohne die uns der Genuß
der Freiheit ewig versagt bleiben wird. Man hat über unsere
achtunddreißig Staaten im Auslande gelacht und gespottet; man
würde gegen die mehr als polnische Wirthschaft, die dann in
Aussicht stände, mit Recht die tiefste Verachtung empfinden. Die
Rheinbundszeiten, welche fremde Gewalt und Gewissenlosigkeit
der Regierungen unserm erschlafften Volke bereitet haben, würden
dann zum zweiten Male von gewissenlosen Factionen über uns
hereingeführt werden, und auch die fremde Gewalt würde nicht
lange auf sich warten lassen.

[Spaltenumbruch]

Man schelte uns nicht als Pessimisten, wenn wir die weiteren
Folgerungen von dem ziehen, was sich unter unseren Augen vor-
bereitet. Alle die verschiedenen Parteimanövers lassen sich schließ-
lich immer wieder aus dem Gedanken erklären, das Ansehen der
Nationalversammlung zu erschüttern, die Thätigkeit der von ihr
geschaffenen Centralgewalt zu lähmen. Der politische Unverstand
begreift nicht, daß ein Volk, das sich ein solches Organ geschaffen
hat, in dem Momente, wo es dessen Kraft untergräbt, nur sich
selber schwächt. Es ist möglich, die Nationalversammlung in
ihrem Wirken zu hemmen, ihre Thätigkeit zu einer fruchtlosen zu
machen, aber nur sehr schwer, wenn nicht unmöglich, nachdem
diese Macht zur Ohnmacht geworden ist, eine neue lebenskräftige
parlamentarische Gewalt an die Stelle zu setzen; was die Thoren
links gesäet, werden die Klugen rechts zu ernten wissen.

Deutschland.

Wien 9. December. ( St. C. ) Seit einigen Tagen tritt der
Belagerungszustand wieder in fühlbarer Weise auf, und
die erneuerte Kundmachung hinsichtlich der zu beobachtenden Vor-
sicht in öffentlichen Aeußerungen hat keinen angenehmen Eindruck
erregt. Auch die Presse erscheint hierdurch influencirt und ist eben
so, wie das Theater, einer strengen Controle unterworfen. Nichts-
destoweniger circulirt die Petition um Verlängerung des Belage-
rungszustandes auf ein ganzes Jahr -- wie man glaubt auf Antrieb
des Gemeinderathes -- von Haus zu Haus. Wenn dieselbe sich
mit zahlreicheren Unterschriften bedeckt, als es unter gewöhnlichen
Umständen der Fall wäre, so ist nicht zu übersehen, wie jede Art
von Terrorismus ihre Wirksamkeit auf schwache Gemüther aus-
übt. -- Eine zweite Adresse, um dem Ministerium durch ein ge-
meinsames Vertrauensvotum moralische Unterstützung zu
verleihen, findet ungeheuchelten Anklang. -- Die heutige Wiener
Zeitung enthält folgende Berichtigung: "Es ist eine alte, auf
die Nothwendigkeit gegründete Vorschrift, daß bei einer operiren-
den Armee nebst dem Oberbefehlshaber auch noch ein commandi-
render General für den administrativen Theil, das sogenannte
Armeegeneralcommando, angestellt werde. Zu diesem Posten
haben Se. Durchlaucht der Herr Feldmarschall und Armeeober-
commandant Fürst Windischgrätz den Herrn F. M. L. Gruber
ernannt. Dies zur Berichtigung des im "Wiener Geschäftsberichte
und Neuigkeitsboten" erschienenen Artikels, daß S. D. der F. M.
Fürst Windischgrätz das Obercommando niedergelegt habe."

Die zwölf nunmehr vom Fürsten Windischgrätz freigelassenen
Geiseln ( Mitglieder der ehemaligen akademischen Legion aus
allen Theilen des Kaiserstaates ) lassen in öffentlichen Blättern
folgenden Dank erscheinen: "Unterzeichnete halten es für ihre
Pflicht, zur allgemeinen Kenntniß zu bringen, daß sie während
der ganzen Dauer ihrer Verhaftung als Geiseln für die Bevöl-
kerung Wiens sich einer sehr humanen und loyalen Behandlung
von Seite des k. k. Militärs erfreuten, und bringen hiermit dem-
selben ihren wärmsten Dank dar. Wien 8. December 1848."
Laut amtlicher Anzeige sind in Wien bis zum 3. December 1541
Verhaftete von der Militäruntersuchungscommission freige-
lassen worden; wie viele sich noch in Haft befinden, wird nicht
gesagt.

Der Erzherzog Stephan, früher ungarischer Reichs-
palatin, hat an den Obersten des Palatinalhusarenregimentes,
dessen Chef er in jener Eigenschaft war, ein geschäftliches Schrei-
ben erlassen, worin er zum Schlusse seine Ansichten über die ge-
genwärtigen Zerwürfnisse in folgender Weise ausspricht: "Jch
kann mein vielleicht letztes Schreiben an Sie unmöglich, absenden,
ohne einige Worte des Abschiedes an Sie und das gesammte Of-
ficiercorps hierbei einfließen zu lassen. Jch trenne mich nur un-
gern von einem Regimente, das stets seinem Namen Ehre ge-
macht, seinem Herrn und Kaiser treu ergeben -- ein würdiger
Zweig des großen österreichischen Armeestammes war! Jch trenne
mich um so schwerer in einem Augenblicke, wo Verführungskünste,
Trug und Hinterlist aller Art es vermochten, einen Theil dieser
braven Truppen für einen Moment auf Jrrwege zu leiten, ja so-
gar Officiere sich nicht entblödeten, ihrem Eide und ihrer Pflicht
untreu, gegen Ehre und Gewissen zu handeln, in einem Momente,
wo des Monarchen Warnung klar und offen angedeutet hat, wo-
hin ein solcher Weg führen müsse! Sie, Herr Oberst, bei Jhren
loyalen, pflichtgetreuen Gesinnungen, die braven Stabsofficiere
und der größte Theil des Officiercorps sind mir Bürgen, daß
diesem Krebsschaden Einhalt gethan werden, daß man die Jrre-
geleiteten zu ihrer Pflicht zurückführen, die Wankenden belehren
wird -- und der Name des Fürsten Windischgrätz an der Spitze
der Armee, die nach Ungarn zieht, um Ruhe und Ordnung im
Lande herzustellen und die Armee wie seit Jahrhunderten wieder
unter Eine Fahne ( die Führerin zu so vielen glorreichen Siegen )
zu sammeln, wird genügen, Soldaten unter sein Commando zu-
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] gehalten, die in den schlimmen Zeiten der zwanziger und dreißiger
Jahre durch Majoritäten, die mit Hilfe der Corruption und Ein-
schüchterung zu Stande gebracht waren, rasch die Verfassung ab-
ändern, das hieß meistens so viel als ganz aufheben ließ. Die
Politik, die wir an den Trägern der Metternichschen Staatskunst
perfid und verwerflich fanden, scheint uns auch, wenn die Volks-
männer par excellence sie üben, keinen bessern Namen zu verdienen;
haben jene damals Flick= und Stückwerk von ephemerer Dauer
erschlichen, so werden diese heute keine bessere Arbeit liefern. Muß-
ten wir vor nicht zu langer Zeit die Verfassungen vor dem Systeme
der Hassenpflug, du Thil, Abel, Blittersdorf u. s. w. vertheidigen,
so sind sie uns heute noch gerade so lieb, um sie gegen Sturm-
petitionäre zu schützen. Der Ruf „für die Verfassung“ war ja
das Losungswort all der zähen und trüben Kämpfe im Kleinen,
und nicht Allen ist dies Losungswort eben nur ein — Wort ge-
wesen.

Die Berechnung liegt nahe genug, nach welcher dieselbe
Partei, die vor sechs Monaten für die Alleinherrschaft eines Par-
lamentes in Frankfurt focht und gegen jede andere constituirende
Versammlung Protest einlegte, jetzt plötzlich die Tactik gerade
umkehrt und allenthalben constituirende Versammlungen verlangt.
Der Convent in Frankfurt, auf den man hoffte, hat fallirt; man
denkt es jetzt mit Miniaturconventen zu versuchen und will der
verhaßten Versammlung in Frankfurt das Leben schon sauer ma-
chen. Warum soll man in diesem oder jenem Ländchen, das ganz
aufgewühlt und von der Anarchie aller Begriffe und Rechte be-
herrscht ist, warum sollte man da nicht so eine Versammlung zu
Stande bringen können, die dann als Gegenmine gegen die
„Gesellschaft in der Paulskirche“ zu gebrauchen wäre? Beschließt
man hier die Einheit, so ist der Convent in Flachsenfingen für
den entschiedensten Particularismus; erklärt man sich in Frank-
furt für die constitutionelle Monarchie, so wird in Kuhschnappel
die Föderativrepublik mit ganz dunkelrother Färbung beschlossen;
will man Heer und Diplomatie der Centralgewalt in die Hände
legen, so wird die Constituirende in Schilda beschließen, Heer und
Vertretung im Auslande müsse den einzelnen achtunddreißig sou-
veränen deutschen Völkern verbleiben. Es ist traurig und nieder-
schlagend, daß man in Zeiten einer so hochwichtigen Entscheidung
gegen solche Thorheiten auch nur sprechen muß: überflüssig ist es
aber leider nicht. Es fehlt uns die politische Selbstverläugnung,
wenn es gilt dem Ganzen ein Opfer zu bringen; es fehlt uns der
poltitische Jnstinct der Selbsterhaltung anderer Völker, wo die
bloße Gefahr einer Zersplitterung und Entkräftung hinreicht, alle
besseren Elemente rasch wieder um einen Mittelpunkt zu vereinigen.
Bei uns ist man nie sicher, daß das Bret da angebohrt wird, wo
es am dicksten ist; wahrscheinlich ist bei uns oft nur das Unwahr-
scheinlichste.

Jst die Reichsverfassung ausgearbeitet, so wird es das nächste
seyn, die Zustände der einzelnen Länder damit in Einklang zu
bringen. Der constituirenden Periode folgt die legislative, und
unseren einzelnen Kammern bleibt die schwere Arbeit übrig, das
was in Frankfurt construirt worden ist, nun auch wirklich zu
organisiren. Wie dies zu vollführen ist, darüber enthalten die
meisten einzelnen Verfassungen genaue Bestimmungen, von den
Constituantes und Conventen im Miniaturmaßstabe wissen sie
nichts. Auch davon wissen sie nichts, daß solche Versammlungen
einseitig constituiren dürfen, ohne Rücksicht auf Verträge und
Rechte, ohne Rücksicht auf die Souveränetät der ganzen Na-
tion. Es liegt ganz im Wesen des neuen Particularismus, wie
er sich jetzt von der linken Seite zeigt, der vielberedeten Souverä-
netät des ganzen Volkes eine der einzelnen zufälligen Territorien
entgegenzustellen; ist keine Aussicht dazu, daß die deutsche Nation
sich republikanisch constituirt, so thut es vielleicht das souveräne
Volk von Altenburg, Sigmaringen und Vaduz. Wir werden
dann Revolution, Reaction und Restauration in stetem Wechsel
sich wiederholen sehen; es wird dafür gesorgt werden, daß die
gemüthliche Anarchie nicht aufhört, bis schließlich das abgehetzte
und ermattete Volk froh ist, wenn die derbe Faust der Gewalt den
Kunststücken feiner politischer Seiltänzer ein Ziel setzt. Welch
eine glückselige Zukunft für unser Vaterland, wenn wir so den
Factionen die Schlupfwinkel der Kleinstaaterei wie ein heiliges
Asyl öffneten und uns selber die Möglichkeit benähmen, jemals
zu der Einheit und Kraft zu gelangen, ohne die uns der Genuß
der Freiheit ewig versagt bleiben wird. Man hat über unsere
achtunddreißig Staaten im Auslande gelacht und gespottet; man
würde gegen die mehr als polnische Wirthschaft, die dann in
Aussicht stände, mit Recht die tiefste Verachtung empfinden. Die
Rheinbundszeiten, welche fremde Gewalt und Gewissenlosigkeit
der Regierungen unserm erschlafften Volke bereitet haben, würden
dann zum zweiten Male von gewissenlosen Factionen über uns
hereingeführt werden, und auch die fremde Gewalt würde nicht
lange auf sich warten lassen.

[Spaltenumbruch]

Man schelte uns nicht als Pessimisten, wenn wir die weiteren
Folgerungen von dem ziehen, was sich unter unseren Augen vor-
bereitet. Alle die verschiedenen Parteimanövers lassen sich schließ-
lich immer wieder aus dem Gedanken erklären, das Ansehen der
Nationalversammlung zu erschüttern, die Thätigkeit der von ihr
geschaffenen Centralgewalt zu lähmen. Der politische Unverstand
begreift nicht, daß ein Volk, das sich ein solches Organ geschaffen
hat, in dem Momente, wo es dessen Kraft untergräbt, nur sich
selber schwächt. Es ist möglich, die Nationalversammlung in
ihrem Wirken zu hemmen, ihre Thätigkeit zu einer fruchtlosen zu
machen, aber nur sehr schwer, wenn nicht unmöglich, nachdem
diese Macht zur Ohnmacht geworden ist, eine neue lebenskräftige
parlamentarische Gewalt an die Stelle zu setzen; was die Thoren
links gesäet, werden die Klugen rechts zu ernten wissen.

Deutschland.

Wien 9. December. ( St. C. ) Seit einigen Tagen tritt der
Belagerungszustand wieder in fühlbarer Weise auf, und
die erneuerte Kundmachung hinsichtlich der zu beobachtenden Vor-
sicht in öffentlichen Aeußerungen hat keinen angenehmen Eindruck
erregt. Auch die Presse erscheint hierdurch influencirt und ist eben
so, wie das Theater, einer strengen Controle unterworfen. Nichts-
destoweniger circulirt die Petition um Verlängerung des Belage-
rungszustandes auf ein ganzes Jahr — wie man glaubt auf Antrieb
des Gemeinderathes — von Haus zu Haus. Wenn dieselbe sich
mit zahlreicheren Unterschriften bedeckt, als es unter gewöhnlichen
Umständen der Fall wäre, so ist nicht zu übersehen, wie jede Art
von Terrorismus ihre Wirksamkeit auf schwache Gemüther aus-
übt. — Eine zweite Adresse, um dem Ministerium durch ein ge-
meinsames Vertrauensvotum moralische Unterstützung zu
verleihen, findet ungeheuchelten Anklang. — Die heutige Wiener
Zeitung enthält folgende Berichtigung: „Es ist eine alte, auf
die Nothwendigkeit gegründete Vorschrift, daß bei einer operiren-
den Armee nebst dem Oberbefehlshaber auch noch ein commandi-
render General für den administrativen Theil, das sogenannte
Armeegeneralcommando, angestellt werde. Zu diesem Posten
haben Se. Durchlaucht der Herr Feldmarschall und Armeeober-
commandant Fürst Windischgrätz den Herrn F. M. L. Gruber
ernannt. Dies zur Berichtigung des im „Wiener Geschäftsberichte
und Neuigkeitsboten“ erschienenen Artikels, daß S. D. der F. M.
Fürst Windischgrätz das Obercommando niedergelegt habe.“

Die zwölf nunmehr vom Fürsten Windischgrätz freigelassenen
Geiseln ( Mitglieder der ehemaligen akademischen Legion aus
allen Theilen des Kaiserstaates ) lassen in öffentlichen Blättern
folgenden Dank erscheinen: „Unterzeichnete halten es für ihre
Pflicht, zur allgemeinen Kenntniß zu bringen, daß sie während
der ganzen Dauer ihrer Verhaftung als Geiseln für die Bevöl-
kerung Wiens sich einer sehr humanen und loyalen Behandlung
von Seite des k. k. Militärs erfreuten, und bringen hiermit dem-
selben ihren wärmsten Dank dar. Wien 8. December 1848.“
Laut amtlicher Anzeige sind in Wien bis zum 3. December 1541
Verhaftete von der Militäruntersuchungscommission freige-
lassen worden; wie viele sich noch in Haft befinden, wird nicht
gesagt.

Der Erzherzog Stephan, früher ungarischer Reichs-
palatin, hat an den Obersten des Palatinalhusarenregimentes,
dessen Chef er in jener Eigenschaft war, ein geschäftliches Schrei-
ben erlassen, worin er zum Schlusse seine Ansichten über die ge-
genwärtigen Zerwürfnisse in folgender Weise ausspricht: „Jch
kann mein vielleicht letztes Schreiben an Sie unmöglich, absenden,
ohne einige Worte des Abschiedes an Sie und das gesammte Of-
ficiercorps hierbei einfließen zu lassen. Jch trenne mich nur un-
gern von einem Regimente, das stets seinem Namen Ehre ge-
macht, seinem Herrn und Kaiser treu ergeben — ein würdiger
Zweig des großen österreichischen Armeestammes war! Jch trenne
mich um so schwerer in einem Augenblicke, wo Verführungskünste,
Trug und Hinterlist aller Art es vermochten, einen Theil dieser
braven Truppen für einen Moment auf Jrrwege zu leiten, ja so-
gar Officiere sich nicht entblödeten, ihrem Eide und ihrer Pflicht
untreu, gegen Ehre und Gewissen zu handeln, in einem Momente,
wo des Monarchen Warnung klar und offen angedeutet hat, wo-
hin ein solcher Weg führen müsse! Sie, Herr Oberst, bei Jhren
loyalen, pflichtgetreuen Gesinnungen, die braven Stabsofficiere
und der größte Theil des Officiercorps sind mir Bürgen, daß
diesem Krebsschaden Einhalt gethan werden, daß man die Jrre-
geleiteten zu ihrer Pflicht zurückführen, die Wankenden belehren
wird — und der Name des Fürsten Windischgrätz an der Spitze
der Armee, die nach Ungarn zieht, um Ruhe und Ordnung im
Lande herzustellen und die Armee wie seit Jahrhunderten wieder
unter Eine Fahne ( die Führerin zu so vielen glorreichen Siegen )
zu sammeln, wird genügen, Soldaten unter sein Commando zu-
[Ende Spaltensatz]

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[0002] gehalten, die in den schlimmen Zeiten der zwanziger und dreißiger Jahre durch Majoritäten, die mit Hilfe der Corruption und Ein- schüchterung zu Stande gebracht waren, rasch die Verfassung ab- ändern, das hieß meistens so viel als ganz aufheben ließ. Die Politik, die wir an den Trägern der Metternichschen Staatskunst perfid und verwerflich fanden, scheint uns auch, wenn die Volks- männer par excellence sie üben, keinen bessern Namen zu verdienen; haben jene damals Flick= und Stückwerk von ephemerer Dauer erschlichen, so werden diese heute keine bessere Arbeit liefern. Muß- ten wir vor nicht zu langer Zeit die Verfassungen vor dem Systeme der Hassenpflug, du Thil, Abel, Blittersdorf u. s. w. vertheidigen, so sind sie uns heute noch gerade so lieb, um sie gegen Sturm- petitionäre zu schützen. Der Ruf „für die Verfassung“ war ja das Losungswort all der zähen und trüben Kämpfe im Kleinen, und nicht Allen ist dies Losungswort eben nur ein — Wort ge- wesen. Die Berechnung liegt nahe genug, nach welcher dieselbe Partei, die vor sechs Monaten für die Alleinherrschaft eines Par- lamentes in Frankfurt focht und gegen jede andere constituirende Versammlung Protest einlegte, jetzt plötzlich die Tactik gerade umkehrt und allenthalben constituirende Versammlungen verlangt. Der Convent in Frankfurt, auf den man hoffte, hat fallirt; man denkt es jetzt mit Miniaturconventen zu versuchen und will der verhaßten Versammlung in Frankfurt das Leben schon sauer ma- chen. Warum soll man in diesem oder jenem Ländchen, das ganz aufgewühlt und von der Anarchie aller Begriffe und Rechte be- herrscht ist, warum sollte man da nicht so eine Versammlung zu Stande bringen können, die dann als Gegenmine gegen die „Gesellschaft in der Paulskirche“ zu gebrauchen wäre? Beschließt man hier die Einheit, so ist der Convent in Flachsenfingen für den entschiedensten Particularismus; erklärt man sich in Frank- furt für die constitutionelle Monarchie, so wird in Kuhschnappel die Föderativrepublik mit ganz dunkelrother Färbung beschlossen; will man Heer und Diplomatie der Centralgewalt in die Hände legen, so wird die Constituirende in Schilda beschließen, Heer und Vertretung im Auslande müsse den einzelnen achtunddreißig sou- veränen deutschen Völkern verbleiben. Es ist traurig und nieder- schlagend, daß man in Zeiten einer so hochwichtigen Entscheidung gegen solche Thorheiten auch nur sprechen muß: überflüssig ist es aber leider nicht. Es fehlt uns die politische Selbstverläugnung, wenn es gilt dem Ganzen ein Opfer zu bringen; es fehlt uns der poltitische Jnstinct der Selbsterhaltung anderer Völker, wo die bloße Gefahr einer Zersplitterung und Entkräftung hinreicht, alle besseren Elemente rasch wieder um einen Mittelpunkt zu vereinigen. Bei uns ist man nie sicher, daß das Bret da angebohrt wird, wo es am dicksten ist; wahrscheinlich ist bei uns oft nur das Unwahr- scheinlichste. Jst die Reichsverfassung ausgearbeitet, so wird es das nächste seyn, die Zustände der einzelnen Länder damit in Einklang zu bringen. Der constituirenden Periode folgt die legislative, und unseren einzelnen Kammern bleibt die schwere Arbeit übrig, das was in Frankfurt construirt worden ist, nun auch wirklich zu organisiren. Wie dies zu vollführen ist, darüber enthalten die meisten einzelnen Verfassungen genaue Bestimmungen, von den Constituantes und Conventen im Miniaturmaßstabe wissen sie nichts. Auch davon wissen sie nichts, daß solche Versammlungen einseitig constituiren dürfen, ohne Rücksicht auf Verträge und Rechte, ohne Rücksicht auf die Souveränetät der ganzen Na- tion. Es liegt ganz im Wesen des neuen Particularismus, wie er sich jetzt von der linken Seite zeigt, der vielberedeten Souverä- netät des ganzen Volkes eine der einzelnen zufälligen Territorien entgegenzustellen; ist keine Aussicht dazu, daß die deutsche Nation sich republikanisch constituirt, so thut es vielleicht das souveräne Volk von Altenburg, Sigmaringen und Vaduz. Wir werden dann Revolution, Reaction und Restauration in stetem Wechsel sich wiederholen sehen; es wird dafür gesorgt werden, daß die gemüthliche Anarchie nicht aufhört, bis schließlich das abgehetzte und ermattete Volk froh ist, wenn die derbe Faust der Gewalt den Kunststücken feiner politischer Seiltänzer ein Ziel setzt. Welch eine glückselige Zukunft für unser Vaterland, wenn wir so den Factionen die Schlupfwinkel der Kleinstaaterei wie ein heiliges Asyl öffneten und uns selber die Möglichkeit benähmen, jemals zu der Einheit und Kraft zu gelangen, ohne die uns der Genuß der Freiheit ewig versagt bleiben wird. Man hat über unsere achtunddreißig Staaten im Auslande gelacht und gespottet; man würde gegen die mehr als polnische Wirthschaft, die dann in Aussicht stände, mit Recht die tiefste Verachtung empfinden. Die Rheinbundszeiten, welche fremde Gewalt und Gewissenlosigkeit der Regierungen unserm erschlafften Volke bereitet haben, würden dann zum zweiten Male von gewissenlosen Factionen über uns hereingeführt werden, und auch die fremde Gewalt würde nicht lange auf sich warten lassen. Man schelte uns nicht als Pessimisten, wenn wir die weiteren Folgerungen von dem ziehen, was sich unter unseren Augen vor- bereitet. Alle die verschiedenen Parteimanövers lassen sich schließ- lich immer wieder aus dem Gedanken erklären, das Ansehen der Nationalversammlung zu erschüttern, die Thätigkeit der von ihr geschaffenen Centralgewalt zu lähmen. Der politische Unverstand begreift nicht, daß ein Volk, das sich ein solches Organ geschaffen hat, in dem Momente, wo es dessen Kraft untergräbt, nur sich selber schwächt. Es ist möglich, die Nationalversammlung in ihrem Wirken zu hemmen, ihre Thätigkeit zu einer fruchtlosen zu machen, aber nur sehr schwer, wenn nicht unmöglich, nachdem diese Macht zur Ohnmacht geworden ist, eine neue lebenskräftige parlamentarische Gewalt an die Stelle zu setzen; was die Thoren links gesäet, werden die Klugen rechts zu ernten wissen. Deutschland. Wien 9. December. ( St. C. ) Seit einigen Tagen tritt der Belagerungszustand wieder in fühlbarer Weise auf, und die erneuerte Kundmachung hinsichtlich der zu beobachtenden Vor- sicht in öffentlichen Aeußerungen hat keinen angenehmen Eindruck erregt. Auch die Presse erscheint hierdurch influencirt und ist eben so, wie das Theater, einer strengen Controle unterworfen. Nichts- destoweniger circulirt die Petition um Verlängerung des Belage- rungszustandes auf ein ganzes Jahr — wie man glaubt auf Antrieb des Gemeinderathes — von Haus zu Haus. Wenn dieselbe sich mit zahlreicheren Unterschriften bedeckt, als es unter gewöhnlichen Umständen der Fall wäre, so ist nicht zu übersehen, wie jede Art von Terrorismus ihre Wirksamkeit auf schwache Gemüther aus- übt. — Eine zweite Adresse, um dem Ministerium durch ein ge- meinsames Vertrauensvotum moralische Unterstützung zu verleihen, findet ungeheuchelten Anklang. — Die heutige Wiener Zeitung enthält folgende Berichtigung: „Es ist eine alte, auf die Nothwendigkeit gegründete Vorschrift, daß bei einer operiren- den Armee nebst dem Oberbefehlshaber auch noch ein commandi- render General für den administrativen Theil, das sogenannte Armeegeneralcommando, angestellt werde. Zu diesem Posten haben Se. Durchlaucht der Herr Feldmarschall und Armeeober- commandant Fürst Windischgrätz den Herrn F. M. L. Gruber ernannt. Dies zur Berichtigung des im „Wiener Geschäftsberichte und Neuigkeitsboten“ erschienenen Artikels, daß S. D. der F. M. Fürst Windischgrätz das Obercommando niedergelegt habe.“ Die zwölf nunmehr vom Fürsten Windischgrätz freigelassenen Geiseln ( Mitglieder der ehemaligen akademischen Legion aus allen Theilen des Kaiserstaates ) lassen in öffentlichen Blättern folgenden Dank erscheinen: „Unterzeichnete halten es für ihre Pflicht, zur allgemeinen Kenntniß zu bringen, daß sie während der ganzen Dauer ihrer Verhaftung als Geiseln für die Bevöl- kerung Wiens sich einer sehr humanen und loyalen Behandlung von Seite des k. k. Militärs erfreuten, und bringen hiermit dem- selben ihren wärmsten Dank dar. Wien 8. December 1848.“ Laut amtlicher Anzeige sind in Wien bis zum 3. December 1541 Verhaftete von der Militäruntersuchungscommission freige- lassen worden; wie viele sich noch in Haft befinden, wird nicht gesagt. Der Erzherzog Stephan, früher ungarischer Reichs- palatin, hat an den Obersten des Palatinalhusarenregimentes, dessen Chef er in jener Eigenschaft war, ein geschäftliches Schrei- ben erlassen, worin er zum Schlusse seine Ansichten über die ge- genwärtigen Zerwürfnisse in folgender Weise ausspricht: „Jch kann mein vielleicht letztes Schreiben an Sie unmöglich, absenden, ohne einige Worte des Abschiedes an Sie und das gesammte Of- ficiercorps hierbei einfließen zu lassen. Jch trenne mich nur un- gern von einem Regimente, das stets seinem Namen Ehre ge- macht, seinem Herrn und Kaiser treu ergeben — ein würdiger Zweig des großen österreichischen Armeestammes war! Jch trenne mich um so schwerer in einem Augenblicke, wo Verführungskünste, Trug und Hinterlist aller Art es vermochten, einen Theil dieser braven Truppen für einen Moment auf Jrrwege zu leiten, ja so- gar Officiere sich nicht entblödeten, ihrem Eide und ihrer Pflicht untreu, gegen Ehre und Gewissen zu handeln, in einem Momente, wo des Monarchen Warnung klar und offen angedeutet hat, wo- hin ein solcher Weg führen müsse! Sie, Herr Oberst, bei Jhren loyalen, pflichtgetreuen Gesinnungen, die braven Stabsofficiere und der größte Theil des Officiercorps sind mir Bürgen, daß diesem Krebsschaden Einhalt gethan werden, daß man die Jrre- geleiteten zu ihrer Pflicht zurückführen, die Wankenden belehren wird — und der Name des Fürsten Windischgrätz an der Spitze der Armee, die nach Ungarn zieht, um Ruhe und Ordnung im Lande herzustellen und die Armee wie seit Jahrhunderten wieder unter Eine Fahne ( die Führerin zu so vielen glorreichen Siegen ) zu sammeln, wird genügen, Soldaten unter sein Commando zu-

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 164. Mainz, 14. Dezember 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal164_1848/2>, abgerufen am 23.11.2024.