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Mainzer Journal. Nr. 107. Mainz, 9. Oktober 1848.

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Mainzer Journal.


Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den "Rheinischen Unterhaltungs-
blättern " schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;
für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz
jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-
falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.



Nro 107. Montag, den 9. October. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Generalversammlung der katholischen Vereine
Deutschlands für religiöse Freiheit.
Zweite öffentliche Sitzung am 4. October 1848.
( Fortsetzung. )

Reichensperger aus Trier: Unser verehrter Herr
Präsident hat in seiner ersten Rede die inhaltsvollen Worte ge-
sprochen: Gottes Gnade wird nur Denen, die sie verdienen. Wir
sind versammelt, um zu berathen, wie wir diese Gnade für unsere
Vereine herbeiführen, wie wir das Heil herbeiführen für ganz
Deutschland. Mächtig ist das Wort, aber mächtiger ist die That,
besonders die christliche That. Zu dem was Herr v. Ketteler dar-
über gesprochen, will ich einen Beleg geben. Erlauben Sie, daß
ich Sie von einem Vereine unterhalte, der in den Bereich der
Pius=Vereine fortan fallen soll, von dem Vereine des hei-
ligen Vincenz von Paul.

Vor zehen Jahren empfanden in Paris im Quartier latin,
das meistens von Studenten bewohnt ist, acht edle junge Män-
ner, wie nothwendig es sey, Mittel zu ersinnen, um den Wun-
den in der Hauptstadt Frankreichs Linderung, Heilung zu bereiten.
Dazu konnte nicht die gewöhnliche Mildthätigkeit genügen, welche
sich begnügt, sich von der Pflicht der christlichen Barmherzigkeit
gleichsam loszukaufen; man mußte selbst schauen, handeln, ra-
then, helfen in den Hütten des Elends. Diese Studenten stifte-
ten unter dem Patronate des heiligen Vincenz ihren Verein. Jch
will mich nicht näher auf die innere Organisation dieser Stiftung
einlassen und verweise deßhalb auf eine kleine, in Coblenz er-
schienene Schrift über die "Leiden des Pauperismus." Die bei-
den Schwerpunkte sind: Gebet und lebendige That. Diese we-
nigen jungen Männer griffen das Werk thatkräftig an, das
kleine Senfkorn, das sie gepflanzt, überschattet nun ganz Frank-
reich, und Millionen sind, auch aus vielen andern Ländern, bei-
getreten. Alle Werke der christlichen Barmherzigkeit hat dieser
Verein in seinen Bereich gezogen. Und daß die französische Re-
volution nicht mehr Opfer gefordert, daß das Verderben sich
auf Die beschränkte, welche selbst sich hineingeworfen ( der ein-
zige Erzbischof Affre hatte sich großherzig in den Opfertod ge-
stürzt ) , das danken wir den Früchten der gesegneten Wirksamkeit
der barmherzigen Schwestern und der Vincentius=Vereine.

Nicht durch die materiellen Mittel, sondern durch die Art der
Anwendung ist der Erfolg bedingt. England ist uns ein Beispiel.
Jch habe dort bewundert innerhalb der katholischen Kirche das
neuaufblühende Leben in Kunst und Wissenschaft und auf dem
Gebiete der Religion. Was hat der Kirche diese geistige und ma-
terielle Fülle gegeben? Das thatkräftige einige Wirken der
Geistlichen und Laien! Sie haben das Elend aufgesucht und ihm
wieder den Himmel geöffnet, und es steht zu erwarten, daß Eng-
land wieder werden wird, was es gewesen, die Jnsel der Hei-
ligen, dasselbe Land, welches durch zwei Jahrhunderte am Bet-
telstabe der Armuth einhergegangen, bei einer gesetzlich gebotenen
Wohlthätigkeit, welche die Verarmung zu einer ansteckenden
Seuche macht. Die Vincentius=Vereine, denen dieser Erfolg so
wesentlich mit verdankt wird, haben sich über Holland und Bel-
gien verbreitet. Auch in Deutschland sind einige Zweige ange-
pflanzt worden. Hoffen wir, daß sie zu heiligen Hainen sich
ausbreiten, worin namentlich jene Armen Hülfe finden, welchen
die christliche Liebe nahen muß, um ein edles Schamgefühl nicht
zu betrüben!

Beda Weber aus Tyrol: Mehrere meiner Vorredner
haben bemerkt, daß wir unvorbereitet zum Reden kommen.
[Spaltenumbruch] Unsere Buch= und Studirweisheit haben wir in Frankfurt lassen
müssen. So sehen wir uns angewiesen auf den Strom der Her-
zenssprache. Dank und Freude muß ich vor Allem aussprechen,
Freude über die Zusammenkunft von Männern so vieler deutschen
Stämme, aus so weiter Ferne, Freude besonders über die Theil-
nahme der edlen Frauen, welche so würdig diesen ernsten Ver-
handlungen beiwohnen, Freude über die so liebevoll begeisterte
Aufnahme, welche nicht nur in Mainz, welche bei allen unsern
Mitbrüdern die zwei Boten aus meinem geliebten Tyrol, gleichsam
wie Frühlingsschwalben eines starken katholischen Geistes gefun-
den. Bei dieser Versammlung, da fühle ich's in tiefster Seele:
Kein Preußen, kein Oesterreich, kein Bayern mehr; Ein Deutsch-
land, geeinigt in der Heiligkeit, Einheit, Wahrheit unserer Kirche!
Retten muß uns aus der Zersplitterung und Zerrüttung Eine
Macht: die Macht der öffentlichen Meinung des katholischen Vol-
kes, die sich hier wahrhaftig kund gibt. Was in manchen Gegen-
den Deutschlands sich noch bilden, noch ins Leben gerufen werden
soll, ist in Tyrol schon seit lange vorhanden. Unter dem schweren
Polizeidruck sind aber auch dort Viele in Schlaf gesunken.
Da haben Wecker kommen müssen. Das waren die Litera-
ten; sie haben gewühlt, sie haben unsere Bauern aus dem Schlafe
gerüttelt. Da sind sie erwacht, da sind sie zusammengetreten mit
der ganzen Kraft ihrer Seelen. Was fanden wir in Tyrol, wo
alle Schranken zusammenbrachen, alle Obrigkeit zu versinken
drohte? Wir fanden unser Volk in seinen Bergen ruhig, scharfen
entschiedenen Blicks in christlicher Gesinnung die Zukunft erwar-
tend. Jch darf es nicht verhehlen, die vielfach zweifelhaften Güter
der März=Revolution machten unsere Tyroler bedenklich. "Wenn
diese Freiheit, sagten sie, unsere Religion nicht gefährdet, dann
soll sie uns willkommen seyn. Jedes Geschenk, welches für die
Religion verderblich ist, werden wir aber abwenden mit der ganzen
Kraft unserer Seelen und unserer Leiber." Und als die Habsucht
und Ungerechtigkeit am Eigenthum der Kirche sich vergriff durch
die Ablösungsgesetze, da sagten die Tyroler Bauern: "Wir wollen
ablößen, wir wollen bezahlen, aber nicht stehlen;" sie fragten
in großer Bangigkeit beim Landtag an, was zu thun sey. Man
wollte Katzenmusiken bringen bei uns; da sagten die Tyroler:
das ist unchristlich, das wird bei uns nicht geduldet. Freiheit
für Alle wollen wir, wir wollen in unserem Lande Ruhe der
Nacht und Ruhe der Ueberzeugung. Jch muß gestehen, in man-
chen Gegenden Deutschlands, wo ich den Geist der Auflehn-
ung, der Verwirrung gewahrte, da wurde das Herz mir schwer.
Aber am Rheine, in Mainz, in Coblenz, da glaubte ich mein bie-
deres Volk wiederzufinden. So hatte die alte geschichtliche Be-
hauptung Recht, daß die Tyroler seyen ein Stamm eingewander-
ter Rheinländer! Diese Jnnigkeit und Einigkeit wollen wir im
katholischen Glauben aufrecht halten. Einig sind auch unsere Fein-
de, sie sind wohl organisirt. Wir müssen kämpfen mit den
Waffen
unserer Feinde, aber nicht mit den Mitteln un-
srer Feinde. Wir müssen ihren Volksversammlungen andere ent-
gegensetzen. Die Opposition gegen alles Heilige ist verbraucht, die
Armuth der abgenutzten Schmähung und Leugnung ist überall
fühlbar und zum Ekel geworden. Diesem ruinhaften Treiben und
Wesen der Zerstörung treten wir entgegen mit frischer lebensvoller
Kraft, mit einer Kraft, welche nicht Häuser anzündet, nicht Men-
schen mordet, sondern die Herzen bezwingt und vereint mit heili-
ger Liebe. Aber es müssen auch die Schmutzblätter durch Wort
und Schrift bekämpft werden. Wir müssen hier lernen von unsern
Gegnern die Popularität, mit welcher sie in die Seelen des Vol-
kes hineinreden, ihre Schmiegsamkeit, mit der sie seinen Gefühlen
sich anpassen, ihre vielgeschäftige Gewandtheit, die Eind ringlich-
[Ende Spaltensatz]

Mainzer Journal.


Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den „Rheinischen Unterhaltungs-
blättern “ schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;
für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz
jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-
falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.



Nro 107. Montag, den 9. October. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Generalversammlung der katholischen Vereine
Deutschlands für religiöse Freiheit.
Zweite öffentliche Sitzung am 4. October 1848.
( Fortsetzung. )

Reichensperger aus Trier: Unser verehrter Herr
Präsident hat in seiner ersten Rede die inhaltsvollen Worte ge-
sprochen: Gottes Gnade wird nur Denen, die sie verdienen. Wir
sind versammelt, um zu berathen, wie wir diese Gnade für unsere
Vereine herbeiführen, wie wir das Heil herbeiführen für ganz
Deutschland. Mächtig ist das Wort, aber mächtiger ist die That,
besonders die christliche That. Zu dem was Herr v. Ketteler dar-
über gesprochen, will ich einen Beleg geben. Erlauben Sie, daß
ich Sie von einem Vereine unterhalte, der in den Bereich der
Pius=Vereine fortan fallen soll, von dem Vereine des hei-
ligen Vincenz von Paul.

Vor zehen Jahren empfanden in Paris im Quartier latin,
das meistens von Studenten bewohnt ist, acht edle junge Män-
ner, wie nothwendig es sey, Mittel zu ersinnen, um den Wun-
den in der Hauptstadt Frankreichs Linderung, Heilung zu bereiten.
Dazu konnte nicht die gewöhnliche Mildthätigkeit genügen, welche
sich begnügt, sich von der Pflicht der christlichen Barmherzigkeit
gleichsam loszukaufen; man mußte selbst schauen, handeln, ra-
then, helfen in den Hütten des Elends. Diese Studenten stifte-
ten unter dem Patronate des heiligen Vincenz ihren Verein. Jch
will mich nicht näher auf die innere Organisation dieser Stiftung
einlassen und verweise deßhalb auf eine kleine, in Coblenz er-
schienene Schrift über die „Leiden des Pauperismus.“ Die bei-
den Schwerpunkte sind: Gebet und lebendige That. Diese we-
nigen jungen Männer griffen das Werk thatkräftig an, das
kleine Senfkorn, das sie gepflanzt, überschattet nun ganz Frank-
reich, und Millionen sind, auch aus vielen andern Ländern, bei-
getreten. Alle Werke der christlichen Barmherzigkeit hat dieser
Verein in seinen Bereich gezogen. Und daß die französische Re-
volution nicht mehr Opfer gefordert, daß das Verderben sich
auf Die beschränkte, welche selbst sich hineingeworfen ( der ein-
zige Erzbischof Affre hatte sich großherzig in den Opfertod ge-
stürzt ) , das danken wir den Früchten der gesegneten Wirksamkeit
der barmherzigen Schwestern und der Vincentius=Vereine.

Nicht durch die materiellen Mittel, sondern durch die Art der
Anwendung ist der Erfolg bedingt. England ist uns ein Beispiel.
Jch habe dort bewundert innerhalb der katholischen Kirche das
neuaufblühende Leben in Kunst und Wissenschaft und auf dem
Gebiete der Religion. Was hat der Kirche diese geistige und ma-
terielle Fülle gegeben? Das thatkräftige einige Wirken der
Geistlichen und Laien! Sie haben das Elend aufgesucht und ihm
wieder den Himmel geöffnet, und es steht zu erwarten, daß Eng-
land wieder werden wird, was es gewesen, die Jnsel der Hei-
ligen, dasselbe Land, welches durch zwei Jahrhunderte am Bet-
telstabe der Armuth einhergegangen, bei einer gesetzlich gebotenen
Wohlthätigkeit, welche die Verarmung zu einer ansteckenden
Seuche macht. Die Vincentius=Vereine, denen dieser Erfolg so
wesentlich mit verdankt wird, haben sich über Holland und Bel-
gien verbreitet. Auch in Deutschland sind einige Zweige ange-
pflanzt worden. Hoffen wir, daß sie zu heiligen Hainen sich
ausbreiten, worin namentlich jene Armen Hülfe finden, welchen
die christliche Liebe nahen muß, um ein edles Schamgefühl nicht
zu betrüben!

Beda Weber aus Tyrol: Mehrere meiner Vorredner
haben bemerkt, daß wir unvorbereitet zum Reden kommen.
[Spaltenumbruch] Unsere Buch= und Studirweisheit haben wir in Frankfurt lassen
müssen. So sehen wir uns angewiesen auf den Strom der Her-
zenssprache. Dank und Freude muß ich vor Allem aussprechen,
Freude über die Zusammenkunft von Männern so vieler deutschen
Stämme, aus so weiter Ferne, Freude besonders über die Theil-
nahme der edlen Frauen, welche so würdig diesen ernsten Ver-
handlungen beiwohnen, Freude über die so liebevoll begeisterte
Aufnahme, welche nicht nur in Mainz, welche bei allen unsern
Mitbrüdern die zwei Boten aus meinem geliebten Tyrol, gleichsam
wie Frühlingsschwalben eines starken katholischen Geistes gefun-
den. Bei dieser Versammlung, da fühle ich's in tiefster Seele:
Kein Preußen, kein Oesterreich, kein Bayern mehr; Ein Deutsch-
land, geeinigt in der Heiligkeit, Einheit, Wahrheit unserer Kirche!
Retten muß uns aus der Zersplitterung und Zerrüttung Eine
Macht: die Macht der öffentlichen Meinung des katholischen Vol-
kes, die sich hier wahrhaftig kund gibt. Was in manchen Gegen-
den Deutschlands sich noch bilden, noch ins Leben gerufen werden
soll, ist in Tyrol schon seit lange vorhanden. Unter dem schweren
Polizeidruck sind aber auch dort Viele in Schlaf gesunken.
Da haben Wecker kommen müssen. Das waren die Litera-
ten; sie haben gewühlt, sie haben unsere Bauern aus dem Schlafe
gerüttelt. Da sind sie erwacht, da sind sie zusammengetreten mit
der ganzen Kraft ihrer Seelen. Was fanden wir in Tyrol, wo
alle Schranken zusammenbrachen, alle Obrigkeit zu versinken
drohte? Wir fanden unser Volk in seinen Bergen ruhig, scharfen
entschiedenen Blicks in christlicher Gesinnung die Zukunft erwar-
tend. Jch darf es nicht verhehlen, die vielfach zweifelhaften Güter
der März=Revolution machten unsere Tyroler bedenklich. „Wenn
diese Freiheit, sagten sie, unsere Religion nicht gefährdet, dann
soll sie uns willkommen seyn. Jedes Geschenk, welches für die
Religion verderblich ist, werden wir aber abwenden mit der ganzen
Kraft unserer Seelen und unserer Leiber.“ Und als die Habsucht
und Ungerechtigkeit am Eigenthum der Kirche sich vergriff durch
die Ablösungsgesetze, da sagten die Tyroler Bauern: „Wir wollen
ablößen, wir wollen bezahlen, aber nicht stehlen;“ sie fragten
in großer Bangigkeit beim Landtag an, was zu thun sey. Man
wollte Katzenmusiken bringen bei uns; da sagten die Tyroler:
das ist unchristlich, das wird bei uns nicht geduldet. Freiheit
für Alle wollen wir, wir wollen in unserem Lande Ruhe der
Nacht und Ruhe der Ueberzeugung. Jch muß gestehen, in man-
chen Gegenden Deutschlands, wo ich den Geist der Auflehn-
ung, der Verwirrung gewahrte, da wurde das Herz mir schwer.
Aber am Rheine, in Mainz, in Coblenz, da glaubte ich mein bie-
deres Volk wiederzufinden. So hatte die alte geschichtliche Be-
hauptung Recht, daß die Tyroler seyen ein Stamm eingewander-
ter Rheinländer! Diese Jnnigkeit und Einigkeit wollen wir im
katholischen Glauben aufrecht halten. Einig sind auch unsere Fein-
de, sie sind wohl organisirt. Wir müssen kämpfen mit den
Waffen
unserer Feinde, aber nicht mit den Mitteln un-
srer Feinde. Wir müssen ihren Volksversammlungen andere ent-
gegensetzen. Die Opposition gegen alles Heilige ist verbraucht, die
Armuth der abgenutzten Schmähung und Leugnung ist überall
fühlbar und zum Ekel geworden. Diesem ruinhaften Treiben und
Wesen der Zerstörung treten wir entgegen mit frischer lebensvoller
Kraft, mit einer Kraft, welche nicht Häuser anzündet, nicht Men-
schen mordet, sondern die Herzen bezwingt und vereint mit heili-
ger Liebe. Aber es müssen auch die Schmutzblätter durch Wort
und Schrift bekämpft werden. Wir müssen hier lernen von unsern
Gegnern die Popularität, mit welcher sie in die Seelen des Vol-
kes hineinreden, ihre Schmiegsamkeit, mit der sie seinen Gefühlen
sich anpassen, ihre vielgeschäftige Gewandtheit, die Eind ringlich-
[Ende Spaltensatz]

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( Fortsetzung. ) Reichensperger aus Trier: Unser verehrter Herr Präsident hat in seiner ersten Rede die inhaltsvollen Worte ge- sprochen: Gottes Gnade wird nur Denen, die sie verdienen. Wir sind versammelt, um zu berathen, wie wir diese Gnade für unsere Vereine herbeiführen, wie wir das Heil herbeiführen für ganz Deutschland. Mächtig ist das Wort, aber mächtiger ist die That, besonders die christliche That. Zu dem was Herr v. Ketteler dar- über gesprochen, will ich einen Beleg geben. Erlauben Sie, daß ich Sie von einem Vereine unterhalte, der in den Bereich der Pius=Vereine fortan fallen soll, von dem Vereine des hei- ligen Vincenz von Paul. Vor zehen Jahren empfanden in Paris im Quartier latin, das meistens von Studenten bewohnt ist, acht edle junge Män- ner, wie nothwendig es sey, Mittel zu ersinnen, um den Wun- den in der Hauptstadt Frankreichs Linderung, Heilung zu bereiten. Dazu konnte nicht die gewöhnliche Mildthätigkeit genügen, welche sich begnügt, sich von der Pflicht der christlichen Barmherzigkeit gleichsam loszukaufen; man mußte selbst schauen, handeln, ra- then, helfen in den Hütten des Elends. Diese Studenten stifte- ten unter dem Patronate des heiligen Vincenz ihren Verein. Jch will mich nicht näher auf die innere Organisation dieser Stiftung einlassen und verweise deßhalb auf eine kleine, in Coblenz er- schienene Schrift über die „Leiden des Pauperismus.“ Die bei- den Schwerpunkte sind: Gebet und lebendige That. Diese we- nigen jungen Männer griffen das Werk thatkräftig an, das kleine Senfkorn, das sie gepflanzt, überschattet nun ganz Frank- reich, und Millionen sind, auch aus vielen andern Ländern, bei- getreten. Alle Werke der christlichen Barmherzigkeit hat dieser Verein in seinen Bereich gezogen. Und daß die französische Re- volution nicht mehr Opfer gefordert, daß das Verderben sich auf Die beschränkte, welche selbst sich hineingeworfen ( der ein- zige Erzbischof Affre hatte sich großherzig in den Opfertod ge- stürzt ) , das danken wir den Früchten der gesegneten Wirksamkeit der barmherzigen Schwestern und der Vincentius=Vereine. Nicht durch die materiellen Mittel, sondern durch die Art der Anwendung ist der Erfolg bedingt. England ist uns ein Beispiel. Jch habe dort bewundert innerhalb der katholischen Kirche das neuaufblühende Leben in Kunst und Wissenschaft und auf dem Gebiete der Religion. Was hat der Kirche diese geistige und ma- terielle Fülle gegeben? Das thatkräftige einige Wirken der Geistlichen und Laien! Sie haben das Elend aufgesucht und ihm wieder den Himmel geöffnet, und es steht zu erwarten, daß Eng- land wieder werden wird, was es gewesen, die Jnsel der Hei- ligen, dasselbe Land, welches durch zwei Jahrhunderte am Bet- telstabe der Armuth einhergegangen, bei einer gesetzlich gebotenen Wohlthätigkeit, welche die Verarmung zu einer ansteckenden Seuche macht. Die Vincentius=Vereine, denen dieser Erfolg so wesentlich mit verdankt wird, haben sich über Holland und Bel- gien verbreitet. Auch in Deutschland sind einige Zweige ange- pflanzt worden. Hoffen wir, daß sie zu heiligen Hainen sich ausbreiten, worin namentlich jene Armen Hülfe finden, welchen die christliche Liebe nahen muß, um ein edles Schamgefühl nicht zu betrüben! Beda Weber aus Tyrol: Mehrere meiner Vorredner haben bemerkt, daß wir unvorbereitet zum Reden kommen. Unsere Buch= und Studirweisheit haben wir in Frankfurt lassen müssen. So sehen wir uns angewiesen auf den Strom der Her- zenssprache. Dank und Freude muß ich vor Allem aussprechen, Freude über die Zusammenkunft von Männern so vieler deutschen Stämme, aus so weiter Ferne, Freude besonders über die Theil- nahme der edlen Frauen, welche so würdig diesen ernsten Ver- handlungen beiwohnen, Freude über die so liebevoll begeisterte Aufnahme, welche nicht nur in Mainz, welche bei allen unsern Mitbrüdern die zwei Boten aus meinem geliebten Tyrol, gleichsam wie Frühlingsschwalben eines starken katholischen Geistes gefun- den. Bei dieser Versammlung, da fühle ich's in tiefster Seele: Kein Preußen, kein Oesterreich, kein Bayern mehr; Ein Deutsch- land, geeinigt in der Heiligkeit, Einheit, Wahrheit unserer Kirche! Retten muß uns aus der Zersplitterung und Zerrüttung Eine Macht: die Macht der öffentlichen Meinung des katholischen Vol- kes, die sich hier wahrhaftig kund gibt. Was in manchen Gegen- den Deutschlands sich noch bilden, noch ins Leben gerufen werden soll, ist in Tyrol schon seit lange vorhanden. Unter dem schweren Polizeidruck sind aber auch dort Viele in Schlaf gesunken. Da haben Wecker kommen müssen. Das waren die Litera- ten; sie haben gewühlt, sie haben unsere Bauern aus dem Schlafe gerüttelt. Da sind sie erwacht, da sind sie zusammengetreten mit der ganzen Kraft ihrer Seelen. Was fanden wir in Tyrol, wo alle Schranken zusammenbrachen, alle Obrigkeit zu versinken drohte? Wir fanden unser Volk in seinen Bergen ruhig, scharfen entschiedenen Blicks in christlicher Gesinnung die Zukunft erwar- tend. Jch darf es nicht verhehlen, die vielfach zweifelhaften Güter der März=Revolution machten unsere Tyroler bedenklich. „Wenn diese Freiheit, sagten sie, unsere Religion nicht gefährdet, dann soll sie uns willkommen seyn. Jedes Geschenk, welches für die Religion verderblich ist, werden wir aber abwenden mit der ganzen Kraft unserer Seelen und unserer Leiber.“ Und als die Habsucht und Ungerechtigkeit am Eigenthum der Kirche sich vergriff durch die Ablösungsgesetze, da sagten die Tyroler Bauern: „Wir wollen ablößen, wir wollen bezahlen, aber nicht stehlen;“ sie fragten in großer Bangigkeit beim Landtag an, was zu thun sey. Man wollte Katzenmusiken bringen bei uns; da sagten die Tyroler: das ist unchristlich, das wird bei uns nicht geduldet. Freiheit für Alle wollen wir, wir wollen in unserem Lande Ruhe der Nacht und Ruhe der Ueberzeugung. Jch muß gestehen, in man- chen Gegenden Deutschlands, wo ich den Geist der Auflehn- ung, der Verwirrung gewahrte, da wurde das Herz mir schwer. Aber am Rheine, in Mainz, in Coblenz, da glaubte ich mein bie- deres Volk wiederzufinden. So hatte die alte geschichtliche Be- hauptung Recht, daß die Tyroler seyen ein Stamm eingewander- ter Rheinländer! Diese Jnnigkeit und Einigkeit wollen wir im katholischen Glauben aufrecht halten. Einig sind auch unsere Fein- de, sie sind wohl organisirt. Wir müssen kämpfen mit den Waffen unserer Feinde, aber nicht mit den Mitteln un- srer Feinde. Wir müssen ihren Volksversammlungen andere ent- gegensetzen. Die Opposition gegen alles Heilige ist verbraucht, die Armuth der abgenutzten Schmähung und Leugnung ist überall fühlbar und zum Ekel geworden. Diesem ruinhaften Treiben und Wesen der Zerstörung treten wir entgegen mit frischer lebensvoller Kraft, mit einer Kraft, welche nicht Häuser anzündet, nicht Men- schen mordet, sondern die Herzen bezwingt und vereint mit heili- ger Liebe. Aber es müssen auch die Schmutzblätter durch Wort und Schrift bekämpft werden. Wir müssen hier lernen von unsern Gegnern die Popularität, mit welcher sie in die Seelen des Vol- kes hineinreden, ihre Schmiegsamkeit, mit der sie seinen Gefühlen sich anpassen, ihre vielgeschäftige Gewandtheit, die Eind ringlich-

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 107. Mainz, 9. Oktober 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal107_1848/1>, abgerufen am 23.11.2024.