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Mainzer Journal. Nr. 81. Mainz, 8. September 1848.

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Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 81. Samstag, den 9. September. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Schleswig=Holsteinische Angelegenheit.

Hamburg 5. September. ( K. Z. ) Die Folgen des von Preus-
sen geschlossenen Waffenstillstandes treten in einer Weise hervor,
wie jeder der Verhältnisse Kundige sie voraussehen mußte und
nur ein Diplomat sie übersehen konnte. Das ganze Land ist in
der größten Aufregung; Vereine, Versammlungen u. s. w. be-
stürmen die Regierung, die Landesversammlung selbst weigert
sich einstimmig, die mit der Regierung getroffenen Verän-
derungen anzuerkennen oder in Vollzug setzen zu lassen. Dazu
zeigt sich alsbald die Unmöglichkeit, die in Gemäßheit der Waf-
fenstillstandsbedingungen eingesetzte Regierung zu constituiren.
Nur zwei Männer, Graf Karl Moltke und Baron Blome,
beide gleich übel berüchtigt, haben sich bisher bereit finden lassen,
daran Theil zu nehmen; alle übrigen Personen haben sich ge-
weigert, selbst der von Nortorf her berühmte Baron Heintze und
dieses Beispiel wird Nachahmung im ganzen Lande finden.
Uebrigens ist es außer allem Zweifel, daß die theilweise Besetzung
der Regierung von Preußen und von Dänemark nur Schein ist,
daß vielmehr Graf Moltke Vollmacht von beiden Seiten erhalten
hat, beliebige Mitglieder zu ernennen. Darauf wies die ganze Art
und Weise der von demselben geführten Unterhandlungen hin.
Aehnlich war die Sache in Lauenburg. Dort war vom wei-
land deutschen Bunde die aus drei Personen bestehende Landes-
Regierung abgesetzt worden, weil sie sich weigerte, ihr Con-
tingent zum Kriege zu stellen. Was geschieht jetzt? Preußen
ernennt seinerseits ein Mitglied der abgesetzten Regierung, Däne-
mark das andere, und die beiden wählen natürlich das dritte. --
Was nun aus der Sache werden soll, ist gar nicht abzusehen;
unter den Truppen selbst herrscht ein allgemeiner Geist der Unzu-
friedenheit über den thatenlosen Rückzug; bei dem schleswig=hol-
steiner Heere ist es sogar schon bis zu einer sehr entschiedenen De-
monstration gekommen. Als sie gestern Morgen von ihren preußi-
schen Officieren aus Kiel zu einem Feldmanöver geführt werden
sollten, weigerten sie sich dessen; sie fürchteten nämlich, man
wolle die so eben wieder zusammentretende Landesversammlung
schutzlos lassen oder vielleicht gar die Stadt mit anderen Truppen-
theilen besetzen. Auch in unserer Nachbarstadt Altona gährt und
kocht es; bereits ist das Tumultgesetz publicirt und die ganze
Bürgergarde aufgeboten. -- Unsere hamburgischen Verhältnisse
nähern sich der Krisis, und die Parteiwirren nehmen immer mehr
überhand.

Karl Graf v. Moltke, sagt die "Bremer Zeitung," unter
Christian VIII. Präsident der schleswig=holsteinischen Kanzlei, der
Urheber des offenen Briefes, der Mann des Absolutismus und
Princips der Staatseinheit der deutschen Herzogthümer mit Dä-
nemark, tritt an die Spitze der Regierung Schleswig=Holsteins.
Das ist das erste Ergebniß der Unterhandlungen, die Preußen
für Deutschland mit Dänemark geführt. Der Mann, der sein
Vaterland an das Ausland verrathen, der die Rechte seines Lan-
des mit Füßen trat, um der erste Diener fremder Gewaltmacht
zu seyn, Karl Moltke kommt gestern mit der Ratification des
Waffenstillstandes nach Deutschland zurück, und ist eher in Rends-
burg angekommen, als die Bedingungen des Waffenstillstandes!
Aber das Erscheinen dieses Mannes rechtfertigt das Schlimmste,
was das Gerücht von der Jnfamie dieses Waffenstillstandes er-
zählt. Die Stimmung in Kiel und Rendsburg ist höchst bedenk-
lich und soll von einem Theile der deutschen Truppen getheilt
werden. Die Hannoveraner und Braunschweiger wollen nicht
wieder über die Elbe zurück.

Altona 5. September. ( W. Z. ) Jn Folge der Aufregung in
den Herzogthümern traten gestern 80 der Tannschen Freischaaren,
welche auf der Hamburgischen Marine dienen, aus, um sich an
der Holsteinischen Bewegung zu betheiligen. Die Hamburgische
Polizei reclamirte bei der Altonaer Polizei die ausgetretenen Frei-
schärler und bat um deren Auslieferung, doch nicht bei Tage, son-
dern bei Nacht. Um halb 12 Uhr geschah die Auslieferung, doch
wurden die arretirten Freischärler augenblicklich befreit und es
entstand ein Kampf zwischen der Bevölkerung von St. Pauli und
der Bürgergarde Altonas. Es wurde ein St. Paulianer getödtet,
2 Bürgergardisten schwer verwundet und 29 St. Paulianer ge-
fangen. Der Lärm dauerte bis heute Nacht 2 Uhr.

Der hier von Bracklow gestiftete Vaterländische Verein konnte
[Spaltenumbruch] gestern wegen Ueberfüllung des Lokals keine Sitzung halten und
wird nun morgen unter freiem Himmel tagen. Seine Tendenz ist
eine offen republikanische.

Aus Rendsburg gehen uns Briefe zu, welche auch die
Stimmung in dieser Stadt als eine höchst aufgeregte schildern.
Die Hoffnung des Volkes beruht jetzt allein auf den Vertretern
desselben, die Landesversammlung müsse sich permanent er-
klären, den Verfassungsentwurf ohne Discussion annehmen, die
provisorische Regierung aufs Neue bestätigt werden. Die pro-
visorische Regierung hatte am 3. noch keine officielle Kunde von
den Waffenstillstandsbedingungen, obwohl Below in der Nacht
vorher durch Rendsburg ins Hauptquartier gereist war. Der
Bürgerverein hielt am Abend desselben Tages eine sehr zahlreich
besuchte Versammlung; die Stimmung war sehr republikanisch
und sprach sich für eine zweite Erhebung Schleswig=Holsteins aus.
Als die Versammlung sich getrennt hatte, sammelten sich mehrere
hundert Soldaten, die mit einem Hurrah auf die Republik das
Lokal stürmten, ohne indeß im Jnnern Excesse zu üben. Dies
Benehmen rührt wahrscheinlich daher, daß draußen unter der to-
benden Menge zwei gefangene dänische Officiere das Volk haran-
guirt hatten, denn man hörte, während Steine gegen die Fenster
flogen, ein Lebehoch auf Friedrich VII. Durch Parolebefehl ist
so eben sämmtlichen Militärs der Besuch des Bürgervereins
verboten worden.

Kiel 5. September. ( W. Z. ) Die hier anwesende provi-
sorische Regierung erhielt gestern Abend ein Schreiben von Major
von Wildenbruch aus Heiligenstedten mit der dringenden
Bitte um Schutz für sich und Karl Moltke, da ihr Leben in
Gefahr sey. Die Regierung hat darauf die betreffenden Behör-
den angewiesen, dafür zu sorgen, daß die beiden Männer sicher
aus dem Lande gelangen; Reventlow=Preetz ist schon auf
dem Wege nach jenem Orte. Man erfährt, daß ein Volksauf-
lauf in Heiligenstedten gegen die Anwesenheit des Grafen Karl
Moltke erhoben sey und er sogar festgenommen wurde.

Nun auch noch eine Mittheilung von der Kehrseite! Die ge-
wiß unverdächtige "Weserzeitung" bemerkt: "Die Schleswig-
Holsteiner haben über dem Zeter= und Hülfegeschrei gegen deut-
schen oder dänischen Verrath zu oft dasjenige verabsäumt, was
ihnen selbst in eigener Angelegenheit zunächst zu thun oblag.
Wie oft und laut haben sie geschrieen, wo es einzig zu han-
deln galt! Wie säumig haben sie sich in ihren Rüstungen, wie
schlaff in aufopfernder Hingebung an die Sache ihres Vater-
landes gezeigt, als sie im Beginne des Krieges rasch, wohl-
gerüstet und vollzählig auf dem Kampfplatze erscheinen mußten,
wie wenig haben sie selbst den großen Opfern, welche vornehm-
lich Norddeutschland für die gemeinsame Sache gebracht hat,
durch die That, wie wenig selbst durch die Gesinnung entsprochen!
Fast in allen Briefen die von unserm tapfern Armeecorps in die
Heimath gelangt sind, haben wir laute Klagen über die ungast-
liche, kalte und mißtrauische Aufnahme lesen müssen, welche die
deutschen Bundestruppen in dem stammverwandten Schleswig-
Holstein gefunden. Das unnütze Lärmmachen, womit die Schles-
wig=Holsteiner den Waffenstillstand begrüßt haben noch ehe sie ihn
kannten, möge die öffentliche Meinung in Deutschland nicht irre
führen."



Deutschland.

Wien 4. September. ( A. Z. ) Heute sind Couriere nach fast
allen Hauptstädten Europa's abgegangen, welche die nunmehr
erfolgte Annahme der englisch=französischen Vermit-
telung
von Seiten des österreichischen Cabinets zu überbringen
haben. Ob die bevorstehende Ministerkrisis diese plötzliche Sin-
nesänderung hervorgebracht, ob es der Geist der Versöhnlichkeit
gethan, der über den siegesstolzen Kriegsdämon die Oberhand
gewann, oder ob es vielleicht noch drängenderen Noten zuzu-
schreiben ist, das bleibt vorderhand in Frage gestellt. Ebenso-
wenig kann über den wahren Werth dieser Annahme irgend etwas
bestimmtes gesagt werden. Denn es wird jetzt darauf ankommen,
ob man sich über die Basis der Vermittelung verständigen kann,
oder nicht. Die Annahme der Vermittelung ohne Angabe dieser
Basis ist eine bloße Formalität, aus welcher höchstens auf allge-
meine freundliche Dispositionen geschlossen werden kann.

[Ende Spaltensatz]
Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 81. Samstag, den 9. September. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Schleswig=Holsteinische Angelegenheit.

Hamburg 5. September. ( K. Z. ) Die Folgen des von Preus-
sen geschlossenen Waffenstillstandes treten in einer Weise hervor,
wie jeder der Verhältnisse Kundige sie voraussehen mußte und
nur ein Diplomat sie übersehen konnte. Das ganze Land ist in
der größten Aufregung; Vereine, Versammlungen u. s. w. be-
stürmen die Regierung, die Landesversammlung selbst weigert
sich einstimmig, die mit der Regierung getroffenen Verän-
derungen anzuerkennen oder in Vollzug setzen zu lassen. Dazu
zeigt sich alsbald die Unmöglichkeit, die in Gemäßheit der Waf-
fenstillstandsbedingungen eingesetzte Regierung zu constituiren.
Nur zwei Männer, Graf Karl Moltke und Baron Blome,
beide gleich übel berüchtigt, haben sich bisher bereit finden lassen,
daran Theil zu nehmen; alle übrigen Personen haben sich ge-
weigert, selbst der von Nortorf her berühmte Baron Heintze und
dieses Beispiel wird Nachahmung im ganzen Lande finden.
Uebrigens ist es außer allem Zweifel, daß die theilweise Besetzung
der Regierung von Preußen und von Dänemark nur Schein ist,
daß vielmehr Graf Moltke Vollmacht von beiden Seiten erhalten
hat, beliebige Mitglieder zu ernennen. Darauf wies die ganze Art
und Weise der von demselben geführten Unterhandlungen hin.
Aehnlich war die Sache in Lauenburg. Dort war vom wei-
land deutschen Bunde die aus drei Personen bestehende Landes-
Regierung abgesetzt worden, weil sie sich weigerte, ihr Con-
tingent zum Kriege zu stellen. Was geschieht jetzt? Preußen
ernennt seinerseits ein Mitglied der abgesetzten Regierung, Däne-
mark das andere, und die beiden wählen natürlich das dritte. —
Was nun aus der Sache werden soll, ist gar nicht abzusehen;
unter den Truppen selbst herrscht ein allgemeiner Geist der Unzu-
friedenheit über den thatenlosen Rückzug; bei dem schleswig=hol-
steiner Heere ist es sogar schon bis zu einer sehr entschiedenen De-
monstration gekommen. Als sie gestern Morgen von ihren preußi-
schen Officieren aus Kiel zu einem Feldmanöver geführt werden
sollten, weigerten sie sich dessen; sie fürchteten nämlich, man
wolle die so eben wieder zusammentretende Landesversammlung
schutzlos lassen oder vielleicht gar die Stadt mit anderen Truppen-
theilen besetzen. Auch in unserer Nachbarstadt Altona gährt und
kocht es; bereits ist das Tumultgesetz publicirt und die ganze
Bürgergarde aufgeboten. — Unsere hamburgischen Verhältnisse
nähern sich der Krisis, und die Parteiwirren nehmen immer mehr
überhand.

Karl Graf v. Moltke, sagt die „Bremer Zeitung,“ unter
Christian VIII. Präsident der schleswig=holsteinischen Kanzlei, der
Urheber des offenen Briefes, der Mann des Absolutismus und
Princips der Staatseinheit der deutschen Herzogthümer mit Dä-
nemark, tritt an die Spitze der Regierung Schleswig=Holsteins.
Das ist das erste Ergebniß der Unterhandlungen, die Preußen
für Deutschland mit Dänemark geführt. Der Mann, der sein
Vaterland an das Ausland verrathen, der die Rechte seines Lan-
des mit Füßen trat, um der erste Diener fremder Gewaltmacht
zu seyn, Karl Moltke kommt gestern mit der Ratification des
Waffenstillstandes nach Deutschland zurück, und ist eher in Rends-
burg angekommen, als die Bedingungen des Waffenstillstandes!
Aber das Erscheinen dieses Mannes rechtfertigt das Schlimmste,
was das Gerücht von der Jnfamie dieses Waffenstillstandes er-
zählt. Die Stimmung in Kiel und Rendsburg ist höchst bedenk-
lich und soll von einem Theile der deutschen Truppen getheilt
werden. Die Hannoveraner und Braunschweiger wollen nicht
wieder über die Elbe zurück.

Altona 5. September. ( W. Z. ) Jn Folge der Aufregung in
den Herzogthümern traten gestern 80 der Tannschen Freischaaren,
welche auf der Hamburgischen Marine dienen, aus, um sich an
der Holsteinischen Bewegung zu betheiligen. Die Hamburgische
Polizei reclamirte bei der Altonaer Polizei die ausgetretenen Frei-
schärler und bat um deren Auslieferung, doch nicht bei Tage, son-
dern bei Nacht. Um halb 12 Uhr geschah die Auslieferung, doch
wurden die arretirten Freischärler augenblicklich befreit und es
entstand ein Kampf zwischen der Bevölkerung von St. Pauli und
der Bürgergarde Altonas. Es wurde ein St. Paulianer getödtet,
2 Bürgergardisten schwer verwundet und 29 St. Paulianer ge-
fangen. Der Lärm dauerte bis heute Nacht 2 Uhr.

Der hier von Bracklow gestiftete Vaterländische Verein konnte
[Spaltenumbruch] gestern wegen Ueberfüllung des Lokals keine Sitzung halten und
wird nun morgen unter freiem Himmel tagen. Seine Tendenz ist
eine offen republikanische.

Aus Rendsburg gehen uns Briefe zu, welche auch die
Stimmung in dieser Stadt als eine höchst aufgeregte schildern.
Die Hoffnung des Volkes beruht jetzt allein auf den Vertretern
desselben, die Landesversammlung müsse sich permanent er-
klären, den Verfassungsentwurf ohne Discussion annehmen, die
provisorische Regierung aufs Neue bestätigt werden. Die pro-
visorische Regierung hatte am 3. noch keine officielle Kunde von
den Waffenstillstandsbedingungen, obwohl Below in der Nacht
vorher durch Rendsburg ins Hauptquartier gereist war. Der
Bürgerverein hielt am Abend desselben Tages eine sehr zahlreich
besuchte Versammlung; die Stimmung war sehr republikanisch
und sprach sich für eine zweite Erhebung Schleswig=Holsteins aus.
Als die Versammlung sich getrennt hatte, sammelten sich mehrere
hundert Soldaten, die mit einem Hurrah auf die Republik das
Lokal stürmten, ohne indeß im Jnnern Excesse zu üben. Dies
Benehmen rührt wahrscheinlich daher, daß draußen unter der to-
benden Menge zwei gefangene dänische Officiere das Volk haran-
guirt hatten, denn man hörte, während Steine gegen die Fenster
flogen, ein Lebehoch auf Friedrich VII. Durch Parolebefehl ist
so eben sämmtlichen Militärs der Besuch des Bürgervereins
verboten worden.

Kiel 5. September. ( W. Z. ) Die hier anwesende provi-
sorische Regierung erhielt gestern Abend ein Schreiben von Major
von Wildenbruch aus Heiligenstedten mit der dringenden
Bitte um Schutz für sich und Karl Moltke, da ihr Leben in
Gefahr sey. Die Regierung hat darauf die betreffenden Behör-
den angewiesen, dafür zu sorgen, daß die beiden Männer sicher
aus dem Lande gelangen; Reventlow=Preetz ist schon auf
dem Wege nach jenem Orte. Man erfährt, daß ein Volksauf-
lauf in Heiligenstedten gegen die Anwesenheit des Grafen Karl
Moltke erhoben sey und er sogar festgenommen wurde.

Nun auch noch eine Mittheilung von der Kehrseite! Die ge-
wiß unverdächtige „Weserzeitung“ bemerkt: „Die Schleswig-
Holsteiner haben über dem Zeter= und Hülfegeschrei gegen deut-
schen oder dänischen Verrath zu oft dasjenige verabsäumt, was
ihnen selbst in eigener Angelegenheit zunächst zu thun oblag.
Wie oft und laut haben sie geschrieen, wo es einzig zu han-
deln galt! Wie säumig haben sie sich in ihren Rüstungen, wie
schlaff in aufopfernder Hingebung an die Sache ihres Vater-
landes gezeigt, als sie im Beginne des Krieges rasch, wohl-
gerüstet und vollzählig auf dem Kampfplatze erscheinen mußten,
wie wenig haben sie selbst den großen Opfern, welche vornehm-
lich Norddeutschland für die gemeinsame Sache gebracht hat,
durch die That, wie wenig selbst durch die Gesinnung entsprochen!
Fast in allen Briefen die von unserm tapfern Armeecorps in die
Heimath gelangt sind, haben wir laute Klagen über die ungast-
liche, kalte und mißtrauische Aufnahme lesen müssen, welche die
deutschen Bundestruppen in dem stammverwandten Schleswig-
Holstein gefunden. Das unnütze Lärmmachen, womit die Schles-
wig=Holsteiner den Waffenstillstand begrüßt haben noch ehe sie ihn
kannten, möge die öffentliche Meinung in Deutschland nicht irre
führen.“



Deutschland.

Wien 4. September. ( A. Z. ) Heute sind Couriere nach fast
allen Hauptstädten Europa's abgegangen, welche die nunmehr
erfolgte Annahme der englisch=französischen Vermit-
telung
von Seiten des österreichischen Cabinets zu überbringen
haben. Ob die bevorstehende Ministerkrisis diese plötzliche Sin-
nesänderung hervorgebracht, ob es der Geist der Versöhnlichkeit
gethan, der über den siegesstolzen Kriegsdämon die Oberhand
gewann, oder ob es vielleicht noch drängenderen Noten zuzu-
schreiben ist, das bleibt vorderhand in Frage gestellt. Ebenso-
wenig kann über den wahren Werth dieser Annahme irgend etwas
bestimmtes gesagt werden. Denn es wird jetzt darauf ankommen,
ob man sich über die Basis der Vermittelung verständigen kann,
oder nicht. Die Annahme der Vermittelung ohne Angabe dieser
Basis ist eine bloße Formalität, aus welcher höchstens auf allge-
meine freundliche Dispositionen geschlossen werden kann.

[Ende Spaltensatz]
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[0005] Beilage zum Mainzer Journal. Nro 81. Samstag, den 9. September. 1848. Schleswig=Holsteinische Angelegenheit. Hamburg 5. September. ( K. Z. ) Die Folgen des von Preus- sen geschlossenen Waffenstillstandes treten in einer Weise hervor, wie jeder der Verhältnisse Kundige sie voraussehen mußte und nur ein Diplomat sie übersehen konnte. Das ganze Land ist in der größten Aufregung; Vereine, Versammlungen u. s. w. be- stürmen die Regierung, die Landesversammlung selbst weigert sich einstimmig, die mit der Regierung getroffenen Verän- derungen anzuerkennen oder in Vollzug setzen zu lassen. Dazu zeigt sich alsbald die Unmöglichkeit, die in Gemäßheit der Waf- fenstillstandsbedingungen eingesetzte Regierung zu constituiren. Nur zwei Männer, Graf Karl Moltke und Baron Blome, beide gleich übel berüchtigt, haben sich bisher bereit finden lassen, daran Theil zu nehmen; alle übrigen Personen haben sich ge- weigert, selbst der von Nortorf her berühmte Baron Heintze und dieses Beispiel wird Nachahmung im ganzen Lande finden. Uebrigens ist es außer allem Zweifel, daß die theilweise Besetzung der Regierung von Preußen und von Dänemark nur Schein ist, daß vielmehr Graf Moltke Vollmacht von beiden Seiten erhalten hat, beliebige Mitglieder zu ernennen. Darauf wies die ganze Art und Weise der von demselben geführten Unterhandlungen hin. Aehnlich war die Sache in Lauenburg. Dort war vom wei- land deutschen Bunde die aus drei Personen bestehende Landes- Regierung abgesetzt worden, weil sie sich weigerte, ihr Con- tingent zum Kriege zu stellen. Was geschieht jetzt? Preußen ernennt seinerseits ein Mitglied der abgesetzten Regierung, Däne- mark das andere, und die beiden wählen natürlich das dritte. — Was nun aus der Sache werden soll, ist gar nicht abzusehen; unter den Truppen selbst herrscht ein allgemeiner Geist der Unzu- friedenheit über den thatenlosen Rückzug; bei dem schleswig=hol- steiner Heere ist es sogar schon bis zu einer sehr entschiedenen De- monstration gekommen. Als sie gestern Morgen von ihren preußi- schen Officieren aus Kiel zu einem Feldmanöver geführt werden sollten, weigerten sie sich dessen; sie fürchteten nämlich, man wolle die so eben wieder zusammentretende Landesversammlung schutzlos lassen oder vielleicht gar die Stadt mit anderen Truppen- theilen besetzen. Auch in unserer Nachbarstadt Altona gährt und kocht es; bereits ist das Tumultgesetz publicirt und die ganze Bürgergarde aufgeboten. — Unsere hamburgischen Verhältnisse nähern sich der Krisis, und die Parteiwirren nehmen immer mehr überhand. Karl Graf v. Moltke, sagt die „Bremer Zeitung,“ unter Christian VIII. Präsident der schleswig=holsteinischen Kanzlei, der Urheber des offenen Briefes, der Mann des Absolutismus und Princips der Staatseinheit der deutschen Herzogthümer mit Dä- nemark, tritt an die Spitze der Regierung Schleswig=Holsteins. Das ist das erste Ergebniß der Unterhandlungen, die Preußen für Deutschland mit Dänemark geführt. Der Mann, der sein Vaterland an das Ausland verrathen, der die Rechte seines Lan- des mit Füßen trat, um der erste Diener fremder Gewaltmacht zu seyn, Karl Moltke kommt gestern mit der Ratification des Waffenstillstandes nach Deutschland zurück, und ist eher in Rends- burg angekommen, als die Bedingungen des Waffenstillstandes! Aber das Erscheinen dieses Mannes rechtfertigt das Schlimmste, was das Gerücht von der Jnfamie dieses Waffenstillstandes er- zählt. Die Stimmung in Kiel und Rendsburg ist höchst bedenk- lich und soll von einem Theile der deutschen Truppen getheilt werden. Die Hannoveraner und Braunschweiger wollen nicht wieder über die Elbe zurück. Altona 5. September. ( W. Z. ) Jn Folge der Aufregung in den Herzogthümern traten gestern 80 der Tannschen Freischaaren, welche auf der Hamburgischen Marine dienen, aus, um sich an der Holsteinischen Bewegung zu betheiligen. Die Hamburgische Polizei reclamirte bei der Altonaer Polizei die ausgetretenen Frei- schärler und bat um deren Auslieferung, doch nicht bei Tage, son- dern bei Nacht. Um halb 12 Uhr geschah die Auslieferung, doch wurden die arretirten Freischärler augenblicklich befreit und es entstand ein Kampf zwischen der Bevölkerung von St. Pauli und der Bürgergarde Altonas. Es wurde ein St. Paulianer getödtet, 2 Bürgergardisten schwer verwundet und 29 St. Paulianer ge- fangen. Der Lärm dauerte bis heute Nacht 2 Uhr. Der hier von Bracklow gestiftete Vaterländische Verein konnte gestern wegen Ueberfüllung des Lokals keine Sitzung halten und wird nun morgen unter freiem Himmel tagen. Seine Tendenz ist eine offen republikanische. Aus Rendsburg gehen uns Briefe zu, welche auch die Stimmung in dieser Stadt als eine höchst aufgeregte schildern. Die Hoffnung des Volkes beruht jetzt allein auf den Vertretern desselben, die Landesversammlung müsse sich permanent er- klären, den Verfassungsentwurf ohne Discussion annehmen, die provisorische Regierung aufs Neue bestätigt werden. Die pro- visorische Regierung hatte am 3. noch keine officielle Kunde von den Waffenstillstandsbedingungen, obwohl Below in der Nacht vorher durch Rendsburg ins Hauptquartier gereist war. Der Bürgerverein hielt am Abend desselben Tages eine sehr zahlreich besuchte Versammlung; die Stimmung war sehr republikanisch und sprach sich für eine zweite Erhebung Schleswig=Holsteins aus. Als die Versammlung sich getrennt hatte, sammelten sich mehrere hundert Soldaten, die mit einem Hurrah auf die Republik das Lokal stürmten, ohne indeß im Jnnern Excesse zu üben. Dies Benehmen rührt wahrscheinlich daher, daß draußen unter der to- benden Menge zwei gefangene dänische Officiere das Volk haran- guirt hatten, denn man hörte, während Steine gegen die Fenster flogen, ein Lebehoch auf Friedrich VII. Durch Parolebefehl ist so eben sämmtlichen Militärs der Besuch des Bürgervereins verboten worden. Kiel 5. September. ( W. Z. ) Die hier anwesende provi- sorische Regierung erhielt gestern Abend ein Schreiben von Major von Wildenbruch aus Heiligenstedten mit der dringenden Bitte um Schutz für sich und Karl Moltke, da ihr Leben in Gefahr sey. Die Regierung hat darauf die betreffenden Behör- den angewiesen, dafür zu sorgen, daß die beiden Männer sicher aus dem Lande gelangen; Reventlow=Preetz ist schon auf dem Wege nach jenem Orte. Man erfährt, daß ein Volksauf- lauf in Heiligenstedten gegen die Anwesenheit des Grafen Karl Moltke erhoben sey und er sogar festgenommen wurde. Nun auch noch eine Mittheilung von der Kehrseite! Die ge- wiß unverdächtige „Weserzeitung“ bemerkt: „Die Schleswig- Holsteiner haben über dem Zeter= und Hülfegeschrei gegen deut- schen oder dänischen Verrath zu oft dasjenige verabsäumt, was ihnen selbst in eigener Angelegenheit zunächst zu thun oblag. Wie oft und laut haben sie geschrieen, wo es einzig zu han- deln galt! Wie säumig haben sie sich in ihren Rüstungen, wie schlaff in aufopfernder Hingebung an die Sache ihres Vater- landes gezeigt, als sie im Beginne des Krieges rasch, wohl- gerüstet und vollzählig auf dem Kampfplatze erscheinen mußten, wie wenig haben sie selbst den großen Opfern, welche vornehm- lich Norddeutschland für die gemeinsame Sache gebracht hat, durch die That, wie wenig selbst durch die Gesinnung entsprochen! Fast in allen Briefen die von unserm tapfern Armeecorps in die Heimath gelangt sind, haben wir laute Klagen über die ungast- liche, kalte und mißtrauische Aufnahme lesen müssen, welche die deutschen Bundestruppen in dem stammverwandten Schleswig- Holstein gefunden. Das unnütze Lärmmachen, womit die Schles- wig=Holsteiner den Waffenstillstand begrüßt haben noch ehe sie ihn kannten, möge die öffentliche Meinung in Deutschland nicht irre führen.“ Deutschland. Wien 4. September. ( A. Z. ) Heute sind Couriere nach fast allen Hauptstädten Europa's abgegangen, welche die nunmehr erfolgte Annahme der englisch=französischen Vermit- telung von Seiten des österreichischen Cabinets zu überbringen haben. Ob die bevorstehende Ministerkrisis diese plötzliche Sin- nesänderung hervorgebracht, ob es der Geist der Versöhnlichkeit gethan, der über den siegesstolzen Kriegsdämon die Oberhand gewann, oder ob es vielleicht noch drängenderen Noten zuzu- schreiben ist, das bleibt vorderhand in Frage gestellt. Ebenso- wenig kann über den wahren Werth dieser Annahme irgend etwas bestimmtes gesagt werden. Denn es wird jetzt darauf ankommen, ob man sich über die Basis der Vermittelung verständigen kann, oder nicht. Die Annahme der Vermittelung ohne Angabe dieser Basis ist eine bloße Formalität, aus welcher höchstens auf allge- meine freundliche Dispositionen geschlossen werden kann.

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 81. Mainz, 8. September 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal081_1848/5>, abgerufen am 21.11.2024.