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Mainzer Journal. Nr. 163. Mainz, 13. Dezember 1848.

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[Beginn Spaltensatz]

Genua 6. December. Ein Extrablatt der florentiner "Alba"
trifft hier so eben mit folgender Nachricht ein, deren Bestätigung
wir jedoch noch erwarten müssen:

"Rom 2. December. Der Papst hat eine heftige Protestation
erlassen gegen alle Ereignisse, die sich seit dem 16. November zu-
getragen. Alle Zugeständnisse ( heißt es darin ) , die er gemacht,
seyen ihm durch brutale Gewalt entrissen worden und deshalb
null. Ferner, sagt man, habe er das ganze diplomatische Corps
nach [unleserliches Material - 5 Zeichen fehlen]Gaeta gerufen und im Vereine der Cardinäle einen Regent-
schaftsrath ernannt, der in seiner Abwesenheit den Kirchenstaat
regieren soll. Beim Eintreffen dieser Nachrichten habe sich das
römische "Volk" von Neuem erhoben und die Absetzung
Pius
IX. ausgesprochen. Details fehlen noch." ( Corriere
Mercantile vom 6. December. )

Rom 4. December. ( O. P. A. Z. ) Schon gestern wußte
man in wohlunterrichteten Kreisen, daß ein Protest des Papstes
eingetroffen war. Jn demselben drückt Pius IX. zuerst seinen
Schmerz aus über die Nothwendigkeit, die ihn gezwungen, Rom
zu verlassen. Sodann wiederholt er den Protest, den er schon am
16. vor dem diplomatischen Corps abgelegt hatte, und erkärt alle
Handlungen der Regierung seit dem 16. v. M. für null und
nichtig. Endlich wird zur Wiederherstellung der gesetzlichen Ord-
nung eine Regierungscommission eingesetzt, bestehend aus dem
Cardinal Castracane, Monsignore Roberto Roberti, den Fürsten
von Roviano und Barberini, dem Marchese Bevilacqua aus Bo-
logna ( einem der ausgetretenen Deputirten ) , Marchese Ricci aus
Macerata und General Zucchi. Zugleich war das ganze diplomatische
Corps eingeladen, sich nach Gaeta zu begeben, und heute ist be-
reits der größte Theil desselben abgereist oder reisefertig. Vor Gaeta
lag eine Flotte von mehr als 40 Kriegsschiffen aller Völker. Wei-
ter wollte man wissen, Zucchi habe Ordre, sich durch die Marken
gegen die neapolitanische Grenze zu ziehen, um sich von da wahr-
scheinlich mit neapolitanischen Verstärkungen gegen Rom zu wen-
den. Die hundert hiesigen Schweizer, heißt es, wolle der König
von Neapel in Sold nehmen, vielleicht um sie dem Papste als
Leibwache zu geben. Mit dem Proteste hat es seine volle Richtig-
keit. Die Kammer hat deshalb in vergangener Nacht eine Sitzung
gehalten und heute Morgen ihre Beschlusse in Form einer Pro-
clamation bekannt gemacht. Diese lautet: 1 ) Jn Erwägung,
daß das Actenstück, welches vom Papste in Gaeta am 27. Nov.
unterzeichnet seyn soll, für die Kammer der Deputirten nicht den
Charakter der Authenticität, noch der regelmäßigen Publicität
hat und wenn es auch dieselben nicht entbehrte, [unleserliches Material - 5 Zeichen fehlen]nicht in Betracht
kommen könnte, da es in keiner Beziehung den Charakter der
Constitutionalität trägt, welcher der Fürst nicht weniger als die
Nation unterworfen ist; in Erwängung ferner, daß man dem
Gesetze der Nothwendigkeit und des Bedürfnisses gehorchen muß,
eine Regierung zu haben: erklärt die Kammer, daß die ge-
genwärtigen Minister in der Ausübung aller ihrer Regier-
ungshandlungen fortfahren müssen, so lange es nicht anders be-
stimmt seyn wird. 2 ) Es soll augenblicklich eine Deputation der
Kammer an Se. Heiligkeit abgesandt werden, um ihn einzuladen,
nach Rom zurückzukehren. 3 ) Die Pairskammer wird eingela-
den, diesen Beschlüssen beizutreten. 4 ) Verschiedene Proclama-
tionen sollen zur Wahrung der öffentlichen Ordnung erscheinen.
Der Bruch ist also jetzt in vollster Form da, so sehr man sich auch
bemüht, ihn zu verbergen; denn den Text des Protestes hat man
nicht zu veröffentlichen gewagt. Ob sich die Revolution halten
wird, hängt für den Augenblick zum großen Theile davon ab, ob
sie Credit für ihr neues Papiergeld finden wird. Das baare Geld
verschwindet von Neuem. Bologna ist überdem schon in offe-
ner Opposition mit Rom. Der dortige Prolegat hat bei der
Nachricht von der Abreise des Papstes den General Zucchi und
den Senator Zucchini sich beigesellt. Das Circolo nationale, wie
es scheint der Kern der Bürgerschaft, votirt Zucchi eine Dank-
adresse für das, was er für Herstellung der Ruhe gethan und
bittet ihn, das so schön begonnene Werk weiter zu führen und zu
vollenden. Welche Schicksale Rom bevorstehen, welchen Stand-
punkt es weiteren Ereignissen gegenüber einnehmen wird, ist
bei der gänzlichen politischen Unmündigkeit des hiesigen Vol-
kes unberechenbar. Jm Stillen hege ich die Hoffnung, daß
die eigentliche Revolutionspartei so schwach ist, daß sie dem ersten
wirklichen Angriffe unterliegen wird. Sollte ich mich täuschen,
dann freilich steht uns ein guter Theil Terrorismus bevor, der
sein Ende schwerlich ohne Belagerungszustand und Standrecht
erreichen würde.

Frankreich.

* * * Paris 10. December. Der gestrige Abend ging ziem-
[Spaltenumbruch] lich tumultuarisch vorüber, ohne daß indessen die Ordnung irgend-
wo ernstlich gestört worden wäre; die Volkshaufen waren sehr
zahlreich, im Allgemeinen aber ziemlich harmlos. Viele Wahl-
männer scheinen noch unentschlossen zu seyn, wem sie eigentlich
ihre Stimme geben sollen, und man glaubt, daß die Zahl der
wirklich Stimmenden bei Weitem nicht so bedeutend seyn wird,
wie es Anfangs den Anschein hatte. Sie sehen, das Philisterium
ist nicht allein in Deutschland zu Hause! Heute Morgen war die
Stadt ganz ruhig, und wenn auch alle Vorsichtsmaßregeln ge-
gen mögliche Eventualitäten getroffen sind, so sind die Behörden
doch klug genug, Manifestationen zu vermeiden, welche die Ruhe
stören könnten, denn die Gemüther sind im Augenblicke so gereizt,
daß jede Entfaltung von Streitkräften böses Blut machen und
als ein Einschüchterungs= oder Provocationsversuch angesehen
würde. Die Abstimmungen gehen überall ganz friedlich vor sich
und die erwartete Emeute soll durch das leitende Comit e in der
letzten Nacht wieder abgesagt worden seyn. Der Jnsurrections-
plan soll darin bestanden haben, sich während der Nacht des
ganzen zweiten Stadtbezirkes zu bemächtigen, gegen welchen die
Proletarier schon so oft von Blanqui und Barbes aufgehetzt worden
sind. Die Nationalgarde in demselben sollte entwaffnet und dann
von diesem Punkte aus, der von jeher das Hauptquartier der
Conservativen gewesen ist, ganz Paris beherrscht werden. Chan-
garnier behält das Obercommando in Paris, obgleich seine Ver-
bindungen mit den Bonapartisten für Niemanden ein Geheimniß
sind, und man vertraut der Rechtlichkeit des Generales, daß er
die Ordnung kräftig aufrecht erhalten werde. Vier Uhr Nach-
mittags.
Jn diesem Augenblicke herrscht in Paris die vollkom-
menste Ruhe, es ist herrliches Wetter und alle Spaziergänge sind
überfüllt.

Aus den Departements sind schon mehrere telegraphische De-
peschen mit beruhigenden Nachrichten angelangt. Jn den Sectio-
nen wird die Ordnung der Stimmzettel den Dienstag beginnen.
Die officielle Veröffentlichung des Resultates für das Seinede-
partement wird indessen erst bis Donnerstag im Stadthause statt-
finden. Louis Napoleon ist mit seinem Ministerium ein Unglück
passirt, es sollte nämlich schon am letzten Donnerstage verkündigt
werden und aus Bugeaud, Mol e und Thiers bestehen, oder
wenigstens einen dieser Staatsmänner zum Präsidenten haben.
Allein alle drei lehnten die gefährliche Ehre ab. Eine Erklä-
rung der Grundsätze, nach welchen der künftige Präsident regie-
ren wolle, lag schon fertig vor und sollte von seinen Ministern
unterzeichnet werden. Das Ende vom Liede war aber, daß man sich
weder über dieses Programm, und noch viel weniger über die Namen
verständigen konnte, welche es unterzeichnen sollten. -- Die Trup-
pen sollen schon auf dem Marsche seyn, um alle Bahnhöfe auf den
verschiedenen Eisenbahnlinien zu besetzen. Marschall Bugeaud
wird, trotz seines Unwohlseyns, in Perigueux stimmen und
dann sofort nach Paris abreisen, wo er am Mittwoch anzukom-
men gedenkt. -- Die Furcht hat wieder eine Menge Familien von
Paris weggetrieben, die, ehe sie in die Hauptstadt zurückkehren,
vorerst in der Provinz das Resultat der Wahl abwarten wollen.
Die Polizei hat ihrerseits die Läden sämmtlicher Waffenschmiede
visitirt und eine Untersuchung angestellt, ob nach der Vorschrift
einer alten Ordonanz von Guisquet die Schlösser an ihren Ge-
wehren abgeschraubt sind. Das Resultat dieser Untersuchung soll
nicht überall den Polizeivorschriften entsprochen haben. -- Auf
die in der Kammer von Ledru=Rollin vorgebrachte Anschuldigung
hin, daß der gegenwärtige Director der allgemeinen Polizei an
die Regentschaft und England verkauft sey, soll Dufaure sogleich
den Befehl gegeben haben, Herrn Cartier zu verhaften, zugleich
forderte der Minister Herrn Ledru=Rollin auf, seine Anklage mit
Beweisen zu belegen. Herrn Ledru=Rollin kann übrigens die
Sache sehr übel bekommen, denn Herr Cartier ist ein Mann
von großer persönlicher Energie und wird diese Anschuldigung
schwerlich auf sich sitzen lassen. -- Jn Valenciennes ist die
Wahl des Präsidenten der Republik mit großer Ruhe vorgenommen
worden. Die Gemeinden der zu der Stadt gehörenden drei Cantone
zogen mit Musik und Fahnen, die Bürgermeister und Adjuncten an
der Spitze einer jeden Colonne, in die Stadt ein. Für Louis Bo-
naparte stimmten namentlich die Zuckerfabrikanten und ihre Arbei-
ter, denen wahrscheinlich eine neue Continentalsperre von dem
Neffen des Kaisers in Aussicht gestellt worden ist. Man ver-
muthet indessen, daß Cavaignac nicht nur in Valenciennes, son-
dern überhaupt im ganzen Norddepartement die Majorität haben
wird. Von den übrigen Candidaten hat Ledru=Rollin wenige,
Lamartine noch weniger und Raspail gar keine Stimmen be-
kommen.

[Ende Spaltensatz]

Redacteur: Franz Sausen. -- Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. -- Druck von Florian Kupferberg.

[Beginn Spaltensatz]

Genua 6. December. Ein Extrablatt der florentiner „Alba“
trifft hier so eben mit folgender Nachricht ein, deren Bestätigung
wir jedoch noch erwarten müssen:

„Rom 2. December. Der Papst hat eine heftige Protestation
erlassen gegen alle Ereignisse, die sich seit dem 16. November zu-
getragen. Alle Zugeständnisse ( heißt es darin ) , die er gemacht,
seyen ihm durch brutale Gewalt entrissen worden und deshalb
null. Ferner, sagt man, habe er das ganze diplomatische Corps
nach [unleserliches Material – 5 Zeichen fehlen]Gaeta gerufen und im Vereine der Cardinäle einen Regent-
schaftsrath ernannt, der in seiner Abwesenheit den Kirchenstaat
regieren soll. Beim Eintreffen dieser Nachrichten habe sich das
römische „Volk“ von Neuem erhoben und die Absetzung
Pius
IX. ausgesprochen. Details fehlen noch.“ ( Corriere
Mercantile vom 6. December. )

Rom 4. December. ( O. P. A. Z. ) Schon gestern wußte
man in wohlunterrichteten Kreisen, daß ein Protest des Papstes
eingetroffen war. Jn demselben drückt Pius IX. zuerst seinen
Schmerz aus über die Nothwendigkeit, die ihn gezwungen, Rom
zu verlassen. Sodann wiederholt er den Protest, den er schon am
16. vor dem diplomatischen Corps abgelegt hatte, und erkärt alle
Handlungen der Regierung seit dem 16. v. M. für null und
nichtig. Endlich wird zur Wiederherstellung der gesetzlichen Ord-
nung eine Regierungscommission eingesetzt, bestehend aus dem
Cardinal Castracane, Monsignore Roberto Roberti, den Fürsten
von Roviano und Barberini, dem Marchese Bevilacqua aus Bo-
logna ( einem der ausgetretenen Deputirten ) , Marchese Ricci aus
Macerata und General Zucchi. Zugleich war das ganze diplomatische
Corps eingeladen, sich nach Gaeta zu begeben, und heute ist be-
reits der größte Theil desselben abgereist oder reisefertig. Vor Gaeta
lag eine Flotte von mehr als 40 Kriegsschiffen aller Völker. Wei-
ter wollte man wissen, Zucchi habe Ordre, sich durch die Marken
gegen die neapolitanische Grenze zu ziehen, um sich von da wahr-
scheinlich mit neapolitanischen Verstärkungen gegen Rom zu wen-
den. Die hundert hiesigen Schweizer, heißt es, wolle der König
von Neapel in Sold nehmen, vielleicht um sie dem Papste als
Leibwache zu geben. Mit dem Proteste hat es seine volle Richtig-
keit. Die Kammer hat deshalb in vergangener Nacht eine Sitzung
gehalten und heute Morgen ihre Beschlusse in Form einer Pro-
clamation bekannt gemacht. Diese lautet: 1 ) Jn Erwägung,
daß das Actenstück, welches vom Papste in Gaeta am 27. Nov.
unterzeichnet seyn soll, für die Kammer der Deputirten nicht den
Charakter der Authenticität, noch der regelmäßigen Publicität
hat und wenn es auch dieselben nicht entbehrte, [unleserliches Material – 5 Zeichen fehlen]nicht in Betracht
kommen könnte, da es in keiner Beziehung den Charakter der
Constitutionalität trägt, welcher der Fürst nicht weniger als die
Nation unterworfen ist; in Erwängung ferner, daß man dem
Gesetze der Nothwendigkeit und des Bedürfnisses gehorchen muß,
eine Regierung zu haben: erklärt die Kammer, daß die ge-
genwärtigen Minister in der Ausübung aller ihrer Regier-
ungshandlungen fortfahren müssen, so lange es nicht anders be-
stimmt seyn wird. 2 ) Es soll augenblicklich eine Deputation der
Kammer an Se. Heiligkeit abgesandt werden, um ihn einzuladen,
nach Rom zurückzukehren. 3 ) Die Pairskammer wird eingela-
den, diesen Beschlüssen beizutreten. 4 ) Verschiedene Proclama-
tionen sollen zur Wahrung der öffentlichen Ordnung erscheinen.
Der Bruch ist also jetzt in vollster Form da, so sehr man sich auch
bemüht, ihn zu verbergen; denn den Text des Protestes hat man
nicht zu veröffentlichen gewagt. Ob sich die Revolution halten
wird, hängt für den Augenblick zum großen Theile davon ab, ob
sie Credit für ihr neues Papiergeld finden wird. Das baare Geld
verschwindet von Neuem. Bologna ist überdem schon in offe-
ner Opposition mit Rom. Der dortige Prolegat hat bei der
Nachricht von der Abreise des Papstes den General Zucchi und
den Senator Zucchini sich beigesellt. Das Circolo nationale, wie
es scheint der Kern der Bürgerschaft, votirt Zucchi eine Dank-
adresse für das, was er für Herstellung der Ruhe gethan und
bittet ihn, das so schön begonnene Werk weiter zu führen und zu
vollenden. Welche Schicksale Rom bevorstehen, welchen Stand-
punkt es weiteren Ereignissen gegenüber einnehmen wird, ist
bei der gänzlichen politischen Unmündigkeit des hiesigen Vol-
kes unberechenbar. Jm Stillen hege ich die Hoffnung, daß
die eigentliche Revolutionspartei so schwach ist, daß sie dem ersten
wirklichen Angriffe unterliegen wird. Sollte ich mich täuschen,
dann freilich steht uns ein guter Theil Terrorismus bevor, der
sein Ende schwerlich ohne Belagerungszustand und Standrecht
erreichen würde.

Frankreich.

* * * Paris 10. December. Der gestrige Abend ging ziem-
[Spaltenumbruch] lich tumultuarisch vorüber, ohne daß indessen die Ordnung irgend-
wo ernstlich gestört worden wäre; die Volkshaufen waren sehr
zahlreich, im Allgemeinen aber ziemlich harmlos. Viele Wahl-
männer scheinen noch unentschlossen zu seyn, wem sie eigentlich
ihre Stimme geben sollen, und man glaubt, daß die Zahl der
wirklich Stimmenden bei Weitem nicht so bedeutend seyn wird,
wie es Anfangs den Anschein hatte. Sie sehen, das Philisterium
ist nicht allein in Deutschland zu Hause! Heute Morgen war die
Stadt ganz ruhig, und wenn auch alle Vorsichtsmaßregeln ge-
gen mögliche Eventualitäten getroffen sind, so sind die Behörden
doch klug genug, Manifestationen zu vermeiden, welche die Ruhe
stören könnten, denn die Gemüther sind im Augenblicke so gereizt,
daß jede Entfaltung von Streitkräften böses Blut machen und
als ein Einschüchterungs= oder Provocationsversuch angesehen
würde. Die Abstimmungen gehen überall ganz friedlich vor sich
und die erwartete Emeute soll durch das leitende Comit é in der
letzten Nacht wieder abgesagt worden seyn. Der Jnsurrections-
plan soll darin bestanden haben, sich während der Nacht des
ganzen zweiten Stadtbezirkes zu bemächtigen, gegen welchen die
Proletarier schon so oft von Blanqui und Barbès aufgehetzt worden
sind. Die Nationalgarde in demselben sollte entwaffnet und dann
von diesem Punkte aus, der von jeher das Hauptquartier der
Conservativen gewesen ist, ganz Paris beherrscht werden. Chan-
garnier behält das Obercommando in Paris, obgleich seine Ver-
bindungen mit den Bonapartisten für Niemanden ein Geheimniß
sind, und man vertraut der Rechtlichkeit des Generales, daß er
die Ordnung kräftig aufrecht erhalten werde. Vier Uhr Nach-
mittags.
Jn diesem Augenblicke herrscht in Paris die vollkom-
menste Ruhe, es ist herrliches Wetter und alle Spaziergänge sind
überfüllt.

Aus den Departements sind schon mehrere telegraphische De-
peschen mit beruhigenden Nachrichten angelangt. Jn den Sectio-
nen wird die Ordnung der Stimmzettel den Dienstag beginnen.
Die officielle Veröffentlichung des Resultates für das Seinede-
partement wird indessen erst bis Donnerstag im Stadthause statt-
finden. Louis Napoleon ist mit seinem Ministerium ein Unglück
passirt, es sollte nämlich schon am letzten Donnerstage verkündigt
werden und aus Bugeaud, Mol é und Thiers bestehen, oder
wenigstens einen dieser Staatsmänner zum Präsidenten haben.
Allein alle drei lehnten die gefährliche Ehre ab. Eine Erklä-
rung der Grundsätze, nach welchen der künftige Präsident regie-
ren wolle, lag schon fertig vor und sollte von seinen Ministern
unterzeichnet werden. Das Ende vom Liede war aber, daß man sich
weder über dieses Programm, und noch viel weniger über die Namen
verständigen konnte, welche es unterzeichnen sollten. — Die Trup-
pen sollen schon auf dem Marsche seyn, um alle Bahnhöfe auf den
verschiedenen Eisenbahnlinien zu besetzen. Marschall Bugeaud
wird, trotz seines Unwohlseyns, in Perigueux stimmen und
dann sofort nach Paris abreisen, wo er am Mittwoch anzukom-
men gedenkt. — Die Furcht hat wieder eine Menge Familien von
Paris weggetrieben, die, ehe sie in die Hauptstadt zurückkehren,
vorerst in der Provinz das Resultat der Wahl abwarten wollen.
Die Polizei hat ihrerseits die Läden sämmtlicher Waffenschmiede
visitirt und eine Untersuchung angestellt, ob nach der Vorschrift
einer alten Ordonanz von Guisquet die Schlösser an ihren Ge-
wehren abgeschraubt sind. Das Resultat dieser Untersuchung soll
nicht überall den Polizeivorschriften entsprochen haben. — Auf
die in der Kammer von Ledru=Rollin vorgebrachte Anschuldigung
hin, daß der gegenwärtige Director der allgemeinen Polizei an
die Regentschaft und England verkauft sey, soll Dufaure sogleich
den Befehl gegeben haben, Herrn Cartier zu verhaften, zugleich
forderte der Minister Herrn Ledru=Rollin auf, seine Anklage mit
Beweisen zu belegen. Herrn Ledru=Rollin kann übrigens die
Sache sehr übel bekommen, denn Herr Cartier ist ein Mann
von großer persönlicher Energie und wird diese Anschuldigung
schwerlich auf sich sitzen lassen. — Jn Valenciennes ist die
Wahl des Präsidenten der Republik mit großer Ruhe vorgenommen
worden. Die Gemeinden der zu der Stadt gehörenden drei Cantone
zogen mit Musik und Fahnen, die Bürgermeister und Adjuncten an
der Spitze einer jeden Colonne, in die Stadt ein. Für Louis Bo-
naparte stimmten namentlich die Zuckerfabrikanten und ihre Arbei-
ter, denen wahrscheinlich eine neue Continentalsperre von dem
Neffen des Kaisers in Aussicht gestellt worden ist. Man ver-
muthet indessen, daß Cavaignac nicht nur in Valenciennes, son-
dern überhaupt im ganzen Norddepartement die Majorität haben
wird. Von den übrigen Candidaten hat Ledru=Rollin wenige,
Lamartine noch weniger und Raspail gar keine Stimmen be-
kommen.

[Ende Spaltensatz]

Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg.

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[0006] Genua 6. December. Ein Extrablatt der florentiner „Alba“ trifft hier so eben mit folgender Nachricht ein, deren Bestätigung wir jedoch noch erwarten müssen: „Rom 2. December. Der Papst hat eine heftige Protestation erlassen gegen alle Ereignisse, die sich seit dem 16. November zu- getragen. Alle Zugeständnisse ( heißt es darin ) , die er gemacht, seyen ihm durch brutale Gewalt entrissen worden und deshalb null. Ferner, sagt man, habe er das ganze diplomatische Corps nach _____Gaeta gerufen und im Vereine der Cardinäle einen Regent- schaftsrath ernannt, der in seiner Abwesenheit den Kirchenstaat regieren soll. Beim Eintreffen dieser Nachrichten habe sich das römische „Volk“ von Neuem erhoben und die Absetzung Pius IX. ausgesprochen. Details fehlen noch.“ ( Corriere Mercantile vom 6. December. ) Rom 4. December. ( O. P. A. Z. ) Schon gestern wußte man in wohlunterrichteten Kreisen, daß ein Protest des Papstes eingetroffen war. Jn demselben drückt Pius IX. zuerst seinen Schmerz aus über die Nothwendigkeit, die ihn gezwungen, Rom zu verlassen. Sodann wiederholt er den Protest, den er schon am 16. vor dem diplomatischen Corps abgelegt hatte, und erkärt alle Handlungen der Regierung seit dem 16. v. M. für null und nichtig. Endlich wird zur Wiederherstellung der gesetzlichen Ord- nung eine Regierungscommission eingesetzt, bestehend aus dem Cardinal Castracane, Monsignore Roberto Roberti, den Fürsten von Roviano und Barberini, dem Marchese Bevilacqua aus Bo- logna ( einem der ausgetretenen Deputirten ) , Marchese Ricci aus Macerata und General Zucchi. Zugleich war das ganze diplomatische Corps eingeladen, sich nach Gaeta zu begeben, und heute ist be- reits der größte Theil desselben abgereist oder reisefertig. Vor Gaeta lag eine Flotte von mehr als 40 Kriegsschiffen aller Völker. Wei- ter wollte man wissen, Zucchi habe Ordre, sich durch die Marken gegen die neapolitanische Grenze zu ziehen, um sich von da wahr- scheinlich mit neapolitanischen Verstärkungen gegen Rom zu wen- den. Die hundert hiesigen Schweizer, heißt es, wolle der König von Neapel in Sold nehmen, vielleicht um sie dem Papste als Leibwache zu geben. Mit dem Proteste hat es seine volle Richtig- keit. Die Kammer hat deshalb in vergangener Nacht eine Sitzung gehalten und heute Morgen ihre Beschlusse in Form einer Pro- clamation bekannt gemacht. Diese lautet: 1 ) Jn Erwägung, daß das Actenstück, welches vom Papste in Gaeta am 27. Nov. unterzeichnet seyn soll, für die Kammer der Deputirten nicht den Charakter der Authenticität, noch der regelmäßigen Publicität hat und wenn es auch dieselben nicht entbehrte, _____nicht in Betracht kommen könnte, da es in keiner Beziehung den Charakter der Constitutionalität trägt, welcher der Fürst nicht weniger als die Nation unterworfen ist; in Erwängung ferner, daß man dem Gesetze der Nothwendigkeit und des Bedürfnisses gehorchen muß, eine Regierung zu haben: erklärt die Kammer, daß die ge- genwärtigen Minister in der Ausübung aller ihrer Regier- ungshandlungen fortfahren müssen, so lange es nicht anders be- stimmt seyn wird. 2 ) Es soll augenblicklich eine Deputation der Kammer an Se. Heiligkeit abgesandt werden, um ihn einzuladen, nach Rom zurückzukehren. 3 ) Die Pairskammer wird eingela- den, diesen Beschlüssen beizutreten. 4 ) Verschiedene Proclama- tionen sollen zur Wahrung der öffentlichen Ordnung erscheinen. Der Bruch ist also jetzt in vollster Form da, so sehr man sich auch bemüht, ihn zu verbergen; denn den Text des Protestes hat man nicht zu veröffentlichen gewagt. Ob sich die Revolution halten wird, hängt für den Augenblick zum großen Theile davon ab, ob sie Credit für ihr neues Papiergeld finden wird. Das baare Geld verschwindet von Neuem. Bologna ist überdem schon in offe- ner Opposition mit Rom. Der dortige Prolegat hat bei der Nachricht von der Abreise des Papstes den General Zucchi und den Senator Zucchini sich beigesellt. Das Circolo nationale, wie es scheint der Kern der Bürgerschaft, votirt Zucchi eine Dank- adresse für das, was er für Herstellung der Ruhe gethan und bittet ihn, das so schön begonnene Werk weiter zu führen und zu vollenden. Welche Schicksale Rom bevorstehen, welchen Stand- punkt es weiteren Ereignissen gegenüber einnehmen wird, ist bei der gänzlichen politischen Unmündigkeit des hiesigen Vol- kes unberechenbar. Jm Stillen hege ich die Hoffnung, daß die eigentliche Revolutionspartei so schwach ist, daß sie dem ersten wirklichen Angriffe unterliegen wird. Sollte ich mich täuschen, dann freilich steht uns ein guter Theil Terrorismus bevor, der sein Ende schwerlich ohne Belagerungszustand und Standrecht erreichen würde. Frankreich. * * * Paris 10. December. Der gestrige Abend ging ziem- lich tumultuarisch vorüber, ohne daß indessen die Ordnung irgend- wo ernstlich gestört worden wäre; die Volkshaufen waren sehr zahlreich, im Allgemeinen aber ziemlich harmlos. Viele Wahl- männer scheinen noch unentschlossen zu seyn, wem sie eigentlich ihre Stimme geben sollen, und man glaubt, daß die Zahl der wirklich Stimmenden bei Weitem nicht so bedeutend seyn wird, wie es Anfangs den Anschein hatte. Sie sehen, das Philisterium ist nicht allein in Deutschland zu Hause! Heute Morgen war die Stadt ganz ruhig, und wenn auch alle Vorsichtsmaßregeln ge- gen mögliche Eventualitäten getroffen sind, so sind die Behörden doch klug genug, Manifestationen zu vermeiden, welche die Ruhe stören könnten, denn die Gemüther sind im Augenblicke so gereizt, daß jede Entfaltung von Streitkräften böses Blut machen und als ein Einschüchterungs= oder Provocationsversuch angesehen würde. Die Abstimmungen gehen überall ganz friedlich vor sich und die erwartete Emeute soll durch das leitende Comit é in der letzten Nacht wieder abgesagt worden seyn. Der Jnsurrections- plan soll darin bestanden haben, sich während der Nacht des ganzen zweiten Stadtbezirkes zu bemächtigen, gegen welchen die Proletarier schon so oft von Blanqui und Barbès aufgehetzt worden sind. Die Nationalgarde in demselben sollte entwaffnet und dann von diesem Punkte aus, der von jeher das Hauptquartier der Conservativen gewesen ist, ganz Paris beherrscht werden. Chan- garnier behält das Obercommando in Paris, obgleich seine Ver- bindungen mit den Bonapartisten für Niemanden ein Geheimniß sind, und man vertraut der Rechtlichkeit des Generales, daß er die Ordnung kräftig aufrecht erhalten werde. Vier Uhr Nach- mittags. Jn diesem Augenblicke herrscht in Paris die vollkom- menste Ruhe, es ist herrliches Wetter und alle Spaziergänge sind überfüllt. Aus den Departements sind schon mehrere telegraphische De- peschen mit beruhigenden Nachrichten angelangt. Jn den Sectio- nen wird die Ordnung der Stimmzettel den Dienstag beginnen. Die officielle Veröffentlichung des Resultates für das Seinede- partement wird indessen erst bis Donnerstag im Stadthause statt- finden. Louis Napoleon ist mit seinem Ministerium ein Unglück passirt, es sollte nämlich schon am letzten Donnerstage verkündigt werden und aus Bugeaud, Mol é und Thiers bestehen, oder wenigstens einen dieser Staatsmänner zum Präsidenten haben. Allein alle drei lehnten die gefährliche Ehre ab. Eine Erklä- rung der Grundsätze, nach welchen der künftige Präsident regie- ren wolle, lag schon fertig vor und sollte von seinen Ministern unterzeichnet werden. Das Ende vom Liede war aber, daß man sich weder über dieses Programm, und noch viel weniger über die Namen verständigen konnte, welche es unterzeichnen sollten. — Die Trup- pen sollen schon auf dem Marsche seyn, um alle Bahnhöfe auf den verschiedenen Eisenbahnlinien zu besetzen. Marschall Bugeaud wird, trotz seines Unwohlseyns, in Perigueux stimmen und dann sofort nach Paris abreisen, wo er am Mittwoch anzukom- men gedenkt. — Die Furcht hat wieder eine Menge Familien von Paris weggetrieben, die, ehe sie in die Hauptstadt zurückkehren, vorerst in der Provinz das Resultat der Wahl abwarten wollen. Die Polizei hat ihrerseits die Läden sämmtlicher Waffenschmiede visitirt und eine Untersuchung angestellt, ob nach der Vorschrift einer alten Ordonanz von Guisquet die Schlösser an ihren Ge- wehren abgeschraubt sind. Das Resultat dieser Untersuchung soll nicht überall den Polizeivorschriften entsprochen haben. — Auf die in der Kammer von Ledru=Rollin vorgebrachte Anschuldigung hin, daß der gegenwärtige Director der allgemeinen Polizei an die Regentschaft und England verkauft sey, soll Dufaure sogleich den Befehl gegeben haben, Herrn Cartier zu verhaften, zugleich forderte der Minister Herrn Ledru=Rollin auf, seine Anklage mit Beweisen zu belegen. Herrn Ledru=Rollin kann übrigens die Sache sehr übel bekommen, denn Herr Cartier ist ein Mann von großer persönlicher Energie und wird diese Anschuldigung schwerlich auf sich sitzen lassen. — Jn Valenciennes ist die Wahl des Präsidenten der Republik mit großer Ruhe vorgenommen worden. Die Gemeinden der zu der Stadt gehörenden drei Cantone zogen mit Musik und Fahnen, die Bürgermeister und Adjuncten an der Spitze einer jeden Colonne, in die Stadt ein. Für Louis Bo- naparte stimmten namentlich die Zuckerfabrikanten und ihre Arbei- ter, denen wahrscheinlich eine neue Continentalsperre von dem Neffen des Kaisers in Aussicht gestellt worden ist. Man ver- muthet indessen, daß Cavaignac nicht nur in Valenciennes, son- dern überhaupt im ganzen Norddepartement die Majorität haben wird. Von den übrigen Candidaten hat Ledru=Rollin wenige, Lamartine noch weniger und Raspail gar keine Stimmen be- kommen. Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg.

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Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 163. Mainz, 13. Dezember 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal163_1848/6>, abgerufen am 01.06.2024.