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Mainzer Journal. Nr. 134. Mainz, 9. November 1848.

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[Beginn Spaltensatz] Persönlichkeit für die Bildung des Ministeriums zurückführen; die
eigentliche Färbung wird freilich selbst für diesen Fall dasselbe
durch Mitglieder des linken Centrums erhalten. Jn officieller
Form ist bis diesen Augenblick, dies können wir als ziemlich zu-
verlässig hinzufügen, noch keiner der Parteiführer der Kammer
zum Könige berufen worden. [ Auch am 7. herrschte noch Unge-
wißheit, die Kammer schien theilnahmlos und ermüdet! Die
Linke hüllt ihre Parteiberathungen in ein geheimnißvolles Dun-
kel; man will indessen wissen, sie berathe über die geeignetsten
Mittel, die Nationalversammlung in einen Convent zu verwan-
deln. Offener zeigt sich das linke Centrum, obgleich seine Be-
schlüsse auch entschieden genug sind. Wenn bis zum Montag Graf
Brandenburg nicht zurückgetreten ist, beabsichtigt diese Partei,
auf Steuerverweigerung anzutragen und außerdem dem Antrage
der Linken beizustimmen, daß die Nationalversammlung eine
Commission ernenne, welche Verwaltungsmaßregeln vorschlagen
und geeignetenfalls ausführen und also eine provisorische Regie-
rung seyn würde. ]

Breslau 4. November. ( K. Z. ) Die Stadt ist sehr bewegt --
sämmtliche Vereine halten heute Abend Versammlung; es kleben
sogar geschriebene Aufforderungen an den Ecken. Seitdem das
Trauerspiel in Wien aufgeführt wird, wurde der oberschlesische
Bahnhof bei Ankunft der Wiener Züge immer von Tausenden
von Menschen besucht, um die neuesten Nachrichten sogleich zu er-
fabren. Seit heute zeigt sich eine gleiche Erscheinung bei dem
niederschlesischen Bahnhofe, weil Berlin, wie Wien vor wenigen
Tagen, jetzt fast ein ähnliches Jnteresse hervorruft. Möge dort
nicht ebenfalls ein Trauerspiel sich vorbereiten und Berlin nicht,
wie im März, eine Wiederholung der Wiener Ereignisse hervor-
bringen! Was ich Jhnen vor wenigen Tagen schrieb: ein Mi-
nisterium Brandenburg ist unmöglich,
hat sich bereits
bewahrheitet; möge es nicht auch die Befürchtung, daß man ent-
schlossen sey, dasselbe mit Gewalt durchzusetzen! Nachdem Wien
von den Truppen genommen, hat sich hier eine Freischaar von un-
gefähr 500 Mann gebildet, um den Wienern zu Hülfe zu eilen.
Wehe jedem Orte, dem sich diese Bande, sey es als Freund oder
Feind. naht! Breslau kann sich glücklich schätzen, wenn es die-
selbe los wird; aber es scheint fast, als habe man sich eines An-
dern besonnen und wolle sich jetzt für Berlin aufsparen, oder für
die eigene Vaterstadt, wenn es losgehen sollte. Jm letztern Falle
können wir hier auf das Aergste gefaßt seyn, denn die Gesetzlosig-
keit nimmt auf dem Lande immer mehr überhand, und es ist anzu-
nehmen, daß, sofern es zum Kampfe kommt, eine große Masse
auswärtigen Gesindels uns heimsuchen und plündern wird. Es
sind dies recht tröstliche Aussichten, besonders da wir bereits in
der Cholera einen recht angenehmen Gast zu verpflegen haben.

A-S Speyer 8. November. Es sind jetzt etwa vier Wochen
verflossen, seitdem wir in Jhrem geschätzten Blatte einen Bericht
lasen über das ungesetzliche Treiben des Volks= und Demokraten-
vereines zu Frankenthal, beziehungsweise jener Versammlung,
bei welcher die rechte Seite des Parlamentes wegen des Malmöer
Waffenstillstandes durch einen königlichen Bezirksrichter
dortselbst als Verräther des deutschen Volkes erklärt wurde. Ob
bis dato von der trübsinnigen, aller Energie unfähigen Verwal-
tungs- und Justizbehörde gegen diese Wühler eingeschritten und
der königliche Bezirksrichter, der seine amtliche Stellung so sehr
comprommittirt hat, verdientermaßen zur Rede gestellt worden
wäre, davon verlautet bis heute nicht das Mindeste; dagegen ver-
lautet aber, daß der oben bezeichnete Richter mittlerweile Candi-
dat geworden ist und Hoffnung hat zu unserer nächsten wichtigen
Ständeversammlung gewählt zu werden, wo die Herrschaft des
Rechtes ebenfalls durch eine Majorität festgesetzt werden soll,
welche dieser collegialische Beamte zu brandmarken sucht. Daß
unter solchen Verhältnissen die Wühler immer kecker und frecher
werden, beweist der vorgestrige Vorfall in Frankenthal.

Aus zuverlässiger Quelle wird uns Nachfolgendes berichtet:
Auf eine, von einem Frankfurter Reisenden überbrachte Nachricht,
"die Wiener und die Ungarn hätten gesiegt, und Fürst Windisch-
grätz sey ermordet worden," wurde solche sofort durch rothe
Maueranschläge an allen Straßenecken verkündet und zugleich die
Bürger Frankenthals zu einer Volksversammlung eingeladen.
Nach Beendigung derselben zogen Viele unter Vorantritt der
Schützen und Stadtwehrmusik bei Fackelschein durch die Stadt;
inmitten dieses Zuges trug ein bekanntes Subject -- an einer
hohen Stange befestigt, eine aus Stroh gefertigte Figur, laut
ausrufend: "dies ist der Fürst Windischgrätz!" Diesen impo-
santen Zug schlossen die würdigen Häupter der rothen Republik,
bestehend aus mehreren Rechtscandidaten und einer Anzahl Tur-
ner unter beständigen, den Siegern Wiens gebrachten Vivats.
Nachdem alle Straßen der Stadt durchwandert waren, kehrte
der ganze Zug auf den Marktplatz zurück und es wurde daselbst,
[Spaltenumbruch] unter dem Geschmetter der Pauken und Trompeten und den Hur-
rahs der Anwesenden, Fürst Windischgrätz in estigie ver-
brannt,
und dabei das Lied: "Aristokraten gehören gebraten,
Fürsten und Pfaffen gehören gehenkt," ingleichen auch die " Mar-
seillaise " abgesungen. Damit war der bedeutungsvolle Act be-
endigt, der zwar an und für sich lächerlich ist, aber die Brutalität
dieser Faction in auffallender Weise offenbart. Fragen wir nun,
wie sich die Polizeiverwaltungs= und Justizbehörden bei diesem,
alles Ehr= und Rechtsgefühl auf das Tiefste verletzenden Treiben
benommen hat? Diese Behörden standen mit einer eines Stoikers
würdigen Ruhe, aber auf eine mit der Stellung eines Beamten
überaus unwürdigen und unverantwortlichen Weise dabei und sahen
mit einer Behaglichkeit zu, die alle Begriffe jedes Rechtlichge-
sinnten überstieg. Wohin wird dieses schmachvolle Gebahren in
Frankenthal am Ende noch führen? -- Alle ruhigen und ord-
nungsliebenden Bürger, -- und deren Zahl soll nicht gering seyn,
sehen nicht ohne Besorgniß der Zukunft entgegen, wenn nicht die
Regierung endlich einmal aufhört, in ihrer ungebührlichen, mit
den Verordnungen des Reichsministeriums im vollsten Wider-
spruche stehenden Stellung zu beharren, und gegen diese Wühler,
welche öffentlich dem Gesetze und seinen Vollziehern Hohn spre-
chen, einschreitet und ihnen das Handwerk legt.

# Aus dem Westrich 7. November. Der durch den Abge-
ordneten Schmitt aus Kaiserslautern von Frankfurt aus mit-
redigirte und inspirirte "Bote für Stadt und Land," nebst der
berüchtigten "Speierer Zeitung" des Abgeordneten Kolb, die
thätigste Sämaschine von Schmähungen, Verläumdungen und
volksbetäubender Gift= und Tollkörner, namentlich beflissen, die
Centralgewalt und ihre Vertreter, so wie das Parlament herab-
zuwürdigen und verhaßt zu machen, enthält in Nro 157. vom 3.
November über Heckscher, der um seiner furchtlosen Ueber-
zeugungsfestigkeit willen in dem durch ähnliche Mittel, wie sie jetzt
in einem Theile der Pfalz im Schwange gehen, aufgeregten Höchst
ärgere Oualen erdulden mußte, als vielleicht selbst der edle Lich-
nowsky, -- über denselben Heckscher, der den Muth hatte, einer
wüthend aufgeregten Partei von der Tribune ins Gesicht zu sagen,
daß sie es sey, die die Einheit Deutschlands mit allen Mitteln zu
hintertreiben suche, -- folgende Worte, die Jhr Blatt erröthend
und nur um deswillen aufnehmen wird, um den Grad von Ent-
sittlichung an einem der vielen Beispiele vor Augen zu stellen, in
den unsere Pfälzer Presse verfallen ist. Es betrifft die in Turin
abgegebene Erklärung über die Unterstützung Oesterreichs durch
die Centralgewalt, im Falle der Erneuerung des Lombardenkrieges.
"Woher Herr Heckscher nur plötzlich den Kriegsmuth hat? Als
er mit "voller Hose" nach Turin rannte, da hat man wenigstens
nichts davon verspürt, obwohl er damals nicht im besten Geruche
stand. Wenn nur auch seine diplomatische Wirksamkeit in Turin
kein stinkendes Ende nimmt."

^ Aus Rheinhessen 8. November. Jüngsthin fanden sich
in Bingen mehrere Wahlmänner des hiesigen Wahlbezirkes
zusammen, um sich über die Wahl eines Deputirten nach Frank-
furt an die Stelle des dort verlebten Brunck von Fürfeld zu be-
sprechen. Früher wurde von der republikanisch gesinnten Partei
Mohr von Oberingelheim vorgeschlagen, von den Gemäßigten
Brunck, der dann auch mit bedeutender Mehrheit gewählt wurde.
Freilich hatte man sich an ihm getäuscht; denn in Frankfurt wurde
er immer mehr zur Linken hinübergezogen. Jetzt wurde nament-
lich von den aus dem Jngelheimer Grunde gegenwärtigen Wahl-
männern der ehemalige Redacteur Schütz von Mainz empfoh-
len, der, eben wegen des Frankfurter Aufstandes flüchtig, bald
wieder zurückkehren werde, da er die Zusicherung erhalten habe,
vor den Assissen abgeurtheilt zu werden. Von Seiten der ruhiger
gesinnten Wahlmänner brachte man den Obergerichtsrath Glau-
brech
und Advocat Lehne in Vorschlag. Auch ein gewisser
Vollmar von Kempten bei Bingen und Eberhard So-
herr,
Bauunternehmer von da, stellten sich als Candidaten
vor, wie es scheint, ohne weitere Beachtung. Ueber die Per-
sonen überhaupt konnte man sich nicht einigen und beschloß,
zu diesem Zwecke noch eine Versammlung in Wörrstadt abzu-
halten, wo sich aber wahrscheinlich die Parteien, die republi-
kanisch- und monarchischgesinnte auch nicht verständigen werden.
Ob wohl die letztere wieder, wie bei der Wahl Bruncks, ihren
Candidaten durchbringt; ob derselbe diesen Grundsätzen auch treu
bleibt; oder ob unterdessen die republikanische Gesinnung bedeu-
tend unter den Wahlmännern um sich gegriffen hat?

Frankfurt 8. November. ( D. A. ) Gestern Abend ist Herr
Unterstaatssecretär Bassermann im Auftrage des Reichs-
ministeriums des Jnnern nach Berlin abgereist. Der Reichscom-
missarius in der posenschen Angelegenheit, General v. Schäfer,
ist ebenfalls seit gestern Abend hier und rüstet sich zur Abreise. --
Dem Vernehmen nach werden die Jordansche Rede und die v.
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] Persönlichkeit für die Bildung des Ministeriums zurückführen; die
eigentliche Färbung wird freilich selbst für diesen Fall dasselbe
durch Mitglieder des linken Centrums erhalten. Jn officieller
Form ist bis diesen Augenblick, dies können wir als ziemlich zu-
verlässig hinzufügen, noch keiner der Parteiführer der Kammer
zum Könige berufen worden. [ Auch am 7. herrschte noch Unge-
wißheit, die Kammer schien theilnahmlos und ermüdet! Die
Linke hüllt ihre Parteiberathungen in ein geheimnißvolles Dun-
kel; man will indessen wissen, sie berathe über die geeignetsten
Mittel, die Nationalversammlung in einen Convent zu verwan-
deln. Offener zeigt sich das linke Centrum, obgleich seine Be-
schlüsse auch entschieden genug sind. Wenn bis zum Montag Graf
Brandenburg nicht zurückgetreten ist, beabsichtigt diese Partei,
auf Steuerverweigerung anzutragen und außerdem dem Antrage
der Linken beizustimmen, daß die Nationalversammlung eine
Commission ernenne, welche Verwaltungsmaßregeln vorschlagen
und geeignetenfalls ausführen und also eine provisorische Regie-
rung seyn würde. ]

Breslau 4. November. ( K. Z. ) Die Stadt ist sehr bewegt —
sämmtliche Vereine halten heute Abend Versammlung; es kleben
sogar geschriebene Aufforderungen an den Ecken. Seitdem das
Trauerspiel in Wien aufgeführt wird, wurde der oberschlesische
Bahnhof bei Ankunft der Wiener Züge immer von Tausenden
von Menschen besucht, um die neuesten Nachrichten sogleich zu er-
fabren. Seit heute zeigt sich eine gleiche Erscheinung bei dem
niederschlesischen Bahnhofe, weil Berlin, wie Wien vor wenigen
Tagen, jetzt fast ein ähnliches Jnteresse hervorruft. Möge dort
nicht ebenfalls ein Trauerspiel sich vorbereiten und Berlin nicht,
wie im März, eine Wiederholung der Wiener Ereignisse hervor-
bringen! Was ich Jhnen vor wenigen Tagen schrieb: ein Mi-
nisterium Brandenburg ist unmöglich,
hat sich bereits
bewahrheitet; möge es nicht auch die Befürchtung, daß man ent-
schlossen sey, dasselbe mit Gewalt durchzusetzen! Nachdem Wien
von den Truppen genommen, hat sich hier eine Freischaar von un-
gefähr 500 Mann gebildet, um den Wienern zu Hülfe zu eilen.
Wehe jedem Orte, dem sich diese Bande, sey es als Freund oder
Feind. naht! Breslau kann sich glücklich schätzen, wenn es die-
selbe los wird; aber es scheint fast, als habe man sich eines An-
dern besonnen und wolle sich jetzt für Berlin aufsparen, oder für
die eigene Vaterstadt, wenn es losgehen sollte. Jm letztern Falle
können wir hier auf das Aergste gefaßt seyn, denn die Gesetzlosig-
keit nimmt auf dem Lande immer mehr überhand, und es ist anzu-
nehmen, daß, sofern es zum Kampfe kommt, eine große Masse
auswärtigen Gesindels uns heimsuchen und plündern wird. Es
sind dies recht tröstliche Aussichten, besonders da wir bereits in
der Cholera einen recht angenehmen Gast zu verpflegen haben.

A-S Speyer 8. November. Es sind jetzt etwa vier Wochen
verflossen, seitdem wir in Jhrem geschätzten Blatte einen Bericht
lasen über das ungesetzliche Treiben des Volks= und Demokraten-
vereines zu Frankenthal, beziehungsweise jener Versammlung,
bei welcher die rechte Seite des Parlamentes wegen des Malmöer
Waffenstillstandes durch einen königlichen Bezirksrichter
dortselbst als Verräther des deutschen Volkes erklärt wurde. Ob
bis dato von der trübsinnigen, aller Energie unfähigen Verwal-
tungs- und Justizbehörde gegen diese Wühler eingeschritten und
der königliche Bezirksrichter, der seine amtliche Stellung so sehr
comprommittirt hat, verdientermaßen zur Rede gestellt worden
wäre, davon verlautet bis heute nicht das Mindeste; dagegen ver-
lautet aber, daß der oben bezeichnete Richter mittlerweile Candi-
dat geworden ist und Hoffnung hat zu unserer nächsten wichtigen
Ständeversammlung gewählt zu werden, wo die Herrschaft des
Rechtes ebenfalls durch eine Majorität festgesetzt werden soll,
welche dieser collegialische Beamte zu brandmarken sucht. Daß
unter solchen Verhältnissen die Wühler immer kecker und frecher
werden, beweist der vorgestrige Vorfall in Frankenthal.

Aus zuverlässiger Quelle wird uns Nachfolgendes berichtet:
Auf eine, von einem Frankfurter Reisenden überbrachte Nachricht,
„die Wiener und die Ungarn hätten gesiegt, und Fürst Windisch-
grätz sey ermordet worden,“ wurde solche sofort durch rothe
Maueranschläge an allen Straßenecken verkündet und zugleich die
Bürger Frankenthals zu einer Volksversammlung eingeladen.
Nach Beendigung derselben zogen Viele unter Vorantritt der
Schützen und Stadtwehrmusik bei Fackelschein durch die Stadt;
inmitten dieses Zuges trug ein bekanntes Subject — an einer
hohen Stange befestigt, eine aus Stroh gefertigte Figur, laut
ausrufend: „dies ist der Fürst Windischgrätz!“ Diesen impo-
santen Zug schlossen die würdigen Häupter der rothen Republik,
bestehend aus mehreren Rechtscandidaten und einer Anzahl Tur-
ner unter beständigen, den Siegern Wiens gebrachten Vivats.
Nachdem alle Straßen der Stadt durchwandert waren, kehrte
der ganze Zug auf den Marktplatz zurück und es wurde daselbst,
[Spaltenumbruch] unter dem Geschmetter der Pauken und Trompeten und den Hur-
rahs der Anwesenden, Fürst Windischgrätz in eſtigie ver-
brannt,
und dabei das Lied: „Aristokraten gehören gebraten,
Fürsten und Pfaffen gehören gehenkt,“ ingleichen auch die „ Mar-
seillaise “ abgesungen. Damit war der bedeutungsvolle Act be-
endigt, der zwar an und für sich lächerlich ist, aber die Brutalität
dieser Faction in auffallender Weise offenbart. Fragen wir nun,
wie sich die Polizeiverwaltungs= und Justizbehörden bei diesem,
alles Ehr= und Rechtsgefühl auf das Tiefste verletzenden Treiben
benommen hat? Diese Behörden standen mit einer eines Stoikers
würdigen Ruhe, aber auf eine mit der Stellung eines Beamten
überaus unwürdigen und unverantwortlichen Weise dabei und sahen
mit einer Behaglichkeit zu, die alle Begriffe jedes Rechtlichge-
sinnten überstieg. Wohin wird dieses schmachvolle Gebahren in
Frankenthal am Ende noch führen? — Alle ruhigen und ord-
nungsliebenden Bürger, — und deren Zahl soll nicht gering seyn,
sehen nicht ohne Besorgniß der Zukunft entgegen, wenn nicht die
Regierung endlich einmal aufhört, in ihrer ungebührlichen, mit
den Verordnungen des Reichsministeriums im vollsten Wider-
spruche stehenden Stellung zu beharren, und gegen diese Wühler,
welche öffentlich dem Gesetze und seinen Vollziehern Hohn spre-
chen, einschreitet und ihnen das Handwerk legt.

# Aus dem Westrich 7. November. Der durch den Abge-
ordneten Schmitt aus Kaiserslautern von Frankfurt aus mit-
redigirte und inspirirte „Bote für Stadt und Land,“ nebst der
berüchtigten „Speierer Zeitung“ des Abgeordneten Kolb, die
thätigste Sämaschine von Schmähungen, Verläumdungen und
volksbetäubender Gift= und Tollkörner, namentlich beflissen, die
Centralgewalt und ihre Vertreter, so wie das Parlament herab-
zuwürdigen und verhaßt zu machen, enthält in Nro 157. vom 3.
November über Heckscher, der um seiner furchtlosen Ueber-
zeugungsfestigkeit willen in dem durch ähnliche Mittel, wie sie jetzt
in einem Theile der Pfalz im Schwange gehen, aufgeregten Höchst
ärgere Oualen erdulden mußte, als vielleicht selbst der edle Lich-
nowsky, — über denselben Heckscher, der den Muth hatte, einer
wüthend aufgeregten Partei von der Tribune ins Gesicht zu sagen,
daß sie es sey, die die Einheit Deutschlands mit allen Mitteln zu
hintertreiben suche, — folgende Worte, die Jhr Blatt erröthend
und nur um deswillen aufnehmen wird, um den Grad von Ent-
sittlichung an einem der vielen Beispiele vor Augen zu stellen, in
den unsere Pfälzer Presse verfallen ist. Es betrifft die in Turin
abgegebene Erklärung über die Unterstützung Oesterreichs durch
die Centralgewalt, im Falle der Erneuerung des Lombardenkrieges.
„Woher Herr Heckscher nur plötzlich den Kriegsmuth hat? Als
er mit „voller Hose“ nach Turin rannte, da hat man wenigstens
nichts davon verspürt, obwohl er damals nicht im besten Geruche
stand. Wenn nur auch seine diplomatische Wirksamkeit in Turin
kein stinkendes Ende nimmt.“

△ Aus Rheinhessen 8. November. Jüngsthin fanden sich
in Bingen mehrere Wahlmänner des hiesigen Wahlbezirkes
zusammen, um sich über die Wahl eines Deputirten nach Frank-
furt an die Stelle des dort verlebten Brunck von Fürfeld zu be-
sprechen. Früher wurde von der republikanisch gesinnten Partei
Mohr von Oberingelheim vorgeschlagen, von den Gemäßigten
Brunck, der dann auch mit bedeutender Mehrheit gewählt wurde.
Freilich hatte man sich an ihm getäuscht; denn in Frankfurt wurde
er immer mehr zur Linken hinübergezogen. Jetzt wurde nament-
lich von den aus dem Jngelheimer Grunde gegenwärtigen Wahl-
männern der ehemalige Redacteur Schütz von Mainz empfoh-
len, der, eben wegen des Frankfurter Aufstandes flüchtig, bald
wieder zurückkehren werde, da er die Zusicherung erhalten habe,
vor den Assissen abgeurtheilt zu werden. Von Seiten der ruhiger
gesinnten Wahlmänner brachte man den Obergerichtsrath Glau-
brech
und Advocat Lehne in Vorschlag. Auch ein gewisser
Vollmar von Kempten bei Bingen und Eberhard So-
herr,
Bauunternehmer von da, stellten sich als Candidaten
vor, wie es scheint, ohne weitere Beachtung. Ueber die Per-
sonen überhaupt konnte man sich nicht einigen und beschloß,
zu diesem Zwecke noch eine Versammlung in Wörrstadt abzu-
halten, wo sich aber wahrscheinlich die Parteien, die republi-
kanisch- und monarchischgesinnte auch nicht verständigen werden.
Ob wohl die letztere wieder, wie bei der Wahl Bruncks, ihren
Candidaten durchbringt; ob derselbe diesen Grundsätzen auch treu
bleibt; oder ob unterdessen die republikanische Gesinnung bedeu-
tend unter den Wahlmännern um sich gegriffen hat?

Frankfurt 8. November. ( D. A. ) Gestern Abend ist Herr
Unterstaatssecretär Bassermann im Auftrage des Reichs-
ministeriums des Jnnern nach Berlin abgereist. Der Reichscom-
missarius in der posenschen Angelegenheit, General v. Schäfer,
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Dem Vernehmen nach werden die Jordansche Rede und die v.
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[0003] Persönlichkeit für die Bildung des Ministeriums zurückführen; die eigentliche Färbung wird freilich selbst für diesen Fall dasselbe durch Mitglieder des linken Centrums erhalten. Jn officieller Form ist bis diesen Augenblick, dies können wir als ziemlich zu- verlässig hinzufügen, noch keiner der Parteiführer der Kammer zum Könige berufen worden. [ Auch am 7. herrschte noch Unge- wißheit, die Kammer schien theilnahmlos und ermüdet! Die Linke hüllt ihre Parteiberathungen in ein geheimnißvolles Dun- kel; man will indessen wissen, sie berathe über die geeignetsten Mittel, die Nationalversammlung in einen Convent zu verwan- deln. Offener zeigt sich das linke Centrum, obgleich seine Be- schlüsse auch entschieden genug sind. Wenn bis zum Montag Graf Brandenburg nicht zurückgetreten ist, beabsichtigt diese Partei, auf Steuerverweigerung anzutragen und außerdem dem Antrage der Linken beizustimmen, daß die Nationalversammlung eine Commission ernenne, welche Verwaltungsmaßregeln vorschlagen und geeignetenfalls ausführen und also eine provisorische Regie- rung seyn würde. ] Breslau 4. November. ( K. Z. ) Die Stadt ist sehr bewegt — sämmtliche Vereine halten heute Abend Versammlung; es kleben sogar geschriebene Aufforderungen an den Ecken. Seitdem das Trauerspiel in Wien aufgeführt wird, wurde der oberschlesische Bahnhof bei Ankunft der Wiener Züge immer von Tausenden von Menschen besucht, um die neuesten Nachrichten sogleich zu er- fabren. Seit heute zeigt sich eine gleiche Erscheinung bei dem niederschlesischen Bahnhofe, weil Berlin, wie Wien vor wenigen Tagen, jetzt fast ein ähnliches Jnteresse hervorruft. Möge dort nicht ebenfalls ein Trauerspiel sich vorbereiten und Berlin nicht, wie im März, eine Wiederholung der Wiener Ereignisse hervor- bringen! Was ich Jhnen vor wenigen Tagen schrieb: ein Mi- nisterium Brandenburg ist unmöglich, hat sich bereits bewahrheitet; möge es nicht auch die Befürchtung, daß man ent- schlossen sey, dasselbe mit Gewalt durchzusetzen! Nachdem Wien von den Truppen genommen, hat sich hier eine Freischaar von un- gefähr 500 Mann gebildet, um den Wienern zu Hülfe zu eilen. Wehe jedem Orte, dem sich diese Bande, sey es als Freund oder Feind. naht! Breslau kann sich glücklich schätzen, wenn es die- selbe los wird; aber es scheint fast, als habe man sich eines An- dern besonnen und wolle sich jetzt für Berlin aufsparen, oder für die eigene Vaterstadt, wenn es losgehen sollte. Jm letztern Falle können wir hier auf das Aergste gefaßt seyn, denn die Gesetzlosig- keit nimmt auf dem Lande immer mehr überhand, und es ist anzu- nehmen, daß, sofern es zum Kampfe kommt, eine große Masse auswärtigen Gesindels uns heimsuchen und plündern wird. Es sind dies recht tröstliche Aussichten, besonders da wir bereits in der Cholera einen recht angenehmen Gast zu verpflegen haben. A-S Speyer 8. November. Es sind jetzt etwa vier Wochen verflossen, seitdem wir in Jhrem geschätzten Blatte einen Bericht lasen über das ungesetzliche Treiben des Volks= und Demokraten- vereines zu Frankenthal, beziehungsweise jener Versammlung, bei welcher die rechte Seite des Parlamentes wegen des Malmöer Waffenstillstandes durch einen königlichen Bezirksrichter dortselbst als Verräther des deutschen Volkes erklärt wurde. Ob bis dato von der trübsinnigen, aller Energie unfähigen Verwal- tungs- und Justizbehörde gegen diese Wühler eingeschritten und der königliche Bezirksrichter, der seine amtliche Stellung so sehr comprommittirt hat, verdientermaßen zur Rede gestellt worden wäre, davon verlautet bis heute nicht das Mindeste; dagegen ver- lautet aber, daß der oben bezeichnete Richter mittlerweile Candi- dat geworden ist und Hoffnung hat zu unserer nächsten wichtigen Ständeversammlung gewählt zu werden, wo die Herrschaft des Rechtes ebenfalls durch eine Majorität festgesetzt werden soll, welche dieser collegialische Beamte zu brandmarken sucht. Daß unter solchen Verhältnissen die Wühler immer kecker und frecher werden, beweist der vorgestrige Vorfall in Frankenthal. Aus zuverlässiger Quelle wird uns Nachfolgendes berichtet: Auf eine, von einem Frankfurter Reisenden überbrachte Nachricht, „die Wiener und die Ungarn hätten gesiegt, und Fürst Windisch- grätz sey ermordet worden,“ wurde solche sofort durch rothe Maueranschläge an allen Straßenecken verkündet und zugleich die Bürger Frankenthals zu einer Volksversammlung eingeladen. Nach Beendigung derselben zogen Viele unter Vorantritt der Schützen und Stadtwehrmusik bei Fackelschein durch die Stadt; inmitten dieses Zuges trug ein bekanntes Subject — an einer hohen Stange befestigt, eine aus Stroh gefertigte Figur, laut ausrufend: „dies ist der Fürst Windischgrätz!“ Diesen impo- santen Zug schlossen die würdigen Häupter der rothen Republik, bestehend aus mehreren Rechtscandidaten und einer Anzahl Tur- ner unter beständigen, den Siegern Wiens gebrachten Vivats. Nachdem alle Straßen der Stadt durchwandert waren, kehrte der ganze Zug auf den Marktplatz zurück und es wurde daselbst, unter dem Geschmetter der Pauken und Trompeten und den Hur- rahs der Anwesenden, Fürst Windischgrätz in eſtigie ver- brannt, und dabei das Lied: „Aristokraten gehören gebraten, Fürsten und Pfaffen gehören gehenkt,“ ingleichen auch die „ Mar- seillaise “ abgesungen. Damit war der bedeutungsvolle Act be- endigt, der zwar an und für sich lächerlich ist, aber die Brutalität dieser Faction in auffallender Weise offenbart. Fragen wir nun, wie sich die Polizeiverwaltungs= und Justizbehörden bei diesem, alles Ehr= und Rechtsgefühl auf das Tiefste verletzenden Treiben benommen hat? Diese Behörden standen mit einer eines Stoikers würdigen Ruhe, aber auf eine mit der Stellung eines Beamten überaus unwürdigen und unverantwortlichen Weise dabei und sahen mit einer Behaglichkeit zu, die alle Begriffe jedes Rechtlichge- sinnten überstieg. Wohin wird dieses schmachvolle Gebahren in Frankenthal am Ende noch führen? — Alle ruhigen und ord- nungsliebenden Bürger, — und deren Zahl soll nicht gering seyn, sehen nicht ohne Besorgniß der Zukunft entgegen, wenn nicht die Regierung endlich einmal aufhört, in ihrer ungebührlichen, mit den Verordnungen des Reichsministeriums im vollsten Wider- spruche stehenden Stellung zu beharren, und gegen diese Wühler, welche öffentlich dem Gesetze und seinen Vollziehern Hohn spre- chen, einschreitet und ihnen das Handwerk legt. # Aus dem Westrich 7. November. Der durch den Abge- ordneten Schmitt aus Kaiserslautern von Frankfurt aus mit- redigirte und inspirirte „Bote für Stadt und Land,“ nebst der berüchtigten „Speierer Zeitung“ des Abgeordneten Kolb, die thätigste Sämaschine von Schmähungen, Verläumdungen und volksbetäubender Gift= und Tollkörner, namentlich beflissen, die Centralgewalt und ihre Vertreter, so wie das Parlament herab- zuwürdigen und verhaßt zu machen, enthält in Nro 157. vom 3. November über Heckscher, der um seiner furchtlosen Ueber- zeugungsfestigkeit willen in dem durch ähnliche Mittel, wie sie jetzt in einem Theile der Pfalz im Schwange gehen, aufgeregten Höchst ärgere Oualen erdulden mußte, als vielleicht selbst der edle Lich- nowsky, — über denselben Heckscher, der den Muth hatte, einer wüthend aufgeregten Partei von der Tribune ins Gesicht zu sagen, daß sie es sey, die die Einheit Deutschlands mit allen Mitteln zu hintertreiben suche, — folgende Worte, die Jhr Blatt erröthend und nur um deswillen aufnehmen wird, um den Grad von Ent- sittlichung an einem der vielen Beispiele vor Augen zu stellen, in den unsere Pfälzer Presse verfallen ist. Es betrifft die in Turin abgegebene Erklärung über die Unterstützung Oesterreichs durch die Centralgewalt, im Falle der Erneuerung des Lombardenkrieges. „Woher Herr Heckscher nur plötzlich den Kriegsmuth hat? Als er mit „voller Hose“ nach Turin rannte, da hat man wenigstens nichts davon verspürt, obwohl er damals nicht im besten Geruche stand. Wenn nur auch seine diplomatische Wirksamkeit in Turin kein stinkendes Ende nimmt.“ △ Aus Rheinhessen 8. November. Jüngsthin fanden sich in Bingen mehrere Wahlmänner des hiesigen Wahlbezirkes zusammen, um sich über die Wahl eines Deputirten nach Frank- furt an die Stelle des dort verlebten Brunck von Fürfeld zu be- sprechen. Früher wurde von der republikanisch gesinnten Partei Mohr von Oberingelheim vorgeschlagen, von den Gemäßigten Brunck, der dann auch mit bedeutender Mehrheit gewählt wurde. Freilich hatte man sich an ihm getäuscht; denn in Frankfurt wurde er immer mehr zur Linken hinübergezogen. Jetzt wurde nament- lich von den aus dem Jngelheimer Grunde gegenwärtigen Wahl- männern der ehemalige Redacteur Schütz von Mainz empfoh- len, der, eben wegen des Frankfurter Aufstandes flüchtig, bald wieder zurückkehren werde, da er die Zusicherung erhalten habe, vor den Assissen abgeurtheilt zu werden. Von Seiten der ruhiger gesinnten Wahlmänner brachte man den Obergerichtsrath Glau- brech und Advocat Lehne in Vorschlag. Auch ein gewisser Vollmar von Kempten bei Bingen und Eberhard So- herr, Bauunternehmer von da, stellten sich als Candidaten vor, wie es scheint, ohne weitere Beachtung. Ueber die Per- sonen überhaupt konnte man sich nicht einigen und beschloß, zu diesem Zwecke noch eine Versammlung in Wörrstadt abzu- halten, wo sich aber wahrscheinlich die Parteien, die republi- kanisch- und monarchischgesinnte auch nicht verständigen werden. Ob wohl die letztere wieder, wie bei der Wahl Bruncks, ihren Candidaten durchbringt; ob derselbe diesen Grundsätzen auch treu bleibt; oder ob unterdessen die republikanische Gesinnung bedeu- tend unter den Wahlmännern um sich gegriffen hat? Frankfurt 8. November. ( D. A. ) Gestern Abend ist Herr Unterstaatssecretär Bassermann im Auftrage des Reichs- ministeriums des Jnnern nach Berlin abgereist. Der Reichscom- missarius in der posenschen Angelegenheit, General v. Schäfer, ist ebenfalls seit gestern Abend hier und rüstet sich zur Abreise. — Dem Vernehmen nach werden die Jordansche Rede und die v.

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Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 134. Mainz, 9. November 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal134_1848/3>, abgerufen am 06.06.2024.