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Mainzer Journal. Nr. 107. Mainz, 9. Oktober 1848.

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Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 107. Dienstag, den 10. October. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Verhandlungen der Nationalversammlung.
Vom 9. October.

Den Vorsitz führt v. Gagern. Nachdem v. Reden und
Eisenstuck wieder Dinge in Anregung gebracht, für die es auch
später noch Zeit genug wäre, gilt eine Bemerkung Jordan's
von Berlin den Austrittsanzeigen aus der Nationalversammlung.
Jordan will mit Recht, daß Niemand die Nationalversammlung
verlasse, ohne daß zuvor sein Stellvertreter eingetroffen. Für
das Büreau ertheilt Jucho Auskunft über die inzwischentliche
Verlegung der Sitzungen in den mit Gallerie versehenen Saal
des Weidenbusches, um Raum und Zeit zur Herstellung von
Heizungsvorrichtungen in der Paulskirche zu gewinnen. Jm
Namen v. Stavenhagen's wird darauf folgende Erklärung
verlesen und von der Versammlung mit Beifall empfangen: "Jn
wie weit die von mir in der letzten Sitzung gemachte Aeußerung
in dem unmittelbar Vorangegangenen einige Entschuldigung fin-
det, muß ich dem Urtheil der hohen Versammlung anheimstellen.
Zur Sache selbst aber fühle ich mich durch die Achtung, welche ich
der hohen Versammlung schuldig bin, gedrungen, ganz abgesehen
von dem Ergebniß der Ausschußberathung, aus eigener freier
Bewegung vorweg zu erklären, daß ich es lebhaft bedaure, wenn
ich durch jene in der ersten unbewachten Aufwallung gemachte
Aeußerung die Schranken, in denen sich jedes Mitglied halten
muß, überschritten und dadurch in der hohen Versammlung An-
stoß gegeben habe." Es ist bereits hinlänglich bekannt, worauf
sich v. Stavenhagens Erklärung bezieht. Er ließ sich nämlich
durch das Benehmen, welches Rosler von Oels der Rüge des
Präsidenten v. Gagern entgegensetzte, zu einer Aeußerung hin-
reißen, nach welcher Herr Rösler, und wenn nöthig sogar mit
Gewalt, sofort aus der Versammlung zu entfernen gewesen seyn
würde.

Es erfolgt hierauf die Abstimmung über den in letzter Sitzung
berathenen Gesetzesvorschlag zum Schutze der National-
versammlung
und an diesem dem Anscheine nach rein formel-
len Geschäfte verbraucht sich durch Streitigkeiten über Fragestellung
und namentliche Abstimmungen der ganze heutige Parlamentstag.
Die Annahme erfolgt in folgender Fassung:

Art. 1. nach Mühlfeld's Verbesserungsantrage ( auf Zäh-
lung mit 199 gegen 192 St. angenommen ) : "Ein gewaltsamer
Angriff auf die Reichsversammlung in der Absicht, dieselbe aus-
einander zu treiben, oder Mitglieder aus ihr zu entfernen, oder
die Versammlung zur Fassung oder Unterlassung eines Beschlus-
ses zu zwingen, ist Hochverrath und wird mit Gefängnißstrafe
und nach Verhältniß der Umstände Zuchthausstrafe bis zu 20 J.
bestraft." Dazu noch folgender Zusatz Schoder's: "Wer zu
solchen Handlungen öffentlich auffordert, wird nach richterlichem
Ermessen bestraft." Ein anderer Zusatz Schoders hingegen, daß
die auf eine Nähe von 5 Meilen an den Sitz der Reichsversamm-
lung herangezogenen Truppen jedesmal für die Reichsversamm-
lung selbst vereidet werden sollen, wird durch namentliche Abstim-
mung mit 274 gegen 113 Stimmen beseitigt.

Art. 2. Die Theilnahme zu einer Zusammenrottung, welche
während der zu einer Sitzung anberaumten Zeit in der Nähe
des Sitzungslokales stattfindet und sich nicht auf dreimalige Auf-
forderung der zuständigen Behörde oder auf den Befehl des Vor-
sitzenden der National=Versammlung auflös't, wird bei Anstif-
tern oder mit Waffen versehenen Theilnehmern mit Gefängniß
bis zu einem Jahr, bei anderen Theilnehmern bis zu drei Mo-
naten bestraft. Dazu Wigard's Zusatz: "Die Auffordernng
muß von allgemein wahrnehmbaren Zeichen, Aufpflanzen einer
Fahne, eines Tuches, Trommelschlag und dergleichen begleitet seyn."

Art. 3. Es ist während der ganzen Dauer der Reichsver-
sammlung verboten, eine Volksversammlung unter freiem Him-
mel innerhalb einer Entfernung von fünf Meilen von dem Sitze
der Versammlung zu halten. Die öffentliche Aufforderung zur
Abhaltung einer solchen Versammlung, die Führung des Vor-
sitzes oder das öffentliche Auftreten als Redner in derselben,
wird mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft.

Art. 4. Ein gewaltsames Eindringen Nichtberechtigter in das
Sitzungslokal der Reichsversammlung, oder thätliche Widersetz-
lichkeit gegen die mit Ausweisung dort befindlicher Personen Be-
auftragten, endlich eine im Sitzungslokale von Nichtmitgliedern
der Versammlung ausgeübte Bedrohung oder Beleidigung
[Spaltenumbruch] der Versammlung, eines ihrer Mitglieder, Beamten oder Diener,
wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft. Thätlichkeiten
im Sitzungslokale an einem Mitgliede, Beamten oder Diener der
Versammlung verübt, werden, außer der gesetzlichen Bestrafung
der Handlung an sich, mit Gefängniß bis zu fünf Jahren belegt.

Ueber Art. 5. Oeffentliche Beleidigungen der Reichsver-
sammlung auch außerhalb des Sitzungslokales verübt, unterliegen
einer Gefängnißstrafe bis zu zwei Jahren -- ist namentliche Ab-
stimmung beantragt, die sich mit 226 Stimmen gegen 161 für die
Annahme des Artikels entscheidet. Die Linke empfängt diese
Verkündigung mit einem spöttischen Bravo. Sie denkt wahrschein-
lich dabei an die angeklagten Nummern der Reichstagszeitung.

Art. 6. Eine an einem Mitgliede der Reichsversammlung in
Beziehung auf seine Eigenschaft oder sein Verhalten als Abgeord-
neter verübte Thätlichkeit, wird, außer der gesetzlichen Strafe der
Handlung, mit Gefängniß bis zu drei Jahren bestraft. Bei ge-
fährlichen Bedrohungen oder öffentlichen Beledigungen dieser Art,
tritt eine Gefängnißstrafe bis zu sechs Monaten ein.

Art. 7. Als eine öffentliche wird jede Beleidigung betrachtet,
welche an öffentlichen Orten oder in öffentlichen Versammlungen
stattgefunden hat, oder in gedruckten oder ungedruckten Schriften,
welche verkauft, vertheilt oder umhergetragen, oder zur Ansicht
des Publikums angeschlagen oder ausgestellt werden, enthalten ist.
Die Annahme dieses Artikels wird ebenfalls mit ironischem Bei-
fall von der Linken empfangen.

Art. 8. Die Bestimmungen des Art. 4. finden auch Anwend-
ung auf Bedrohungen, Beleidigungen und Thätlichkeiten gegen
Beamte der provisorischen Centralgewalt, wird von 380 Stim-
menden mit 195 gegen 185 bejaht, welcher Beschluß abermals den
Hohn der Linken hervorruft. Nachträglich wird zu Art. 5. der
Zusatz von Dietzsch von Saarbrücken angenommen: " We-
gen solcher öffentlichen Beleidigungen findet eine gerichtliche Ver-
folgung nur auf Antrag des Beleidigten Statt."

Endlich wird der Zusatzartikel des Ausschusses ange-
nommen: Vorstehendes Gesetz tritt in dem Gebiete der freien
Stadt Frankfurt mit dem dritten Tage, im Kurfürstenthum Hes-
sen, in dem Großherzogthum Hessen, im Herzogthum Nassau, in
der Landgrafschaft Hessen=Homburg, in dem Königlich Preußi-
schen Kreise Wetzlar mit dem zehnten Tage, in allen übrigen
Theilen Deutschlands mit dem zwanzigsten Tage nach dem Tage
der Ausgabe des betreffenden Reichsgesetzblattes in Frankfurt, in
Kraft. Gleichzeitig ist, Mittermaier's Antrag gemäß, das Reichs-
ministerium aufzufordern, daß ungesäumte Einleitung getroffen
werde, damit Verbrechen, die unter Artikel 1. 2. 3. 4. dieses
Gesetzes fallen, im öffentlichen und mündlichen Verfahren und
durch Geschworene abgeurtheilt werden. Die Linke ist mit der
Annahme dieses Gesetzes dergestalt unzufrieden, daß sie sich ihre
desfallsigen Erklärungen zu Protokoll ausdrücklich vorbehält.
Stavenhagen's oben erwähnte Erklärung hat hingegen die gute
Folge, daß Herr Rösler von Oels, vorhin in der Versamm-
lung noch nicht gegenwärtig, jetzt das Wort nimmt, um seine
Uebereilung in ähnlicher Weise zu verbessern, wobei er aner-
kennt, daß der von ihm gebrauchte Ausdruck doppelt unstatthaft
gewesen in seiner Richtung gegen den Präsidenten. Der Beifall
der Versammlung begleitet dieses ehrliche Zugeständniß des Ab-
geordneten. Gagern's und Beseler's hieran geknüpfte Worte sind
geeignet, die Hoffnung zu fassen, daß der ganze Vorfall der Ver-
gessenheit übergeben werde, und um zwei Uhr Nachmittags wird
die Sitzung geschlossen.



Deutschland.

Wien 4. October. ( D. A. Z. ) Noch immer nichts Entschei-
dendes aus Ungarn. Jn Pesth ist aller Verkehr unterbrochen,
der Landsturm ist aufgeboten, und wer sich ihm nicht anschließen
will, und deren sind Viele, entflieht. Soeben trifft die Nach-
richt ein, daß Jellachich's linker Flügel in Raab eingerückt ist,
und ich hatte daher Recht, als ich vorauskündigte, er würde es
für angemessen erachten, diese Richtung einzuschlagen. Es scheint
sicher, daß Jellachich mit dem Gros seiner Armee eine feste
Stellung nahe bei Pesth eingenommen hat.

Wien 4. October. ( D. Z. ) Alle unsere Correspondenzen
aus Pesth bleiben aus, die Stadt scheint abgesperrt zu seyn, so-
wie der größte Theil der Gränze. Wien und Brünn wimmeln
von Flüchtlingen aus Pesth und Preßburg. Der größte Theil
[Ende Spaltensatz]

Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 107. Dienstag, den 10. October. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Verhandlungen der Nationalversammlung.
Vom 9. October.

Den Vorsitz führt v. Gagern. Nachdem v. Reden und
Eisenstuck wieder Dinge in Anregung gebracht, für die es auch
später noch Zeit genug wäre, gilt eine Bemerkung Jordan's
von Berlin den Austrittsanzeigen aus der Nationalversammlung.
Jordan will mit Recht, daß Niemand die Nationalversammlung
verlasse, ohne daß zuvor sein Stellvertreter eingetroffen. Für
das Büreau ertheilt Jucho Auskunft über die inzwischentliche
Verlegung der Sitzungen in den mit Gallerie versehenen Saal
des Weidenbusches, um Raum und Zeit zur Herstellung von
Heizungsvorrichtungen in der Paulskirche zu gewinnen. Jm
Namen v. Stavenhagen's wird darauf folgende Erklärung
verlesen und von der Versammlung mit Beifall empfangen: „Jn
wie weit die von mir in der letzten Sitzung gemachte Aeußerung
in dem unmittelbar Vorangegangenen einige Entschuldigung fin-
det, muß ich dem Urtheil der hohen Versammlung anheimstellen.
Zur Sache selbst aber fühle ich mich durch die Achtung, welche ich
der hohen Versammlung schuldig bin, gedrungen, ganz abgesehen
von dem Ergebniß der Ausschußberathung, aus eigener freier
Bewegung vorweg zu erklären, daß ich es lebhaft bedaure, wenn
ich durch jene in der ersten unbewachten Aufwallung gemachte
Aeußerung die Schranken, in denen sich jedes Mitglied halten
muß, überschritten und dadurch in der hohen Versammlung An-
stoß gegeben habe.“ Es ist bereits hinlänglich bekannt, worauf
sich v. Stavenhagens Erklärung bezieht. Er ließ sich nämlich
durch das Benehmen, welches Rosler von Oels der Rüge des
Präsidenten v. Gagern entgegensetzte, zu einer Aeußerung hin-
reißen, nach welcher Herr Rösler, und wenn nöthig sogar mit
Gewalt, sofort aus der Versammlung zu entfernen gewesen seyn
würde.

Es erfolgt hierauf die Abstimmung über den in letzter Sitzung
berathenen Gesetzesvorschlag zum Schutze der National-
versammlung
und an diesem dem Anscheine nach rein formel-
len Geschäfte verbraucht sich durch Streitigkeiten über Fragestellung
und namentliche Abstimmungen der ganze heutige Parlamentstag.
Die Annahme erfolgt in folgender Fassung:

Art. 1. nach Mühlfeld's Verbesserungsantrage ( auf Zäh-
lung mit 199 gegen 192 St. angenommen ) : „Ein gewaltsamer
Angriff auf die Reichsversammlung in der Absicht, dieselbe aus-
einander zu treiben, oder Mitglieder aus ihr zu entfernen, oder
die Versammlung zur Fassung oder Unterlassung eines Beschlus-
ses zu zwingen, ist Hochverrath und wird mit Gefängnißstrafe
und nach Verhältniß der Umstände Zuchthausstrafe bis zu 20 J.
bestraft.“ Dazu noch folgender Zusatz Schoder's: „Wer zu
solchen Handlungen öffentlich auffordert, wird nach richterlichem
Ermessen bestraft.“ Ein anderer Zusatz Schoders hingegen, daß
die auf eine Nähe von 5 Meilen an den Sitz der Reichsversamm-
lung herangezogenen Truppen jedesmal für die Reichsversamm-
lung selbst vereidet werden sollen, wird durch namentliche Abstim-
mung mit 274 gegen 113 Stimmen beseitigt.

Art. 2. Die Theilnahme zu einer Zusammenrottung, welche
während der zu einer Sitzung anberaumten Zeit in der Nähe
des Sitzungslokales stattfindet und sich nicht auf dreimalige Auf-
forderung der zuständigen Behörde oder auf den Befehl des Vor-
sitzenden der National=Versammlung auflös't, wird bei Anstif-
tern oder mit Waffen versehenen Theilnehmern mit Gefängniß
bis zu einem Jahr, bei anderen Theilnehmern bis zu drei Mo-
naten bestraft. Dazu Wigard's Zusatz: „Die Auffordernng
muß von allgemein wahrnehmbaren Zeichen, Aufpflanzen einer
Fahne, eines Tuches, Trommelschlag und dergleichen begleitet seyn.“

Art. 3. Es ist während der ganzen Dauer der Reichsver-
sammlung verboten, eine Volksversammlung unter freiem Him-
mel innerhalb einer Entfernung von fünf Meilen von dem Sitze
der Versammlung zu halten. Die öffentliche Aufforderung zur
Abhaltung einer solchen Versammlung, die Führung des Vor-
sitzes oder das öffentliche Auftreten als Redner in derselben,
wird mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft.

Art. 4. Ein gewaltsames Eindringen Nichtberechtigter in das
Sitzungslokal der Reichsversammlung, oder thätliche Widersetz-
lichkeit gegen die mit Ausweisung dort befindlicher Personen Be-
auftragten, endlich eine im Sitzungslokale von Nichtmitgliedern
der Versammlung ausgeübte Bedrohung oder Beleidigung
[Spaltenumbruch] der Versammlung, eines ihrer Mitglieder, Beamten oder Diener,
wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft. Thätlichkeiten
im Sitzungslokale an einem Mitgliede, Beamten oder Diener der
Versammlung verübt, werden, außer der gesetzlichen Bestrafung
der Handlung an sich, mit Gefängniß bis zu fünf Jahren belegt.

Ueber Art. 5. Oeffentliche Beleidigungen der Reichsver-
sammlung auch außerhalb des Sitzungslokales verübt, unterliegen
einer Gefängnißstrafe bis zu zwei Jahren — ist namentliche Ab-
stimmung beantragt, die sich mit 226 Stimmen gegen 161 für die
Annahme des Artikels entscheidet. Die Linke empfängt diese
Verkündigung mit einem spöttischen Bravo. Sie denkt wahrschein-
lich dabei an die angeklagten Nummern der Reichstagszeitung.

Art. 6. Eine an einem Mitgliede der Reichsversammlung in
Beziehung auf seine Eigenschaft oder sein Verhalten als Abgeord-
neter verübte Thätlichkeit, wird, außer der gesetzlichen Strafe der
Handlung, mit Gefängniß bis zu drei Jahren bestraft. Bei ge-
fährlichen Bedrohungen oder öffentlichen Beledigungen dieser Art,
tritt eine Gefängnißstrafe bis zu sechs Monaten ein.

Art. 7. Als eine öffentliche wird jede Beleidigung betrachtet,
welche an öffentlichen Orten oder in öffentlichen Versammlungen
stattgefunden hat, oder in gedruckten oder ungedruckten Schriften,
welche verkauft, vertheilt oder umhergetragen, oder zur Ansicht
des Publikums angeschlagen oder ausgestellt werden, enthalten ist.
Die Annahme dieses Artikels wird ebenfalls mit ironischem Bei-
fall von der Linken empfangen.

Art. 8. Die Bestimmungen des Art. 4. finden auch Anwend-
ung auf Bedrohungen, Beleidigungen und Thätlichkeiten gegen
Beamte der provisorischen Centralgewalt, wird von 380 Stim-
menden mit 195 gegen 185 bejaht, welcher Beschluß abermals den
Hohn der Linken hervorruft. Nachträglich wird zu Art. 5. der
Zusatz von Dietzsch von Saarbrücken angenommen: „ We-
gen solcher öffentlichen Beleidigungen findet eine gerichtliche Ver-
folgung nur auf Antrag des Beleidigten Statt.“

Endlich wird der Zusatzartikel des Ausschusses ange-
nommen: Vorstehendes Gesetz tritt in dem Gebiete der freien
Stadt Frankfurt mit dem dritten Tage, im Kurfürstenthum Hes-
sen, in dem Großherzogthum Hessen, im Herzogthum Nassau, in
der Landgrafschaft Hessen=Homburg, in dem Königlich Preußi-
schen Kreise Wetzlar mit dem zehnten Tage, in allen übrigen
Theilen Deutschlands mit dem zwanzigsten Tage nach dem Tage
der Ausgabe des betreffenden Reichsgesetzblattes in Frankfurt, in
Kraft. Gleichzeitig ist, Mittermaier's Antrag gemäß, das Reichs-
ministerium aufzufordern, daß ungesäumte Einleitung getroffen
werde, damit Verbrechen, die unter Artikel 1. 2. 3. 4. dieses
Gesetzes fallen, im öffentlichen und mündlichen Verfahren und
durch Geschworene abgeurtheilt werden. Die Linke ist mit der
Annahme dieses Gesetzes dergestalt unzufrieden, daß sie sich ihre
desfallsigen Erklärungen zu Protokoll ausdrücklich vorbehält.
Stavenhagen's oben erwähnte Erklärung hat hingegen die gute
Folge, daß Herr Rösler von Oels, vorhin in der Versamm-
lung noch nicht gegenwärtig, jetzt das Wort nimmt, um seine
Uebereilung in ähnlicher Weise zu verbessern, wobei er aner-
kennt, daß der von ihm gebrauchte Ausdruck doppelt unstatthaft
gewesen in seiner Richtung gegen den Präsidenten. Der Beifall
der Versammlung begleitet dieses ehrliche Zugeständniß des Ab-
geordneten. Gagern's und Beseler's hieran geknüpfte Worte sind
geeignet, die Hoffnung zu fassen, daß der ganze Vorfall der Ver-
gessenheit übergeben werde, und um zwei Uhr Nachmittags wird
die Sitzung geschlossen.



Deutschland.

Wien 4. October. ( D. A. Z. ) Noch immer nichts Entschei-
dendes aus Ungarn. Jn Pesth ist aller Verkehr unterbrochen,
der Landsturm ist aufgeboten, und wer sich ihm nicht anschließen
will, und deren sind Viele, entflieht. Soeben trifft die Nach-
richt ein, daß Jellachich's linker Flügel in Raab eingerückt ist,
und ich hatte daher Recht, als ich vorauskündigte, er würde es
für angemessen erachten, diese Richtung einzuschlagen. Es scheint
sicher, daß Jellachich mit dem Gros seiner Armee eine feste
Stellung nahe bei Pesth eingenommen hat.

Wien 4. October. ( D. Z. ) Alle unsere Correspondenzen
aus Pesth bleiben aus, die Stadt scheint abgesperrt zu seyn, so-
wie der größte Theil der Gränze. Wien und Brünn wimmeln
von Flüchtlingen aus Pesth und Preßburg. Der größte Theil
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[0005] Beilage zum Mainzer Journal. Nro 107. Dienstag, den 10. October. 1848. Verhandlungen der Nationalversammlung. Vom 9. October. Den Vorsitz führt v. Gagern. Nachdem v. Reden und Eisenstuck wieder Dinge in Anregung gebracht, für die es auch später noch Zeit genug wäre, gilt eine Bemerkung Jordan's von Berlin den Austrittsanzeigen aus der Nationalversammlung. Jordan will mit Recht, daß Niemand die Nationalversammlung verlasse, ohne daß zuvor sein Stellvertreter eingetroffen. Für das Büreau ertheilt Jucho Auskunft über die inzwischentliche Verlegung der Sitzungen in den mit Gallerie versehenen Saal des Weidenbusches, um Raum und Zeit zur Herstellung von Heizungsvorrichtungen in der Paulskirche zu gewinnen. Jm Namen v. Stavenhagen's wird darauf folgende Erklärung verlesen und von der Versammlung mit Beifall empfangen: „Jn wie weit die von mir in der letzten Sitzung gemachte Aeußerung in dem unmittelbar Vorangegangenen einige Entschuldigung fin- det, muß ich dem Urtheil der hohen Versammlung anheimstellen. Zur Sache selbst aber fühle ich mich durch die Achtung, welche ich der hohen Versammlung schuldig bin, gedrungen, ganz abgesehen von dem Ergebniß der Ausschußberathung, aus eigener freier Bewegung vorweg zu erklären, daß ich es lebhaft bedaure, wenn ich durch jene in der ersten unbewachten Aufwallung gemachte Aeußerung die Schranken, in denen sich jedes Mitglied halten muß, überschritten und dadurch in der hohen Versammlung An- stoß gegeben habe.“ Es ist bereits hinlänglich bekannt, worauf sich v. Stavenhagens Erklärung bezieht. Er ließ sich nämlich durch das Benehmen, welches Rosler von Oels der Rüge des Präsidenten v. Gagern entgegensetzte, zu einer Aeußerung hin- reißen, nach welcher Herr Rösler, und wenn nöthig sogar mit Gewalt, sofort aus der Versammlung zu entfernen gewesen seyn würde. Es erfolgt hierauf die Abstimmung über den in letzter Sitzung berathenen Gesetzesvorschlag zum Schutze der National- versammlung und an diesem dem Anscheine nach rein formel- len Geschäfte verbraucht sich durch Streitigkeiten über Fragestellung und namentliche Abstimmungen der ganze heutige Parlamentstag. Die Annahme erfolgt in folgender Fassung: Art. 1. nach Mühlfeld's Verbesserungsantrage ( auf Zäh- lung mit 199 gegen 192 St. angenommen ) : „Ein gewaltsamer Angriff auf die Reichsversammlung in der Absicht, dieselbe aus- einander zu treiben, oder Mitglieder aus ihr zu entfernen, oder die Versammlung zur Fassung oder Unterlassung eines Beschlus- ses zu zwingen, ist Hochverrath und wird mit Gefängnißstrafe und nach Verhältniß der Umstände Zuchthausstrafe bis zu 20 J. bestraft.“ Dazu noch folgender Zusatz Schoder's: „Wer zu solchen Handlungen öffentlich auffordert, wird nach richterlichem Ermessen bestraft.“ Ein anderer Zusatz Schoders hingegen, daß die auf eine Nähe von 5 Meilen an den Sitz der Reichsversamm- lung herangezogenen Truppen jedesmal für die Reichsversamm- lung selbst vereidet werden sollen, wird durch namentliche Abstim- mung mit 274 gegen 113 Stimmen beseitigt. Art. 2. Die Theilnahme zu einer Zusammenrottung, welche während der zu einer Sitzung anberaumten Zeit in der Nähe des Sitzungslokales stattfindet und sich nicht auf dreimalige Auf- forderung der zuständigen Behörde oder auf den Befehl des Vor- sitzenden der National=Versammlung auflös't, wird bei Anstif- tern oder mit Waffen versehenen Theilnehmern mit Gefängniß bis zu einem Jahr, bei anderen Theilnehmern bis zu drei Mo- naten bestraft. Dazu Wigard's Zusatz: „Die Auffordernng muß von allgemein wahrnehmbaren Zeichen, Aufpflanzen einer Fahne, eines Tuches, Trommelschlag und dergleichen begleitet seyn.“ Art. 3. Es ist während der ganzen Dauer der Reichsver- sammlung verboten, eine Volksversammlung unter freiem Him- mel innerhalb einer Entfernung von fünf Meilen von dem Sitze der Versammlung zu halten. Die öffentliche Aufforderung zur Abhaltung einer solchen Versammlung, die Führung des Vor- sitzes oder das öffentliche Auftreten als Redner in derselben, wird mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft. Art. 4. Ein gewaltsames Eindringen Nichtberechtigter in das Sitzungslokal der Reichsversammlung, oder thätliche Widersetz- lichkeit gegen die mit Ausweisung dort befindlicher Personen Be- auftragten, endlich eine im Sitzungslokale von Nichtmitgliedern der Versammlung ausgeübte Bedrohung oder Beleidigung der Versammlung, eines ihrer Mitglieder, Beamten oder Diener, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft. Thätlichkeiten im Sitzungslokale an einem Mitgliede, Beamten oder Diener der Versammlung verübt, werden, außer der gesetzlichen Bestrafung der Handlung an sich, mit Gefängniß bis zu fünf Jahren belegt. Ueber Art. 5. Oeffentliche Beleidigungen der Reichsver- sammlung auch außerhalb des Sitzungslokales verübt, unterliegen einer Gefängnißstrafe bis zu zwei Jahren — ist namentliche Ab- stimmung beantragt, die sich mit 226 Stimmen gegen 161 für die Annahme des Artikels entscheidet. Die Linke empfängt diese Verkündigung mit einem spöttischen Bravo. Sie denkt wahrschein- lich dabei an die angeklagten Nummern der Reichstagszeitung. Art. 6. Eine an einem Mitgliede der Reichsversammlung in Beziehung auf seine Eigenschaft oder sein Verhalten als Abgeord- neter verübte Thätlichkeit, wird, außer der gesetzlichen Strafe der Handlung, mit Gefängniß bis zu drei Jahren bestraft. Bei ge- fährlichen Bedrohungen oder öffentlichen Beledigungen dieser Art, tritt eine Gefängnißstrafe bis zu sechs Monaten ein. Art. 7. Als eine öffentliche wird jede Beleidigung betrachtet, welche an öffentlichen Orten oder in öffentlichen Versammlungen stattgefunden hat, oder in gedruckten oder ungedruckten Schriften, welche verkauft, vertheilt oder umhergetragen, oder zur Ansicht des Publikums angeschlagen oder ausgestellt werden, enthalten ist. Die Annahme dieses Artikels wird ebenfalls mit ironischem Bei- fall von der Linken empfangen. Art. 8. Die Bestimmungen des Art. 4. finden auch Anwend- ung auf Bedrohungen, Beleidigungen und Thätlichkeiten gegen Beamte der provisorischen Centralgewalt, wird von 380 Stim- menden mit 195 gegen 185 bejaht, welcher Beschluß abermals den Hohn der Linken hervorruft. Nachträglich wird zu Art. 5. der Zusatz von Dietzsch von Saarbrücken angenommen: „ We- gen solcher öffentlichen Beleidigungen findet eine gerichtliche Ver- folgung nur auf Antrag des Beleidigten Statt.“ Endlich wird der Zusatzartikel des Ausschusses ange- nommen: Vorstehendes Gesetz tritt in dem Gebiete der freien Stadt Frankfurt mit dem dritten Tage, im Kurfürstenthum Hes- sen, in dem Großherzogthum Hessen, im Herzogthum Nassau, in der Landgrafschaft Hessen=Homburg, in dem Königlich Preußi- schen Kreise Wetzlar mit dem zehnten Tage, in allen übrigen Theilen Deutschlands mit dem zwanzigsten Tage nach dem Tage der Ausgabe des betreffenden Reichsgesetzblattes in Frankfurt, in Kraft. Gleichzeitig ist, Mittermaier's Antrag gemäß, das Reichs- ministerium aufzufordern, daß ungesäumte Einleitung getroffen werde, damit Verbrechen, die unter Artikel 1. 2. 3. 4. dieses Gesetzes fallen, im öffentlichen und mündlichen Verfahren und durch Geschworene abgeurtheilt werden. Die Linke ist mit der Annahme dieses Gesetzes dergestalt unzufrieden, daß sie sich ihre desfallsigen Erklärungen zu Protokoll ausdrücklich vorbehält. Stavenhagen's oben erwähnte Erklärung hat hingegen die gute Folge, daß Herr Rösler von Oels, vorhin in der Versamm- lung noch nicht gegenwärtig, jetzt das Wort nimmt, um seine Uebereilung in ähnlicher Weise zu verbessern, wobei er aner- kennt, daß der von ihm gebrauchte Ausdruck doppelt unstatthaft gewesen in seiner Richtung gegen den Präsidenten. Der Beifall der Versammlung begleitet dieses ehrliche Zugeständniß des Ab- geordneten. Gagern's und Beseler's hieran geknüpfte Worte sind geeignet, die Hoffnung zu fassen, daß der ganze Vorfall der Ver- gessenheit übergeben werde, und um zwei Uhr Nachmittags wird die Sitzung geschlossen. Deutschland. Wien 4. October. ( D. A. Z. ) Noch immer nichts Entschei- dendes aus Ungarn. Jn Pesth ist aller Verkehr unterbrochen, der Landsturm ist aufgeboten, und wer sich ihm nicht anschließen will, und deren sind Viele, entflieht. Soeben trifft die Nach- richt ein, daß Jellachich's linker Flügel in Raab eingerückt ist, und ich hatte daher Recht, als ich vorauskündigte, er würde es für angemessen erachten, diese Richtung einzuschlagen. Es scheint sicher, daß Jellachich mit dem Gros seiner Armee eine feste Stellung nahe bei Pesth eingenommen hat. Wien 4. October. ( D. Z. ) Alle unsere Correspondenzen aus Pesth bleiben aus, die Stadt scheint abgesperrt zu seyn, so- wie der größte Theil der Gränze. Wien und Brünn wimmeln von Flüchtlingen aus Pesth und Preßburg. Der größte Theil

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 107. Mainz, 9. Oktober 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal107_1848/5>, abgerufen am 23.11.2024.