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Mainzer Journal. Nr. 134. Mainz, 9. November 1848.

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Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 134. Freitag, den 10. November. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Verhandlungen der Nationalversammlung.
Vom 9. November.
Tagesordnung der 112. öffentl. Sitzung.

Fortsetzung der Berathung über Artikel III. §. 13. und folgende
des Verfassungsentwurfes nach vorgängiger Abstimmung über §. 12.

Vorsitzender von Gagern zeigt an, daß er einen Brief des
Abgeordneten Moritz Hartmann, Wien vom 4. Nov., empfangen,
worin ihm die Verhaftung der Abgg. Robert Blum und
Julius Fröbel gemeldet wird. Wesendonck interpellirt in
Folge dieses Falles das Reichsministerium, indem er für die Ver-
hafteten den Schutz des Gesetzes vom 10. October in Anspruch
nimmt. Die Ministerbank ist noch nicht besetzt. Der Verfassungs-
ausschuß zeigt also inzwischen unter dem beifälligen Zurufe des
ganzen Hauses an, daß er der Reichsversammlung die unver-
änderte Annahme
der in Leipzig von den Bevollmächtig-
ten aller deutschen Staaten berathenen Wechselordnung vor-
zuschlagen habe. Der desfallsige Bericht sammt dem Entwurfe
des Einführungsgesetzes wird demnächst eingebracht werden. Da-
gegen soll dem Antrage Vogts und Venedey's, wegen der an die
Schweiz erlassenen und in der O. P. A. Z. voreilig veröffent-
lichten Note keine Folge gegeben werden. Eine Eingabe aus
New=York, in Betreff der Besetzung des dort zu errichtenden
Reichsconsulates für Nordamerika, wird dem Minister des Aus-
wärtigen überwiesen. Auch über den Antrag Zimmermanns von
Spandow, das Benehmen Wrangels bei der Niederlegung sei-
nes Commando's als Reichsgeneral im schleswig=holstein. Kriege
einer Mißbilligung zu unterwerfen, wird von dem einschlägigen
Ausschusse die einfache Tagesordnung angerathen.

Kriegsminister v. Peucker beantwortet heute Mohrs
Anfrage wegen der Reichstruppen in Rheinhessen. Es
seyen von der Centralgewalt im vollen Einverständnisse mit der
großherzoglich hessischen Regierung im Ganzen 4000 Mann ( eine
Brigade ) auf das linke Rheinufer gelegt worden, aus deren Ver-
theilung über die Landschaft hervorgeht, daß Mohr mit großem
Unrechte von einer Ueberschwemmung der Provinz durch Soldaten
gesprochen, welcher die Anwesenheit der ihre Bedürfnisse baar
zahlenden Truppen eher zum Vortheile, als zur Last gereiche.
Dennoch stellt Mohr darauf den dringlichen Antrag, daß die in
die Provinz Rheinhessen gelegten nicht landesangehörigen
Truppen sofort zurückgezogen werden. Die Dringlichkeitsfrage
wird jedoch verneint.

Reichsminister der Justiz, v. Mohl, ist jetzt gegenwärtig
und erklärt, daß er sich bereits an das österreichische verantwort-
liche Ministerium der Justiz gewendet und unter Hinweis auf das
Gesetz zum Schutze der Nationalversammlung beschleunigte Aus-
kunft über die Verhaftung der Abgeordneten Blum und Fröbel
verlangt habe. Einem Antrage Wiesners der bekannten ste-
reotypen Art: auf Aufhebung des Belagerungszustandes in Wien,
Niederschlagung aller politischen Untersuchungen , wird die
Dringlichkeitsanerkenntniß ebenfalls verweigert und darauf zur
Tagesordnung geschritten. Der Anblick der Gallerieen zeigt,
daß die in Frankfurt stehenden Reichstruppen der so eben zu be-
handelnden Frage des Verfassungsentwurfes eine rege Theil-
nahme widmen. Die Zuhörerräume bieten eine reiche Muster-
karte hessischer, preußischer, bayerischer Uniformen aller Grade
und Waffengattungen dar.

Die formellen Schwierigkeiten der Abstimmung über §. 12.,
welche die gestrige Vertagung herbeiführten, namentlich der Wunsch
des Wehrausschusses, seine Vorschläge sogleich neben den Bestim-
mungen des Verfassungsentwurfes berücksichtigt und beziehentlich
in dieselben hineingewirkt zu sehen, sind auch heute nicht so bald
gehoben. Endlich geht die Fragestellung in der Ordnung vor
sich, daß die Gruppe der Anträge, welche der Reichsgewalt den
größten Machtumfang einräumt, bei der Abstimmung den Vor-
tritt erhält. Jn Folge davon wird mit fast einstimmiger Mehr-
heit der Antrag des Verfassungsausschusses angenommen:
Artikel III. §. 12.: "Der Reichsgewalt steht die gesammte bewaff-
nete Macht Deutschlands zur Verfügung." Alle Zusätze und Ab-
änderungen werden abgelehnt.

Ueber den folgenden §. 13. sind gegen zwanzig Redner, meist
um gegen den Paragraphen nach dem Verfassungsentwurfe zu
sprechen, eingezeichnet. Mittermaier berichtet, daß sich die
Mehrheit des Ausschusses zu folgender veränderter, mehrere Be-
[Spaltenumbruch] stimmungen der Minderheit adoptirenden Fassung des §. entschlos-
sen. Er kommt demgemäß in nachstehender Form zur Discussion:
§. 13.: "Das Reichsheer besteht aus der gesammten zum Zwecke
des Krieges bestimmten Landmacht der einzelnen deutschen Staaten.
Der Reichsgewalt steht es zu, die Größe und Beschaffenheit der-
selben zu bestimmen. Diejenigen Staaten, welche als Contingent
weniger als 6000 Mann stellen, geben in Bezug auf das Heer-
wesen ihre Selbstständigkeit auf und werden in dieser Beziehung
entweder unter sich in größere Ganze verschmolzen, welche dann
unter der unmittelbaren Leitung der Reichsgewalt stehen, oder
insofern diese Verschmelzung nicht für angemessen befunden wird,
einem angrenzenden größern Staate angeschlossen. Jn beiden
Fällen haben die Landesregierungen dieser kleineren Staaten
keine weitere Einwirkung auf das Heerwesen, als ihnen von der
Reichsgewalt oder dem größern Staate ausdrücklich übertragen
wird."

Die Debatte bietet keine bedeutenden Momente dar und wird
bald abgebrochen. Nach Wedekinds Ansicht soll es den kleinen
Staaten überlassen bleiben, welcher andern deutschen Kriegesmacht
sie sich anschließen wollen. v. Soiron erklärt sich gegen den Vor-
schlag des Wehrausschusses und empfiehlt dafür das Hans Rau-
mersche Amendement: "Ein Reichsgesetz wird bestimmen, in wel-
cher Weise diejenigen Staaten, aus deren ersten Heerbann keine
Division gebildet werden kann, in Beziehung auf ihr Heerwesen
unter sich in größere Ganze verschmolzen oder einem angrenzenden
größern Staate angeschlossen werden." Freese will den Absatz
des Paragraphen, der über die kleineren Truppenkörper handelt,
gestrichen wissen. Das später zu berathende Wehrgesetz werde der-
gleichen Einzelnheiten zu ordnen haben und dies thun, wenn zu-
gleich über die Mediatisirungen näher entschieden sey. Ruf nach
Schluß der Besprechung und Annahme desselben. Stavenha-
gen
vertheidigt noch die Ansichten des Wehrausschusses, nament-
lich die Bestimmung, daß statt 6000 Mann, schon das Minimum
von 5000 Mann hinreichend seyn solle zur Erhaltung der Heeres-
selbstständigkeit eines Staates. Ueber das nothwendige Maß "sey
aus einem bloßen Centralisationsgelüste" nicht hinauszugehen. Der
sogenannte Professorenentwurf für die deutsche Verfassung habe eben
wegen seiner Bestimmungen über die Kriegesmacht so viel unruhiges
Mißfallen erregt. Aber auch der vorliegende §. 13. und der damit
zusammenhängende §. 14. enthalte wieder die Pandorabüchse der
Zwietracht. Mittermaiers Schlußbericht klingt etwas gereizt,
in Folge der Erwähnung des "Professorenentwurfes." Er setzt
ihr eine Hindeutung auf die Griesheimsche Schrift entgegen.
Auch die Worte: "zum Zwecke des Krieges," welche Stavenhagen
für unnütz erachtet, rechtfertigt er durch den Hinweis auf Schützen-
gilden, Leibgarden zum Schloßdienste , mit deren Verfügung die
Reichsmacht nichts zu schaffen haben werde. Durch einen aus-
drücklichen Beschluß erklärt die Versammlung vor der Abstim-
mung über den §., daß sie auch damit der Mediatisirungsfrage
nicht vorgreife.

Die Annahme des §. 13. erfolgt ebenfalls mit überwiegender
Majorität, durchaus in der oben angegebenen, von der Mehrheit
des Verfassungsausschusses gefaßten, heute modificirten Weise. Des-
gleichen wird, mit Verzicht auf die Discussion, ohne Abänderung
und Zusatz, zum Beschlusse erhoben §. 14.: "Die Reichsgewalt
hat in Betreff des Heerwesens die Gesetzgebung und die Organi-
sation; sie überwacht deren Durchführung in den einzelnen Staaten
durch fortdauernde Controle. Den einzelnen Staaten steht die Aus-
bildung ihres Kriegswesens auf Grund der Gesetze und Anordnungen
des Reiches zu. Sie haben die Verfügung über ihre bewaffnete Macht,
so weit dieselbe nicht für den Dienst des Reiches in Anspruch ge-
nommen wird."

Ebenso §. 15.: "Jn den Fahneneid ist die Verpflichtung zur
Treue gegen das Reichsoberhaupt und die Reichsverfassung an
erster Stelle aufzunehmen." Dagegen wird §. 16. zwar ebenfalls
ohne Discussion, aber nach dem Verbesserungsvorschlage des
Wehrausschusses beliebt: "Alle durch Verwendung von
Truppen zu Reichszwecken entstehenden Kosten, welche die Aus-
gabe für den durch das Reich festgesetzten Friedensstand über-
steigen, fallen dem gesammten Reiche zur Last." Jngleichen wird
anstatt §. 17. des Verfassungsentwurfes der Verbesserungsantrag
des Wehrausschusses angenommen: "Ueber eine allgemeine, für
ganz Deutschland gleiche Wehrverfassung ergeht ein besonderes
Reichsgesetz."

[Ende Spaltensatz]
Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 134. Freitag, den 10. November. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Verhandlungen der Nationalversammlung.
Vom 9. November.
Tagesordnung der 112. öffentl. Sitzung.

Fortsetzung der Berathung über Artikel III. §. 13. und folgende
des Verfassungsentwurfes nach vorgängiger Abstimmung über §. 12.

Vorsitzender von Gagern zeigt an, daß er einen Brief des
Abgeordneten Moritz Hartmann, Wien vom 4. Nov., empfangen,
worin ihm die Verhaftung der Abgg. Robert Blum und
Julius Fröbel gemeldet wird. Wesendonck interpellirt in
Folge dieses Falles das Reichsministerium, indem er für die Ver-
hafteten den Schutz des Gesetzes vom 10. October in Anspruch
nimmt. Die Ministerbank ist noch nicht besetzt. Der Verfassungs-
ausschuß zeigt also inzwischen unter dem beifälligen Zurufe des
ganzen Hauses an, daß er der Reichsversammlung die unver-
änderte Annahme
der in Leipzig von den Bevollmächtig-
ten aller deutschen Staaten berathenen Wechselordnung vor-
zuschlagen habe. Der desfallsige Bericht sammt dem Entwurfe
des Einführungsgesetzes wird demnächst eingebracht werden. Da-
gegen soll dem Antrage Vogts und Venedey's, wegen der an die
Schweiz erlassenen und in der O. P. A. Z. voreilig veröffent-
lichten Note keine Folge gegeben werden. Eine Eingabe aus
New=York, in Betreff der Besetzung des dort zu errichtenden
Reichsconsulates für Nordamerika, wird dem Minister des Aus-
wärtigen überwiesen. Auch über den Antrag Zimmermanns von
Spandow, das Benehmen Wrangels bei der Niederlegung sei-
nes Commando's als Reichsgeneral im schleswig=holstein. Kriege
einer Mißbilligung zu unterwerfen, wird von dem einschlägigen
Ausschusse die einfache Tagesordnung angerathen.

Kriegsminister v. Peucker beantwortet heute Mohrs
Anfrage wegen der Reichstruppen in Rheinhessen. Es
seyen von der Centralgewalt im vollen Einverständnisse mit der
großherzoglich hessischen Regierung im Ganzen 4000 Mann ( eine
Brigade ) auf das linke Rheinufer gelegt worden, aus deren Ver-
theilung über die Landschaft hervorgeht, daß Mohr mit großem
Unrechte von einer Ueberschwemmung der Provinz durch Soldaten
gesprochen, welcher die Anwesenheit der ihre Bedürfnisse baar
zahlenden Truppen eher zum Vortheile, als zur Last gereiche.
Dennoch stellt Mohr darauf den dringlichen Antrag, daß die in
die Provinz Rheinhessen gelegten nicht landesangehörigen
Truppen sofort zurückgezogen werden. Die Dringlichkeitsfrage
wird jedoch verneint.

Reichsminister der Justiz, v. Mohl, ist jetzt gegenwärtig
und erklärt, daß er sich bereits an das österreichische verantwort-
liche Ministerium der Justiz gewendet und unter Hinweis auf das
Gesetz zum Schutze der Nationalversammlung beschleunigte Aus-
kunft über die Verhaftung der Abgeordneten Blum und Fröbel
verlangt habe. Einem Antrage Wiesners der bekannten ste-
reotypen Art: auf Aufhebung des Belagerungszustandes in Wien,
Niederschlagung aller politischen Untersuchungen , wird die
Dringlichkeitsanerkenntniß ebenfalls verweigert und darauf zur
Tagesordnung geschritten. Der Anblick der Gallerieen zeigt,
daß die in Frankfurt stehenden Reichstruppen der so eben zu be-
handelnden Frage des Verfassungsentwurfes eine rege Theil-
nahme widmen. Die Zuhörerräume bieten eine reiche Muster-
karte hessischer, preußischer, bayerischer Uniformen aller Grade
und Waffengattungen dar.

Die formellen Schwierigkeiten der Abstimmung über §. 12.,
welche die gestrige Vertagung herbeiführten, namentlich der Wunsch
des Wehrausschusses, seine Vorschläge sogleich neben den Bestim-
mungen des Verfassungsentwurfes berücksichtigt und beziehentlich
in dieselben hineingewirkt zu sehen, sind auch heute nicht so bald
gehoben. Endlich geht die Fragestellung in der Ordnung vor
sich, daß die Gruppe der Anträge, welche der Reichsgewalt den
größten Machtumfang einräumt, bei der Abstimmung den Vor-
tritt erhält. Jn Folge davon wird mit fast einstimmiger Mehr-
heit der Antrag des Verfassungsausschusses angenommen:
Artikel III. §. 12.: „Der Reichsgewalt steht die gesammte bewaff-
nete Macht Deutschlands zur Verfügung.“ Alle Zusätze und Ab-
änderungen werden abgelehnt.

Ueber den folgenden §. 13. sind gegen zwanzig Redner, meist
um gegen den Paragraphen nach dem Verfassungsentwurfe zu
sprechen, eingezeichnet. Mittermaier berichtet, daß sich die
Mehrheit des Ausschusses zu folgender veränderter, mehrere Be-
[Spaltenumbruch] stimmungen der Minderheit adoptirenden Fassung des §. entschlos-
sen. Er kommt demgemäß in nachstehender Form zur Discussion:
§. 13.: „Das Reichsheer besteht aus der gesammten zum Zwecke
des Krieges bestimmten Landmacht der einzelnen deutschen Staaten.
Der Reichsgewalt steht es zu, die Größe und Beschaffenheit der-
selben zu bestimmen. Diejenigen Staaten, welche als Contingent
weniger als 6000 Mann stellen, geben in Bezug auf das Heer-
wesen ihre Selbstständigkeit auf und werden in dieser Beziehung
entweder unter sich in größere Ganze verschmolzen, welche dann
unter der unmittelbaren Leitung der Reichsgewalt stehen, oder
insofern diese Verschmelzung nicht für angemessen befunden wird,
einem angrenzenden größern Staate angeschlossen. Jn beiden
Fällen haben die Landesregierungen dieser kleineren Staaten
keine weitere Einwirkung auf das Heerwesen, als ihnen von der
Reichsgewalt oder dem größern Staate ausdrücklich übertragen
wird.“

Die Debatte bietet keine bedeutenden Momente dar und wird
bald abgebrochen. Nach Wedekinds Ansicht soll es den kleinen
Staaten überlassen bleiben, welcher andern deutschen Kriegesmacht
sie sich anschließen wollen. v. Soiron erklärt sich gegen den Vor-
schlag des Wehrausschusses und empfiehlt dafür das Hans Rau-
mersche Amendement: „Ein Reichsgesetz wird bestimmen, in wel-
cher Weise diejenigen Staaten, aus deren ersten Heerbann keine
Division gebildet werden kann, in Beziehung auf ihr Heerwesen
unter sich in größere Ganze verschmolzen oder einem angrenzenden
größern Staate angeschlossen werden.“ Freese will den Absatz
des Paragraphen, der über die kleineren Truppenkörper handelt,
gestrichen wissen. Das später zu berathende Wehrgesetz werde der-
gleichen Einzelnheiten zu ordnen haben und dies thun, wenn zu-
gleich über die Mediatisirungen näher entschieden sey. Ruf nach
Schluß der Besprechung und Annahme desselben. Stavenha-
gen
vertheidigt noch die Ansichten des Wehrausschusses, nament-
lich die Bestimmung, daß statt 6000 Mann, schon das Minimum
von 5000 Mann hinreichend seyn solle zur Erhaltung der Heeres-
selbstständigkeit eines Staates. Ueber das nothwendige Maß „sey
aus einem bloßen Centralisationsgelüste“ nicht hinauszugehen. Der
sogenannte Professorenentwurf für die deutsche Verfassung habe eben
wegen seiner Bestimmungen über die Kriegesmacht so viel unruhiges
Mißfallen erregt. Aber auch der vorliegende §. 13. und der damit
zusammenhängende §. 14. enthalte wieder die Pandorabüchse der
Zwietracht. Mittermaiers Schlußbericht klingt etwas gereizt,
in Folge der Erwähnung des „Professorenentwurfes.“ Er setzt
ihr eine Hindeutung auf die Griesheimsche Schrift entgegen.
Auch die Worte: „zum Zwecke des Krieges,“ welche Stavenhagen
für unnütz erachtet, rechtfertigt er durch den Hinweis auf Schützen-
gilden, Leibgarden zum Schloßdienste , mit deren Verfügung die
Reichsmacht nichts zu schaffen haben werde. Durch einen aus-
drücklichen Beschluß erklärt die Versammlung vor der Abstim-
mung über den §., daß sie auch damit der Mediatisirungsfrage
nicht vorgreife.

Die Annahme des §. 13. erfolgt ebenfalls mit überwiegender
Majorität, durchaus in der oben angegebenen, von der Mehrheit
des Verfassungsausschusses gefaßten, heute modificirten Weise. Des-
gleichen wird, mit Verzicht auf die Discussion, ohne Abänderung
und Zusatz, zum Beschlusse erhoben §. 14.: „Die Reichsgewalt
hat in Betreff des Heerwesens die Gesetzgebung und die Organi-
sation; sie überwacht deren Durchführung in den einzelnen Staaten
durch fortdauernde Controle. Den einzelnen Staaten steht die Aus-
bildung ihres Kriegswesens auf Grund der Gesetze und Anordnungen
des Reiches zu. Sie haben die Verfügung über ihre bewaffnete Macht,
so weit dieselbe nicht für den Dienst des Reiches in Anspruch ge-
nommen wird.“

Ebenso §. 15.: „Jn den Fahneneid ist die Verpflichtung zur
Treue gegen das Reichsoberhaupt und die Reichsverfassung an
erster Stelle aufzunehmen.“ Dagegen wird §. 16. zwar ebenfalls
ohne Discussion, aber nach dem Verbesserungsvorschlage des
Wehrausschusses beliebt: „Alle durch Verwendung von
Truppen zu Reichszwecken entstehenden Kosten, welche die Aus-
gabe für den durch das Reich festgesetzten Friedensstand über-
steigen, fallen dem gesammten Reiche zur Last.“ Jngleichen wird
anstatt §. 17. des Verfassungsentwurfes der Verbesserungsantrag
des Wehrausschusses angenommen: „Ueber eine allgemeine, für
ganz Deutschland gleiche Wehrverfassung ergeht ein besonderes
Reichsgesetz.“

[Ende Spaltensatz]
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[0005] Beilage zum Mainzer Journal. Nro 134. Freitag, den 10. November. 1848. Verhandlungen der Nationalversammlung. Vom 9. November. Tagesordnung der 112. öffentl. Sitzung. Fortsetzung der Berathung über Artikel III. §. 13. und folgende des Verfassungsentwurfes nach vorgängiger Abstimmung über §. 12. Vorsitzender von Gagern zeigt an, daß er einen Brief des Abgeordneten Moritz Hartmann, Wien vom 4. Nov., empfangen, worin ihm die Verhaftung der Abgg. Robert Blum und Julius Fröbel gemeldet wird. Wesendonck interpellirt in Folge dieses Falles das Reichsministerium, indem er für die Ver- hafteten den Schutz des Gesetzes vom 10. October in Anspruch nimmt. Die Ministerbank ist noch nicht besetzt. Der Verfassungs- ausschuß zeigt also inzwischen unter dem beifälligen Zurufe des ganzen Hauses an, daß er der Reichsversammlung die unver- änderte Annahme der in Leipzig von den Bevollmächtig- ten aller deutschen Staaten berathenen Wechselordnung vor- zuschlagen habe. Der desfallsige Bericht sammt dem Entwurfe des Einführungsgesetzes wird demnächst eingebracht werden. Da- gegen soll dem Antrage Vogts und Venedey's, wegen der an die Schweiz erlassenen und in der O. P. A. Z. voreilig veröffent- lichten Note keine Folge gegeben werden. Eine Eingabe aus New=York, in Betreff der Besetzung des dort zu errichtenden Reichsconsulates für Nordamerika, wird dem Minister des Aus- wärtigen überwiesen. Auch über den Antrag Zimmermanns von Spandow, das Benehmen Wrangels bei der Niederlegung sei- nes Commando's als Reichsgeneral im schleswig=holstein. Kriege einer Mißbilligung zu unterwerfen, wird von dem einschlägigen Ausschusse die einfache Tagesordnung angerathen. Kriegsminister v. Peucker beantwortet heute Mohrs Anfrage wegen der Reichstruppen in Rheinhessen. Es seyen von der Centralgewalt im vollen Einverständnisse mit der großherzoglich hessischen Regierung im Ganzen 4000 Mann ( eine Brigade ) auf das linke Rheinufer gelegt worden, aus deren Ver- theilung über die Landschaft hervorgeht, daß Mohr mit großem Unrechte von einer Ueberschwemmung der Provinz durch Soldaten gesprochen, welcher die Anwesenheit der ihre Bedürfnisse baar zahlenden Truppen eher zum Vortheile, als zur Last gereiche. Dennoch stellt Mohr darauf den dringlichen Antrag, daß die in die Provinz Rheinhessen gelegten nicht landesangehörigen Truppen sofort zurückgezogen werden. Die Dringlichkeitsfrage wird jedoch verneint. Reichsminister der Justiz, v. Mohl, ist jetzt gegenwärtig und erklärt, daß er sich bereits an das österreichische verantwort- liche Ministerium der Justiz gewendet und unter Hinweis auf das Gesetz zum Schutze der Nationalversammlung beschleunigte Aus- kunft über die Verhaftung der Abgeordneten Blum und Fröbel verlangt habe. Einem Antrage Wiesners der bekannten ste- reotypen Art: auf Aufhebung des Belagerungszustandes in Wien, Niederschlagung aller politischen Untersuchungen , wird die Dringlichkeitsanerkenntniß ebenfalls verweigert und darauf zur Tagesordnung geschritten. Der Anblick der Gallerieen zeigt, daß die in Frankfurt stehenden Reichstruppen der so eben zu be- handelnden Frage des Verfassungsentwurfes eine rege Theil- nahme widmen. Die Zuhörerräume bieten eine reiche Muster- karte hessischer, preußischer, bayerischer Uniformen aller Grade und Waffengattungen dar. Die formellen Schwierigkeiten der Abstimmung über §. 12., welche die gestrige Vertagung herbeiführten, namentlich der Wunsch des Wehrausschusses, seine Vorschläge sogleich neben den Bestim- mungen des Verfassungsentwurfes berücksichtigt und beziehentlich in dieselben hineingewirkt zu sehen, sind auch heute nicht so bald gehoben. Endlich geht die Fragestellung in der Ordnung vor sich, daß die Gruppe der Anträge, welche der Reichsgewalt den größten Machtumfang einräumt, bei der Abstimmung den Vor- tritt erhält. Jn Folge davon wird mit fast einstimmiger Mehr- heit der Antrag des Verfassungsausschusses angenommen: Artikel III. §. 12.: „Der Reichsgewalt steht die gesammte bewaff- nete Macht Deutschlands zur Verfügung.“ Alle Zusätze und Ab- änderungen werden abgelehnt. Ueber den folgenden §. 13. sind gegen zwanzig Redner, meist um gegen den Paragraphen nach dem Verfassungsentwurfe zu sprechen, eingezeichnet. Mittermaier berichtet, daß sich die Mehrheit des Ausschusses zu folgender veränderter, mehrere Be- stimmungen der Minderheit adoptirenden Fassung des §. entschlos- sen. Er kommt demgemäß in nachstehender Form zur Discussion: §. 13.: „Das Reichsheer besteht aus der gesammten zum Zwecke des Krieges bestimmten Landmacht der einzelnen deutschen Staaten. Der Reichsgewalt steht es zu, die Größe und Beschaffenheit der- selben zu bestimmen. Diejenigen Staaten, welche als Contingent weniger als 6000 Mann stellen, geben in Bezug auf das Heer- wesen ihre Selbstständigkeit auf und werden in dieser Beziehung entweder unter sich in größere Ganze verschmolzen, welche dann unter der unmittelbaren Leitung der Reichsgewalt stehen, oder insofern diese Verschmelzung nicht für angemessen befunden wird, einem angrenzenden größern Staate angeschlossen. Jn beiden Fällen haben die Landesregierungen dieser kleineren Staaten keine weitere Einwirkung auf das Heerwesen, als ihnen von der Reichsgewalt oder dem größern Staate ausdrücklich übertragen wird.“ Die Debatte bietet keine bedeutenden Momente dar und wird bald abgebrochen. Nach Wedekinds Ansicht soll es den kleinen Staaten überlassen bleiben, welcher andern deutschen Kriegesmacht sie sich anschließen wollen. v. Soiron erklärt sich gegen den Vor- schlag des Wehrausschusses und empfiehlt dafür das Hans Rau- mersche Amendement: „Ein Reichsgesetz wird bestimmen, in wel- cher Weise diejenigen Staaten, aus deren ersten Heerbann keine Division gebildet werden kann, in Beziehung auf ihr Heerwesen unter sich in größere Ganze verschmolzen oder einem angrenzenden größern Staate angeschlossen werden.“ Freese will den Absatz des Paragraphen, der über die kleineren Truppenkörper handelt, gestrichen wissen. Das später zu berathende Wehrgesetz werde der- gleichen Einzelnheiten zu ordnen haben und dies thun, wenn zu- gleich über die Mediatisirungen näher entschieden sey. Ruf nach Schluß der Besprechung und Annahme desselben. Stavenha- gen vertheidigt noch die Ansichten des Wehrausschusses, nament- lich die Bestimmung, daß statt 6000 Mann, schon das Minimum von 5000 Mann hinreichend seyn solle zur Erhaltung der Heeres- selbstständigkeit eines Staates. Ueber das nothwendige Maß „sey aus einem bloßen Centralisationsgelüste“ nicht hinauszugehen. Der sogenannte Professorenentwurf für die deutsche Verfassung habe eben wegen seiner Bestimmungen über die Kriegesmacht so viel unruhiges Mißfallen erregt. Aber auch der vorliegende §. 13. und der damit zusammenhängende §. 14. enthalte wieder die Pandorabüchse der Zwietracht. Mittermaiers Schlußbericht klingt etwas gereizt, in Folge der Erwähnung des „Professorenentwurfes.“ Er setzt ihr eine Hindeutung auf die Griesheimsche Schrift entgegen. Auch die Worte: „zum Zwecke des Krieges,“ welche Stavenhagen für unnütz erachtet, rechtfertigt er durch den Hinweis auf Schützen- gilden, Leibgarden zum Schloßdienste , mit deren Verfügung die Reichsmacht nichts zu schaffen haben werde. Durch einen aus- drücklichen Beschluß erklärt die Versammlung vor der Abstim- mung über den §., daß sie auch damit der Mediatisirungsfrage nicht vorgreife. Die Annahme des §. 13. erfolgt ebenfalls mit überwiegender Majorität, durchaus in der oben angegebenen, von der Mehrheit des Verfassungsausschusses gefaßten, heute modificirten Weise. Des- gleichen wird, mit Verzicht auf die Discussion, ohne Abänderung und Zusatz, zum Beschlusse erhoben §. 14.: „Die Reichsgewalt hat in Betreff des Heerwesens die Gesetzgebung und die Organi- sation; sie überwacht deren Durchführung in den einzelnen Staaten durch fortdauernde Controle. Den einzelnen Staaten steht die Aus- bildung ihres Kriegswesens auf Grund der Gesetze und Anordnungen des Reiches zu. Sie haben die Verfügung über ihre bewaffnete Macht, so weit dieselbe nicht für den Dienst des Reiches in Anspruch ge- nommen wird.“ Ebenso §. 15.: „Jn den Fahneneid ist die Verpflichtung zur Treue gegen das Reichsoberhaupt und die Reichsverfassung an erster Stelle aufzunehmen.“ Dagegen wird §. 16. zwar ebenfalls ohne Discussion, aber nach dem Verbesserungsvorschlage des Wehrausschusses beliebt: „Alle durch Verwendung von Truppen zu Reichszwecken entstehenden Kosten, welche die Aus- gabe für den durch das Reich festgesetzten Friedensstand über- steigen, fallen dem gesammten Reiche zur Last.“ Jngleichen wird anstatt §. 17. des Verfassungsentwurfes der Verbesserungsantrag des Wehrausschusses angenommen: „Ueber eine allgemeine, für ganz Deutschland gleiche Wehrverfassung ergeht ein besonderes Reichsgesetz.“

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 134. Mainz, 9. November 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal134_1848/5>, abgerufen am 06.06.2024.