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Mainzer Journal. Nr. 93. Mainz, 22. September 1848.

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Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 93. Samstag, den 23. September. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.
Reichstag.

# Frankfurt 22. September. Heute wurde endlich wieder
in der Berathung der Grundrechte forgefahren. An der allgemei-
nen Debatte über die Schulfrage betheiligten sich noch: Rein-
hard, Hoffmann
( aus Ludwigsburg ) , Ostendorf und Löw
( aus Magdeburg ) . Während der Erstgenannte gegen den kirchlichen
Einfluß sich ereiferte, der Letztgenannte wenigstens die Freiheit na-
mentlich für katholische Gegenden erhalten wissen wollte, zeichnete
Hoffmann mit aller Schärfe die Nichtsnutzigkeit der Vorschläge
des Schulausschusses und verwahrte sich gegen eine Verkümmerung
des Rechtes der Gemeinden auf die Volksschule und ihren Geist.
Hierauf geht die Versammlung zur speciellen Debatte über. §. 17.
wird ohne Discussion angenommen. Nachdem über §. 18. Schie-
renberg
sich auf früher Gesagtes zurückbezogen, erklärt sich
Dieringer für Unterrichtsfreiheit nach dem Antrag des Ver-
fassungsausschusses, nicht als ob die Unbescholtenheit schon zum
Volkslehrer qualificire, sondern weil es Denjenigen, die Lehrer
anstellen wollen ( Kirche, Staat, Gemeinde, Privaten ) , überlassen
bleiben müsse, bestimmte Eigenschaften zu verlangen; mache man den
Staat zum Generalschulmeister, so provocire man einen Kampf für
die Freiheit, noch heftiger als jenen in der französischen Unterrichts-
frage. Goltz verlangt den Nachweis der Befähigung und spricht
gegen die Armenschulen, die er in drei Kategorien eintheilt.
Friedrich verfolgt das Gleichniß weiter, daß die Schule
eine Tochter der Kirche sey, bezeichnet den Staat als deren
Stiefvater, der sie auszustatten habe, aber sie nicht heirathen
dürfe, und weis't nach, daß in den meisten deutschen Staa-
ten die Geistlichen nicht als solche, sondern als Beauftragte
des Staates die Schulinspection ausgeübt haben. Waitz verthei-
digt schließlich den Antrag des Ausschusses und erklärt sich als
Berichterstatter gegen das Gebahren Derjenigen, welche von
Neuem "Polizei spielen" und gewisse geistliche Orden von der
Schule ausschließen wollen. Die Abstimmung über diesen §. wird
Montags statt finden.

Berlin 19. Sept. ( D. A. Z. ) Das Schisma, dessen tiefere
Gründe der gestrige Bericht angedeutet, dauert für die Bildung
eines neuen Ministeriums fort; auch heute sind Berathungen
in Bellevue, an welchen der König Theil nimmt; und da es sich
um principielle Abwickelungen handelt, so möchre ein definitives
Arrangement nicht so leicht zu treffen seyn, zumal man die Noth-
wendigkeit fühlt, eine dauerhafte Verwaltung zu gründen. Wie
wir hören, hätte Hr. v. Beckerath noch gestern in einem be-
freundeten Kreis erklärt, daß er ein neues Ministerium zu gründen
jedenfalls übernehmen werde, und es ist Hoffnung vorhanden, daß
der König sein Programm gutheißt. -- Die in der Stadt circu-
lirende Adresse an den König, welche darum bittet: "den Abg.
Waldeck mit der Bildung eines neuen Ministeriums zu beauf-
tragen, da er allein im Stande ist, das Staatsfchiff durch die un-
ruhige Brandung der Volksbewegung zu steuern," findet im
Ganzen bis jetzt wenig Anklang, sey es nun, daß man heraus-
fühlt, wie es sich hier um ein ungeschmälert zu haltendes Vorrecht
der Krone handle, sey es, daß viele Demokraten ein Ministerium
Waldeck noch nicht an der Zeit glauben. -- Der gestrige Abend
war einigermaßen bewegt. Jn der Königsstraße vor der Thüre
des Hrn. Held ein Ständchen unter ungeheuerm Zulauf, wobei
der Gefeierte eine Rede hielt und gleichsam Abschied nahm; in der
Karlstraße ein nicht unbedeutender Krawall zwischen Bürgern und
Soldaten, hervorgegangen aus gewöhnlichen Straßenexcessen
durch das Benehmen angeblich trunkener, abziehender Kriegsre-
servisten, wobei der Major E. gefährlich durch Steinwürfe ver-
wundet wurde; Alarm und Trompetensignal durch die Straßen;
die Bürgerwehr bis 1 Uhr auf den Beinen. -- Heute statteten
vom Magistrat entlassene Arbeiter dem Syndikus Hede-
mann, der Decernent in der Sache ist, einen drohenden Besuch
ab und es kam zu lebhaften Auftritten. Die Behörden scheinen
irgend einen Schlag oder doch compacte Versuche zu befürchten,
denn es sind umfangreiche Vorsichtsmaßregeln getroffen.

Aeußerlich ist die Stadt ruhig: Theater, Promenaden, öffent-
fiche Vergnügungsorte sind überfüllt, es wird in allen Kreisen
ziemlich viel Geld ausgegeben und das Liebenswürdigste an der
Berliner Revolution, die Selbstpersieflage in Placaden und Ca-
[Spaltenumbruch] ricaturen, macht sich geltend gleichsam den schweren Ernst in
muthwilliger Laune weglachend. So sieht man hier ein großes
Mosaiktableau, Berlin im Belagerungszustande darstellend, wel-
ches durch die Drolligkeit seiner Figuren und seiner Jnschriften
auch wohl den ärgsten Misanthropen zum Lachen bringen müßte.
Und in der That, dem tiefern Beobachter kann es nicht entgehen,
daß trotz des schweren Ernstes im Hintergrunde die besseren
Köpfe sich hier über die Wirthschaft, in die wir hineingerathen
sind, wenn auch nicht gerade lustig machen, so doch in sprudeln-
dem Humor ergehen. Der Volksgeist hier hat bekanntlich in sei-
nem Kern etwas durchaus Jronisches, und die Dinge sind so
weit gediehen, daß man nur noch an ihrem dialektischen Farben-
spiele Freude findet. Der souveraine Lindenclub hat sich aufge-
löst, und indessen der demokratische Club ein ziemlich bedeutendes
Placat an die Soldaten erläßt, hat der tapfere Oberst eines hie-
sigen Regiments neulich seinen zusammenberufenen Truppen buch-
stäblich folgende praktische Anrede gehalten: "Jhr werdet nicht
zu der Volksversammlung hingehen; ich werde heute Abend Je-
dem von euch ein Pfund Schweinebraten geben lassen, ihr könnt
auch euere Mädchen holen, und die Musiker sollen euch zum Tanz
aufspielen." Natürlich zogen die Soldaten den Schweinebraten
der Volksversammlung vor, und sie fanden mehr Vergnügen
daran, sich mit ihren Mädchen als mit dem Civil zu verbrüdern.

Berlin 19. September. ( D. A. Z. ) Man kann wohl sagen,
daß mit dem Armeebefel des Generals v. Wrangel die Wür-
fel zu großen Entscheidungen ausgeworfen worden sind, und in
diesem Sinne wird er auf allen Seiten betrachtet. General v.
Wrangel hat damit die militärische Vermittlerrolle in unseren
aufgeregten und zerwühlten Staatszuständen übernommen, und
man sagt, daß er sich dem König dazu selbst erboten und dabei
seine Wirksamkeit nach einem energischen und umfassenden Plane
vorgezeichnet habe.

Potsdam 19. September, Nachmittags 2 Uhr. Das hiesige
Militär, Cavallerie, Artillerie und Jnfanterie, hat in einem Ex-
traapell, 1 Uhr Mittags, die strengste Ordre erhalten, sich marsch-
fertig zu machen. Die Soldaten selbst glauben nicht anders, als
daß es nach Berlin gehen soll, vielleicht heut Abend oder morgen
früh. Denn kein Soldat darf seine Wohnung verlassen; Jeder
ist angewiesen, den Befehl geheim zu halten. Fleisch und Reis ist
den Leuten geliefert. Stehen wir auf einem Krater? Die radicale
"Zeitungshalle" bemerkt dazu: "Wir finden es nicht unwahr-
scheinlich, daß in diesem Schreiben Vorbereitungen zu einem
Kampfe, auf den man sich in Potsdam gefaßt hält, wahrheit-
getreu angegeben sind. Wir finden es auch unter diesen Um-
ständen nicht unwahrscheinlich, daß wir von Potsdam aus
wirklich mit einem Ministerium Pfuel -- Dönhof --
Bonin -- Eichmann -- Wentzel beschenkt werden
sollen, das heißt: mit einem Ministerium der militärischen Gewalt,
mit einem Ministerium der prononcirten Contrerevolution.
Wir sind überzeugt, daß die Krone nicht ernstlich gewillt ist, den
Weg der friedlichen Ausgleichung der Jnteressen und der fried-
lichen Entwickelung unserer Zustände durch einen freien, von ihr
ausgehenden Act mit der blutigen Bahn einer Waffenentscheidung
zu vertauschen, einer Entscheidung, welche, wie wir nicht zweifeln,
den vollständigsten Sieg zuletzt doch in die Hände des bereits
wirklich souveränen Volkes legen muß und wird." Wir sagen
Amen dazu, wenn es den Berliner Demokraten weiter um nichts
als um "friedliche Ausgleichung der Jnteressen und friedliche
Entwickelung der Zustände" zu thun ist. Bis jetzt haben sie sich
indessen in einem so vernünftigen Tone noch nie vernehmen lassen
und an ganz andere Dinge appellirt.

München 20. September. ( O. P. A. Z. ) Unser Kriegsmi-
nisterium hat einen Theil der erst jüngst in Urlaub entlassenen
Soldaten eiligst wieder einberufen. Zugleich vernimmt man heute,
eines der in Augsburg garnisonirenden Regimenter habe Marsch-
ordre erhalten. Angeblich wäre ein Executionszug beabsichtigt und
zwar gegen die Sigmaringer und Hechinger, welche Republikaner
werden wollen.

Stuttgart 21. Sept. ( Schw. M. ) Die Aufregung in
unserer Stadt ist immer noch bedeutend; gestern Abend fanden
mehrere Versammlungen statt. Heute haben sich viele Leute nach
Cannstatt gewendet, wo eine Fahnenweihe stattfand. Das 1. und
[Ende Spaltensatz]

Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 93. Samstag, den 23. September. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.
Reichstag.

# Frankfurt 22. September. Heute wurde endlich wieder
in der Berathung der Grundrechte forgefahren. An der allgemei-
nen Debatte über die Schulfrage betheiligten sich noch: Rein-
hard, Hoffmann
( aus Ludwigsburg ) , Ostendorf und Löw
( aus Magdeburg ) . Während der Erstgenannte gegen den kirchlichen
Einfluß sich ereiferte, der Letztgenannte wenigstens die Freiheit na-
mentlich für katholische Gegenden erhalten wissen wollte, zeichnete
Hoffmann mit aller Schärfe die Nichtsnutzigkeit der Vorschläge
des Schulausschusses und verwahrte sich gegen eine Verkümmerung
des Rechtes der Gemeinden auf die Volksschule und ihren Geist.
Hierauf geht die Versammlung zur speciellen Debatte über. §. 17.
wird ohne Discussion angenommen. Nachdem über §. 18. Schie-
renberg
sich auf früher Gesagtes zurückbezogen, erklärt sich
Dieringer für Unterrichtsfreiheit nach dem Antrag des Ver-
fassungsausschusses, nicht als ob die Unbescholtenheit schon zum
Volkslehrer qualificire, sondern weil es Denjenigen, die Lehrer
anstellen wollen ( Kirche, Staat, Gemeinde, Privaten ) , überlassen
bleiben müsse, bestimmte Eigenschaften zu verlangen; mache man den
Staat zum Generalschulmeister, so provocire man einen Kampf für
die Freiheit, noch heftiger als jenen in der französischen Unterrichts-
frage. Goltz verlangt den Nachweis der Befähigung und spricht
gegen die Armenschulen, die er in drei Kategorien eintheilt.
Friedrich verfolgt das Gleichniß weiter, daß die Schule
eine Tochter der Kirche sey, bezeichnet den Staat als deren
Stiefvater, der sie auszustatten habe, aber sie nicht heirathen
dürfe, und weis't nach, daß in den meisten deutschen Staa-
ten die Geistlichen nicht als solche, sondern als Beauftragte
des Staates die Schulinspection ausgeübt haben. Waitz verthei-
digt schließlich den Antrag des Ausschusses und erklärt sich als
Berichterstatter gegen das Gebahren Derjenigen, welche von
Neuem „Polizei spielen“ und gewisse geistliche Orden von der
Schule ausschließen wollen. Die Abstimmung über diesen §. wird
Montags statt finden.

Berlin 19. Sept. ( D. A. Z. ) Das Schisma, dessen tiefere
Gründe der gestrige Bericht angedeutet, dauert für die Bildung
eines neuen Ministeriums fort; auch heute sind Berathungen
in Bellevue, an welchen der König Theil nimmt; und da es sich
um principielle Abwickelungen handelt, so möchre ein definitives
Arrangement nicht so leicht zu treffen seyn, zumal man die Noth-
wendigkeit fühlt, eine dauerhafte Verwaltung zu gründen. Wie
wir hören, hätte Hr. v. Beckerath noch gestern in einem be-
freundeten Kreis erklärt, daß er ein neues Ministerium zu gründen
jedenfalls übernehmen werde, und es ist Hoffnung vorhanden, daß
der König sein Programm gutheißt. — Die in der Stadt circu-
lirende Adresse an den König, welche darum bittet: „den Abg.
Waldeck mit der Bildung eines neuen Ministeriums zu beauf-
tragen, da er allein im Stande ist, das Staatsfchiff durch die un-
ruhige Brandung der Volksbewegung zu steuern,“ findet im
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fühlt, wie es sich hier um ein ungeschmälert zu haltendes Vorrecht
der Krone handle, sey es, daß viele Demokraten ein Ministerium
Waldeck noch nicht an der Zeit glauben. — Der gestrige Abend
war einigermaßen bewegt. Jn der Königsstraße vor der Thüre
des Hrn. Held ein Ständchen unter ungeheuerm Zulauf, wobei
der Gefeierte eine Rede hielt und gleichsam Abschied nahm; in der
Karlstraße ein nicht unbedeutender Krawall zwischen Bürgern und
Soldaten, hervorgegangen aus gewöhnlichen Straßenexcessen
durch das Benehmen angeblich trunkener, abziehender Kriegsre-
servisten, wobei der Major E. gefährlich durch Steinwürfe ver-
wundet wurde; Alarm und Trompetensignal durch die Straßen;
die Bürgerwehr bis 1 Uhr auf den Beinen. — Heute statteten
vom Magistrat entlassene Arbeiter dem Syndikus Hede-
mann, der Decernent in der Sache ist, einen drohenden Besuch
ab und es kam zu lebhaften Auftritten. Die Behörden scheinen
irgend einen Schlag oder doch compacte Versuche zu befürchten,
denn es sind umfangreiche Vorsichtsmaßregeln getroffen.

Aeußerlich ist die Stadt ruhig: Theater, Promenaden, öffent-
fiche Vergnügungsorte sind überfüllt, es wird in allen Kreisen
ziemlich viel Geld ausgegeben und das Liebenswürdigste an der
Berliner Revolution, die Selbstpersieflage in Placaden und Ca-
[Spaltenumbruch] ricaturen, macht sich geltend gleichsam den schweren Ernst in
muthwilliger Laune weglachend. So sieht man hier ein großes
Mosaiktableau, Berlin im Belagerungszustande darstellend, wel-
ches durch die Drolligkeit seiner Figuren und seiner Jnschriften
auch wohl den ärgsten Misanthropen zum Lachen bringen müßte.
Und in der That, dem tiefern Beobachter kann es nicht entgehen,
daß trotz des schweren Ernstes im Hintergrunde die besseren
Köpfe sich hier über die Wirthschaft, in die wir hineingerathen
sind, wenn auch nicht gerade lustig machen, so doch in sprudeln-
dem Humor ergehen. Der Volksgeist hier hat bekanntlich in sei-
nem Kern etwas durchaus Jronisches, und die Dinge sind so
weit gediehen, daß man nur noch an ihrem dialektischen Farben-
spiele Freude findet. Der souveraine Lindenclub hat sich aufge-
löst, und indessen der demokratische Club ein ziemlich bedeutendes
Placat an die Soldaten erläßt, hat der tapfere Oberst eines hie-
sigen Regiments neulich seinen zusammenberufenen Truppen buch-
stäblich folgende praktische Anrede gehalten: „Jhr werdet nicht
zu der Volksversammlung hingehen; ich werde heute Abend Je-
dem von euch ein Pfund Schweinebraten geben lassen, ihr könnt
auch euere Mädchen holen, und die Musiker sollen euch zum Tanz
aufspielen.“ Natürlich zogen die Soldaten den Schweinebraten
der Volksversammlung vor, und sie fanden mehr Vergnügen
daran, sich mit ihren Mädchen als mit dem Civil zu verbrüdern.

Berlin 19. September. ( D. A. Z. ) Man kann wohl sagen,
daß mit dem Armeebefel des Generals v. Wrangel die Wür-
fel zu großen Entscheidungen ausgeworfen worden sind, und in
diesem Sinne wird er auf allen Seiten betrachtet. General v.
Wrangel hat damit die militärische Vermittlerrolle in unseren
aufgeregten und zerwühlten Staatszuständen übernommen, und
man sagt, daß er sich dem König dazu selbst erboten und dabei
seine Wirksamkeit nach einem energischen und umfassenden Plane
vorgezeichnet habe.

Potsdam 19. September, Nachmittags 2 Uhr. Das hiesige
Militär, Cavallerie, Artillerie und Jnfanterie, hat in einem Ex-
traapell, 1 Uhr Mittags, die strengste Ordre erhalten, sich marsch-
fertig zu machen. Die Soldaten selbst glauben nicht anders, als
daß es nach Berlin gehen soll, vielleicht heut Abend oder morgen
früh. Denn kein Soldat darf seine Wohnung verlassen; Jeder
ist angewiesen, den Befehl geheim zu halten. Fleisch und Reis ist
den Leuten geliefert. Stehen wir auf einem Krater? Die radicale
„Zeitungshalle“ bemerkt dazu: „Wir finden es nicht unwahr-
scheinlich, daß in diesem Schreiben Vorbereitungen zu einem
Kampfe, auf den man sich in Potsdam gefaßt hält, wahrheit-
getreu angegeben sind. Wir finden es auch unter diesen Um-
ständen nicht unwahrscheinlich, daß wir von Potsdam aus
wirklich mit einem Ministerium PfuelDönhof
BoninEichmannWentzel beschenkt werden
sollen, das heißt: mit einem Ministerium der militärischen Gewalt,
mit einem Ministerium der prononcirten Contrerevolution.
Wir sind überzeugt, daß die Krone nicht ernstlich gewillt ist, den
Weg der friedlichen Ausgleichung der Jnteressen und der fried-
lichen Entwickelung unserer Zustände durch einen freien, von ihr
ausgehenden Act mit der blutigen Bahn einer Waffenentscheidung
zu vertauschen, einer Entscheidung, welche, wie wir nicht zweifeln,
den vollständigsten Sieg zuletzt doch in die Hände des bereits
wirklich souveränen Volkes legen muß und wird.“ Wir sagen
Amen dazu, wenn es den Berliner Demokraten weiter um nichts
als um „friedliche Ausgleichung der Jnteressen und friedliche
Entwickelung der Zustände“ zu thun ist. Bis jetzt haben sie sich
indessen in einem so vernünftigen Tone noch nie vernehmen lassen
und an ganz andere Dinge appellirt.

München 20. September. ( O. P. A. Z. ) Unser Kriegsmi-
nisterium hat einen Theil der erst jüngst in Urlaub entlassenen
Soldaten eiligst wieder einberufen. Zugleich vernimmt man heute,
eines der in Augsburg garnisonirenden Regimenter habe Marsch-
ordre erhalten. Angeblich wäre ein Executionszug beabsichtigt und
zwar gegen die Sigmaringer und Hechinger, welche Republikaner
werden wollen.

Stuttgart 21. Sept. ( Schw. M. ) Die Aufregung in
unserer Stadt ist immer noch bedeutend; gestern Abend fanden
mehrere Versammlungen statt. Heute haben sich viele Leute nach
Cannstatt gewendet, wo eine Fahnenweihe stattfand. Das 1. und
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[0005] Beilage zum Mainzer Journal. Nro 93. Samstag, den 23. September. 1848. Deutschland. Reichstag. # Frankfurt 22. September. Heute wurde endlich wieder in der Berathung der Grundrechte forgefahren. An der allgemei- nen Debatte über die Schulfrage betheiligten sich noch: Rein- hard, Hoffmann ( aus Ludwigsburg ) , Ostendorf und Löw ( aus Magdeburg ) . Während der Erstgenannte gegen den kirchlichen Einfluß sich ereiferte, der Letztgenannte wenigstens die Freiheit na- mentlich für katholische Gegenden erhalten wissen wollte, zeichnete Hoffmann mit aller Schärfe die Nichtsnutzigkeit der Vorschläge des Schulausschusses und verwahrte sich gegen eine Verkümmerung des Rechtes der Gemeinden auf die Volksschule und ihren Geist. Hierauf geht die Versammlung zur speciellen Debatte über. §. 17. wird ohne Discussion angenommen. Nachdem über §. 18. Schie- renberg sich auf früher Gesagtes zurückbezogen, erklärt sich Dieringer für Unterrichtsfreiheit nach dem Antrag des Ver- fassungsausschusses, nicht als ob die Unbescholtenheit schon zum Volkslehrer qualificire, sondern weil es Denjenigen, die Lehrer anstellen wollen ( Kirche, Staat, Gemeinde, Privaten ) , überlassen bleiben müsse, bestimmte Eigenschaften zu verlangen; mache man den Staat zum Generalschulmeister, so provocire man einen Kampf für die Freiheit, noch heftiger als jenen in der französischen Unterrichts- frage. Goltz verlangt den Nachweis der Befähigung und spricht gegen die Armenschulen, die er in drei Kategorien eintheilt. Friedrich verfolgt das Gleichniß weiter, daß die Schule eine Tochter der Kirche sey, bezeichnet den Staat als deren Stiefvater, der sie auszustatten habe, aber sie nicht heirathen dürfe, und weis't nach, daß in den meisten deutschen Staa- ten die Geistlichen nicht als solche, sondern als Beauftragte des Staates die Schulinspection ausgeübt haben. Waitz verthei- digt schließlich den Antrag des Ausschusses und erklärt sich als Berichterstatter gegen das Gebahren Derjenigen, welche von Neuem „Polizei spielen“ und gewisse geistliche Orden von der Schule ausschließen wollen. Die Abstimmung über diesen §. wird Montags statt finden. Berlin 19. Sept. ( D. A. Z. ) Das Schisma, dessen tiefere Gründe der gestrige Bericht angedeutet, dauert für die Bildung eines neuen Ministeriums fort; auch heute sind Berathungen in Bellevue, an welchen der König Theil nimmt; und da es sich um principielle Abwickelungen handelt, so möchre ein definitives Arrangement nicht so leicht zu treffen seyn, zumal man die Noth- wendigkeit fühlt, eine dauerhafte Verwaltung zu gründen. Wie wir hören, hätte Hr. v. Beckerath noch gestern in einem be- freundeten Kreis erklärt, daß er ein neues Ministerium zu gründen jedenfalls übernehmen werde, und es ist Hoffnung vorhanden, daß der König sein Programm gutheißt. — Die in der Stadt circu- lirende Adresse an den König, welche darum bittet: „den Abg. Waldeck mit der Bildung eines neuen Ministeriums zu beauf- tragen, da er allein im Stande ist, das Staatsfchiff durch die un- ruhige Brandung der Volksbewegung zu steuern,“ findet im Ganzen bis jetzt wenig Anklang, sey es nun, daß man heraus- fühlt, wie es sich hier um ein ungeschmälert zu haltendes Vorrecht der Krone handle, sey es, daß viele Demokraten ein Ministerium Waldeck noch nicht an der Zeit glauben. — Der gestrige Abend war einigermaßen bewegt. Jn der Königsstraße vor der Thüre des Hrn. Held ein Ständchen unter ungeheuerm Zulauf, wobei der Gefeierte eine Rede hielt und gleichsam Abschied nahm; in der Karlstraße ein nicht unbedeutender Krawall zwischen Bürgern und Soldaten, hervorgegangen aus gewöhnlichen Straßenexcessen durch das Benehmen angeblich trunkener, abziehender Kriegsre- servisten, wobei der Major E. gefährlich durch Steinwürfe ver- wundet wurde; Alarm und Trompetensignal durch die Straßen; die Bürgerwehr bis 1 Uhr auf den Beinen. — Heute statteten vom Magistrat entlassene Arbeiter dem Syndikus Hede- mann, der Decernent in der Sache ist, einen drohenden Besuch ab und es kam zu lebhaften Auftritten. Die Behörden scheinen irgend einen Schlag oder doch compacte Versuche zu befürchten, denn es sind umfangreiche Vorsichtsmaßregeln getroffen. Aeußerlich ist die Stadt ruhig: Theater, Promenaden, öffent- fiche Vergnügungsorte sind überfüllt, es wird in allen Kreisen ziemlich viel Geld ausgegeben und das Liebenswürdigste an der Berliner Revolution, die Selbstpersieflage in Placaden und Ca- ricaturen, macht sich geltend gleichsam den schweren Ernst in muthwilliger Laune weglachend. So sieht man hier ein großes Mosaiktableau, Berlin im Belagerungszustande darstellend, wel- ches durch die Drolligkeit seiner Figuren und seiner Jnschriften auch wohl den ärgsten Misanthropen zum Lachen bringen müßte. Und in der That, dem tiefern Beobachter kann es nicht entgehen, daß trotz des schweren Ernstes im Hintergrunde die besseren Köpfe sich hier über die Wirthschaft, in die wir hineingerathen sind, wenn auch nicht gerade lustig machen, so doch in sprudeln- dem Humor ergehen. Der Volksgeist hier hat bekanntlich in sei- nem Kern etwas durchaus Jronisches, und die Dinge sind so weit gediehen, daß man nur noch an ihrem dialektischen Farben- spiele Freude findet. Der souveraine Lindenclub hat sich aufge- löst, und indessen der demokratische Club ein ziemlich bedeutendes Placat an die Soldaten erläßt, hat der tapfere Oberst eines hie- sigen Regiments neulich seinen zusammenberufenen Truppen buch- stäblich folgende praktische Anrede gehalten: „Jhr werdet nicht zu der Volksversammlung hingehen; ich werde heute Abend Je- dem von euch ein Pfund Schweinebraten geben lassen, ihr könnt auch euere Mädchen holen, und die Musiker sollen euch zum Tanz aufspielen.“ Natürlich zogen die Soldaten den Schweinebraten der Volksversammlung vor, und sie fanden mehr Vergnügen daran, sich mit ihren Mädchen als mit dem Civil zu verbrüdern. Berlin 19. September. ( D. A. Z. ) Man kann wohl sagen, daß mit dem Armeebefel des Generals v. Wrangel die Wür- fel zu großen Entscheidungen ausgeworfen worden sind, und in diesem Sinne wird er auf allen Seiten betrachtet. General v. Wrangel hat damit die militärische Vermittlerrolle in unseren aufgeregten und zerwühlten Staatszuständen übernommen, und man sagt, daß er sich dem König dazu selbst erboten und dabei seine Wirksamkeit nach einem energischen und umfassenden Plane vorgezeichnet habe. Potsdam 19. September, Nachmittags 2 Uhr. Das hiesige Militär, Cavallerie, Artillerie und Jnfanterie, hat in einem Ex- traapell, 1 Uhr Mittags, die strengste Ordre erhalten, sich marsch- fertig zu machen. Die Soldaten selbst glauben nicht anders, als daß es nach Berlin gehen soll, vielleicht heut Abend oder morgen früh. Denn kein Soldat darf seine Wohnung verlassen; Jeder ist angewiesen, den Befehl geheim zu halten. Fleisch und Reis ist den Leuten geliefert. Stehen wir auf einem Krater? Die radicale „Zeitungshalle“ bemerkt dazu: „Wir finden es nicht unwahr- scheinlich, daß in diesem Schreiben Vorbereitungen zu einem Kampfe, auf den man sich in Potsdam gefaßt hält, wahrheit- getreu angegeben sind. Wir finden es auch unter diesen Um- ständen nicht unwahrscheinlich, daß wir von Potsdam aus wirklich mit einem Ministerium Pfuel — Dönhof — Bonin — Eichmann — Wentzel beschenkt werden sollen, das heißt: mit einem Ministerium der militärischen Gewalt, mit einem Ministerium der prononcirten Contrerevolution. Wir sind überzeugt, daß die Krone nicht ernstlich gewillt ist, den Weg der friedlichen Ausgleichung der Jnteressen und der fried- lichen Entwickelung unserer Zustände durch einen freien, von ihr ausgehenden Act mit der blutigen Bahn einer Waffenentscheidung zu vertauschen, einer Entscheidung, welche, wie wir nicht zweifeln, den vollständigsten Sieg zuletzt doch in die Hände des bereits wirklich souveränen Volkes legen muß und wird.“ Wir sagen Amen dazu, wenn es den Berliner Demokraten weiter um nichts als um „friedliche Ausgleichung der Jnteressen und friedliche Entwickelung der Zustände“ zu thun ist. Bis jetzt haben sie sich indessen in einem so vernünftigen Tone noch nie vernehmen lassen und an ganz andere Dinge appellirt. München 20. September. ( O. P. A. Z. ) Unser Kriegsmi- nisterium hat einen Theil der erst jüngst in Urlaub entlassenen Soldaten eiligst wieder einberufen. Zugleich vernimmt man heute, eines der in Augsburg garnisonirenden Regimenter habe Marsch- ordre erhalten. Angeblich wäre ein Executionszug beabsichtigt und zwar gegen die Sigmaringer und Hechinger, welche Republikaner werden wollen. Stuttgart 21. Sept. ( Schw. M. ) Die Aufregung in unserer Stadt ist immer noch bedeutend; gestern Abend fanden mehrere Versammlungen statt. Heute haben sich viele Leute nach Cannstatt gewendet, wo eine Fahnenweihe stattfand. Das 1. und

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 93. Mainz, 22. September 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal093_1848/5>, abgerufen am 27.11.2024.