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Mainzer Journal. Nr. 163. Mainz, 13. Dezember 1848.

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Die wenigen Beispiele mögen hinreichen, um zu zeigen, wie
weit die particularistische Neigung der radicalen Sonderbündler
schon mit der Sprache herausgeht. Sie suchen ihren guten Freun-
den, den Polen, zuliebe, die freilich schon vielmals die heißen
Kastanien haben aus dem Feuer holen müssen, einen wohlerwo-
genen und wichtigen Beschluß der Vertreter deutscher Nation
leichtsinnig umzuwerfen; sie fordern in aller Naivetät dazu
auf, die Beschlüsse der "Gesellschaft in der Paulskirche"
nicht zu achten. Sie wollen das bunte und vielköpfige Re-
giment, das Deutschland gedrückt, beengt und lächerlich ge-
macht hat, erhalten wissen, sie wollen die Winkel der Klein-
staaterei und Flachsenfingerei, in denen ein gesundes politisches
Leben nicht aufkommen kann, wo möglich nicht ausgefegt sehen.
Sie haben plötzlich eine warme Sympathie für die so oft als
theuer verschrieenen Gesandtschaften, sie wollen die 38 Vaterländer
in ihrer lieben Confusion geschützt sehen, fo daß auch fernerhin
jedes Vaterländchen ein plus und minus von Freiheit geben und
nehmen kann wie es will, und die politische Physiognomie des
restaurirten Reiches wo möglich noch buntscheckiger und planloser
aussehe als zuvor.

Der letzte Zweck dieses Verfahrens ist klar. Man ist schließ-
lich zu der Einsicht gekommen, daß die Schlacht in der Paulskirche
eine verlorene ist; weder die rothe noch die dreifarbige Republik wird
dort errungen werden. Alle Verdächtigungen, aller versteckte und
offene Aufruf zur Auflehnung, aller Spectakel in Clubs und auf
Volksversammlungen hat schließlich nicht viel geholfen; vielmehr
dienen die Demokratencongresse und die unter den "Schutz des
souveränen Volkes" gestellten Versammlungen zu Berlin und
Wien als treffliche Folien für das Parlament in Frankfurt.
Man hat auch von neuen Wahlen nichts zu erwarten; wenn
nicht allenfalls eine Wahlordnung gemacht würde, die alle Deut-
schen, die über 25 Jahre alt sind, die Besitz, bürgerliche
Stellung und Bildung haben, von der Ausübung des activen
und passiven Wahlrechtes ausschlösse. Der Kriegsplan muß
also geändert werden; man muß sich auf die kleinen Staaten
werfen und von dieser Operationsbasis aus die Wirksamkeit
des reactionären Parlamentes zu lähmen suchen. Vom constitu-
tionellen Oesterreich und Preußen bis zur Republik Sigmaringen,
Altenburg und Vaduz üben sämmtliche Landesversammlungen
dann die Controle, und entscheiden sich, ob sie geruhen wollen,
die Beschlüsse der deutschen Nationalversammlung anzunehmen.
Jn der That eine vortreffliche Art, große politische Geschäfte zu
expediren; es fehlte dann nur noch das Recht des Veto, um die
polnische Wirthschaft zu vollenden. Auf diesem Wege könnte dann
die Weissagung der Linken in Erfüllung gehen, und die politischen
Zustände Deutschlands sich so gestalten, daß man die Zeit des
Bundestages zurückwünschen müßte. Die particularistische Oppo-
sit [unleserliches Material - 3 Zeichen fehlen]ion der einzelnen Ständeversammlungen würde darauf bedacht
seyn, jeden selbstständigen Gang der Einheitsgewalten zu lähmen
und das neue Reich in jenes Chaos zrrückzuführen, an dem das
alte Reich zu Grunde gegangen ist. Während die neue Verfassung
es darauf abgesehen haben muß, alle Fragen der großen
Politik
an den Mittelpunkt der Reichsgewalten zu legen, würde
dann alles Wichtige und Eingreifende wieder in jene kleinen und
darum ohnmächtigen Kreise zurückgeworfen, um dort wirkungslos
zerrieben zu werden. Der Bundestag hatte es fast zur Nothwehr
gemacht, daß die einzelnen Ständeversammlungen sich mit allge-
meinen Fragen deutscher Politik beschäftigen mußten; irgendwo
mußte doch Alles einen Ausgang finden, was weder in der Presse,
noch auf der Tribune eines großen Parlamentes verhandelt wer-
den konnte. Daß wir es aber mit den Reden, den ohnmächtigen Be-
schlüssen und papiernen Schanzen zu nichts Fruchtbarem und Lebens-
kräftigem haben bringen können, das hätte uns eine dreißigjährige
Erfahrung zur Genüge darthun sollen. Die Gründung eines großen
nationalen Mittelpunktes der Berathung und der Ausführung wird
nicht nur auf die einzelnen Regierungen einen beschränkenden Ein-
fluß üben, auch die einzelnen Landstände müssen sich gefallen
lassen, in einem gewissen Sinne mediatisirt zu werden. Das er-
folglose Verhandeln über allgemeine vaterländische Angelegen-
heiten und die kleinen Zänkereien und Reibungen mit der Reichs-
macht müssen aufhören; die Stände müssen sich um so eifriger
mit ihren Landesangelegenheiten beschäftigen, wo ihnen auf dem
politischen und materiellen Gebiete der Gesetzgebung noch genug
zu thun übrig bleibt. Wir dürfen den Jammer nicht mehr er-
leben, daß ein Drittel jedes Landtages mit Petitionen, Adressen,
Motionen auf Preßfreiheit, Geschwornengerichte, Reform des
Bundestages verloren wird, oder der Macchiavellismus der
Regierungen den alten Zank um jeden Fuß breit constitutionellen
Rechtes wieder anfacht. Landstände und Reichsstände müssen sich
beide in ihrem Kreise frei und selbstthätig bewegen, aber darum
die Grenzen ihrer Befugnisse scharf gezogen seyn. ( Schluß folgt. )

[Spaltenumbruch]
Deutschland.

Wien 7. December. ( N. C. ) Die Petition gegen Aufhebung
des Belagerungszustandes hat zum Theil ihren Grund in der
Scheu vor dem Wiedereintritte in die Nationalgarde, welche
mit der Aufhebung wieder ins Leben treten müßte. Graf Stadion
wird in den nächsten Tagen ein Nationalgardegesetz den Kammern
vorlegen. 20 fl. C.=M. directe Steuer oder die gewöhnlichen
Honoratiorenstellen berechtigen zum Eintritte in dieselbe. Mehrere
Compagnien der alten Nationalgarde haben ihre Uniformen der
Militärequipirung gewidmet. Ueberdies wurde von der Bürger-
schaft eine Unterstützung von 12,000 fl. für die jetzt auf Kriegs-
fußlöhnung gestellte Armee gegeben. -- Täglich werden hier
Verhaftungen solcher Personen vorgenommen, die auf-
rührerische Reden halten oder Waffen verborgen haben oder
wider die Bedingungen des Belagerungsstandes sich vergehen;
auch hat man wieder zwei Clubs von Demokraten aufgehoben.
Gerüchte über Siege der Ungarn und Meutereien unter den
Soldaten werden verbreitet. Es ist gewiß, daß eine gewisse
Partei zwar für den Augenblick unterdrückt, aber nicht vernich-
tet ist.

Die Antwort, welche der junge Kaiser der ihn beglückwün-
schenden Reichstagsdeputation ertheilte, lautete nach dem Oester-
reichischen Corresp.: "Jch empfange mit wahrem Vergnügen die
Adresse des constituirenden Reichstages. Obwohl eben erst zur
Regierung gelangt, sind meine Wünsche, meine Absichten bekannt.
Jn meinem Manifeste vom gestrigen Tage, so wie durch die Er-
klärungen meiner Minister, habe ich mich darüber unabänderlich,
unwiderruflich ausgesprochen. Jhnen, meine Herren, liegt es nun
ob, Jhre große Aufgabe bald und zum Heile des Staates zu lö-
sen. Setzen Sie mich bald in die Lage, den Verfassungsentwurf,
den die Völker mit Ungeduld erwarten, zu prüfen und ihm meine
kaiserliche Sanction zu ertheilen."

Prag 8. December. ( C. Bl. a. B. ) Mit dem heutigen
Nachmittagstrain kam die Deputation des mährischen Landtages
hier an, um dem resignirten Kaiser Ferdinand eine Danksagungs-
adresse zu überreichen. -- Das Ministerium Schwarzenberg hat
während seiner kurzen Amtswirksamkeit schon einige Erlasse an
die executiven Behörden vom Stapel gelassen. Sie tragen alle
das Gepräge eines kräftigen Eingreifens in die noch hier und da
aufgeregte Zeitfluth. Die Kreisämter der Provinz wurden durch
einen unmittelbar von dem Ministerium an sie ergehenden Erlaß
zur schleunigsten Publicirung des Ministerprogrammes aufgefor-
dert, zugleich alle Beamte zur strengen Befolgung desselben mit
dem Beisatze gewiesen, daß Jenen, welche mit dem Glaubensbe-
kenntnisse dieses Programmes bezüglich ihrer Gesinnung oder
ihres Handels in Widerspruch gerathen könnten oder müßten, die
Entlassung zu geben sey. Ferner verspricht das Ministerium
andererseits die Aemter mit den nöthigen Executivkräften zu ver-
sehen. Das Letztere ist eine Nothwendigkeit, welche, soll das Ge-
setz nicht völlig erlahmen, in einem jeden Staate, welcher Form
er auch seyn mag, realisirt werden muß. -- Ein weiterer Erlaß
betrifft die völlige Aufhebung der in vielen Fällen sehr schwer-
fälligen collegialischen Berathungen. Eine weitere Verordnung
dringt auf Hinwegräumung des unnöthigen, das Gedeihen der
Geschäfte beengenden Formelkrames.

Berlin 6. December. ( A. Z. ) Die octroyirte Verfassung
war hier ein eben so wohl verwahrtes Geheimniß, wie in
Oesterreich die Abdankung des Kaisers Ferdinand. Zwar seit
Wochen munkelte man davon als einem vagen Gerüchte, aber
Sicheres wußte Niemand bis gestern Abend, wo der Staatsanzeiger
das Document frisch aus der Druckpresse in der Stadt verbrei-
tete. Einen Schrei der Ueberraschung entlockte dasselbe dem
müßigen Heere der Neuigkeitsjäger in den Kaffeehäusern, selbst
den Journalisten und Zeitungscorrespondenten, die sich wohl
vor Allem ärgerten, daß sie nichts vorher gewußt. Jch befand
mich zufällig unter einer Gesellschaft von politisirenden Männern,
fast sämmtlich der demokratischen Partei angehörend, als das
Document vorgelesen wurde, und, wie der Jnhalt, so spannte
mich auch die Erwartung, welchen Eindruck dasselbe auf die
Berliner Demokraten machen würde. Diese neue preußische Ver-
fassung ist gewiß die liberalste, welche je ein mächtiger Herrscher
seinem Lande gegeben; sie ist weit freisinniger als die englische,
noch demokratischer als die belgische, ja dem Wesentlichen nach
steht sie in der Ausdehnung der in die Hände des Volkes gege-
benen Freiheiten selbst hinter der amerikanischen wenig zurück.
Neben dem reichen Jnhalte zeigt die Fassung eine Bestimmtheit,
Einsachheit und Klarheit, welche der staatsmännischen Weisheit
des Verfassers Ehre macht, sowie das Ganze von einem edlen
Geiste zeugt, welcher diesmal mit freigebigster Hand spendete
und, nicht huldigend dem Macchiavellismus ergrauter Staats-
künstler, es verschmäht ein Gauklerwerk zu schaffen, dessen Satz-
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz]

Die wenigen Beispiele mögen hinreichen, um zu zeigen, wie
weit die particularistische Neigung der radicalen Sonderbündler
schon mit der Sprache herausgeht. Sie suchen ihren guten Freun-
den, den Polen, zuliebe, die freilich schon vielmals die heißen
Kastanien haben aus dem Feuer holen müssen, einen wohlerwo-
genen und wichtigen Beschluß der Vertreter deutscher Nation
leichtsinnig umzuwerfen; sie fordern in aller Naivetät dazu
auf, die Beschlüsse der „Gesellschaft in der Paulskirche“
nicht zu achten. Sie wollen das bunte und vielköpfige Re-
giment, das Deutschland gedrückt, beengt und lächerlich ge-
macht hat, erhalten wissen, sie wollen die Winkel der Klein-
staaterei und Flachsenfingerei, in denen ein gesundes politisches
Leben nicht aufkommen kann, wo möglich nicht ausgefegt sehen.
Sie haben plötzlich eine warme Sympathie für die so oft als
theuer verschrieenen Gesandtschaften, sie wollen die 38 Vaterländer
in ihrer lieben Confusion geschützt sehen, fo daß auch fernerhin
jedes Vaterländchen ein plus und minus von Freiheit geben und
nehmen kann wie es will, und die politische Physiognomie des
restaurirten Reiches wo möglich noch buntscheckiger und planloser
aussehe als zuvor.

Der letzte Zweck dieses Verfahrens ist klar. Man ist schließ-
lich zu der Einsicht gekommen, daß die Schlacht in der Paulskirche
eine verlorene ist; weder die rothe noch die dreifarbige Republik wird
dort errungen werden. Alle Verdächtigungen, aller versteckte und
offene Aufruf zur Auflehnung, aller Spectakel in Clubs und auf
Volksversammlungen hat schließlich nicht viel geholfen; vielmehr
dienen die Demokratencongresse und die unter den „Schutz des
souveränen Volkes“ gestellten Versammlungen zu Berlin und
Wien als treffliche Folien für das Parlament in Frankfurt.
Man hat auch von neuen Wahlen nichts zu erwarten; wenn
nicht allenfalls eine Wahlordnung gemacht würde, die alle Deut-
schen, die über 25 Jahre alt sind, die Besitz, bürgerliche
Stellung und Bildung haben, von der Ausübung des activen
und passiven Wahlrechtes ausschlösse. Der Kriegsplan muß
also geändert werden; man muß sich auf die kleinen Staaten
werfen und von dieser Operationsbasis aus die Wirksamkeit
des reactionären Parlamentes zu lähmen suchen. Vom constitu-
tionellen Oesterreich und Preußen bis zur Republik Sigmaringen,
Altenburg und Vaduz üben sämmtliche Landesversammlungen
dann die Controle, und entscheiden sich, ob sie geruhen wollen,
die Beschlüsse der deutschen Nationalversammlung anzunehmen.
Jn der That eine vortreffliche Art, große politische Geschäfte zu
expediren; es fehlte dann nur noch das Recht des Veto, um die
polnische Wirthschaft zu vollenden. Auf diesem Wege könnte dann
die Weissagung der Linken in Erfüllung gehen, und die politischen
Zustände Deutschlands sich so gestalten, daß man die Zeit des
Bundestages zurückwünschen müßte. Die particularistische Oppo-
sit [unleserliches Material – 3 Zeichen fehlen]ion der einzelnen Ständeversammlungen würde darauf bedacht
seyn, jeden selbstständigen Gang der Einheitsgewalten zu lähmen
und das neue Reich in jenes Chaos zrrückzuführen, an dem das
alte Reich zu Grunde gegangen ist. Während die neue Verfassung
es darauf abgesehen haben muß, alle Fragen der großen
Politik
an den Mittelpunkt der Reichsgewalten zu legen, würde
dann alles Wichtige und Eingreifende wieder in jene kleinen und
darum ohnmächtigen Kreise zurückgeworfen, um dort wirkungslos
zerrieben zu werden. Der Bundestag hatte es fast zur Nothwehr
gemacht, daß die einzelnen Ständeversammlungen sich mit allge-
meinen Fragen deutscher Politik beschäftigen mußten; irgendwo
mußte doch Alles einen Ausgang finden, was weder in der Presse,
noch auf der Tribune eines großen Parlamentes verhandelt wer-
den konnte. Daß wir es aber mit den Reden, den ohnmächtigen Be-
schlüssen und papiernen Schanzen zu nichts Fruchtbarem und Lebens-
kräftigem haben bringen können, das hätte uns eine dreißigjährige
Erfahrung zur Genüge darthun sollen. Die Gründung eines großen
nationalen Mittelpunktes der Berathung und der Ausführung wird
nicht nur auf die einzelnen Regierungen einen beschränkenden Ein-
fluß üben, auch die einzelnen Landstände müssen sich gefallen
lassen, in einem gewissen Sinne mediatisirt zu werden. Das er-
folglose Verhandeln über allgemeine vaterländische Angelegen-
heiten und die kleinen Zänkereien und Reibungen mit der Reichs-
macht müssen aufhören; die Stände müssen sich um so eifriger
mit ihren Landesangelegenheiten beschäftigen, wo ihnen auf dem
politischen und materiellen Gebiete der Gesetzgebung noch genug
zu thun übrig bleibt. Wir dürfen den Jammer nicht mehr er-
leben, daß ein Drittel jedes Landtages mit Petitionen, Adressen,
Motionen auf Preßfreiheit, Geschwornengerichte, Reform des
Bundestages verloren wird, oder der Macchiavellismus der
Regierungen den alten Zank um jeden Fuß breit constitutionellen
Rechtes wieder anfacht. Landstände und Reichsstände müssen sich
beide in ihrem Kreise frei und selbstthätig bewegen, aber darum
die Grenzen ihrer Befugnisse scharf gezogen seyn. ( Schluß folgt. )

[Spaltenumbruch]
Deutschland.

Wien 7. December. ( N. C. ) Die Petition gegen Aufhebung
des Belagerungszustandes hat zum Theil ihren Grund in der
Scheu vor dem Wiedereintritte in die Nationalgarde, welche
mit der Aufhebung wieder ins Leben treten müßte. Graf Stadion
wird in den nächsten Tagen ein Nationalgardegesetz den Kammern
vorlegen. 20 fl. C.=M. directe Steuer oder die gewöhnlichen
Honoratiorenstellen berechtigen zum Eintritte in dieselbe. Mehrere
Compagnien der alten Nationalgarde haben ihre Uniformen der
Militärequipirung gewidmet. Ueberdies wurde von der Bürger-
schaft eine Unterstützung von 12,000 fl. für die jetzt auf Kriegs-
fußlöhnung gestellte Armee gegeben. — Täglich werden hier
Verhaftungen solcher Personen vorgenommen, die auf-
rührerische Reden halten oder Waffen verborgen haben oder
wider die Bedingungen des Belagerungsstandes sich vergehen;
auch hat man wieder zwei Clubs von Demokraten aufgehoben.
Gerüchte über Siege der Ungarn und Meutereien unter den
Soldaten werden verbreitet. Es ist gewiß, daß eine gewisse
Partei zwar für den Augenblick unterdrückt, aber nicht vernich-
tet ist.

Die Antwort, welche der junge Kaiser der ihn beglückwün-
schenden Reichstagsdeputation ertheilte, lautete nach dem Oester-
reichischen Corresp.: „Jch empfange mit wahrem Vergnügen die
Adresse des constituirenden Reichstages. Obwohl eben erst zur
Regierung gelangt, sind meine Wünsche, meine Absichten bekannt.
Jn meinem Manifeste vom gestrigen Tage, so wie durch die Er-
klärungen meiner Minister, habe ich mich darüber unabänderlich,
unwiderruflich ausgesprochen. Jhnen, meine Herren, liegt es nun
ob, Jhre große Aufgabe bald und zum Heile des Staates zu lö-
sen. Setzen Sie mich bald in die Lage, den Verfassungsentwurf,
den die Völker mit Ungeduld erwarten, zu prüfen und ihm meine
kaiserliche Sanction zu ertheilen.“

Prag 8. December. ( C. Bl. a. B. ) Mit dem heutigen
Nachmittagstrain kam die Deputation des mährischen Landtages
hier an, um dem resignirten Kaiser Ferdinand eine Danksagungs-
adresse zu überreichen. — Das Ministerium Schwarzenberg hat
während seiner kurzen Amtswirksamkeit schon einige Erlasse an
die executiven Behörden vom Stapel gelassen. Sie tragen alle
das Gepräge eines kräftigen Eingreifens in die noch hier und da
aufgeregte Zeitfluth. Die Kreisämter der Provinz wurden durch
einen unmittelbar von dem Ministerium an sie ergehenden Erlaß
zur schleunigsten Publicirung des Ministerprogrammes aufgefor-
dert, zugleich alle Beamte zur strengen Befolgung desselben mit
dem Beisatze gewiesen, daß Jenen, welche mit dem Glaubensbe-
kenntnisse dieses Programmes bezüglich ihrer Gesinnung oder
ihres Handels in Widerspruch gerathen könnten oder müßten, die
Entlassung zu geben sey. Ferner verspricht das Ministerium
andererseits die Aemter mit den nöthigen Executivkräften zu ver-
sehen. Das Letztere ist eine Nothwendigkeit, welche, soll das Ge-
setz nicht völlig erlahmen, in einem jeden Staate, welcher Form
er auch seyn mag, realisirt werden muß. — Ein weiterer Erlaß
betrifft die völlige Aufhebung der in vielen Fällen sehr schwer-
fälligen collegialischen Berathungen. Eine weitere Verordnung
dringt auf Hinwegräumung des unnöthigen, das Gedeihen der
Geschäfte beengenden Formelkrames.

Berlin 6. December. ( A. Z. ) Die octroyirte Verfassung
war hier ein eben so wohl verwahrtes Geheimniß, wie in
Oesterreich die Abdankung des Kaisers Ferdinand. Zwar seit
Wochen munkelte man davon als einem vagen Gerüchte, aber
Sicheres wußte Niemand bis gestern Abend, wo der Staatsanzeiger
das Document frisch aus der Druckpresse in der Stadt verbrei-
tete. Einen Schrei der Ueberraschung entlockte dasselbe dem
müßigen Heere der Neuigkeitsjäger in den Kaffeehäusern, selbst
den Journalisten und Zeitungscorrespondenten, die sich wohl
vor Allem ärgerten, daß sie nichts vorher gewußt. Jch befand
mich zufällig unter einer Gesellschaft von politisirenden Männern,
fast sämmtlich der demokratischen Partei angehörend, als das
Document vorgelesen wurde, und, wie der Jnhalt, so spannte
mich auch die Erwartung, welchen Eindruck dasselbe auf die
Berliner Demokraten machen würde. Diese neue preußische Ver-
fassung ist gewiß die liberalste, welche je ein mächtiger Herrscher
seinem Lande gegeben; sie ist weit freisinniger als die englische,
noch demokratischer als die belgische, ja dem Wesentlichen nach
steht sie in der Ausdehnung der in die Hände des Volkes gege-
benen Freiheiten selbst hinter der amerikanischen wenig zurück.
Neben dem reichen Jnhalte zeigt die Fassung eine Bestimmtheit,
Einsachheit und Klarheit, welche der staatsmännischen Weisheit
des Verfassers Ehre macht, sowie das Ganze von einem edlen
Geiste zeugt, welcher diesmal mit freigebigster Hand spendete
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[0002] Die wenigen Beispiele mögen hinreichen, um zu zeigen, wie weit die particularistische Neigung der radicalen Sonderbündler schon mit der Sprache herausgeht. Sie suchen ihren guten Freun- den, den Polen, zuliebe, die freilich schon vielmals die heißen Kastanien haben aus dem Feuer holen müssen, einen wohlerwo- genen und wichtigen Beschluß der Vertreter deutscher Nation leichtsinnig umzuwerfen; sie fordern in aller Naivetät dazu auf, die Beschlüsse der „Gesellschaft in der Paulskirche“ nicht zu achten. Sie wollen das bunte und vielköpfige Re- giment, das Deutschland gedrückt, beengt und lächerlich ge- macht hat, erhalten wissen, sie wollen die Winkel der Klein- staaterei und Flachsenfingerei, in denen ein gesundes politisches Leben nicht aufkommen kann, wo möglich nicht ausgefegt sehen. Sie haben plötzlich eine warme Sympathie für die so oft als theuer verschrieenen Gesandtschaften, sie wollen die 38 Vaterländer in ihrer lieben Confusion geschützt sehen, fo daß auch fernerhin jedes Vaterländchen ein plus und minus von Freiheit geben und nehmen kann wie es will, und die politische Physiognomie des restaurirten Reiches wo möglich noch buntscheckiger und planloser aussehe als zuvor. Der letzte Zweck dieses Verfahrens ist klar. Man ist schließ- lich zu der Einsicht gekommen, daß die Schlacht in der Paulskirche eine verlorene ist; weder die rothe noch die dreifarbige Republik wird dort errungen werden. Alle Verdächtigungen, aller versteckte und offene Aufruf zur Auflehnung, aller Spectakel in Clubs und auf Volksversammlungen hat schließlich nicht viel geholfen; vielmehr dienen die Demokratencongresse und die unter den „Schutz des souveränen Volkes“ gestellten Versammlungen zu Berlin und Wien als treffliche Folien für das Parlament in Frankfurt. Man hat auch von neuen Wahlen nichts zu erwarten; wenn nicht allenfalls eine Wahlordnung gemacht würde, die alle Deut- schen, die über 25 Jahre alt sind, die Besitz, bürgerliche Stellung und Bildung haben, von der Ausübung des activen und passiven Wahlrechtes ausschlösse. Der Kriegsplan muß also geändert werden; man muß sich auf die kleinen Staaten werfen und von dieser Operationsbasis aus die Wirksamkeit des reactionären Parlamentes zu lähmen suchen. Vom constitu- tionellen Oesterreich und Preußen bis zur Republik Sigmaringen, Altenburg und Vaduz üben sämmtliche Landesversammlungen dann die Controle, und entscheiden sich, ob sie geruhen wollen, die Beschlüsse der deutschen Nationalversammlung anzunehmen. Jn der That eine vortreffliche Art, große politische Geschäfte zu expediren; es fehlte dann nur noch das Recht des Veto, um die polnische Wirthschaft zu vollenden. Auf diesem Wege könnte dann die Weissagung der Linken in Erfüllung gehen, und die politischen Zustände Deutschlands sich so gestalten, daß man die Zeit des Bundestages zurückwünschen müßte. Die particularistische Oppo- sit ___ion der einzelnen Ständeversammlungen würde darauf bedacht seyn, jeden selbstständigen Gang der Einheitsgewalten zu lähmen und das neue Reich in jenes Chaos zrrückzuführen, an dem das alte Reich zu Grunde gegangen ist. Während die neue Verfassung es darauf abgesehen haben muß, alle Fragen der großen Politik an den Mittelpunkt der Reichsgewalten zu legen, würde dann alles Wichtige und Eingreifende wieder in jene kleinen und darum ohnmächtigen Kreise zurückgeworfen, um dort wirkungslos zerrieben zu werden. Der Bundestag hatte es fast zur Nothwehr gemacht, daß die einzelnen Ständeversammlungen sich mit allge- meinen Fragen deutscher Politik beschäftigen mußten; irgendwo mußte doch Alles einen Ausgang finden, was weder in der Presse, noch auf der Tribune eines großen Parlamentes verhandelt wer- den konnte. Daß wir es aber mit den Reden, den ohnmächtigen Be- schlüssen und papiernen Schanzen zu nichts Fruchtbarem und Lebens- kräftigem haben bringen können, das hätte uns eine dreißigjährige Erfahrung zur Genüge darthun sollen. Die Gründung eines großen nationalen Mittelpunktes der Berathung und der Ausführung wird nicht nur auf die einzelnen Regierungen einen beschränkenden Ein- fluß üben, auch die einzelnen Landstände müssen sich gefallen lassen, in einem gewissen Sinne mediatisirt zu werden. Das er- folglose Verhandeln über allgemeine vaterländische Angelegen- heiten und die kleinen Zänkereien und Reibungen mit der Reichs- macht müssen aufhören; die Stände müssen sich um so eifriger mit ihren Landesangelegenheiten beschäftigen, wo ihnen auf dem politischen und materiellen Gebiete der Gesetzgebung noch genug zu thun übrig bleibt. Wir dürfen den Jammer nicht mehr er- leben, daß ein Drittel jedes Landtages mit Petitionen, Adressen, Motionen auf Preßfreiheit, Geschwornengerichte, Reform des Bundestages verloren wird, oder der Macchiavellismus der Regierungen den alten Zank um jeden Fuß breit constitutionellen Rechtes wieder anfacht. Landstände und Reichsstände müssen sich beide in ihrem Kreise frei und selbstthätig bewegen, aber darum die Grenzen ihrer Befugnisse scharf gezogen seyn. ( Schluß folgt. ) Deutschland. Wien 7. December. ( N. C. ) Die Petition gegen Aufhebung des Belagerungszustandes hat zum Theil ihren Grund in der Scheu vor dem Wiedereintritte in die Nationalgarde, welche mit der Aufhebung wieder ins Leben treten müßte. Graf Stadion wird in den nächsten Tagen ein Nationalgardegesetz den Kammern vorlegen. 20 fl. C.=M. directe Steuer oder die gewöhnlichen Honoratiorenstellen berechtigen zum Eintritte in dieselbe. Mehrere Compagnien der alten Nationalgarde haben ihre Uniformen der Militärequipirung gewidmet. Ueberdies wurde von der Bürger- schaft eine Unterstützung von 12,000 fl. für die jetzt auf Kriegs- fußlöhnung gestellte Armee gegeben. — Täglich werden hier Verhaftungen solcher Personen vorgenommen, die auf- rührerische Reden halten oder Waffen verborgen haben oder wider die Bedingungen des Belagerungsstandes sich vergehen; auch hat man wieder zwei Clubs von Demokraten aufgehoben. Gerüchte über Siege der Ungarn und Meutereien unter den Soldaten werden verbreitet. Es ist gewiß, daß eine gewisse Partei zwar für den Augenblick unterdrückt, aber nicht vernich- tet ist. Die Antwort, welche der junge Kaiser der ihn beglückwün- schenden Reichstagsdeputation ertheilte, lautete nach dem Oester- reichischen Corresp.: „Jch empfange mit wahrem Vergnügen die Adresse des constituirenden Reichstages. Obwohl eben erst zur Regierung gelangt, sind meine Wünsche, meine Absichten bekannt. Jn meinem Manifeste vom gestrigen Tage, so wie durch die Er- klärungen meiner Minister, habe ich mich darüber unabänderlich, unwiderruflich ausgesprochen. Jhnen, meine Herren, liegt es nun ob, Jhre große Aufgabe bald und zum Heile des Staates zu lö- sen. Setzen Sie mich bald in die Lage, den Verfassungsentwurf, den die Völker mit Ungeduld erwarten, zu prüfen und ihm meine kaiserliche Sanction zu ertheilen.“ Prag 8. December. ( C. Bl. a. B. ) Mit dem heutigen Nachmittagstrain kam die Deputation des mährischen Landtages hier an, um dem resignirten Kaiser Ferdinand eine Danksagungs- adresse zu überreichen. — Das Ministerium Schwarzenberg hat während seiner kurzen Amtswirksamkeit schon einige Erlasse an die executiven Behörden vom Stapel gelassen. Sie tragen alle das Gepräge eines kräftigen Eingreifens in die noch hier und da aufgeregte Zeitfluth. Die Kreisämter der Provinz wurden durch einen unmittelbar von dem Ministerium an sie ergehenden Erlaß zur schleunigsten Publicirung des Ministerprogrammes aufgefor- dert, zugleich alle Beamte zur strengen Befolgung desselben mit dem Beisatze gewiesen, daß Jenen, welche mit dem Glaubensbe- kenntnisse dieses Programmes bezüglich ihrer Gesinnung oder ihres Handels in Widerspruch gerathen könnten oder müßten, die Entlassung zu geben sey. Ferner verspricht das Ministerium andererseits die Aemter mit den nöthigen Executivkräften zu ver- sehen. Das Letztere ist eine Nothwendigkeit, welche, soll das Ge- setz nicht völlig erlahmen, in einem jeden Staate, welcher Form er auch seyn mag, realisirt werden muß. — Ein weiterer Erlaß betrifft die völlige Aufhebung der in vielen Fällen sehr schwer- fälligen collegialischen Berathungen. Eine weitere Verordnung dringt auf Hinwegräumung des unnöthigen, das Gedeihen der Geschäfte beengenden Formelkrames. Berlin 6. December. ( A. Z. ) Die octroyirte Verfassung war hier ein eben so wohl verwahrtes Geheimniß, wie in Oesterreich die Abdankung des Kaisers Ferdinand. Zwar seit Wochen munkelte man davon als einem vagen Gerüchte, aber Sicheres wußte Niemand bis gestern Abend, wo der Staatsanzeiger das Document frisch aus der Druckpresse in der Stadt verbrei- tete. Einen Schrei der Ueberraschung entlockte dasselbe dem müßigen Heere der Neuigkeitsjäger in den Kaffeehäusern, selbst den Journalisten und Zeitungscorrespondenten, die sich wohl vor Allem ärgerten, daß sie nichts vorher gewußt. Jch befand mich zufällig unter einer Gesellschaft von politisirenden Männern, fast sämmtlich der demokratischen Partei angehörend, als das Document vorgelesen wurde, und, wie der Jnhalt, so spannte mich auch die Erwartung, welchen Eindruck dasselbe auf die Berliner Demokraten machen würde. Diese neue preußische Ver- fassung ist gewiß die liberalste, welche je ein mächtiger Herrscher seinem Lande gegeben; sie ist weit freisinniger als die englische, noch demokratischer als die belgische, ja dem Wesentlichen nach steht sie in der Ausdehnung der in die Hände des Volkes gege- benen Freiheiten selbst hinter der amerikanischen wenig zurück. Neben dem reichen Jnhalte zeigt die Fassung eine Bestimmtheit, Einsachheit und Klarheit, welche der staatsmännischen Weisheit des Verfassers Ehre macht, sowie das Ganze von einem edlen Geiste zeugt, welcher diesmal mit freigebigster Hand spendete und, nicht huldigend dem Macchiavellismus ergrauter Staats- künstler, es verschmäht ein Gauklerwerk zu schaffen, dessen Satz-

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 163. Mainz, 13. Dezember 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal163_1848/2>, abgerufen am 03.08.2024.