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Mainzer Journal. Nr. 84. Mainz, 12. September 1848.

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Mainzer Journal.


Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den "Rheinischen Unterhaltungs-
blättern " schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;
für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz
jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-
falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.



Nro 84. Dienstag, den 12. September. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Die unbeschränkte Handelsfreiheit.

Z Dem Vernehmen nach soll Herr John Prince Smith,
nationalökonomischer Schriftsteller, geborener Engländer und
Stadtverordneter zu Berlin, es unternommen haben, eine Petition
"um Schutz gegen Beschränkung des Verkehrs" auszuarbeiten,
um solche mit vielen Unterschriften der "Freihandelsfreunde" ver-
sehen der constituirenden Nationalversammlung zu Frankfurt zur
Berücksichtigung vorzulegen. Würde diese Petition -- deren
Jnhalt wir leider nicht näher kennen -- blos das Verlangen
ausdrücken, die den inneren Verkehr Deutschlands noch immer
beschränkenden Binnenzölle, wie Ausgleichungsabgaben , so-
dann die Particular=Mauthanstalten aufzuheben, dafür ein allge-
meines Zollsystem anzunehmen und dessen Linie an die äußersten
Marken Deutschlands zu verlegen, so könnten wir uns mit solch
patriotischem Ansinnen nur vollkommen einverstanden erklären,
und hätten nur noch zu wünschen, daß die erbetene Maasregel
baldthunlichst realisirt werden möchte. Wir glauben indessen
Grund zu der Befürchtung zu haben, daß der Zweck jener Ein-
gabe auf völlige Handelsfreiheit, auf Aufhebung aller und jeder
deutschen Zollschranken gerichtet sey und finden darin eine ge-
nügende Veranlassung zu den folgenden Bemerkungen.

Es ist gegenwärtig nicht das erste Mal, daß in Deutschland
der Ruf nach allgemeiner Handelsfreiheit ertönt. Er hat sich
bereits zu verschiedenen Malen und sonderbarerweise gerade im-
mer dann am stärksten vernehmen lassen, wenn deutsche Länder
im Begriffe standen, die gegenseitigen Schranken ihres Verkehrs
ganz oder theilweise aufzuheben, demnach die ersten Schritte auf
der Freihandelsbahn zu thun. Wer denkt hier nicht an das Geschrei
der Freihandelsmänner, als im Jahr 1828 Hessen sich dem preußi-
schen Zollsysteme anschloß? wem gellen nicht noch jetzt die Ohren
von dem entsetzlichen Freihandelslärm, der erhoben wurde, als bald
dem Beispiele Hessens die süddeutschen Staaten und dann die
übrigen zu dem großen Zollverbande gehörigen Länder folgten?
wer erinnert sich endlich nicht der neuerlichen, in Berlin und an
anderen Orten gehaltenen, höchst erbaulichen Missionspredigten
des englischen Freihandelsapostels zu einer Zeit, wo eifriger denn je
wegen des Anschlusses von Hannover und der Hansestädte an den
deutschen Zollverein verhandelt wurde? Hiernach wird man es
ganz in der hergebrachten Ordnung finden, wenn jener Unkenruf
sich jetzt wieder hören läßt, jetzt wo es sich darum handelt, auch
Deutschlands Zoll= und Verkehrsverhältnisse im einheitlichen
Sinne zu regeln. Es wäre schwer zu begreifen, wie in Deutsch-
land das Verlangen nach vollständiger Handelsfreiheit, d. h. nach
Aufhebung unserer Schutzzölle laut werden könne, wüßte man
nicht, daß es hier nur der Wiederhall eines Tones ist, der in
dem klangreichen Lande Albion's -- gewiß nur aus purer Sorge
für unser Wohl -- stets von neuem angeschlagen wird.

Nachdem England einzig und allein dadurch auf jene unend-
liche Höhe seiner Jndustrie und seines Handels hinaufstieg, daß
es am frühesten das Prohibitivsystem einführte und es, begünstigt
durch seine geographische Lage, am strengsten beobachten konnte,
erscheint seine Sehnsucht nach allgemeiner Handelsfreiheit sehr
natürlich. Jetzt wo die Fabriken der Engländer Alles, von der
Schuhsohle bis zum Hute, theils wohlfeiler, theils besser ver-
fertigen, als man es irgend anderswo verfertigen und kaufen
kann, jetzt können sie allerdings ihr Prohibitivsystem aufgeben.
Denn wenn der Deutsche zu Frankfurt und Leipzig, der Franzose
zu Paris mit ihnen nicht mehr Concurrenz halten kann, wie wird
er mit ihnen an den Ufern der Themse in Concurrenz treten kön-
nen? welche deutsche Cattun= oder Tuchfabriken würden in Eng-
[Spaltenumbruch] land ihre Waaren absetzen? England hat sich durch sein eisernes
Verbotsystem nicht blos über alle Concurrenz erhoben, sondern
es befestigt sich in seiner furchtbar gewordenen Uebermacht durch
die perfide Art der Ausübung desselben. So erlaubt es die Ein-
fuhr ausländischer Wolle, die es überall aufkaufen läßt, um die
ausländischen Tuchfabriken durch Entziehung des zur Production
nothwendigen Rohmaterials zu Grund zu richten. So bemächtiget
es sich aller rohen Seide, deren es habhaft werden kann, um die
fremden Seidenmanufacturen zu drücken, und es sucht die Preise
der Baumwolle zu erhöhen, um die Baumwollenfabriken des
Auslandes zu lähmen. England könnte das Gängelband seinen
Fabriken und Manufacturen abnehmen, nachdem diese groß und
stark genug geworden sind, um allein dazustehen und sich mit der
Schnelligkeit des Windes von einem Pole zum anderen zu bewe-
gen. Wehe uns, wollten wir diesem Beispiele folgen, und unserer
noch in der Kindheit befindlichen Jndustrie die nothwendigen, die
unentbehrlichen Stützen versagen! Alle klügeren Staaten befolgen
mehr oder minder das Prohibitivsystem, sie werden es schwerlich
der Gelüste Englands wegen aufgeben. Und wie könnten wir
Deutsche allein so lieblos gegen unser Vaterland, gegen unsere
Mitbürger seyn, und einer unpraktischen Jdee, wie der der all-
gemeinen Handelsfreiheit, unsere theuersten Jnteressen opfern
wollen? Sollten wir so stockblind, so hölzern seyn und nicht be-
greifen, daß wir endlich den letzten Heller verlieren müßten, wenn
wir bei den rings um unsere Grenzen bestehenden Einfuhrverboten
für keinen Groschen exportiren könnten, während wir, nach dem
durch Aufhebung der Schutzzölle herbeigeführten Ruin unserer
Jndustrie, genöthiget wären, all unseren Bedarf vom Auslande
zu beziehen? Wäre es nicht wahnsinnig, Erzeugnisse, die wir
eben so gut, vielleicht noch besser im Lande hervorzubringen im
Stande sind, aus dem Auslande herein zu holen und unser Geld
dafür hinaus zu schicken? Wäre es nicht, um nur ein Beispiel
anzuführen, mehr als höchst unklug, wenn wir die Wolle, die
wir produciren und die für unseren Bedarf noch nicht hinreicht,
in's Ausland führen lassen und dann von dem Auslande Tuch
kaufen wollten?

Zwar stellen uns die Freiheitsapostel Antheil am Welthandel
in Aussicht. Wie sollen wir aber am Welthandel participiren,
wenn unsere Kräfte erschöpft, wenn wir durch die Ueberfluthung
englischer Erzeugnisse erdrückt, ausgesogen sind, und wenn unsere
Nachbaren kein deutsches Product über ihre Grenze, ja vielleicht
nicht einmal transitiren lassen? So schön und glänzend die Jdeen
eines kräftigen Antheils am Welthandel seyn mögen, so scheint doch
die nüchterne Jdee, daß Jeder erst vor seiner Thüre kehre, ehe er
sich in den Handel der Welt mischt, weit fruchtbarer für das prak-
tische Leben einzelner Jndividuen wie einzelner Staaten. Handel,
soll er anders solid, nicht Schwindel seyn, und dem Lande zum
wahren Segen gereichen, kann nur dann erst kräftig gedeihen,
wenn Ackerbau und Jndustrie den höchsten Grad ihrer Blüthe er-
reicht haben; wenn nicht blos die Bedürfnisse eines Landes an
Speise und Trank, an Kleidung und den übrigen Unentbehrlich-
keiten eines genügsamen und mäßigen Volkes hinlänglich gedeckt
sind, sondern wenn Ueberfluß an diesem Allen vorhanden ist.
Wann wird man einsehen, daß Kauf noch nicht Handel ist, daß
ein Land, welches kauft, was es selbst erzeugen kann, eben so lie-
derlich und einfältig ist, als ein Hausvater, der seiner Familie
kauft oder kaufen läßt, was sie selbst zu verfertigen vermag! Ein
Hausvater, der so verfährt, wird sich und seine Familie, und
wenn er noch so wohlhabend wäre, desto früher zu Grunde rich-
ten, je größer seine Familie wird.

Die vielen sich widersprechenden Anträge in Handel= und Zoll-
[Ende Spaltensatz]

Mainzer Journal.


Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den „Rheinischen Unterhaltungs-
blättern “ schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;
für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz
jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-
falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.



Nro 84. Dienstag, den 12. September. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Die unbeschränkte Handelsfreiheit.

Z Dem Vernehmen nach soll Herr John Prince Smith,
nationalökonomischer Schriftsteller, geborener Engländer und
Stadtverordneter zu Berlin, es unternommen haben, eine Petition
„um Schutz gegen Beschränkung des Verkehrs“ auszuarbeiten,
um solche mit vielen Unterschriften der „Freihandelsfreunde“ ver-
sehen der constituirenden Nationalversammlung zu Frankfurt zur
Berücksichtigung vorzulegen. Würde diese Petition — deren
Jnhalt wir leider nicht näher kennen — blos das Verlangen
ausdrücken, die den inneren Verkehr Deutschlands noch immer
beschränkenden Binnenzölle, wie Ausgleichungsabgaben , so-
dann die Particular=Mauthanstalten aufzuheben, dafür ein allge-
meines Zollsystem anzunehmen und dessen Linie an die äußersten
Marken Deutschlands zu verlegen, so könnten wir uns mit solch
patriotischem Ansinnen nur vollkommen einverstanden erklären,
und hätten nur noch zu wünschen, daß die erbetene Maasregel
baldthunlichst realisirt werden möchte. Wir glauben indessen
Grund zu der Befürchtung zu haben, daß der Zweck jener Ein-
gabe auf völlige Handelsfreiheit, auf Aufhebung aller und jeder
deutschen Zollschranken gerichtet sey und finden darin eine ge-
nügende Veranlassung zu den folgenden Bemerkungen.

Es ist gegenwärtig nicht das erste Mal, daß in Deutschland
der Ruf nach allgemeiner Handelsfreiheit ertönt. Er hat sich
bereits zu verschiedenen Malen und sonderbarerweise gerade im-
mer dann am stärksten vernehmen lassen, wenn deutsche Länder
im Begriffe standen, die gegenseitigen Schranken ihres Verkehrs
ganz oder theilweise aufzuheben, demnach die ersten Schritte auf
der Freihandelsbahn zu thun. Wer denkt hier nicht an das Geschrei
der Freihandelsmänner, als im Jahr 1828 Hessen sich dem preußi-
schen Zollsysteme anschloß? wem gellen nicht noch jetzt die Ohren
von dem entsetzlichen Freihandelslärm, der erhoben wurde, als bald
dem Beispiele Hessens die süddeutschen Staaten und dann die
übrigen zu dem großen Zollverbande gehörigen Länder folgten?
wer erinnert sich endlich nicht der neuerlichen, in Berlin und an
anderen Orten gehaltenen, höchst erbaulichen Missionspredigten
des englischen Freihandelsapostels zu einer Zeit, wo eifriger denn je
wegen des Anschlusses von Hannover und der Hansestädte an den
deutschen Zollverein verhandelt wurde? Hiernach wird man es
ganz in der hergebrachten Ordnung finden, wenn jener Unkenruf
sich jetzt wieder hören läßt, jetzt wo es sich darum handelt, auch
Deutschlands Zoll= und Verkehrsverhältnisse im einheitlichen
Sinne zu regeln. Es wäre schwer zu begreifen, wie in Deutsch-
land das Verlangen nach vollständiger Handelsfreiheit, d. h. nach
Aufhebung unserer Schutzzölle laut werden könne, wüßte man
nicht, daß es hier nur der Wiederhall eines Tones ist, der in
dem klangreichen Lande Albion's — gewiß nur aus purer Sorge
für unser Wohl — stets von neuem angeschlagen wird.

Nachdem England einzig und allein dadurch auf jene unend-
liche Höhe seiner Jndustrie und seines Handels hinaufstieg, daß
es am frühesten das Prohibitivsystem einführte und es, begünstigt
durch seine geographische Lage, am strengsten beobachten konnte,
erscheint seine Sehnsucht nach allgemeiner Handelsfreiheit sehr
natürlich. Jetzt wo die Fabriken der Engländer Alles, von der
Schuhsohle bis zum Hute, theils wohlfeiler, theils besser ver-
fertigen, als man es irgend anderswo verfertigen und kaufen
kann, jetzt können sie allerdings ihr Prohibitivsystem aufgeben.
Denn wenn der Deutsche zu Frankfurt und Leipzig, der Franzose
zu Paris mit ihnen nicht mehr Concurrenz halten kann, wie wird
er mit ihnen an den Ufern der Themse in Concurrenz treten kön-
nen? welche deutsche Cattun= oder Tuchfabriken würden in Eng-
[Spaltenumbruch] land ihre Waaren absetzen? England hat sich durch sein eisernes
Verbotsystem nicht blos über alle Concurrenz erhoben, sondern
es befestigt sich in seiner furchtbar gewordenen Uebermacht durch
die perfide Art der Ausübung desselben. So erlaubt es die Ein-
fuhr ausländischer Wolle, die es überall aufkaufen läßt, um die
ausländischen Tuchfabriken durch Entziehung des zur Production
nothwendigen Rohmaterials zu Grund zu richten. So bemächtiget
es sich aller rohen Seide, deren es habhaft werden kann, um die
fremden Seidenmanufacturen zu drücken, und es sucht die Preise
der Baumwolle zu erhöhen, um die Baumwollenfabriken des
Auslandes zu lähmen. England könnte das Gängelband seinen
Fabriken und Manufacturen abnehmen, nachdem diese groß und
stark genug geworden sind, um allein dazustehen und sich mit der
Schnelligkeit des Windes von einem Pole zum anderen zu bewe-
gen. Wehe uns, wollten wir diesem Beispiele folgen, und unserer
noch in der Kindheit befindlichen Jndustrie die nothwendigen, die
unentbehrlichen Stützen versagen! Alle klügeren Staaten befolgen
mehr oder minder das Prohibitivsystem, sie werden es schwerlich
der Gelüste Englands wegen aufgeben. Und wie könnten wir
Deutsche allein so lieblos gegen unser Vaterland, gegen unsere
Mitbürger seyn, und einer unpraktischen Jdee, wie der der all-
gemeinen Handelsfreiheit, unsere theuersten Jnteressen opfern
wollen? Sollten wir so stockblind, so hölzern seyn und nicht be-
greifen, daß wir endlich den letzten Heller verlieren müßten, wenn
wir bei den rings um unsere Grenzen bestehenden Einfuhrverboten
für keinen Groschen exportiren könnten, während wir, nach dem
durch Aufhebung der Schutzzölle herbeigeführten Ruin unserer
Jndustrie, genöthiget wären, all unseren Bedarf vom Auslande
zu beziehen? Wäre es nicht wahnsinnig, Erzeugnisse, die wir
eben so gut, vielleicht noch besser im Lande hervorzubringen im
Stande sind, aus dem Auslande herein zu holen und unser Geld
dafür hinaus zu schicken? Wäre es nicht, um nur ein Beispiel
anzuführen, mehr als höchst unklug, wenn wir die Wolle, die
wir produciren und die für unseren Bedarf noch nicht hinreicht,
in's Ausland führen lassen und dann von dem Auslande Tuch
kaufen wollten?

Zwar stellen uns die Freiheitsapostel Antheil am Welthandel
in Aussicht. Wie sollen wir aber am Welthandel participiren,
wenn unsere Kräfte erschöpft, wenn wir durch die Ueberfluthung
englischer Erzeugnisse erdrückt, ausgesogen sind, und wenn unsere
Nachbaren kein deutsches Product über ihre Grenze, ja vielleicht
nicht einmal transitiren lassen? So schön und glänzend die Jdeen
eines kräftigen Antheils am Welthandel seyn mögen, so scheint doch
die nüchterne Jdee, daß Jeder erst vor seiner Thüre kehre, ehe er
sich in den Handel der Welt mischt, weit fruchtbarer für das prak-
tische Leben einzelner Jndividuen wie einzelner Staaten. Handel,
soll er anders solid, nicht Schwindel seyn, und dem Lande zum
wahren Segen gereichen, kann nur dann erst kräftig gedeihen,
wenn Ackerbau und Jndustrie den höchsten Grad ihrer Blüthe er-
reicht haben; wenn nicht blos die Bedürfnisse eines Landes an
Speise und Trank, an Kleidung und den übrigen Unentbehrlich-
keiten eines genügsamen und mäßigen Volkes hinlänglich gedeckt
sind, sondern wenn Ueberfluß an diesem Allen vorhanden ist.
Wann wird man einsehen, daß Kauf noch nicht Handel ist, daß
ein Land, welches kauft, was es selbst erzeugen kann, eben so lie-
derlich und einfältig ist, als ein Hausvater, der seiner Familie
kauft oder kaufen läßt, was sie selbst zu verfertigen vermag! Ein
Hausvater, der so verfährt, wird sich und seine Familie, und
wenn er noch so wohlhabend wäre, desto früher zu Grunde rich-
ten, je größer seine Familie wird.

Die vielen sich widersprechenden Anträge in Handel= und Zoll-
[Ende Spaltensatz]

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Z Dem Vernehmen nach soll Herr John Prince Smith, nationalökonomischer Schriftsteller, geborener Engländer und Stadtverordneter zu Berlin, es unternommen haben, eine Petition „um Schutz gegen Beschränkung des Verkehrs“ auszuarbeiten, um solche mit vielen Unterschriften der „Freihandelsfreunde“ ver- sehen der constituirenden Nationalversammlung zu Frankfurt zur Berücksichtigung vorzulegen. Würde diese Petition — deren Jnhalt wir leider nicht näher kennen — blos das Verlangen ausdrücken, die den inneren Verkehr Deutschlands noch immer beschränkenden Binnenzölle, wie Ausgleichungsabgaben , so- dann die Particular=Mauthanstalten aufzuheben, dafür ein allge- meines Zollsystem anzunehmen und dessen Linie an die äußersten Marken Deutschlands zu verlegen, so könnten wir uns mit solch patriotischem Ansinnen nur vollkommen einverstanden erklären, und hätten nur noch zu wünschen, daß die erbetene Maasregel baldthunlichst realisirt werden möchte. Wir glauben indessen Grund zu der Befürchtung zu haben, daß der Zweck jener Ein- gabe auf völlige Handelsfreiheit, auf Aufhebung aller und jeder deutschen Zollschranken gerichtet sey und finden darin eine ge- nügende Veranlassung zu den folgenden Bemerkungen. Es ist gegenwärtig nicht das erste Mal, daß in Deutschland der Ruf nach allgemeiner Handelsfreiheit ertönt. Er hat sich bereits zu verschiedenen Malen und sonderbarerweise gerade im- mer dann am stärksten vernehmen lassen, wenn deutsche Länder im Begriffe standen, die gegenseitigen Schranken ihres Verkehrs ganz oder theilweise aufzuheben, demnach die ersten Schritte auf der Freihandelsbahn zu thun. Wer denkt hier nicht an das Geschrei der Freihandelsmänner, als im Jahr 1828 Hessen sich dem preußi- schen Zollsysteme anschloß? wem gellen nicht noch jetzt die Ohren von dem entsetzlichen Freihandelslärm, der erhoben wurde, als bald dem Beispiele Hessens die süddeutschen Staaten und dann die übrigen zu dem großen Zollverbande gehörigen Länder folgten? wer erinnert sich endlich nicht der neuerlichen, in Berlin und an anderen Orten gehaltenen, höchst erbaulichen Missionspredigten des englischen Freihandelsapostels zu einer Zeit, wo eifriger denn je wegen des Anschlusses von Hannover und der Hansestädte an den deutschen Zollverein verhandelt wurde? Hiernach wird man es ganz in der hergebrachten Ordnung finden, wenn jener Unkenruf sich jetzt wieder hören läßt, jetzt wo es sich darum handelt, auch Deutschlands Zoll= und Verkehrsverhältnisse im einheitlichen Sinne zu regeln. Es wäre schwer zu begreifen, wie in Deutsch- land das Verlangen nach vollständiger Handelsfreiheit, d. h. nach Aufhebung unserer Schutzzölle laut werden könne, wüßte man nicht, daß es hier nur der Wiederhall eines Tones ist, der in dem klangreichen Lande Albion's — gewiß nur aus purer Sorge für unser Wohl — stets von neuem angeschlagen wird. Nachdem England einzig und allein dadurch auf jene unend- liche Höhe seiner Jndustrie und seines Handels hinaufstieg, daß es am frühesten das Prohibitivsystem einführte und es, begünstigt durch seine geographische Lage, am strengsten beobachten konnte, erscheint seine Sehnsucht nach allgemeiner Handelsfreiheit sehr natürlich. Jetzt wo die Fabriken der Engländer Alles, von der Schuhsohle bis zum Hute, theils wohlfeiler, theils besser ver- fertigen, als man es irgend anderswo verfertigen und kaufen kann, jetzt können sie allerdings ihr Prohibitivsystem aufgeben. Denn wenn der Deutsche zu Frankfurt und Leipzig, der Franzose zu Paris mit ihnen nicht mehr Concurrenz halten kann, wie wird er mit ihnen an den Ufern der Themse in Concurrenz treten kön- nen? welche deutsche Cattun= oder Tuchfabriken würden in Eng- land ihre Waaren absetzen? England hat sich durch sein eisernes Verbotsystem nicht blos über alle Concurrenz erhoben, sondern es befestigt sich in seiner furchtbar gewordenen Uebermacht durch die perfide Art der Ausübung desselben. So erlaubt es die Ein- fuhr ausländischer Wolle, die es überall aufkaufen läßt, um die ausländischen Tuchfabriken durch Entziehung des zur Production nothwendigen Rohmaterials zu Grund zu richten. So bemächtiget es sich aller rohen Seide, deren es habhaft werden kann, um die fremden Seidenmanufacturen zu drücken, und es sucht die Preise der Baumwolle zu erhöhen, um die Baumwollenfabriken des Auslandes zu lähmen. England könnte das Gängelband seinen Fabriken und Manufacturen abnehmen, nachdem diese groß und stark genug geworden sind, um allein dazustehen und sich mit der Schnelligkeit des Windes von einem Pole zum anderen zu bewe- gen. Wehe uns, wollten wir diesem Beispiele folgen, und unserer noch in der Kindheit befindlichen Jndustrie die nothwendigen, die unentbehrlichen Stützen versagen! Alle klügeren Staaten befolgen mehr oder minder das Prohibitivsystem, sie werden es schwerlich der Gelüste Englands wegen aufgeben. Und wie könnten wir Deutsche allein so lieblos gegen unser Vaterland, gegen unsere Mitbürger seyn, und einer unpraktischen Jdee, wie der der all- gemeinen Handelsfreiheit, unsere theuersten Jnteressen opfern wollen? Sollten wir so stockblind, so hölzern seyn und nicht be- greifen, daß wir endlich den letzten Heller verlieren müßten, wenn wir bei den rings um unsere Grenzen bestehenden Einfuhrverboten für keinen Groschen exportiren könnten, während wir, nach dem durch Aufhebung der Schutzzölle herbeigeführten Ruin unserer Jndustrie, genöthiget wären, all unseren Bedarf vom Auslande zu beziehen? Wäre es nicht wahnsinnig, Erzeugnisse, die wir eben so gut, vielleicht noch besser im Lande hervorzubringen im Stande sind, aus dem Auslande herein zu holen und unser Geld dafür hinaus zu schicken? Wäre es nicht, um nur ein Beispiel anzuführen, mehr als höchst unklug, wenn wir die Wolle, die wir produciren und die für unseren Bedarf noch nicht hinreicht, in's Ausland führen lassen und dann von dem Auslande Tuch kaufen wollten? Zwar stellen uns die Freiheitsapostel Antheil am Welthandel in Aussicht. Wie sollen wir aber am Welthandel participiren, wenn unsere Kräfte erschöpft, wenn wir durch die Ueberfluthung englischer Erzeugnisse erdrückt, ausgesogen sind, und wenn unsere Nachbaren kein deutsches Product über ihre Grenze, ja vielleicht nicht einmal transitiren lassen? So schön und glänzend die Jdeen eines kräftigen Antheils am Welthandel seyn mögen, so scheint doch die nüchterne Jdee, daß Jeder erst vor seiner Thüre kehre, ehe er sich in den Handel der Welt mischt, weit fruchtbarer für das prak- tische Leben einzelner Jndividuen wie einzelner Staaten. Handel, soll er anders solid, nicht Schwindel seyn, und dem Lande zum wahren Segen gereichen, kann nur dann erst kräftig gedeihen, wenn Ackerbau und Jndustrie den höchsten Grad ihrer Blüthe er- reicht haben; wenn nicht blos die Bedürfnisse eines Landes an Speise und Trank, an Kleidung und den übrigen Unentbehrlich- keiten eines genügsamen und mäßigen Volkes hinlänglich gedeckt sind, sondern wenn Ueberfluß an diesem Allen vorhanden ist. Wann wird man einsehen, daß Kauf noch nicht Handel ist, daß ein Land, welches kauft, was es selbst erzeugen kann, eben so lie- derlich und einfältig ist, als ein Hausvater, der seiner Familie kauft oder kaufen läßt, was sie selbst zu verfertigen vermag! Ein Hausvater, der so verfährt, wird sich und seine Familie, und wenn er noch so wohlhabend wäre, desto früher zu Grunde rich- ten, je größer seine Familie wird. Die vielen sich widersprechenden Anträge in Handel= und Zoll-

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 84. Mainz, 12. September 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal084_1848/1>, abgerufen am 03.12.2024.