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Mainzer Journal. Nr. 110. Mainz, 12. Oktober 1848.

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Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 110. Freitag, den 13. October. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.

Wien 8. October. ( Z. H. ) Der Reichstag war seit dem
6. October 5 Uhr Morgens bis gestern Nachts 10 Uhr perma-
nent. Die Minister Kraus und Hornbostl waren immer anwesend.
Die Commission zur Wahrung der Ruhe war auch in der Nacht
permanent. Die Proclamation an die Völker Oester-
reichs
von Schuselka abgefaßt ( s. unten ) , wurde vom Reichs-
tage angenommen. Heute um 9 Uhr Morgens wurde die Reichs-
tagsitzung eröffnet, als wichtigstes Resultat derselben sind erstens
folgende einstimmig angenommenen Anträge von Borrosch: 1 ) Der
Reichstag, welcher ohnehin als constituirender Reichstag vor Be-
endigung seiner Mission nicht auflösbar ist, erklärt auch, unter
den bedrohlichsten Umständen sich auf keine Weise aufzulösen,
und seiner Pflicht unerschütterlich treu zu bleiben. 2 ) Der Reichs-
tag ist ein untheilbares Ganzes, er vertritt alle Völker
Oesterreichs, die ihn beschickt haben. 3 ) Der Reichstag ist zufolge
des kaiserlichen Manifestes vom 6. Juni und freier Wahl des Volkes
das einzige legale constitutionelle Organ der Einigung zwischen dem
constitutionellen Monarchen und dem souveränen Volke zur Wahr-
ung der unverkümmerten Volksfreiheit und des erblichen Thrones.
4 ) Der Reichstag, bestehend aus den freien Vertretern freier Völ-
ker, wird keinem Abgeordneten einen moralischen Zwang zum Blei-
ben auferlegen. 5 ) Der Reichstag wird auf dem constitutionellen
Boden fest beharren, um von ihm aus, mit constitutionellen lega-
len Maßregeln, das Vaterland, die Volksfreiheit und den erblichen
Thron zu wahren. 6 ) Der Reichstag fordert alle mit oder ohne
Urlaub abwesenden Mitglieder auf, sich binnen längstens 14 Tagen
von heute ab im Reichtage einzufinden. Sie werden die Bedeu-
tung einiger Punkte besser würdigen können, wenn ich Jhnen sage,
daß ein großer Theil der czechischen Deputirten, und zwar alle
Häupter dieser Partei, Präsident Strohbach, Palackv, Rie-
ger
nicht in der Kammer anwesend sind, sondern wahrschein-
lich nach Prag gegangen und zwar dem Kaiser vorangegangen
sind; denn es heißt allgemein, daß auch dieser den Weg nach
Prag eingeschlagen habe. Schon träumen die Czechen ihren
Slavencongreß, oder als solchen den ganzen Reichstag in
Prag.

Der erste Arbeiterverein übersendet eine Adresse an den Reichs-
tag, worin er versichert, daß er gegen jede anarchische Bewegung
mit seinem Leben einstehen wolle, daß nur Volksfreiheit sein Ziel
sey, und daß er sich dem Reichstage, der dasselbe Ziel verfolge,
ganz zur Verfügung stelle. Lauter Beifall und Beschluß, diese
Adresse mit dem Wohlgefallen des Reichstages sogleich zu publi-
ciren. Die Zahl der anwesenden Mitglieder ist nach eben vor-
genommener Zählung 251. [ Es sollen deren unseres Wissens an
600 seyn. ] Die Commission des Reichstages zur Wahrung der
Ordnung ist sehr thätig, sie beabsichtigt, die bewaffneten Ar-
beiter zur mobilen Nationalgarde zu organisiren.

Eine Commission zur energischen Vertheidigung der Stadt ist
niedergesetzt, Oberst Catinelli und Oberst Stopnicky,
Reichstags=Deputirte und Officiere aus der polnischen
Armee,
stehen an der Spitze. Der neue Gemeinderath besorgt
eifrigst die Verproviantirung der Stadt.

Die oben erwähnte Proclamation an die Völker Oe-
sterreichs
lautet: Völker Oesterreich's! Die Folgen ver-
hängnißvoller Ereignisse drohen den kaum begonnenen Grundbau
unseres neuen Staatsgebäudes zu erschüttern. Der aus der freien
Wahl der Völker Oesterreichs hervorgegangene constituirende
Reichstag erkannte in den ersten Stunden des 6. Octobers die hei-
lige Pflicht, die er den Völker gegenüber zu erfüllen, und die schwere
Verantwortlichkeit, die er vor der Mit= und Nachwelt zu tragen hat.
Als das Band der gesetzlichen Ordnung zu zerreißen drohte, bemühte
sich der Reichstag, kraft seiner Völkermacht und durch Verständigung
mit dem Volke von Wien, der Reaction wie der Anarchie entge-
gen zu wirken. Er erklärte sich selber für permanent und wählte
zugleich aus seinen Mitgliedern einen permanenten Ausschuß zur
Erhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Aber der
constituirende Reichstag hielt auch die Stellung fest, die er dem
constitutionellen Throne gegenüber einnimmt und jederzeit uner-
schütterlich einnehmen wird. Er entsendete ein Deputation an Se.
Maj. den constitutionellen Kaiser, um im innigsten Verbande mit
dem allerhöchsten Träger der Souveränetät die Wünsche des sou-
veränen Volkes zu erfüllen und dessen heilige Jnteressen zu wah-
[Spaltenumbruch] ren. Jn stets bewährter Herzensgüte waren Se. Maj. sogleich
geneigt, die Männer, welche das Vertrauen des Volkes verloren
hatten, aus dem Ministerium zu entlassen [ nachdem man sie zuerst
todtgeschlagen ] , die Bildung eines neuen volksthümlichen Mini-
steriums zu verfügen und die aufrichtigste, den Jnteressen aller
Völker Oesterreichs wie den Zeitbedürfnissen entsprechende Berath-
ung der Angelegenheiten des großen Gesammtvaterlandes zuzu-
sichern. Leider wurden Se. Maj. am 7. October zu dem tief be-
klagenswerthen Entschluß bewogen, sich aus der Nähe der Haupt-
stadt zu entfernen! Dadurch ist das Vaterland, ist das Wohl und
die so herrlich errungene Freiheit unseres hoch berufenen Vater-
landes abermals in Gefahr. Rettung und Erhaltung der höchsten
Güter des Bürgers und des Menschen ist nur dadurch möglich,
daß das Volk von Wien, daß alle österreichischen Völker, die ein
Herz für ihr Vaterland haben, wieder jene thatkräftige, politische
Besonnenheit und jenen hochherzigen Edelmuth beweisen, wie
in den Tagen des Mai. Völker Oesterreichs! Volk von
Wien! Die Vorsehung hat uns einen eben so hohen als
schwierigen Beruf angewiesen, wir sollen ein Werk vollbrin-
gen, welches, wenn es gelingt, Alles übertreffen wird, was
die Weltgeschichte Großes und Herrliches aufzuweisen hat;
wir sollen einen politischen Staatsbau aufführen, der ver-
schiedene Völker zu einem brüderlichen Völkerstaate vereinigt,
dessen unerschütterliche Grundlage das gleiche Recht, dessen Le-
bensprincip die gleiche Freiheit Aller seyn soll. Völker Oester-
reichs! Der Reichstag ist fest entschlossen, für diesen hohen Beruf
das Seinige zu thun, thut auch Jhr das Eurige. Euer Vertrauen
hat uns berufen, nur durch Euer Vertrauen sind wir stark. Alles
was wir sind, sind wir durch Euch und wollen wir für Euch seyn.
Dem Gebote der Nothwendigkeit und dem Gesetze der constitutio-
nellen Monarchie folgend, hat der constituirende Reichstag heute
folgende Beschlüsse gefaßt. a ) Daß die Minister Dobblhof,
Hornbostl
und Kraus die Geschäfte aller Ministerien führen;
nicht nur für die Ordnung in dieser Geschäftsführung Sorge
tragen, sondern auch durch Beziehung neuer Kräfte den Erfolg
derselben sichern, endlich Sr. Majestat den Vorschlag der neu zu
ernennenden Minister schleunigst vorlegen und sich mit dem Reichs-
tage in ununterbrochener Verbindung erhalten. b ) Sey eine
Denkschrift an Se. Majestät aus Anlaß höchst Jhres Manifestes
zu erlassen. Darin soll der constitutionelle Kaiser über den wah-
ren Stand der Dinge aufgeklärt und Jhm aus ehrlichem Herzen
die Versicherung gegeben werden, daß die aufrichtige Liebe des
Volkes unerschütterlich für ihn ist. Völker Oesterreichs! Europa
blickt mit Bewunderung auf uns und die Geschichte hat unsere
Erhebung zur Freiheit unter ihre glänzendsten Thaten eingereiht.
Bleiben wir uns selber getreu, halten wir unerschütterlich fest an
der Achtung vor dem Gesetze, an der constitutionellen Monarchie,
an der Freiheit. Gott schütze Oesterreich! Smolka, Vicepräsi-
dent. Wieser, Schriftführer.

Wien 8. October. ( D. Z. ) Auersperg hat sich ( aus der
Stadt? ) zurückgezogen, die Nacht ist ruhig verlaufen. Doch hören
die Befürchtungen wegen der Entfernung des Kaisers nicht auf.
Ueber die Ermordung des Grafen Latour erfahren wir folgendes
Nähere: Die vom Reichstage abgesandte Commission, wobei
Borrosch, Smolka, Sierakowsky, Goldmark und
Fischhof sich befanden, wandten alle Kraft ihrer Rednergabe
an, das Volk abzuhalten; Borrosch sprach mit edler Begeisterung
zum Volke, und schon schien es, daß seine Worte Eingang finden
wollten in den aufgeregten Gemüthern, allein ein stärkerer Haufe
drang weiter, Sierakowsky sprach versöhnende Worte, allein
man antwortete ihm, Derjenige, der einen solchen Schuften noch
vertheidigen wolle, verdiene selbst gehenkt zu werden. Fischhof,
Goldmark, Smolka
bestrebten sich, die Gemüther zu beruh-
igen, sie sagten dem Volke, daß nur über ihre Leichen eine Un-
that an Latour geschehen könne, Garden versicherten auch der
Commission, den Minister zu schützen, der dem Reichstage über-
geben werden sollte, doch kaum entfernten sie sich ( warum
haben sie sich denn entfernt? ) , so brach die Wuth neuerdings aus,
es stürzte Einer aus dem Volke mit einer Hacke auf ihn zu und
gab ihm einen Hieb auf den Kopf ( den ersten Hammerschlag
wehrte Deputirter Fischhof von ihm ab, und Latour verschied in
seinen Armen mit den Worten: " ich bin tausendmal vor
Kanonen gestanden, ich habe ein gutes Gewis-
[Ende Spaltensatz]

Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 110. Freitag, den 13. October. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.

Wien 8. October. ( Z. H. ) Der Reichstag war seit dem
6. October 5 Uhr Morgens bis gestern Nachts 10 Uhr perma-
nent. Die Minister Kraus und Hornbostl waren immer anwesend.
Die Commission zur Wahrung der Ruhe war auch in der Nacht
permanent. Die Proclamation an die Völker Oester-
reichs
von Schuselka abgefaßt ( s. unten ) , wurde vom Reichs-
tage angenommen. Heute um 9 Uhr Morgens wurde die Reichs-
tagsitzung eröffnet, als wichtigstes Resultat derselben sind erstens
folgende einstimmig angenommenen Anträge von Borrosch: 1 ) Der
Reichstag, welcher ohnehin als constituirender Reichstag vor Be-
endigung seiner Mission nicht auflösbar ist, erklärt auch, unter
den bedrohlichsten Umständen sich auf keine Weise aufzulösen,
und seiner Pflicht unerschütterlich treu zu bleiben. 2 ) Der Reichs-
tag ist ein untheilbares Ganzes, er vertritt alle Völker
Oesterreichs, die ihn beschickt haben. 3 ) Der Reichstag ist zufolge
des kaiserlichen Manifestes vom 6. Juni und freier Wahl des Volkes
das einzige legale constitutionelle Organ der Einigung zwischen dem
constitutionellen Monarchen und dem souveränen Volke zur Wahr-
ung der unverkümmerten Volksfreiheit und des erblichen Thrones.
4 ) Der Reichstag, bestehend aus den freien Vertretern freier Völ-
ker, wird keinem Abgeordneten einen moralischen Zwang zum Blei-
ben auferlegen. 5 ) Der Reichstag wird auf dem constitutionellen
Boden fest beharren, um von ihm aus, mit constitutionellen lega-
len Maßregeln, das Vaterland, die Volksfreiheit und den erblichen
Thron zu wahren. 6 ) Der Reichstag fordert alle mit oder ohne
Urlaub abwesenden Mitglieder auf, sich binnen längstens 14 Tagen
von heute ab im Reichtage einzufinden. Sie werden die Bedeu-
tung einiger Punkte besser würdigen können, wenn ich Jhnen sage,
daß ein großer Theil der czechischen Deputirten, und zwar alle
Häupter dieser Partei, Präsident Strohbach, Palackv, Rie-
ger
nicht in der Kammer anwesend sind, sondern wahrschein-
lich nach Prag gegangen und zwar dem Kaiser vorangegangen
sind; denn es heißt allgemein, daß auch dieser den Weg nach
Prag eingeschlagen habe. Schon träumen die Czechen ihren
Slavencongreß, oder als solchen den ganzen Reichstag in
Prag.

Der erste Arbeiterverein übersendet eine Adresse an den Reichs-
tag, worin er versichert, daß er gegen jede anarchische Bewegung
mit seinem Leben einstehen wolle, daß nur Volksfreiheit sein Ziel
sey, und daß er sich dem Reichstage, der dasselbe Ziel verfolge,
ganz zur Verfügung stelle. Lauter Beifall und Beschluß, diese
Adresse mit dem Wohlgefallen des Reichstages sogleich zu publi-
ciren. Die Zahl der anwesenden Mitglieder ist nach eben vor-
genommener Zählung 251. [ Es sollen deren unseres Wissens an
600 seyn. ] Die Commission des Reichstages zur Wahrung der
Ordnung ist sehr thätig, sie beabsichtigt, die bewaffneten Ar-
beiter zur mobilen Nationalgarde zu organisiren.

Eine Commission zur energischen Vertheidigung der Stadt ist
niedergesetzt, Oberst Catinelli und Oberst Stopnicky,
Reichstags=Deputirte und Officiere aus der polnischen
Armee,
stehen an der Spitze. Der neue Gemeinderath besorgt
eifrigst die Verproviantirung der Stadt.

Die oben erwähnte Proclamation an die Völker Oe-
sterreichs
lautet: Völker Oesterreich's! Die Folgen ver-
hängnißvoller Ereignisse drohen den kaum begonnenen Grundbau
unseres neuen Staatsgebäudes zu erschüttern. Der aus der freien
Wahl der Völker Oesterreichs hervorgegangene constituirende
Reichstag erkannte in den ersten Stunden des 6. Octobers die hei-
lige Pflicht, die er den Völker gegenüber zu erfüllen, und die schwere
Verantwortlichkeit, die er vor der Mit= und Nachwelt zu tragen hat.
Als das Band der gesetzlichen Ordnung zu zerreißen drohte, bemühte
sich der Reichstag, kraft seiner Völkermacht und durch Verständigung
mit dem Volke von Wien, der Reaction wie der Anarchie entge-
gen zu wirken. Er erklärte sich selber für permanent und wählte
zugleich aus seinen Mitgliedern einen permanenten Ausschuß zur
Erhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Aber der
constituirende Reichstag hielt auch die Stellung fest, die er dem
constitutionellen Throne gegenüber einnimmt und jederzeit uner-
schütterlich einnehmen wird. Er entsendete ein Deputation an Se.
Maj. den constitutionellen Kaiser, um im innigsten Verbande mit
dem allerhöchsten Träger der Souveränetät die Wünsche des sou-
veränen Volkes zu erfüllen und dessen heilige Jnteressen zu wah-
[Spaltenumbruch] ren. Jn stets bewährter Herzensgüte waren Se. Maj. sogleich
geneigt, die Männer, welche das Vertrauen des Volkes verloren
hatten, aus dem Ministerium zu entlassen [ nachdem man sie zuerst
todtgeschlagen ] , die Bildung eines neuen volksthümlichen Mini-
steriums zu verfügen und die aufrichtigste, den Jnteressen aller
Völker Oesterreichs wie den Zeitbedürfnissen entsprechende Berath-
ung der Angelegenheiten des großen Gesammtvaterlandes zuzu-
sichern. Leider wurden Se. Maj. am 7. October zu dem tief be-
klagenswerthen Entschluß bewogen, sich aus der Nähe der Haupt-
stadt zu entfernen! Dadurch ist das Vaterland, ist das Wohl und
die so herrlich errungene Freiheit unseres hoch berufenen Vater-
landes abermals in Gefahr. Rettung und Erhaltung der höchsten
Güter des Bürgers und des Menschen ist nur dadurch möglich,
daß das Volk von Wien, daß alle österreichischen Völker, die ein
Herz für ihr Vaterland haben, wieder jene thatkräftige, politische
Besonnenheit und jenen hochherzigen Edelmuth beweisen, wie
in den Tagen des Mai. Völker Oesterreichs! Volk von
Wien! Die Vorsehung hat uns einen eben so hohen als
schwierigen Beruf angewiesen, wir sollen ein Werk vollbrin-
gen, welches, wenn es gelingt, Alles übertreffen wird, was
die Weltgeschichte Großes und Herrliches aufzuweisen hat;
wir sollen einen politischen Staatsbau aufführen, der ver-
schiedene Völker zu einem brüderlichen Völkerstaate vereinigt,
dessen unerschütterliche Grundlage das gleiche Recht, dessen Le-
bensprincip die gleiche Freiheit Aller seyn soll. Völker Oester-
reichs! Der Reichstag ist fest entschlossen, für diesen hohen Beruf
das Seinige zu thun, thut auch Jhr das Eurige. Euer Vertrauen
hat uns berufen, nur durch Euer Vertrauen sind wir stark. Alles
was wir sind, sind wir durch Euch und wollen wir für Euch seyn.
Dem Gebote der Nothwendigkeit und dem Gesetze der constitutio-
nellen Monarchie folgend, hat der constituirende Reichstag heute
folgende Beschlüsse gefaßt. a ) Daß die Minister Dobblhof,
Hornbostl
und Kraus die Geschäfte aller Ministerien führen;
nicht nur für die Ordnung in dieser Geschäftsführung Sorge
tragen, sondern auch durch Beziehung neuer Kräfte den Erfolg
derselben sichern, endlich Sr. Majestat den Vorschlag der neu zu
ernennenden Minister schleunigst vorlegen und sich mit dem Reichs-
tage in ununterbrochener Verbindung erhalten. b ) Sey eine
Denkschrift an Se. Majestät aus Anlaß höchst Jhres Manifestes
zu erlassen. Darin soll der constitutionelle Kaiser über den wah-
ren Stand der Dinge aufgeklärt und Jhm aus ehrlichem Herzen
die Versicherung gegeben werden, daß die aufrichtige Liebe des
Volkes unerschütterlich für ihn ist. Völker Oesterreichs! Europa
blickt mit Bewunderung auf uns und die Geschichte hat unsere
Erhebung zur Freiheit unter ihre glänzendsten Thaten eingereiht.
Bleiben wir uns selber getreu, halten wir unerschütterlich fest an
der Achtung vor dem Gesetze, an der constitutionellen Monarchie,
an der Freiheit. Gott schütze Oesterreich! Smolka, Vicepräsi-
dent. Wieser, Schriftführer.

Wien 8. October. ( D. Z. ) Auersperg hat sich ( aus der
Stadt? ) zurückgezogen, die Nacht ist ruhig verlaufen. Doch hören
die Befürchtungen wegen der Entfernung des Kaisers nicht auf.
Ueber die Ermordung des Grafen Latour erfahren wir folgendes
Nähere: Die vom Reichstage abgesandte Commission, wobei
Borrosch, Smolka, Sierakowsky, Goldmark und
Fischhof sich befanden, wandten alle Kraft ihrer Rednergabe
an, das Volk abzuhalten; Borrosch sprach mit edler Begeisterung
zum Volke, und schon schien es, daß seine Worte Eingang finden
wollten in den aufgeregten Gemüthern, allein ein stärkerer Haufe
drang weiter, Sierakowsky sprach versöhnende Worte, allein
man antwortete ihm, Derjenige, der einen solchen Schuften noch
vertheidigen wolle, verdiene selbst gehenkt zu werden. Fischhof,
Goldmark, Smolka
bestrebten sich, die Gemüther zu beruh-
igen, sie sagten dem Volke, daß nur über ihre Leichen eine Un-
that an Latour geschehen könne, Garden versicherten auch der
Commission, den Minister zu schützen, der dem Reichstage über-
geben werden sollte, doch kaum entfernten sie sich ( warum
haben sie sich denn entfernt? ) , so brach die Wuth neuerdings aus,
es stürzte Einer aus dem Volke mit einer Hacke auf ihn zu und
gab ihm einen Hieb auf den Kopf ( den ersten Hammerschlag
wehrte Deputirter Fischhof von ihm ab, und Latour verschied in
seinen Armen mit den Worten: „ ich bin tausendmal vor
Kanonen gestanden, ich habe ein gutes Gewis-
[Ende Spaltensatz]

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[0005] Beilage zum Mainzer Journal. Nro 110. Freitag, den 13. October. 1848. Deutschland. Wien 8. October. ( Z. H. ) Der Reichstag war seit dem 6. October 5 Uhr Morgens bis gestern Nachts 10 Uhr perma- nent. Die Minister Kraus und Hornbostl waren immer anwesend. Die Commission zur Wahrung der Ruhe war auch in der Nacht permanent. Die Proclamation an die Völker Oester- reichs von Schuselka abgefaßt ( s. unten ) , wurde vom Reichs- tage angenommen. Heute um 9 Uhr Morgens wurde die Reichs- tagsitzung eröffnet, als wichtigstes Resultat derselben sind erstens folgende einstimmig angenommenen Anträge von Borrosch: 1 ) Der Reichstag, welcher ohnehin als constituirender Reichstag vor Be- endigung seiner Mission nicht auflösbar ist, erklärt auch, unter den bedrohlichsten Umständen sich auf keine Weise aufzulösen, und seiner Pflicht unerschütterlich treu zu bleiben. 2 ) Der Reichs- tag ist ein untheilbares Ganzes, er vertritt alle Völker Oesterreichs, die ihn beschickt haben. 3 ) Der Reichstag ist zufolge des kaiserlichen Manifestes vom 6. Juni und freier Wahl des Volkes das einzige legale constitutionelle Organ der Einigung zwischen dem constitutionellen Monarchen und dem souveränen Volke zur Wahr- ung der unverkümmerten Volksfreiheit und des erblichen Thrones. 4 ) Der Reichstag, bestehend aus den freien Vertretern freier Völ- ker, wird keinem Abgeordneten einen moralischen Zwang zum Blei- ben auferlegen. 5 ) Der Reichstag wird auf dem constitutionellen Boden fest beharren, um von ihm aus, mit constitutionellen lega- len Maßregeln, das Vaterland, die Volksfreiheit und den erblichen Thron zu wahren. 6 ) Der Reichstag fordert alle mit oder ohne Urlaub abwesenden Mitglieder auf, sich binnen längstens 14 Tagen von heute ab im Reichtage einzufinden. Sie werden die Bedeu- tung einiger Punkte besser würdigen können, wenn ich Jhnen sage, daß ein großer Theil der czechischen Deputirten, und zwar alle Häupter dieser Partei, Präsident Strohbach, Palackv, Rie- ger nicht in der Kammer anwesend sind, sondern wahrschein- lich nach Prag gegangen und zwar dem Kaiser vorangegangen sind; denn es heißt allgemein, daß auch dieser den Weg nach Prag eingeschlagen habe. Schon träumen die Czechen ihren Slavencongreß, oder als solchen den ganzen Reichstag in Prag. Der erste Arbeiterverein übersendet eine Adresse an den Reichs- tag, worin er versichert, daß er gegen jede anarchische Bewegung mit seinem Leben einstehen wolle, daß nur Volksfreiheit sein Ziel sey, und daß er sich dem Reichstage, der dasselbe Ziel verfolge, ganz zur Verfügung stelle. Lauter Beifall und Beschluß, diese Adresse mit dem Wohlgefallen des Reichstages sogleich zu publi- ciren. Die Zahl der anwesenden Mitglieder ist nach eben vor- genommener Zählung 251. [ Es sollen deren unseres Wissens an 600 seyn. ] Die Commission des Reichstages zur Wahrung der Ordnung ist sehr thätig, sie beabsichtigt, die bewaffneten Ar- beiter zur mobilen Nationalgarde zu organisiren. Eine Commission zur energischen Vertheidigung der Stadt ist niedergesetzt, Oberst Catinelli und Oberst Stopnicky, Reichstags=Deputirte und Officiere aus der polnischen Armee, stehen an der Spitze. Der neue Gemeinderath besorgt eifrigst die Verproviantirung der Stadt. Die oben erwähnte Proclamation an die Völker Oe- sterreichs lautet: Völker Oesterreich's! Die Folgen ver- hängnißvoller Ereignisse drohen den kaum begonnenen Grundbau unseres neuen Staatsgebäudes zu erschüttern. Der aus der freien Wahl der Völker Oesterreichs hervorgegangene constituirende Reichstag erkannte in den ersten Stunden des 6. Octobers die hei- lige Pflicht, die er den Völker gegenüber zu erfüllen, und die schwere Verantwortlichkeit, die er vor der Mit= und Nachwelt zu tragen hat. Als das Band der gesetzlichen Ordnung zu zerreißen drohte, bemühte sich der Reichstag, kraft seiner Völkermacht und durch Verständigung mit dem Volke von Wien, der Reaction wie der Anarchie entge- gen zu wirken. Er erklärte sich selber für permanent und wählte zugleich aus seinen Mitgliedern einen permanenten Ausschuß zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Aber der constituirende Reichstag hielt auch die Stellung fest, die er dem constitutionellen Throne gegenüber einnimmt und jederzeit uner- schütterlich einnehmen wird. Er entsendete ein Deputation an Se. Maj. den constitutionellen Kaiser, um im innigsten Verbande mit dem allerhöchsten Träger der Souveränetät die Wünsche des sou- veränen Volkes zu erfüllen und dessen heilige Jnteressen zu wah- ren. Jn stets bewährter Herzensgüte waren Se. Maj. sogleich geneigt, die Männer, welche das Vertrauen des Volkes verloren hatten, aus dem Ministerium zu entlassen [ nachdem man sie zuerst todtgeschlagen ] , die Bildung eines neuen volksthümlichen Mini- steriums zu verfügen und die aufrichtigste, den Jnteressen aller Völker Oesterreichs wie den Zeitbedürfnissen entsprechende Berath- ung der Angelegenheiten des großen Gesammtvaterlandes zuzu- sichern. Leider wurden Se. Maj. am 7. October zu dem tief be- klagenswerthen Entschluß bewogen, sich aus der Nähe der Haupt- stadt zu entfernen! Dadurch ist das Vaterland, ist das Wohl und die so herrlich errungene Freiheit unseres hoch berufenen Vater- landes abermals in Gefahr. Rettung und Erhaltung der höchsten Güter des Bürgers und des Menschen ist nur dadurch möglich, daß das Volk von Wien, daß alle österreichischen Völker, die ein Herz für ihr Vaterland haben, wieder jene thatkräftige, politische Besonnenheit und jenen hochherzigen Edelmuth beweisen, wie in den Tagen des Mai. Völker Oesterreichs! Volk von Wien! Die Vorsehung hat uns einen eben so hohen als schwierigen Beruf angewiesen, wir sollen ein Werk vollbrin- gen, welches, wenn es gelingt, Alles übertreffen wird, was die Weltgeschichte Großes und Herrliches aufzuweisen hat; wir sollen einen politischen Staatsbau aufführen, der ver- schiedene Völker zu einem brüderlichen Völkerstaate vereinigt, dessen unerschütterliche Grundlage das gleiche Recht, dessen Le- bensprincip die gleiche Freiheit Aller seyn soll. Völker Oester- reichs! Der Reichstag ist fest entschlossen, für diesen hohen Beruf das Seinige zu thun, thut auch Jhr das Eurige. Euer Vertrauen hat uns berufen, nur durch Euer Vertrauen sind wir stark. Alles was wir sind, sind wir durch Euch und wollen wir für Euch seyn. Dem Gebote der Nothwendigkeit und dem Gesetze der constitutio- nellen Monarchie folgend, hat der constituirende Reichstag heute folgende Beschlüsse gefaßt. a ) Daß die Minister Dobblhof, Hornbostl und Kraus die Geschäfte aller Ministerien führen; nicht nur für die Ordnung in dieser Geschäftsführung Sorge tragen, sondern auch durch Beziehung neuer Kräfte den Erfolg derselben sichern, endlich Sr. Majestat den Vorschlag der neu zu ernennenden Minister schleunigst vorlegen und sich mit dem Reichs- tage in ununterbrochener Verbindung erhalten. b ) Sey eine Denkschrift an Se. Majestät aus Anlaß höchst Jhres Manifestes zu erlassen. Darin soll der constitutionelle Kaiser über den wah- ren Stand der Dinge aufgeklärt und Jhm aus ehrlichem Herzen die Versicherung gegeben werden, daß die aufrichtige Liebe des Volkes unerschütterlich für ihn ist. Völker Oesterreichs! Europa blickt mit Bewunderung auf uns und die Geschichte hat unsere Erhebung zur Freiheit unter ihre glänzendsten Thaten eingereiht. Bleiben wir uns selber getreu, halten wir unerschütterlich fest an der Achtung vor dem Gesetze, an der constitutionellen Monarchie, an der Freiheit. Gott schütze Oesterreich! Smolka, Vicepräsi- dent. Wieser, Schriftführer. Wien 8. October. ( D. Z. ) Auersperg hat sich ( aus der Stadt? ) zurückgezogen, die Nacht ist ruhig verlaufen. Doch hören die Befürchtungen wegen der Entfernung des Kaisers nicht auf. Ueber die Ermordung des Grafen Latour erfahren wir folgendes Nähere: Die vom Reichstage abgesandte Commission, wobei Borrosch, Smolka, Sierakowsky, Goldmark und Fischhof sich befanden, wandten alle Kraft ihrer Rednergabe an, das Volk abzuhalten; Borrosch sprach mit edler Begeisterung zum Volke, und schon schien es, daß seine Worte Eingang finden wollten in den aufgeregten Gemüthern, allein ein stärkerer Haufe drang weiter, Sierakowsky sprach versöhnende Worte, allein man antwortete ihm, Derjenige, der einen solchen Schuften noch vertheidigen wolle, verdiene selbst gehenkt zu werden. Fischhof, Goldmark, Smolka bestrebten sich, die Gemüther zu beruh- igen, sie sagten dem Volke, daß nur über ihre Leichen eine Un- that an Latour geschehen könne, Garden versicherten auch der Commission, den Minister zu schützen, der dem Reichstage über- geben werden sollte, doch kaum entfernten sie sich ( warum haben sie sich denn entfernt? ) , so brach die Wuth neuerdings aus, es stürzte Einer aus dem Volke mit einer Hacke auf ihn zu und gab ihm einen Hieb auf den Kopf ( den ersten Hammerschlag wehrte Deputirter Fischhof von ihm ab, und Latour verschied in seinen Armen mit den Worten: „ ich bin tausendmal vor Kanonen gestanden, ich habe ein gutes Gewis-

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 110. Mainz, 12. Oktober 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal110_1848/5>, abgerufen am 20.07.2024.