Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mainzer Journal. Nr. 161. Mainz, 11. Dezember 1848.

Bild:
<< vorherige Seite
Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 161. Dienstag, den 12. December. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Verhandlungen der Nationalversammlung.
Vom 11. December.
Tagesordnung der 133. öffentlichen Sitzung.

Fortsetzung der Berathung über den vom Verfassungsausschusse vor-
gelegten Entwurf "der Reichstag" und zwar über Art. II. §. 4. und
folgende, Art. III. und Art. IV.

Der Vorsitzende, Heinrich v. Gagern, zeigt den Austritt
der Herren a Prato aus Roveredo und Kromp aus Prohlitz
in Mähren an. Für den Erstern erklärt Esterle aus Cavalese,
daß a Prato doppelte Diäten ( für Wien und Frankfurt ) nicht
bezogen. Jn den volkswirthschaftlichen Ausschuß sind die Herren
Becker aus Gotha, Stolle und Schlör gewählt. Schoder fragt
beim Reichsministerium der Justiz an: ob das Kriegsrecht in
Wien noch fortdauere und was geschehen, um den rechtlosen Zu-
stand zu beenden. Wesendonck dasselbe Ministerium: wie weit
die Untersuchung gegen Simon von Trier, Zitz und Schlöffel
gediehen sey, indem er Beschleunigung derselben verlangt. Die
Antwort soll in der Freitagssitzung erfolgen 1).

Nachdem die Dringlichkeit eines Antrages in Bezug auf die
Schulfrage abgelehnt und der Gegenstand daher dem einschla-
genden Ausschusse zugewiesen ist, wird zur Tagesordnung über-
gegangen: Berathung des Verfassungsentwurfes der Reichs-
tag.
Auf Eisenstucks Antrag werden die §§. 4. 5. und 6.
als innig zusammenhängende, auch gemeinsam behandelt.

Moritz Mohl: Soll der künftige Reichstag nichts weiter als
ein modificirter Bundestag seyn? Das würden wir aber bewir-
ken, wenn wir die Hälfte der Vertreter des Staatenhauses von
den Regierungen ernennen ließen. Nur von den Abgeordneten
des Volkes sind sie zu ernennen, denn auch die ersten Kammern --
man weiß, wie sie vorzugsweise aus aristokratischen Elementen
zusammengesetzt werden.

Gfrörer ist ebenfalls gegen Ernennung der Hälfte des
Staatenhauses durch die Regierungen, wie überhaupt gegen
dessen vorgeschlagene Zusammensetzung. Der dynastische Wille,
nicht der Wille des Volkes werde durch ein solches Staatenhaus
zur Geltung gelangen. Eine Versammlung von 176 Bureau-
kraten und Diplomaten würden wir haben, einen Tummelplatz
von Jntriguanten. ( Lachen. ) Das Staatenhaus sey eines der un-
glücklichsten politischen Producte, die mir jemals im Leben vor-
gekommen. ( Erneute Heiterkeit. ) Marionetten werde man von
Wien, München, Berlin schicken unthätig im Frieden, unnütz
im Kriege, politische Quacksalber! Allerdings wolle auch er
etwas Festes und sey darum für das Zweikammersystem.
Das Feste aber sey seiner Meinung nach herzustellen, wenn man
das Staatenhaus zusammensetze zu einem Drittel aus Wahlen
der Provinzialstände, zu den beiden anderen Dritteln aus den
höchstbesteuerten Gewerbtreibenden und Grundbesitzern. "Nehmen
Sie meinen Vorschlag an," schließt Gfrörer eine Rede, zu ko-
misch in ihrer Haltung und in ihren Mitteln, um von irgend
welcher staatsmännischen Wirkung zu seyn, "nehmen Sie ihn
an und es wird Sie nicht gereuen." ( Lachen und Beifall. )

Ahrens aus Salzgitter kann gleichfalls nicht einverstanden
seyn mit dem Staatenhause des Verfassungsentwurfes, verschiebt
aber seinen Antrag auf die zweite Lesung. Die Grundzüge des
Bildes, welches ihm von dem Staatenhause vorschwebt, sind zu
finden in einer wahren ständischen Repräsentation, wie sie z. B.
nach dem neuen Wahlgesetze in Hannover ins Leben eingeführt
sey. Dadurch würde ein sociales Staatenhaus gebildet werden,
[Spaltenumbruch] während der Verfassungsentwurf, um nur Eins zu berühren, den
großen Fehler begehe, das monarchische Princip von dem Ge-
sammtinteresse abzulösen. v. Linde rechtfertigt seinen Antrag,
nach welchem die zweite Hälfte der Staatenhausmitglieder durch
die Grundbesitzer und Gewerbtreibenden, anstatt durch die Kam-
mern, gewählt werden soll.


Das Schlußwort nimmt hierauf Dahlmann: Die Ereig-
nisse dieses Jahres haben den Sieg des constitutionellen Systemes
in unserem Vaterlande entschieden, die Regierungen, d. i. die Mi-
nisterien, gehen mithin hervor aus dem Willen des Volkes. So-
nach gehen auch beide Theile des Staatenhauses, wie es Jhnen
der Verfassungsausschuß vorschlägt, aus dem Willen des Volkes
hervor. Nach v. Linde's Antrag würde die Volksvertretung vom
Staatenhause ausgeschlossen -- wir haben ihr ein solches Miß-
trauensvotum nicht ertheilen können, wie wir auch, was die hier
gegen die Regierungen geäußerten Bedenken anlangt, nicht glau-
ben können, daß ein Ministerium das Vertrauen der Kammern,
durch das es ins Amt gerufen wird, sofort verliere, wenn es so-
dann im Amte ist.

Das Ergebniß der Abstimmung ist die Annahme folgender
Paragraphen ( ganz nach dem Entwurfe des Verfassungsaus-
schusses ) :

§. 4. Die Mitglieder des Staatenhauses werden zur Hälfte
durch die Regierung und zur Hälfte durch die Volksvertretung
der Staaten ernannt. Wo zwei Kammern bestehen, wählen diese
in gemeinsamer Sitzung nach absoluter Stimmenmehrheit.

§. 5. Jn denjenigen Staaten, welche nur ein Mitglied ins
Staatenhaus senden, schlägt die Regierung drei Candidaten vor,
aus denen die Volksvertretung mit absoluter Stimmenmehrheit
wählt.

§. 6. Wo mehrere Staaten zu gemeinsamer Vertretung im
Staatenhause verbunden sind, haben diese über die gemeinschaftlich
vorzunehmende Wahl ein Abkommen unter einander zu treffen.
Das Princip der Theilung der Wahlberechtigung zwischen Regie-
rung und Volksvertretung darf dabei nicht verletzt werden. Das
ganze Abkommen ist der Reichsregierung zur Genehmigung vor-
zulegen.

Ueber die folgenden Paragraphen findet die Abstimmung ohne
vorgängige Besprechung statt. Es wird zum Beschlusse erhoben
( ebenfalls nach dem Mehrheitserachten des Verfassungsaus-
schusses ) :

§. 7. Wenn mehrere deutsche Staaten zu einem Ganzen ver-
bunden werden, so entscheidet ein Reichsgesetz über die dadurch
etwa nothwendig werdende Abänderung in der Zusammensetzung
des Staatenhauses.

§. 8. Mitglied des Staatenhauses kann nur ein Solcher
werden, welcher 1 ) Staatsbürger desjenigen Staates oder Staa-
tenverbandes ( siehe §. 6. ) ist, welcher ihn sendet; 2 ) das dreißigste
Lebensjahr zurückgelegt hat; 3 ) sich im vollen Genusse der bür-
gerlichen und staatsbürgerlichen Rechte befindet.

§. 9. Die Mitglieder des Staatenhauses werden auf sechs
Jahre gewählt. Sie werden alle drei Jahre zur Hälfte erneuert.

Dazu der Antrag Kochs aus Leipzig und Genossen:

Bei außerordentlichen Reichstagsversammlungen, welche nach
Ablauf der für die theilweise Erneuerung bestimmten Periode und
bevor die Wahlen zur nächsten ordentlichen Reichstagssitzung er-
folgt sind, berufen werden, bilden die Mitglieder der letzten ordent-
lichen Sitzung auch für die außerordentliche Sitzung das Staaten-
haus.

Artikel III. §. 10. Das Volkshaus besteht aus den Abge-
ordneten des deutschen Volkes.

Eine Besprechung findet erst wieder statt vor §. 11. Möl-
ling
verlangt, daß die Mitglieder des Volkshauses nur auf Ein
Jahr gewählt werden sollen. Herr Mölling ist kein glücklicher
und geschickter Redner. Sein Fürwort hat den dringenden Ruf
nach Schluß zur Folge. Wigard vertheidigt das Minderheits-
erachten, wonach auf zwei Jahre gewählt werden soll. Für die
Mehrheit des Ausschusses spricht Briegleb. Es sey im Jn-
teresse der Politik des Hauses, daß eine gewisse Stetigkeit darin
nicht vermißt werde. Deshalb habe der Ausschuß den vierjährigen
Turnus vorgeschlagen. Jndessen entscheidet sich die Abstimmung
für eine Modification des Verfassungsvorschlages nach dem An-
trage Widenmanns.

§. 11. Die Mitglieder des Volkshauses werden für das
erste Mal
auf vier Jahre, demnächst immer auf drei
[Ende Spaltensatz]

1) Den Antrag des Abgeordneten Wagner aus Steyr, dessen wir
in dem Berichte vom 9. d. M. bereits gedachten, theilen wir nachträg-
lich heute seinem Wortlaute nach mit:
" Die Nationalversammlung wolle beschließen, dem Ausschusse für
internationale Angelegenheiten den Auftrag zu ertheilen, im Einverneh-
men ( allenfalls durch Subcommissionen ) mit dem volkswirthschaftlichen
und dem Ausschusse für die österreichischen Angelegenheiten geeignete Vor-
schläge betreffs eines Bündnisses zwischen Deutschland und dem nicht-
deutschen
Oesterreich zur Einleitung der weiteren nöthigen Schritte
und Anweisung der Centralgewalt vorzulegen, worin einerseits mit Be-
rücksichtigung der Sachlage und obwaltenden Verhältnisse zwischen den
deutschen und nicht=deutschen Ländern Oesterreichs, andererseits ohne dem
provisorischen Beschlusse über die §§. 2. und 3. des Verfassungswerkes
zu vergeben, die Erledigung der Zollfrage und bezugsweise der Auf-
nahme der nicht=deutschen österreichischen Lande in das deutsche Zollge-
biet, der gegenseitige Schutz und Trutz gegen innere und äußere Feinde,
die gegenseitige Verbürgung der verfassungsmäßigen Freiheiten, die Re-
gelung des diplomatischen Verkehres und überhaupt die Erledigung aller
und jeder Fragen, welche zunächst von entscheidender Wichtigkeit sind,
sofort oder für die nächste Zukunft angebahnt würde."
1 ) Den Antrag des Abgeordneten Wagner aus Steyr, dessen wir
in dem Berichte vom 9. d. M. bereits gedachten, theilen wir nachträg-
lich heute seinem Wortlaute nach mit:
" Die Nationalversammlung wolle beschließen, dem Ausschusse für
internationale Angelegenheiten den Auftrag zu ertheilen, im Einverneh-
men ( allenfalls durch Subcommissionen ) mit dem volkswirthschaftlichen
und dem Ausschusse für die österreichischen Angelegenheiten geeignete Vor-
schläge betreffs eines Bündnisses zwischen Deutschland und dem nicht-
deutschen
Oesterreich zur Einleitung der weiteren nöthigen Schritte
und Anweisung der Centralgewalt vorzulegen, worin einerseits mit Be-
rücksichtigung der Sachlage und obwaltenden Verhältnisse zwischen den
deutschen und nicht=deutschen Ländern Oesterreichs, andererseits ohne dem
provisorischen Beschlusse über die §§. 2. und 3. des Verfassungswerkes
zu vergeben, die Erledigung der Zollfrage und bezugsweise der Auf-
nahme der nicht=deutschen österreichischen Lande in das deutsche Zollge-
biet, der gegenseitige Schutz und Trutz gegen innere und äußere Feinde,
die gegenseitige Verbürgung der verfassungsmäßigen Freiheiten, die Re-
gelung des diplomatischen Verkehres und überhaupt die Erledigung aller
und jeder Fragen, welche zunächst von entscheidender Wichtigkeit sind,
sofort oder für die nächste Zukunft angebahnt würde."
Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 161. Dienstag, den 12. December. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Verhandlungen der Nationalversammlung.
Vom 11. December.
Tagesordnung der 133. öffentlichen Sitzung.

Fortsetzung der Berathung über den vom Verfassungsausschusse vor-
gelegten Entwurf „der Reichstag“ und zwar über Art. II. §. 4. und
folgende, Art. III. und Art. IV.

Der Vorsitzende, Heinrich v. Gagern, zeigt den Austritt
der Herren a Prato aus Roveredo und Kromp aus Prohlitz
in Mähren an. Für den Erstern erklärt Esterle aus Cavalese,
daß a Prato doppelte Diäten ( für Wien und Frankfurt ) nicht
bezogen. Jn den volkswirthschaftlichen Ausschuß sind die Herren
Becker aus Gotha, Stolle und Schlör gewählt. Schoder fragt
beim Reichsministerium der Justiz an: ob das Kriegsrecht in
Wien noch fortdauere und was geschehen, um den rechtlosen Zu-
stand zu beenden. Wesendonck dasselbe Ministerium: wie weit
die Untersuchung gegen Simon von Trier, Zitz und Schlöffel
gediehen sey, indem er Beschleunigung derselben verlangt. Die
Antwort soll in der Freitagssitzung erfolgen 1).

Nachdem die Dringlichkeit eines Antrages in Bezug auf die
Schulfrage abgelehnt und der Gegenstand daher dem einschla-
genden Ausschusse zugewiesen ist, wird zur Tagesordnung über-
gegangen: Berathung des Verfassungsentwurfes der Reichs-
tag.
Auf Eisenstucks Antrag werden die §§. 4. 5. und 6.
als innig zusammenhängende, auch gemeinsam behandelt.

Moritz Mohl: Soll der künftige Reichstag nichts weiter als
ein modificirter Bundestag seyn? Das würden wir aber bewir-
ken, wenn wir die Hälfte der Vertreter des Staatenhauses von
den Regierungen ernennen ließen. Nur von den Abgeordneten
des Volkes sind sie zu ernennen, denn auch die ersten Kammern —
man weiß, wie sie vorzugsweise aus aristokratischen Elementen
zusammengesetzt werden.

Gfrörer ist ebenfalls gegen Ernennung der Hälfte des
Staatenhauses durch die Regierungen, wie überhaupt gegen
dessen vorgeschlagene Zusammensetzung. Der dynastische Wille,
nicht der Wille des Volkes werde durch ein solches Staatenhaus
zur Geltung gelangen. Eine Versammlung von 176 Bureau-
kraten und Diplomaten würden wir haben, einen Tummelplatz
von Jntriguanten. ( Lachen. ) Das Staatenhaus sey eines der un-
glücklichsten politischen Producte, die mir jemals im Leben vor-
gekommen. ( Erneute Heiterkeit. ) Marionetten werde man von
Wien, München, Berlin schicken unthätig im Frieden, unnütz
im Kriege, politische Quacksalber! Allerdings wolle auch er
etwas Festes und sey darum für das Zweikammersystem.
Das Feste aber sey seiner Meinung nach herzustellen, wenn man
das Staatenhaus zusammensetze zu einem Drittel aus Wahlen
der Provinzialstände, zu den beiden anderen Dritteln aus den
höchstbesteuerten Gewerbtreibenden und Grundbesitzern. „Nehmen
Sie meinen Vorschlag an,“ schließt Gfrörer eine Rede, zu ko-
misch in ihrer Haltung und in ihren Mitteln, um von irgend
welcher staatsmännischen Wirkung zu seyn, „nehmen Sie ihn
an und es wird Sie nicht gereuen.“ ( Lachen und Beifall. )

Ahrens aus Salzgitter kann gleichfalls nicht einverstanden
seyn mit dem Staatenhause des Verfassungsentwurfes, verschiebt
aber seinen Antrag auf die zweite Lesung. Die Grundzüge des
Bildes, welches ihm von dem Staatenhause vorschwebt, sind zu
finden in einer wahren ständischen Repräsentation, wie sie z. B.
nach dem neuen Wahlgesetze in Hannover ins Leben eingeführt
sey. Dadurch würde ein sociales Staatenhaus gebildet werden,
[Spaltenumbruch] während der Verfassungsentwurf, um nur Eins zu berühren, den
großen Fehler begehe, das monarchische Princip von dem Ge-
sammtinteresse abzulösen. v. Linde rechtfertigt seinen Antrag,
nach welchem die zweite Hälfte der Staatenhausmitglieder durch
die Grundbesitzer und Gewerbtreibenden, anstatt durch die Kam-
mern, gewählt werden soll.


Das Schlußwort nimmt hierauf Dahlmann: Die Ereig-
nisse dieses Jahres haben den Sieg des constitutionellen Systemes
in unserem Vaterlande entschieden, die Regierungen, d. i. die Mi-
nisterien, gehen mithin hervor aus dem Willen des Volkes. So-
nach gehen auch beide Theile des Staatenhauses, wie es Jhnen
der Verfassungsausschuß vorschlägt, aus dem Willen des Volkes
hervor. Nach v. Linde's Antrag würde die Volksvertretung vom
Staatenhause ausgeschlossen — wir haben ihr ein solches Miß-
trauensvotum nicht ertheilen können, wie wir auch, was die hier
gegen die Regierungen geäußerten Bedenken anlangt, nicht glau-
ben können, daß ein Ministerium das Vertrauen der Kammern,
durch das es ins Amt gerufen wird, sofort verliere, wenn es so-
dann im Amte ist.

Das Ergebniß der Abstimmung ist die Annahme folgender
Paragraphen ( ganz nach dem Entwurfe des Verfassungsaus-
schusses ) :

§. 4. Die Mitglieder des Staatenhauses werden zur Hälfte
durch die Regierung und zur Hälfte durch die Volksvertretung
der Staaten ernannt. Wo zwei Kammern bestehen, wählen diese
in gemeinsamer Sitzung nach absoluter Stimmenmehrheit.

§. 5. Jn denjenigen Staaten, welche nur ein Mitglied ins
Staatenhaus senden, schlägt die Regierung drei Candidaten vor,
aus denen die Volksvertretung mit absoluter Stimmenmehrheit
wählt.

§. 6. Wo mehrere Staaten zu gemeinsamer Vertretung im
Staatenhause verbunden sind, haben diese über die gemeinschaftlich
vorzunehmende Wahl ein Abkommen unter einander zu treffen.
Das Princip der Theilung der Wahlberechtigung zwischen Regie-
rung und Volksvertretung darf dabei nicht verletzt werden. Das
ganze Abkommen ist der Reichsregierung zur Genehmigung vor-
zulegen.

Ueber die folgenden Paragraphen findet die Abstimmung ohne
vorgängige Besprechung statt. Es wird zum Beschlusse erhoben
( ebenfalls nach dem Mehrheitserachten des Verfassungsaus-
schusses ) :

§. 7. Wenn mehrere deutsche Staaten zu einem Ganzen ver-
bunden werden, so entscheidet ein Reichsgesetz über die dadurch
etwa nothwendig werdende Abänderung in der Zusammensetzung
des Staatenhauses.

§. 8. Mitglied des Staatenhauses kann nur ein Solcher
werden, welcher 1 ) Staatsbürger desjenigen Staates oder Staa-
tenverbandes ( siehe §. 6. ) ist, welcher ihn sendet; 2 ) das dreißigste
Lebensjahr zurückgelegt hat; 3 ) sich im vollen Genusse der bür-
gerlichen und staatsbürgerlichen Rechte befindet.

§. 9. Die Mitglieder des Staatenhauses werden auf sechs
Jahre gewählt. Sie werden alle drei Jahre zur Hälfte erneuert.

Dazu der Antrag Kochs aus Leipzig und Genossen:

Bei außerordentlichen Reichstagsversammlungen, welche nach
Ablauf der für die theilweise Erneuerung bestimmten Periode und
bevor die Wahlen zur nächsten ordentlichen Reichstagssitzung er-
folgt sind, berufen werden, bilden die Mitglieder der letzten ordent-
lichen Sitzung auch für die außerordentliche Sitzung das Staaten-
haus.

Artikel III. §. 10. Das Volkshaus besteht aus den Abge-
ordneten des deutschen Volkes.

Eine Besprechung findet erst wieder statt vor §. 11. Möl-
ling
verlangt, daß die Mitglieder des Volkshauses nur auf Ein
Jahr gewählt werden sollen. Herr Mölling ist kein glücklicher
und geschickter Redner. Sein Fürwort hat den dringenden Ruf
nach Schluß zur Folge. Wigard vertheidigt das Minderheits-
erachten, wonach auf zwei Jahre gewählt werden soll. Für die
Mehrheit des Ausschusses spricht Briegleb. Es sey im Jn-
teresse der Politik des Hauses, daß eine gewisse Stetigkeit darin
nicht vermißt werde. Deshalb habe der Ausschuß den vierjährigen
Turnus vorgeschlagen. Jndessen entscheidet sich die Abstimmung
für eine Modification des Verfassungsvorschlages nach dem An-
trage Widenmanns.

§. 11. Die Mitglieder des Volkshauses werden für das
erste Mal
auf vier Jahre, demnächst immer auf drei
[Ende Spaltensatz]

1) Den Antrag des Abgeordneten Wagner aus Steyr, dessen wir
in dem Berichte vom 9. d. M. bereits gedachten, theilen wir nachträg-
lich heute seinem Wortlaute nach mit:
„ Die Nationalversammlung wolle beschließen, dem Ausschusse für
internationale Angelegenheiten den Auftrag zu ertheilen, im Einverneh-
men ( allenfalls durch Subcommissionen ) mit dem volkswirthschaftlichen
und dem Ausschusse für die österreichischen Angelegenheiten geeignete Vor-
schläge betreffs eines Bündnisses zwischen Deutschland und dem nicht-
deutschen
Oesterreich zur Einleitung der weiteren nöthigen Schritte
und Anweisung der Centralgewalt vorzulegen, worin einerseits mit Be-
rücksichtigung der Sachlage und obwaltenden Verhältnisse zwischen den
deutschen und nicht=deutschen Ländern Oesterreichs, andererseits ohne dem
provisorischen Beschlusse über die §§. 2. und 3. des Verfassungswerkes
zu vergeben, die Erledigung der Zollfrage und bezugsweise der Auf-
nahme der nicht=deutschen österreichischen Lande in das deutsche Zollge-
biet, der gegenseitige Schutz und Trutz gegen innere und äußere Feinde,
die gegenseitige Verbürgung der verfassungsmäßigen Freiheiten, die Re-
gelung des diplomatischen Verkehres und überhaupt die Erledigung aller
und jeder Fragen, welche zunächst von entscheidender Wichtigkeit sind,
sofort oder für die nächste Zukunft angebahnt würde.“
1 ) Den Antrag des Abgeordneten Wagner aus Steyr, dessen wir
in dem Berichte vom 9. d. M. bereits gedachten, theilen wir nachträg-
lich heute seinem Wortlaute nach mit:
„ Die Nationalversammlung wolle beschließen, dem Ausschusse für
internationale Angelegenheiten den Auftrag zu ertheilen, im Einverneh-
men ( allenfalls durch Subcommissionen ) mit dem volkswirthschaftlichen
und dem Ausschusse für die österreichischen Angelegenheiten geeignete Vor-
schläge betreffs eines Bündnisses zwischen Deutschland und dem nicht-
deutschen
Oesterreich zur Einleitung der weiteren nöthigen Schritte
und Anweisung der Centralgewalt vorzulegen, worin einerseits mit Be-
rücksichtigung der Sachlage und obwaltenden Verhältnisse zwischen den
deutschen und nicht=deutschen Ländern Oesterreichs, andererseits ohne dem
provisorischen Beschlusse über die §§. 2. und 3. des Verfassungswerkes
zu vergeben, die Erledigung der Zollfrage und bezugsweise der Auf-
nahme der nicht=deutschen österreichischen Lande in das deutsche Zollge-
biet, der gegenseitige Schutz und Trutz gegen innere und äußere Feinde,
die gegenseitige Verbürgung der verfassungsmäßigen Freiheiten, die Re-
gelung des diplomatischen Verkehres und überhaupt die Erledigung aller
und jeder Fragen, welche zunächst von entscheidender Wichtigkeit sind,
sofort oder für die nächste Zukunft angebahnt würde.“
<TEI>
  <text>
    <back>
      <pb facs="#f0005"/>
      <div>
        <floatingText>
          <front>
            <titlePage type="heading">
              <docTitle>
                <titlePart type="main"> <hi rendition="#fr">Beilage zum Mainzer Journal.</hi> </titlePart>
              </docTitle><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <docImprint>N<hi rendition="#sup">ro</hi> 161.   <docDate><hi rendition="#c">Dienstag, den 12. December.</hi><hi rendition="#right">1848.</hi></docDate></docImprint><lb/>
            </titlePage>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </front>
          <body>
            <cb type="start"/>
            <div type="jPoliticalNews" n="1">
              <head>Verhandlungen der Nationalversammlung.<lb/>
Vom 11. December.<lb/><hi rendition="#g">Tagesordnung der</hi> 133. <hi rendition="#g">öffentlichen Sitzung</hi>.</head><lb/>
              <p>Fortsetzung der Berathung über den vom Verfassungsausschusse vor-<lb/>
gelegten Entwurf &#x201E;der Reichstag&#x201C; und zwar über Art. <hi rendition="#aq">II</hi>. §. 4. und<lb/>
folgende, Art. <hi rendition="#aq">III</hi>. und Art. <hi rendition="#aq">IV.</hi> </p><lb/>
              <p>Der Vorsitzende, Heinrich v. <hi rendition="#g">Gagern,</hi> zeigt den Austritt<lb/>
der Herren a <hi rendition="#g">Prato</hi> aus Roveredo und <hi rendition="#g">Kromp</hi> aus Prohlitz<lb/>
in Mähren an. Für den Erstern erklärt Esterle aus Cavalese,<lb/>
daß a Prato doppelte Diäten ( für Wien und Frankfurt ) <hi rendition="#g">nicht</hi><lb/>
bezogen. Jn den volkswirthschaftlichen Ausschuß sind die Herren<lb/>
Becker aus Gotha, Stolle und Schlör gewählt. <hi rendition="#g">Schoder</hi> fragt<lb/>
beim Reichsministerium der Justiz an: ob das Kriegsrecht in<lb/>
Wien noch fortdauere und was geschehen, um den rechtlosen Zu-<lb/>
stand zu beenden. <hi rendition="#g">Wesendonck</hi> dasselbe Ministerium: wie weit<lb/>
die Untersuchung gegen Simon von Trier, Zitz und Schlöffel<lb/>
gediehen sey, indem er Beschleunigung derselben verlangt. Die<lb/>
Antwort soll in der Freitagssitzung erfolgen <note place="foot" n="1)"><p>Den Antrag des Abgeordneten <hi rendition="#g">Wagner</hi> aus Steyr, dessen wir<lb/>
in dem Berichte vom 9. d. M. bereits gedachten, theilen wir nachträg-<lb/>
lich heute seinem Wortlaute nach mit: </p><lb/><p>&#x201E; Die Nationalversammlung wolle beschließen, dem Ausschusse für<lb/>
internationale Angelegenheiten den Auftrag zu ertheilen, im Einverneh-<lb/>
men ( allenfalls durch Subcommissionen ) mit dem volkswirthschaftlichen<lb/>
und dem Ausschusse für die österreichischen Angelegenheiten geeignete Vor-<lb/>
schläge betreffs eines Bündnisses zwischen <hi rendition="#g">Deutschland</hi> und dem <hi rendition="#g">nicht-<lb/>
deutschen</hi> Oesterreich zur Einleitung der weiteren nöthigen Schritte<lb/>
und Anweisung der Centralgewalt vorzulegen, worin einerseits mit Be-<lb/>
rücksichtigung der Sachlage und obwaltenden Verhältnisse zwischen den<lb/>
deutschen und nicht=deutschen Ländern Oesterreichs, andererseits ohne dem<lb/>
provisorischen Beschlusse über die §§. 2. und 3. des Verfassungswerkes<lb/>
zu vergeben, die Erledigung der Zollfrage und bezugsweise der Auf-<lb/>
nahme der nicht=deutschen österreichischen Lande in das deutsche Zollge-<lb/>
biet, der gegenseitige Schutz und Trutz gegen innere und äußere Feinde,<lb/>
die gegenseitige Verbürgung der verfassungsmäßigen Freiheiten, die Re-<lb/>
gelung des diplomatischen Verkehres und überhaupt die Erledigung aller<lb/>
und jeder Fragen, welche zunächst von entscheidender Wichtigkeit sind,<lb/>
sofort oder für die nächste Zukunft angebahnt würde.&#x201C;</p><lb/></note>.</p><lb/>
              <p>Nachdem die Dringlichkeit eines Antrages in Bezug auf die<lb/><hi rendition="#g">Schulfrage</hi> abgelehnt und der Gegenstand daher dem einschla-<lb/>
genden Ausschusse zugewiesen ist, wird zur Tagesordnung über-<lb/>
gegangen: Berathung des Verfassungsentwurfes <hi rendition="#g">der Reichs-<lb/>
tag.</hi> Auf <hi rendition="#g">Eisenstucks</hi> Antrag werden die §§. 4. 5. und 6.<lb/>
als innig zusammenhängende, auch gemeinsam behandelt.</p><lb/>
              <p>Moritz <hi rendition="#g">Mohl:</hi> Soll der künftige Reichstag nichts weiter als<lb/>
ein modificirter Bundestag seyn? Das würden wir aber bewir-<lb/>
ken, wenn wir die Hälfte der Vertreter des Staatenhauses von<lb/>
den Regierungen ernennen ließen. Nur von den Abgeordneten<lb/>
des Volkes sind sie zu ernennen, denn auch die ersten Kammern &#x2014;<lb/>
man weiß, wie sie vorzugsweise aus aristokratischen Elementen<lb/>
zusammengesetzt werden.</p><lb/>
              <p><hi rendition="#g">Gfrörer</hi> ist ebenfalls gegen Ernennung der Hälfte des<lb/>
Staatenhauses durch die Regierungen, wie überhaupt gegen<lb/>
dessen vorgeschlagene Zusammensetzung. Der dynastische Wille,<lb/>
nicht der Wille des Volkes werde durch ein solches Staatenhaus<lb/>
zur Geltung gelangen. Eine Versammlung von 176 Bureau-<lb/>
kraten und Diplomaten würden wir haben, einen Tummelplatz<lb/>
von Jntriguanten. ( Lachen. ) Das Staatenhaus sey eines der un-<lb/>
glücklichsten politischen Producte, die mir jemals im Leben vor-<lb/>
gekommen. ( Erneute Heiterkeit. ) Marionetten werde man von<lb/>
Wien, München, Berlin schicken unthätig im Frieden, unnütz<lb/>
im Kriege, politische Quacksalber! Allerdings wolle auch er<lb/>
etwas Festes und sey darum für das <hi rendition="#g">Zweikammersystem.</hi><lb/>
Das Feste aber sey seiner Meinung nach herzustellen, wenn man<lb/>
das Staatenhaus zusammensetze zu einem Drittel aus Wahlen<lb/>
der Provinzialstände, zu den beiden anderen Dritteln aus den<lb/>
höchstbesteuerten Gewerbtreibenden und Grundbesitzern. &#x201E;Nehmen<lb/>
Sie meinen Vorschlag an,&#x201C; schließt Gfrörer eine Rede, zu ko-<lb/>
misch in ihrer Haltung und in ihren Mitteln, um von irgend<lb/>
welcher staatsmännischen Wirkung zu seyn, &#x201E;nehmen Sie ihn<lb/>
an und es wird Sie nicht gereuen.&#x201C; ( Lachen und Beifall. ) </p><lb/>
              <p><hi rendition="#g">Ahrens</hi> aus Salzgitter kann gleichfalls nicht einverstanden<lb/>
seyn mit dem Staatenhause des Verfassungsentwurfes, verschiebt<lb/>
aber seinen Antrag auf die zweite Lesung. Die Grundzüge des<lb/>
Bildes, welches ihm von dem Staatenhause vorschwebt, sind zu<lb/>
finden in einer wahren ständischen Repräsentation, wie sie z. B.<lb/>
nach dem neuen Wahlgesetze in Hannover ins Leben eingeführt<lb/>
sey. Dadurch würde ein sociales Staatenhaus gebildet werden,<lb/><cb n="2"/>
während der Verfassungsentwurf, um nur Eins zu berühren, den<lb/>
großen Fehler begehe, das monarchische Princip von dem Ge-<lb/>
sammtinteresse abzulösen. v. <hi rendition="#g">Linde</hi> rechtfertigt seinen Antrag,<lb/>
nach welchem die zweite Hälfte der Staatenhausmitglieder durch<lb/>
die Grundbesitzer und Gewerbtreibenden, anstatt durch die Kam-<lb/>
mern, gewählt werden soll.</p><lb/>
              <note place="foot">
                <p>1 ) Den Antrag des Abgeordneten <hi rendition="#g">Wagner</hi> aus Steyr, dessen wir<lb/>
in dem Berichte vom 9. d. M. bereits gedachten, theilen wir nachträg-<lb/>
lich heute seinem Wortlaute nach mit: </p><lb/>
                <p>&#x201E; Die Nationalversammlung wolle beschließen, dem Ausschusse für<lb/>
internationale Angelegenheiten den Auftrag zu ertheilen, im Einverneh-<lb/>
men ( allenfalls durch Subcommissionen ) mit dem volkswirthschaftlichen<lb/>
und dem Ausschusse für die österreichischen Angelegenheiten geeignete Vor-<lb/>
schläge betreffs eines Bündnisses zwischen <hi rendition="#g">Deutschland</hi> und dem <hi rendition="#g">nicht-<lb/>
deutschen</hi> Oesterreich zur Einleitung der weiteren nöthigen Schritte<lb/>
und Anweisung der Centralgewalt vorzulegen, worin einerseits mit Be-<lb/>
rücksichtigung der Sachlage und obwaltenden Verhältnisse zwischen den<lb/>
deutschen und nicht=deutschen Ländern Oesterreichs, andererseits ohne dem<lb/>
provisorischen Beschlusse über die §§. 2. und 3. des Verfassungswerkes<lb/>
zu vergeben, die Erledigung der Zollfrage und bezugsweise der Auf-<lb/>
nahme der nicht=deutschen österreichischen Lande in das deutsche Zollge-<lb/>
biet, der gegenseitige Schutz und Trutz gegen innere und äußere Feinde,<lb/>
die gegenseitige Verbürgung der verfassungsmäßigen Freiheiten, die Re-<lb/>
gelung des diplomatischen Verkehres und überhaupt die Erledigung aller<lb/>
und jeder Fragen, welche zunächst von entscheidender Wichtigkeit sind,<lb/>
sofort oder für die nächste Zukunft angebahnt würde.&#x201C;</p>
              </note><lb/>
              <p>Das Schlußwort nimmt hierauf <hi rendition="#g">Dahlmann:</hi> Die Ereig-<lb/>
nisse dieses Jahres haben den Sieg des constitutionellen Systemes<lb/>
in unserem Vaterlande entschieden, die Regierungen, d. i. die Mi-<lb/>
nisterien, gehen mithin hervor aus dem Willen des Volkes. So-<lb/>
nach gehen auch beide Theile des Staatenhauses, wie es Jhnen<lb/>
der Verfassungsausschuß vorschlägt, aus dem Willen des Volkes<lb/>
hervor. Nach v. Linde's Antrag würde die Volksvertretung vom<lb/>
Staatenhause ausgeschlossen &#x2014; wir haben ihr ein solches Miß-<lb/>
trauensvotum nicht ertheilen können, wie wir auch, was die hier<lb/>
gegen die Regierungen geäußerten Bedenken anlangt, nicht glau-<lb/>
ben können, daß ein Ministerium das Vertrauen der Kammern,<lb/>
durch das es ins Amt gerufen wird, sofort verliere, wenn es so-<lb/>
dann im Amte ist.</p><lb/>
              <p>Das Ergebniß der Abstimmung ist die Annahme folgender<lb/>
Paragraphen ( ganz nach dem Entwurfe des Verfassungsaus-<lb/>
schusses ) :</p><lb/>
              <p>§. 4. Die Mitglieder des Staatenhauses werden zur Hälfte<lb/>
durch die Regierung und zur Hälfte durch die Volksvertretung<lb/>
der Staaten ernannt. Wo zwei Kammern bestehen, wählen diese<lb/>
in gemeinsamer Sitzung nach absoluter Stimmenmehrheit.</p><lb/>
              <p>§. 5. Jn denjenigen Staaten, welche nur <hi rendition="#g">ein</hi> Mitglied ins<lb/>
Staatenhaus senden, schlägt die Regierung drei Candidaten vor,<lb/>
aus denen die Volksvertretung mit absoluter Stimmenmehrheit<lb/>
wählt.</p><lb/>
              <p>§. 6. Wo mehrere Staaten zu gemeinsamer Vertretung im<lb/>
Staatenhause verbunden sind, haben diese über die gemeinschaftlich<lb/>
vorzunehmende Wahl ein Abkommen unter einander zu treffen.<lb/>
Das Princip der Theilung der Wahlberechtigung zwischen Regie-<lb/>
rung und Volksvertretung darf dabei nicht verletzt werden. Das<lb/>
ganze Abkommen ist der Reichsregierung zur Genehmigung vor-<lb/>
zulegen.</p><lb/>
              <p>Ueber die folgenden Paragraphen findet die Abstimmung ohne<lb/>
vorgängige Besprechung statt. Es wird zum Beschlusse erhoben<lb/>
( ebenfalls nach dem Mehrheitserachten des Verfassungsaus-<lb/>
schusses ) :</p><lb/>
              <p>§. 7. Wenn mehrere deutsche Staaten zu einem Ganzen ver-<lb/>
bunden werden, so entscheidet ein Reichsgesetz über die dadurch<lb/>
etwa nothwendig werdende Abänderung in der Zusammensetzung<lb/>
des Staatenhauses.</p><lb/>
              <p>§. 8. Mitglied des Staatenhauses kann nur ein Solcher<lb/>
werden, welcher 1 ) Staatsbürger desjenigen Staates oder Staa-<lb/>
tenverbandes ( siehe §. 6. ) ist, welcher ihn sendet; 2 ) das dreißigste<lb/>
Lebensjahr zurückgelegt hat; 3 ) sich im vollen Genusse der bür-<lb/>
gerlichen und staatsbürgerlichen Rechte befindet.</p><lb/>
              <p>§. 9. Die Mitglieder des Staatenhauses werden auf sechs<lb/>
Jahre gewählt. Sie werden alle drei Jahre zur Hälfte erneuert.</p><lb/>
              <p>Dazu der Antrag <hi rendition="#g">Kochs</hi> aus Leipzig und Genossen:</p><lb/>
              <p>Bei außerordentlichen Reichstagsversammlungen, welche nach<lb/>
Ablauf der für die theilweise Erneuerung bestimmten Periode und<lb/>
bevor die Wahlen zur nächsten ordentlichen Reichstagssitzung er-<lb/>
folgt sind, berufen werden, bilden die Mitglieder der letzten ordent-<lb/>
lichen Sitzung auch für die außerordentliche Sitzung das Staaten-<lb/>
haus.</p><lb/>
              <p>Artikel <hi rendition="#aq">III</hi>. §. 10. Das Volkshaus besteht aus den Abge-<lb/>
ordneten des deutschen Volkes.</p><lb/>
              <p>Eine Besprechung findet erst wieder statt vor §. 11. <hi rendition="#g">Möl-<lb/>
ling</hi> verlangt, daß die Mitglieder des Volkshauses nur auf Ein<lb/>
Jahr gewählt werden sollen. Herr Mölling ist kein glücklicher<lb/>
und geschickter Redner. Sein Fürwort hat den dringenden Ruf<lb/>
nach Schluß zur Folge. <hi rendition="#g">Wigard</hi> vertheidigt das Minderheits-<lb/>
erachten, wonach auf zwei Jahre gewählt werden soll. Für die<lb/>
Mehrheit des Ausschusses spricht <hi rendition="#g">Briegleb.</hi> Es sey im Jn-<lb/>
teresse der Politik des Hauses, daß eine gewisse Stetigkeit darin<lb/>
nicht vermißt werde. Deshalb habe der Ausschuß den vierjährigen<lb/>
Turnus vorgeschlagen. Jndessen entscheidet sich die Abstimmung<lb/>
für eine Modification des Verfassungsvorschlages nach dem An-<lb/>
trage <hi rendition="#g">Widenmanns.</hi> </p><lb/>
              <p>§. 11. Die Mitglieder des Volkshauses werden <hi rendition="#g">für das<lb/>
erste Mal</hi> auf vier Jahre, <hi rendition="#g">demnächst immer auf drei<lb/><cb type="end"/>
</hi></p>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </back>
  </text>
</TEI>
[0005] Beilage zum Mainzer Journal. Nro 161. Dienstag, den 12. December. 1848. Verhandlungen der Nationalversammlung. Vom 11. December. Tagesordnung der 133. öffentlichen Sitzung. Fortsetzung der Berathung über den vom Verfassungsausschusse vor- gelegten Entwurf „der Reichstag“ und zwar über Art. II. §. 4. und folgende, Art. III. und Art. IV. Der Vorsitzende, Heinrich v. Gagern, zeigt den Austritt der Herren a Prato aus Roveredo und Kromp aus Prohlitz in Mähren an. Für den Erstern erklärt Esterle aus Cavalese, daß a Prato doppelte Diäten ( für Wien und Frankfurt ) nicht bezogen. Jn den volkswirthschaftlichen Ausschuß sind die Herren Becker aus Gotha, Stolle und Schlör gewählt. Schoder fragt beim Reichsministerium der Justiz an: ob das Kriegsrecht in Wien noch fortdauere und was geschehen, um den rechtlosen Zu- stand zu beenden. Wesendonck dasselbe Ministerium: wie weit die Untersuchung gegen Simon von Trier, Zitz und Schlöffel gediehen sey, indem er Beschleunigung derselben verlangt. Die Antwort soll in der Freitagssitzung erfolgen 1). Nachdem die Dringlichkeit eines Antrages in Bezug auf die Schulfrage abgelehnt und der Gegenstand daher dem einschla- genden Ausschusse zugewiesen ist, wird zur Tagesordnung über- gegangen: Berathung des Verfassungsentwurfes der Reichs- tag. Auf Eisenstucks Antrag werden die §§. 4. 5. und 6. als innig zusammenhängende, auch gemeinsam behandelt. Moritz Mohl: Soll der künftige Reichstag nichts weiter als ein modificirter Bundestag seyn? Das würden wir aber bewir- ken, wenn wir die Hälfte der Vertreter des Staatenhauses von den Regierungen ernennen ließen. Nur von den Abgeordneten des Volkes sind sie zu ernennen, denn auch die ersten Kammern — man weiß, wie sie vorzugsweise aus aristokratischen Elementen zusammengesetzt werden. Gfrörer ist ebenfalls gegen Ernennung der Hälfte des Staatenhauses durch die Regierungen, wie überhaupt gegen dessen vorgeschlagene Zusammensetzung. Der dynastische Wille, nicht der Wille des Volkes werde durch ein solches Staatenhaus zur Geltung gelangen. Eine Versammlung von 176 Bureau- kraten und Diplomaten würden wir haben, einen Tummelplatz von Jntriguanten. ( Lachen. ) Das Staatenhaus sey eines der un- glücklichsten politischen Producte, die mir jemals im Leben vor- gekommen. ( Erneute Heiterkeit. ) Marionetten werde man von Wien, München, Berlin schicken unthätig im Frieden, unnütz im Kriege, politische Quacksalber! Allerdings wolle auch er etwas Festes und sey darum für das Zweikammersystem. Das Feste aber sey seiner Meinung nach herzustellen, wenn man das Staatenhaus zusammensetze zu einem Drittel aus Wahlen der Provinzialstände, zu den beiden anderen Dritteln aus den höchstbesteuerten Gewerbtreibenden und Grundbesitzern. „Nehmen Sie meinen Vorschlag an,“ schließt Gfrörer eine Rede, zu ko- misch in ihrer Haltung und in ihren Mitteln, um von irgend welcher staatsmännischen Wirkung zu seyn, „nehmen Sie ihn an und es wird Sie nicht gereuen.“ ( Lachen und Beifall. ) Ahrens aus Salzgitter kann gleichfalls nicht einverstanden seyn mit dem Staatenhause des Verfassungsentwurfes, verschiebt aber seinen Antrag auf die zweite Lesung. Die Grundzüge des Bildes, welches ihm von dem Staatenhause vorschwebt, sind zu finden in einer wahren ständischen Repräsentation, wie sie z. B. nach dem neuen Wahlgesetze in Hannover ins Leben eingeführt sey. Dadurch würde ein sociales Staatenhaus gebildet werden, während der Verfassungsentwurf, um nur Eins zu berühren, den großen Fehler begehe, das monarchische Princip von dem Ge- sammtinteresse abzulösen. v. Linde rechtfertigt seinen Antrag, nach welchem die zweite Hälfte der Staatenhausmitglieder durch die Grundbesitzer und Gewerbtreibenden, anstatt durch die Kam- mern, gewählt werden soll. Das Schlußwort nimmt hierauf Dahlmann: Die Ereig- nisse dieses Jahres haben den Sieg des constitutionellen Systemes in unserem Vaterlande entschieden, die Regierungen, d. i. die Mi- nisterien, gehen mithin hervor aus dem Willen des Volkes. So- nach gehen auch beide Theile des Staatenhauses, wie es Jhnen der Verfassungsausschuß vorschlägt, aus dem Willen des Volkes hervor. Nach v. Linde's Antrag würde die Volksvertretung vom Staatenhause ausgeschlossen — wir haben ihr ein solches Miß- trauensvotum nicht ertheilen können, wie wir auch, was die hier gegen die Regierungen geäußerten Bedenken anlangt, nicht glau- ben können, daß ein Ministerium das Vertrauen der Kammern, durch das es ins Amt gerufen wird, sofort verliere, wenn es so- dann im Amte ist. Das Ergebniß der Abstimmung ist die Annahme folgender Paragraphen ( ganz nach dem Entwurfe des Verfassungsaus- schusses ) : §. 4. Die Mitglieder des Staatenhauses werden zur Hälfte durch die Regierung und zur Hälfte durch die Volksvertretung der Staaten ernannt. Wo zwei Kammern bestehen, wählen diese in gemeinsamer Sitzung nach absoluter Stimmenmehrheit. §. 5. Jn denjenigen Staaten, welche nur ein Mitglied ins Staatenhaus senden, schlägt die Regierung drei Candidaten vor, aus denen die Volksvertretung mit absoluter Stimmenmehrheit wählt. §. 6. Wo mehrere Staaten zu gemeinsamer Vertretung im Staatenhause verbunden sind, haben diese über die gemeinschaftlich vorzunehmende Wahl ein Abkommen unter einander zu treffen. Das Princip der Theilung der Wahlberechtigung zwischen Regie- rung und Volksvertretung darf dabei nicht verletzt werden. Das ganze Abkommen ist der Reichsregierung zur Genehmigung vor- zulegen. Ueber die folgenden Paragraphen findet die Abstimmung ohne vorgängige Besprechung statt. Es wird zum Beschlusse erhoben ( ebenfalls nach dem Mehrheitserachten des Verfassungsaus- schusses ) : §. 7. Wenn mehrere deutsche Staaten zu einem Ganzen ver- bunden werden, so entscheidet ein Reichsgesetz über die dadurch etwa nothwendig werdende Abänderung in der Zusammensetzung des Staatenhauses. §. 8. Mitglied des Staatenhauses kann nur ein Solcher werden, welcher 1 ) Staatsbürger desjenigen Staates oder Staa- tenverbandes ( siehe §. 6. ) ist, welcher ihn sendet; 2 ) das dreißigste Lebensjahr zurückgelegt hat; 3 ) sich im vollen Genusse der bür- gerlichen und staatsbürgerlichen Rechte befindet. §. 9. Die Mitglieder des Staatenhauses werden auf sechs Jahre gewählt. Sie werden alle drei Jahre zur Hälfte erneuert. Dazu der Antrag Kochs aus Leipzig und Genossen: Bei außerordentlichen Reichstagsversammlungen, welche nach Ablauf der für die theilweise Erneuerung bestimmten Periode und bevor die Wahlen zur nächsten ordentlichen Reichstagssitzung er- folgt sind, berufen werden, bilden die Mitglieder der letzten ordent- lichen Sitzung auch für die außerordentliche Sitzung das Staaten- haus. Artikel III. §. 10. Das Volkshaus besteht aus den Abge- ordneten des deutschen Volkes. Eine Besprechung findet erst wieder statt vor §. 11. Möl- ling verlangt, daß die Mitglieder des Volkshauses nur auf Ein Jahr gewählt werden sollen. Herr Mölling ist kein glücklicher und geschickter Redner. Sein Fürwort hat den dringenden Ruf nach Schluß zur Folge. Wigard vertheidigt das Minderheits- erachten, wonach auf zwei Jahre gewählt werden soll. Für die Mehrheit des Ausschusses spricht Briegleb. Es sey im Jn- teresse der Politik des Hauses, daß eine gewisse Stetigkeit darin nicht vermißt werde. Deshalb habe der Ausschuß den vierjährigen Turnus vorgeschlagen. Jndessen entscheidet sich die Abstimmung für eine Modification des Verfassungsvorschlages nach dem An- trage Widenmanns. §. 11. Die Mitglieder des Volkshauses werden für das erste Mal auf vier Jahre, demnächst immer auf drei 1) Den Antrag des Abgeordneten Wagner aus Steyr, dessen wir in dem Berichte vom 9. d. M. bereits gedachten, theilen wir nachträg- lich heute seinem Wortlaute nach mit: „ Die Nationalversammlung wolle beschließen, dem Ausschusse für internationale Angelegenheiten den Auftrag zu ertheilen, im Einverneh- men ( allenfalls durch Subcommissionen ) mit dem volkswirthschaftlichen und dem Ausschusse für die österreichischen Angelegenheiten geeignete Vor- schläge betreffs eines Bündnisses zwischen Deutschland und dem nicht- deutschen Oesterreich zur Einleitung der weiteren nöthigen Schritte und Anweisung der Centralgewalt vorzulegen, worin einerseits mit Be- rücksichtigung der Sachlage und obwaltenden Verhältnisse zwischen den deutschen und nicht=deutschen Ländern Oesterreichs, andererseits ohne dem provisorischen Beschlusse über die §§. 2. und 3. des Verfassungswerkes zu vergeben, die Erledigung der Zollfrage und bezugsweise der Auf- nahme der nicht=deutschen österreichischen Lande in das deutsche Zollge- biet, der gegenseitige Schutz und Trutz gegen innere und äußere Feinde, die gegenseitige Verbürgung der verfassungsmäßigen Freiheiten, die Re- gelung des diplomatischen Verkehres und überhaupt die Erledigung aller und jeder Fragen, welche zunächst von entscheidender Wichtigkeit sind, sofort oder für die nächste Zukunft angebahnt würde.“ 1 ) Den Antrag des Abgeordneten Wagner aus Steyr, dessen wir in dem Berichte vom 9. d. M. bereits gedachten, theilen wir nachträg- lich heute seinem Wortlaute nach mit: „ Die Nationalversammlung wolle beschließen, dem Ausschusse für internationale Angelegenheiten den Auftrag zu ertheilen, im Einverneh- men ( allenfalls durch Subcommissionen ) mit dem volkswirthschaftlichen und dem Ausschusse für die österreichischen Angelegenheiten geeignete Vor- schläge betreffs eines Bündnisses zwischen Deutschland und dem nicht- deutschen Oesterreich zur Einleitung der weiteren nöthigen Schritte und Anweisung der Centralgewalt vorzulegen, worin einerseits mit Be- rücksichtigung der Sachlage und obwaltenden Verhältnisse zwischen den deutschen und nicht=deutschen Ländern Oesterreichs, andererseits ohne dem provisorischen Beschlusse über die §§. 2. und 3. des Verfassungswerkes zu vergeben, die Erledigung der Zollfrage und bezugsweise der Auf- nahme der nicht=deutschen österreichischen Lande in das deutsche Zollge- biet, der gegenseitige Schutz und Trutz gegen innere und äußere Feinde, die gegenseitige Verbürgung der verfassungsmäßigen Freiheiten, die Re- gelung des diplomatischen Verkehres und überhaupt die Erledigung aller und jeder Fragen, welche zunächst von entscheidender Wichtigkeit sind, sofort oder für die nächste Zukunft angebahnt würde.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal161_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal161_1848/5
Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 161. Mainz, 11. Dezember 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal161_1848/5>, abgerufen am 03.08.2024.