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Mainzer Journal. Nr. 63. Mainz, 18. August 1848.

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[Beginn Spaltensatz] den hochehrwürdigen Nachfolger des Apostelfürsten! Jetzt folgte
eine Ansprache des Anwaltes Esser, welcher, wenn uns recht
berichtet worden, Mitglied des Vorstandes des Centraldombau-
vereines ist. Wir gestehen, noch nie eine Rede gehört zu haben,
aus welcher ein ächt kirchlicher Sinn in gleicher Weise mit begei-
sterter Vaterlandsliebe und wahrhaftem Freimuthe gepaart war.
Den biedern Worten entsprach die schlichte anspruchslose Erschei-
nung des Redners, dessen Toast auf das Vaterland und seine
Söhne lebendigen Anklang fand. Ein zweites Lied folgte: An
den König Protector, und wurde mit gleichem Zuruf beschlossen.
Mit lautem Applause wurde dann der treffliche Meister des
Domes, Zwirner, begrüßt. Seine Rede war die eines Man-
nes, der begeistert sein Leben an Eine würdige Aufgabe gesetzt hat.
Ein Drittheil der Arbeit sey glücklich, mit Gottes sichtlicher Hülfe,
vollendet; noch zweimal sechs Jahre, mahnt er, thue gleiche An-
strengung Noth. Ja! sie müsse verdoppelt werden, um eher zum
Ziele zu gelangen. Auf den Antrag eines andern Redners wurde
sodann nach dem Meister auch der Gesellen gedacht, und ein
Lebehoch ward der Dombauhütte, an deren trefflichste Arbeiter
sodann durch die Hand Zwirners Preise vertheilt wurden.
Unterdessen war auf dem Balkone des benachbarten Hotels der
hochwürdigste Erzbischof von Köln mit seinen hochwürdigsten Gä-
sten erschienen. Lebhafter Jubelruf empfing sie. Männergesang
hob wieder an: "Gruß an den Reichsverweser." Der Regier-
ungspräsident brachte dann ein Hoch dem Papste Pius IX. und
seinem Stellvertreter beim Feste, dem Nuntius Viale Prela aus.
Dann sprach der hochwürdigste Erzbischof zu der lauschenden
Menge von dem Balkone und brachte den Dombauvereinen ein
Hoch zu, welches der Regierungspräsident von Wittgenstein mit
einem Toaste auf den Erzbischof erwiederte. Das treffliche Werk-
gesellenlied von Busso von Hagen schloß die Feierlichkeit, nachdem
die neue Vorstandswahl eingeleitet war. Heute Nachmittag ist
großes Concert im Gürzenich und am Abend Ball der Vereins-
genossen in demselben Saale, dessen mittelalterliches Wesen mit
großartigem Ernste in die raschbewegte Gegenwart hineinschaut.
Welche wunderliche Gedanken mögen wohl dem verwitterten Al-
ten -- den Gürzenich mein' ich -- kommen, wenn er merkt, daß
die Söhne seines theuren Köln in der weiten Halle den Ausbau
des hohen Domes feiern, dessen Vollendung noch vor einem Jahr-
zehent für eine fantastische Grille gehalten ward! Ging es nicht
ebenso mit der Grille des einigen, einen Deutschlands? Gott
besser's! Nun er hat es schon um Vieles gebessert. Sind nicht
aber auch hier noch zwei Drittheile der Arbeit, oder gar noch
mehr zurück? O, daß wir bald auch für diesen Dom den Meister
und die rechte Dombauhütte fänden!

Aus Bayern 12. August. ( D. A. Z. ) Die Mißstimmung
darüber, daß Bayern ein süddeutsches Hannover spielen will, ist
in der That allgemein und das Todesurtel unseres Ministeriums
wohl entschieden. Es wird abdanken und es kann nicht wohl
anders. Thon=Dittmer ist einer von jenen Ehrlichen, welche
die Zeit überflügelte, weil sie doch eigentlich nie mit vollem, gan-
zen Herzen zu derselben gehörten. Heintz kann vollends nicht
aus dem bureaukratischen Begriffswirrniß herauskommen und
ist durch die Aufnahme seiner bekannten Erklärung in der Natio-
nalversammlung nicht belehrt worden, daß damals schon sein
Verbleiben am Staatsruder eine Taktlosigkeit war. Damals
wäre er von seinem Posten abgetreten, jetzt fällt er unbedauert.
Weishaupt, für das eigentlich militairische Fach vielleicht der
tüchtigste Offizier in der bayrischen Armee, war als Kriegsmini-
ster ebenfalls nur an seinem Platze, so lange es galt, den alten
Unrath unseres Heerwesens wegzuräumen; wo die Militairfrage
mit der politischen und nationalen in Berührung kommt, konnte
er unmöglich genügen. Dies sah man voraus, als er das Por-
tefeuille in die Hand nahm, und so ist es denn auch gekommen.
Träte er ganz aus dem Heerdienste, so verlöre die bayrische Ar-
mee unwiederbringlich viel; dagegen schiene er wohl ganz der
Mann, um beim Reichskriegsministerium eine oberste Stelle in
der Abtheilung für das Technische und rein Militairwissenschaft-
liche auszufüllen. Allerdings ist nun noch ein Zweifel, ob der
König die eingereichte Entlassung seiner Minister annimmt. [ Nach
dem in bayrischen Dingen wohl unterrichteten Nürnberger Corre-
spondenten bleiben alle Minister auf ihrem Posten oder sind, um
in officiellem Style zu reden, alle Gerüchte über Ministerwechsel
unbegründet. ]

*** Aus der Bayerischen Pfalz 16. August. Der 6.
August ist in unserer Pfalz, die streng officiellen militärischen
Feierlichkeiten abgerechnet, ziemlich still vorübergegangen. Die
Jdee und Wirklichkeit des Einen deutschen Reiches, welche an
diesem Tage doch einigermaßen in's Leben treten sollte, hatte
unsre Bevölkerung nicht so recht ergriffen. Und doch sehe ich gar
keine Aussichten vom Bureaukratenzopfe in Bayern überhaupt
[Spaltenumbruch] und in der Pfalz insbesondere frei zu werden, als eben durch das
Eine deutsche Reich. Werden unsere Landcommissäre mit ihren
Actuaren, wird unsere Regierung mit ihren 14 Räthen und
Assessoren, welche gutentheils die Siebenschläfer doppelt reprä-
sentiren, die gerade meist auf das überflüssige Schreiberwesen
angestellt sind, und allein im Zuvielregieren erträgliche Beschäf-
tigung finden -- wird dieß ganze Heer seine Herrschaft über die
Gemeinden und Kirchen, und all das ihm Verfallene, aber nach
Freiheit und Emancipation sich Sehnende so schnell und leichten
Kaufes aufgeben? Die neuesten Erfahrungen möchten dieß be-
zweifeln lassen. Es hat mir darum wehe gethan, daß das eigent-
liche Volk so geringen Antheil an diesem Tage nahm. Von unserer
Bewegungspartei möchte mich dieß weniger wundern; unseren
Juckern 1) ist die Sache nicht so ganz nach Wunsch. Jch
hörte nicht, daß auch irgendwo die Bürgerwehr zur Huldigung
ausrückte, oder über das Nichtbeiziehen Anstand erhob. Mehrere
Ursachen wirkten dazu mit. Erstens, geradezu gesagt, politische
Unselbstständigkeit und Mangel an politischer Reife. Die Ordre
du jour
empfängt unsere demokratische Pfalz anderswoher, und
wie wenige staatsmännische Capacitäten sie besitzt, beweisen be-
sonders ihre Deputirten in Frankfurt, welche unter der demokra-
tischen Linken versteckt, nirgends, nicht einmal bei dieser eine er-
trägliche Rolle zu spielen scheinen. Dann aber ist in der Pfalz
der eigentlich deutsche Geist noch zu wenig geweckt. Wenn wir
gleich in eminenter Mehrzahl gut deutsch und bayerisch gesinnt
sind, so ist doch leider mehr die nur auf diese Weise zu rettende
Ruhe und Ordnung als höchster Grund dieser Stimmung anzu-
sehen, als wie ein rein deutsches Jnteresse.

// Vom Haardtgebirge 17. August. Die Theilnahme am
politischen Getriebe fängt in unserer Gegend an bedeutend an Jn-
tension und Extension zu verlieren. Der Pfälzer ist zu praktisch,
um nicht einzusehen, daß beinahe all das tolle Treiben der letz-
ten sechs Monate zu nichts geführt hat. Man zankt, man lärmt,
man räsonnirt und petitionirt, und es bleibt traurig genug!
doch beim Alten. Wenn es nur nicht noch schlimmer würde!
Darum zieht denn der Pfälzer vor, wieder mehr für seine Ange-
legenheiten zu sorgen und die Fortführung der Spektakelmacherei
jener auserkorenen Schaar seines Landes zu überlassen, welche
entweder daran den Narren gefressen, wie man im Sprüchwort
sagt, oder die darauf besoldet sind, und davon im eigentlichen
Sinne des Wortes leben. Für sich ist er zufrieden in seiner
Wirthshausstube freisinnig über Gott und die Welt zu räsonni-
ren. Als ein Beweis, wie sehr die politische Erregung nachge-
lassen hat, dürfte besonders die Thatsache gelten, daß die Theil-
nahme an der Bürgerwehr allerorts sehr abgenommen. So sol-
len z. B. in Speyer von den Anfangs eingetragenen und ein-
exercirten 700 Wehrmännern sich kaum noch 200 dermalen effectiv
betheiligen. Ob bei der baldigen Fahnenweihe allda, wo die De-
mokraten ihren Sprecher Robert Blum erwarten ( der nichts
als das doppelte Geschäft zu haben scheint, die Leute für seine
Sache entweder zu enragiren oder zu degoutiren ) , die Begeister-
ung wieder sich heben werde, möchte sehr zu bezweifeln seyn.

Göttingen 12. August. ( W. Z. ) Der constitutionelle Verein
zu Göttingen hat in seiner Versammlung am 11. seine Ueberzeug-
ung öffentlich dahin zu erklären beschlossen: 1 ) die deutschen Re-
gierungen sind verpflichtet die Anordnung des Reichskriegsmini-
sters über die dem Reichsverweser darzubringende mi-
litärische Huldigung
zu vollziehen, nöthigenfalls mit einer
alle Zweideutigkeit über die rechtliche Stellung des Heeres beseiti-
genden Erklärung. 2 ) Die hannöverische Regierung ist
verpflichtet die leider unterlassene Befolgung jener Anordnung
fördersamst nachzuholen, in die Unterwerfung unter die Central-
gewalt offen und ohne Rückhalt einzutreten, und die Voraussetz-
ung ihrer souveränen Stellung in denjenigen Angelegenheiten auf-
zugeben, welche durch das von der Nationalversammlung beschlos-
sene Gesetz der Centralgewalt überwiesen sind. Der Vorstand des
constitutionellen Vereins. Fuchs. Herrmann. Hartmann.
Unger. Andr e.
Jn derselben Weise haben sich die Städte
Celle, Hannover, Hildesheim, Osnabrück und Sta-
de
über die neueste Ministerialerklärung ausgesprochen.

sqrt Karlsruhe 16. August. Das heutige Regierungsblatt ent-
hält eine landesherrliche Verordnung, durch welche der Großher-
zog eine sehr umfangreiche Amnestie gewährt, wenn die bei
den letzten hochverrätherischen Unternehmungen Betheiligten "vor
[Ende Spaltensatz]

1) Man erlaube mir diesen Ausdruck zu gebrauchen, ich weiß wirk-
lich keinen, der diese Menschen besser charakterisirt und so recht plastisch
ihre Beweglichkeit, Unzufriedenheit, ihr Räsonniren und Krakeelen,
ihre Reizbarkeit und Exaltation ausdrückt, als gerade dieser. Und wie
schön reimen sich die vorlauten Jucker auf ihre Antipoden, die stillen
Mucker; dieß ist doch auch die Schöpfung eines neuen Ausdruckes
werth!

[Beginn Spaltensatz] den hochehrwürdigen Nachfolger des Apostelfürsten! Jetzt folgte
eine Ansprache des Anwaltes Esser, welcher, wenn uns recht
berichtet worden, Mitglied des Vorstandes des Centraldombau-
vereines ist. Wir gestehen, noch nie eine Rede gehört zu haben,
aus welcher ein ächt kirchlicher Sinn in gleicher Weise mit begei-
sterter Vaterlandsliebe und wahrhaftem Freimuthe gepaart war.
Den biedern Worten entsprach die schlichte anspruchslose Erschei-
nung des Redners, dessen Toast auf das Vaterland und seine
Söhne lebendigen Anklang fand. Ein zweites Lied folgte: An
den König Protector, und wurde mit gleichem Zuruf beschlossen.
Mit lautem Applause wurde dann der treffliche Meister des
Domes, Zwirner, begrüßt. Seine Rede war die eines Man-
nes, der begeistert sein Leben an Eine würdige Aufgabe gesetzt hat.
Ein Drittheil der Arbeit sey glücklich, mit Gottes sichtlicher Hülfe,
vollendet; noch zweimal sechs Jahre, mahnt er, thue gleiche An-
strengung Noth. Ja! sie müsse verdoppelt werden, um eher zum
Ziele zu gelangen. Auf den Antrag eines andern Redners wurde
sodann nach dem Meister auch der Gesellen gedacht, und ein
Lebehoch ward der Dombauhütte, an deren trefflichste Arbeiter
sodann durch die Hand Zwirners Preise vertheilt wurden.
Unterdessen war auf dem Balkone des benachbarten Hotels der
hochwürdigste Erzbischof von Köln mit seinen hochwürdigsten Gä-
sten erschienen. Lebhafter Jubelruf empfing sie. Männergesang
hob wieder an: „Gruß an den Reichsverweser.“ Der Regier-
ungspräsident brachte dann ein Hoch dem Papste Pius IX. und
seinem Stellvertreter beim Feste, dem Nuntius Viale Prela aus.
Dann sprach der hochwürdigste Erzbischof zu der lauschenden
Menge von dem Balkone und brachte den Dombauvereinen ein
Hoch zu, welches der Regierungspräsident von Wittgenstein mit
einem Toaste auf den Erzbischof erwiederte. Das treffliche Werk-
gesellenlied von Busso von Hagen schloß die Feierlichkeit, nachdem
die neue Vorstandswahl eingeleitet war. Heute Nachmittag ist
großes Concert im Gürzenich und am Abend Ball der Vereins-
genossen in demselben Saale, dessen mittelalterliches Wesen mit
großartigem Ernste in die raschbewegte Gegenwart hineinschaut.
Welche wunderliche Gedanken mögen wohl dem verwitterten Al-
ten — den Gürzenich mein' ich — kommen, wenn er merkt, daß
die Söhne seines theuren Köln in der weiten Halle den Ausbau
des hohen Domes feiern, dessen Vollendung noch vor einem Jahr-
zehent für eine fantastische Grille gehalten ward! Ging es nicht
ebenso mit der Grille des einigen, einen Deutschlands? Gott
besser's! Nun er hat es schon um Vieles gebessert. Sind nicht
aber auch hier noch zwei Drittheile der Arbeit, oder gar noch
mehr zurück? O, daß wir bald auch für diesen Dom den Meister
und die rechte Dombauhütte fänden!

Aus Bayern 12. August. ( D. A. Z. ) Die Mißstimmung
darüber, daß Bayern ein süddeutsches Hannover spielen will, ist
in der That allgemein und das Todesurtel unseres Ministeriums
wohl entschieden. Es wird abdanken und es kann nicht wohl
anders. Thon=Dittmer ist einer von jenen Ehrlichen, welche
die Zeit überflügelte, weil sie doch eigentlich nie mit vollem, gan-
zen Herzen zu derselben gehörten. Heintz kann vollends nicht
aus dem bureaukratischen Begriffswirrniß herauskommen und
ist durch die Aufnahme seiner bekannten Erklärung in der Natio-
nalversammlung nicht belehrt worden, daß damals schon sein
Verbleiben am Staatsruder eine Taktlosigkeit war. Damals
wäre er von seinem Posten abgetreten, jetzt fällt er unbedauert.
Weishaupt, für das eigentlich militairische Fach vielleicht der
tüchtigste Offizier in der bayrischen Armee, war als Kriegsmini-
ster ebenfalls nur an seinem Platze, so lange es galt, den alten
Unrath unseres Heerwesens wegzuräumen; wo die Militairfrage
mit der politischen und nationalen in Berührung kommt, konnte
er unmöglich genügen. Dies sah man voraus, als er das Por-
tefeuille in die Hand nahm, und so ist es denn auch gekommen.
Träte er ganz aus dem Heerdienste, so verlöre die bayrische Ar-
mee unwiederbringlich viel; dagegen schiene er wohl ganz der
Mann, um beim Reichskriegsministerium eine oberste Stelle in
der Abtheilung für das Technische und rein Militairwissenschaft-
liche auszufüllen. Allerdings ist nun noch ein Zweifel, ob der
König die eingereichte Entlassung seiner Minister annimmt. [ Nach
dem in bayrischen Dingen wohl unterrichteten Nürnberger Corre-
spondenten bleiben alle Minister auf ihrem Posten oder sind, um
in officiellem Style zu reden, alle Gerüchte über Ministerwechsel
unbegründet. ]

⁂ Aus der Bayerischen Pfalz 16. August. Der 6.
August ist in unserer Pfalz, die streng officiellen militärischen
Feierlichkeiten abgerechnet, ziemlich still vorübergegangen. Die
Jdee und Wirklichkeit des Einen deutschen Reiches, welche an
diesem Tage doch einigermaßen in's Leben treten sollte, hatte
unsre Bevölkerung nicht so recht ergriffen. Und doch sehe ich gar
keine Aussichten vom Bureaukratenzopfe in Bayern überhaupt
[Spaltenumbruch] und in der Pfalz insbesondere frei zu werden, als eben durch das
Eine deutsche Reich. Werden unsere Landcommissäre mit ihren
Actuaren, wird unsere Regierung mit ihren 14 Räthen und
Assessoren, welche gutentheils die Siebenschläfer doppelt reprä-
sentiren, die gerade meist auf das überflüssige Schreiberwesen
angestellt sind, und allein im Zuvielregieren erträgliche Beschäf-
tigung finden — wird dieß ganze Heer seine Herrschaft über die
Gemeinden und Kirchen, und all das ihm Verfallene, aber nach
Freiheit und Emancipation sich Sehnende so schnell und leichten
Kaufes aufgeben? Die neuesten Erfahrungen möchten dieß be-
zweifeln lassen. Es hat mir darum wehe gethan, daß das eigent-
liche Volk so geringen Antheil an diesem Tage nahm. Von unserer
Bewegungspartei möchte mich dieß weniger wundern; unseren
Juckern 1) ist die Sache nicht so ganz nach Wunsch. Jch
hörte nicht, daß auch irgendwo die Bürgerwehr zur Huldigung
ausrückte, oder über das Nichtbeiziehen Anstand erhob. Mehrere
Ursachen wirkten dazu mit. Erstens, geradezu gesagt, politische
Unselbstständigkeit und Mangel an politischer Reife. Die Ordre
du jour
empfängt unsere demokratische Pfalz anderswoher, und
wie wenige staatsmännische Capacitäten sie besitzt, beweisen be-
sonders ihre Deputirten in Frankfurt, welche unter der demokra-
tischen Linken versteckt, nirgends, nicht einmal bei dieser eine er-
trägliche Rolle zu spielen scheinen. Dann aber ist in der Pfalz
der eigentlich deutsche Geist noch zu wenig geweckt. Wenn wir
gleich in eminenter Mehrzahl gut deutsch und bayerisch gesinnt
sind, so ist doch leider mehr die nur auf diese Weise zu rettende
Ruhe und Ordnung als höchster Grund dieser Stimmung anzu-
sehen, als wie ein rein deutsches Jnteresse.

// Vom Haardtgebirge 17. August. Die Theilnahme am
politischen Getriebe fängt in unserer Gegend an bedeutend an Jn-
tension und Extension zu verlieren. Der Pfälzer ist zu praktisch,
um nicht einzusehen, daß beinahe all das tolle Treiben der letz-
ten sechs Monate zu nichts geführt hat. Man zankt, man lärmt,
man räsonnirt und petitionirt, und es bleibt traurig genug!
doch beim Alten. Wenn es nur nicht noch schlimmer würde!
Darum zieht denn der Pfälzer vor, wieder mehr für seine Ange-
legenheiten zu sorgen und die Fortführung der Spektakelmacherei
jener auserkorenen Schaar seines Landes zu überlassen, welche
entweder daran den Narren gefressen, wie man im Sprüchwort
sagt, oder die darauf besoldet sind, und davon im eigentlichen
Sinne des Wortes leben. Für sich ist er zufrieden in seiner
Wirthshausstube freisinnig über Gott und die Welt zu räsonni-
ren. Als ein Beweis, wie sehr die politische Erregung nachge-
lassen hat, dürfte besonders die Thatsache gelten, daß die Theil-
nahme an der Bürgerwehr allerorts sehr abgenommen. So sol-
len z. B. in Speyer von den Anfangs eingetragenen und ein-
exercirten 700 Wehrmännern sich kaum noch 200 dermalen effectiv
betheiligen. Ob bei der baldigen Fahnenweihe allda, wo die De-
mokraten ihren Sprecher Robert Blum erwarten ( der nichts
als das doppelte Geschäft zu haben scheint, die Leute für seine
Sache entweder zu enragiren oder zu degoutiren ) , die Begeister-
ung wieder sich heben werde, möchte sehr zu bezweifeln seyn.

Göttingen 12. August. ( W. Z. ) Der constitutionelle Verein
zu Göttingen hat in seiner Versammlung am 11. seine Ueberzeug-
ung öffentlich dahin zu erklären beschlossen: 1 ) die deutschen Re-
gierungen sind verpflichtet die Anordnung des Reichskriegsmini-
sters über die dem Reichsverweser darzubringende mi-
litärische Huldigung
zu vollziehen, nöthigenfalls mit einer
alle Zweideutigkeit über die rechtliche Stellung des Heeres beseiti-
genden Erklärung. 2 ) Die hannöverische Regierung ist
verpflichtet die leider unterlassene Befolgung jener Anordnung
fördersamst nachzuholen, in die Unterwerfung unter die Central-
gewalt offen und ohne Rückhalt einzutreten, und die Voraussetz-
ung ihrer souveränen Stellung in denjenigen Angelegenheiten auf-
zugeben, welche durch das von der Nationalversammlung beschlos-
sene Gesetz der Centralgewalt überwiesen sind. Der Vorstand des
constitutionellen Vereins. Fuchs. Herrmann. Hartmann.
Unger. Andr é.
Jn derselben Weise haben sich die Städte
Celle, Hannover, Hildesheim, Osnabrück und Sta-
de
über die neueste Ministerialerklärung ausgesprochen.

√ Karlsruhe 16. August. Das heutige Regierungsblatt ent-
hält eine landesherrliche Verordnung, durch welche der Großher-
zog eine sehr umfangreiche Amnestie gewährt, wenn die bei
den letzten hochverrätherischen Unternehmungen Betheiligten „vor
[Ende Spaltensatz]

1) Man erlaube mir diesen Ausdruck zu gebrauchen, ich weiß wirk-
lich keinen, der diese Menschen besser charakterisirt und so recht plastisch
ihre Beweglichkeit, Unzufriedenheit, ihr Räsonniren und Krakeelen,
ihre Reizbarkeit und Exaltation ausdrückt, als gerade dieser. Und wie
schön reimen sich die vorlauten Jucker auf ihre Antipoden, die stillen
Mucker; dieß ist doch auch die Schöpfung eines neuen Ausdruckes
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[0002] den hochehrwürdigen Nachfolger des Apostelfürsten! Jetzt folgte eine Ansprache des Anwaltes Esser, welcher, wenn uns recht berichtet worden, Mitglied des Vorstandes des Centraldombau- vereines ist. Wir gestehen, noch nie eine Rede gehört zu haben, aus welcher ein ächt kirchlicher Sinn in gleicher Weise mit begei- sterter Vaterlandsliebe und wahrhaftem Freimuthe gepaart war. Den biedern Worten entsprach die schlichte anspruchslose Erschei- nung des Redners, dessen Toast auf das Vaterland und seine Söhne lebendigen Anklang fand. Ein zweites Lied folgte: An den König Protector, und wurde mit gleichem Zuruf beschlossen. Mit lautem Applause wurde dann der treffliche Meister des Domes, Zwirner, begrüßt. Seine Rede war die eines Man- nes, der begeistert sein Leben an Eine würdige Aufgabe gesetzt hat. Ein Drittheil der Arbeit sey glücklich, mit Gottes sichtlicher Hülfe, vollendet; noch zweimal sechs Jahre, mahnt er, thue gleiche An- strengung Noth. Ja! sie müsse verdoppelt werden, um eher zum Ziele zu gelangen. Auf den Antrag eines andern Redners wurde sodann nach dem Meister auch der Gesellen gedacht, und ein Lebehoch ward der Dombauhütte, an deren trefflichste Arbeiter sodann durch die Hand Zwirners Preise vertheilt wurden. Unterdessen war auf dem Balkone des benachbarten Hotels der hochwürdigste Erzbischof von Köln mit seinen hochwürdigsten Gä- sten erschienen. Lebhafter Jubelruf empfing sie. Männergesang hob wieder an: „Gruß an den Reichsverweser.“ Der Regier- ungspräsident brachte dann ein Hoch dem Papste Pius IX. und seinem Stellvertreter beim Feste, dem Nuntius Viale Prela aus. Dann sprach der hochwürdigste Erzbischof zu der lauschenden Menge von dem Balkone und brachte den Dombauvereinen ein Hoch zu, welches der Regierungspräsident von Wittgenstein mit einem Toaste auf den Erzbischof erwiederte. Das treffliche Werk- gesellenlied von Busso von Hagen schloß die Feierlichkeit, nachdem die neue Vorstandswahl eingeleitet war. Heute Nachmittag ist großes Concert im Gürzenich und am Abend Ball der Vereins- genossen in demselben Saale, dessen mittelalterliches Wesen mit großartigem Ernste in die raschbewegte Gegenwart hineinschaut. Welche wunderliche Gedanken mögen wohl dem verwitterten Al- ten — den Gürzenich mein' ich — kommen, wenn er merkt, daß die Söhne seines theuren Köln in der weiten Halle den Ausbau des hohen Domes feiern, dessen Vollendung noch vor einem Jahr- zehent für eine fantastische Grille gehalten ward! Ging es nicht ebenso mit der Grille des einigen, einen Deutschlands? Gott besser's! Nun er hat es schon um Vieles gebessert. Sind nicht aber auch hier noch zwei Drittheile der Arbeit, oder gar noch mehr zurück? O, daß wir bald auch für diesen Dom den Meister und die rechte Dombauhütte fänden! Aus Bayern 12. August. ( D. A. Z. ) Die Mißstimmung darüber, daß Bayern ein süddeutsches Hannover spielen will, ist in der That allgemein und das Todesurtel unseres Ministeriums wohl entschieden. Es wird abdanken und es kann nicht wohl anders. Thon=Dittmer ist einer von jenen Ehrlichen, welche die Zeit überflügelte, weil sie doch eigentlich nie mit vollem, gan- zen Herzen zu derselben gehörten. Heintz kann vollends nicht aus dem bureaukratischen Begriffswirrniß herauskommen und ist durch die Aufnahme seiner bekannten Erklärung in der Natio- nalversammlung nicht belehrt worden, daß damals schon sein Verbleiben am Staatsruder eine Taktlosigkeit war. Damals wäre er von seinem Posten abgetreten, jetzt fällt er unbedauert. Weishaupt, für das eigentlich militairische Fach vielleicht der tüchtigste Offizier in der bayrischen Armee, war als Kriegsmini- ster ebenfalls nur an seinem Platze, so lange es galt, den alten Unrath unseres Heerwesens wegzuräumen; wo die Militairfrage mit der politischen und nationalen in Berührung kommt, konnte er unmöglich genügen. Dies sah man voraus, als er das Por- tefeuille in die Hand nahm, und so ist es denn auch gekommen. Träte er ganz aus dem Heerdienste, so verlöre die bayrische Ar- mee unwiederbringlich viel; dagegen schiene er wohl ganz der Mann, um beim Reichskriegsministerium eine oberste Stelle in der Abtheilung für das Technische und rein Militairwissenschaft- liche auszufüllen. Allerdings ist nun noch ein Zweifel, ob der König die eingereichte Entlassung seiner Minister annimmt. [ Nach dem in bayrischen Dingen wohl unterrichteten Nürnberger Corre- spondenten bleiben alle Minister auf ihrem Posten oder sind, um in officiellem Style zu reden, alle Gerüchte über Ministerwechsel unbegründet. ] ⁂ Aus der Bayerischen Pfalz 16. August. Der 6. August ist in unserer Pfalz, die streng officiellen militärischen Feierlichkeiten abgerechnet, ziemlich still vorübergegangen. Die Jdee und Wirklichkeit des Einen deutschen Reiches, welche an diesem Tage doch einigermaßen in's Leben treten sollte, hatte unsre Bevölkerung nicht so recht ergriffen. Und doch sehe ich gar keine Aussichten vom Bureaukratenzopfe in Bayern überhaupt und in der Pfalz insbesondere frei zu werden, als eben durch das Eine deutsche Reich. Werden unsere Landcommissäre mit ihren Actuaren, wird unsere Regierung mit ihren 14 Räthen und Assessoren, welche gutentheils die Siebenschläfer doppelt reprä- sentiren, die gerade meist auf das überflüssige Schreiberwesen angestellt sind, und allein im Zuvielregieren erträgliche Beschäf- tigung finden — wird dieß ganze Heer seine Herrschaft über die Gemeinden und Kirchen, und all das ihm Verfallene, aber nach Freiheit und Emancipation sich Sehnende so schnell und leichten Kaufes aufgeben? Die neuesten Erfahrungen möchten dieß be- zweifeln lassen. Es hat mir darum wehe gethan, daß das eigent- liche Volk so geringen Antheil an diesem Tage nahm. Von unserer Bewegungspartei möchte mich dieß weniger wundern; unseren Juckern 1) ist die Sache nicht so ganz nach Wunsch. Jch hörte nicht, daß auch irgendwo die Bürgerwehr zur Huldigung ausrückte, oder über das Nichtbeiziehen Anstand erhob. Mehrere Ursachen wirkten dazu mit. Erstens, geradezu gesagt, politische Unselbstständigkeit und Mangel an politischer Reife. Die Ordre du jour empfängt unsere demokratische Pfalz anderswoher, und wie wenige staatsmännische Capacitäten sie besitzt, beweisen be- sonders ihre Deputirten in Frankfurt, welche unter der demokra- tischen Linken versteckt, nirgends, nicht einmal bei dieser eine er- trägliche Rolle zu spielen scheinen. Dann aber ist in der Pfalz der eigentlich deutsche Geist noch zu wenig geweckt. Wenn wir gleich in eminenter Mehrzahl gut deutsch und bayerisch gesinnt sind, so ist doch leider mehr die nur auf diese Weise zu rettende Ruhe und Ordnung als höchster Grund dieser Stimmung anzu- sehen, als wie ein rein deutsches Jnteresse. // Vom Haardtgebirge 17. August. Die Theilnahme am politischen Getriebe fängt in unserer Gegend an bedeutend an Jn- tension und Extension zu verlieren. Der Pfälzer ist zu praktisch, um nicht einzusehen, daß beinahe all das tolle Treiben der letz- ten sechs Monate zu nichts geführt hat. Man zankt, man lärmt, man räsonnirt und petitionirt, und es bleibt traurig genug! doch beim Alten. Wenn es nur nicht noch schlimmer würde! Darum zieht denn der Pfälzer vor, wieder mehr für seine Ange- legenheiten zu sorgen und die Fortführung der Spektakelmacherei jener auserkorenen Schaar seines Landes zu überlassen, welche entweder daran den Narren gefressen, wie man im Sprüchwort sagt, oder die darauf besoldet sind, und davon im eigentlichen Sinne des Wortes leben. Für sich ist er zufrieden in seiner Wirthshausstube freisinnig über Gott und die Welt zu räsonni- ren. Als ein Beweis, wie sehr die politische Erregung nachge- lassen hat, dürfte besonders die Thatsache gelten, daß die Theil- nahme an der Bürgerwehr allerorts sehr abgenommen. So sol- len z. B. in Speyer von den Anfangs eingetragenen und ein- exercirten 700 Wehrmännern sich kaum noch 200 dermalen effectiv betheiligen. Ob bei der baldigen Fahnenweihe allda, wo die De- mokraten ihren Sprecher Robert Blum erwarten ( der nichts als das doppelte Geschäft zu haben scheint, die Leute für seine Sache entweder zu enragiren oder zu degoutiren ) , die Begeister- ung wieder sich heben werde, möchte sehr zu bezweifeln seyn. Göttingen 12. August. ( W. Z. ) Der constitutionelle Verein zu Göttingen hat in seiner Versammlung am 11. seine Ueberzeug- ung öffentlich dahin zu erklären beschlossen: 1 ) die deutschen Re- gierungen sind verpflichtet die Anordnung des Reichskriegsmini- sters über die dem Reichsverweser darzubringende mi- litärische Huldigung zu vollziehen, nöthigenfalls mit einer alle Zweideutigkeit über die rechtliche Stellung des Heeres beseiti- genden Erklärung. 2 ) Die hannöverische Regierung ist verpflichtet die leider unterlassene Befolgung jener Anordnung fördersamst nachzuholen, in die Unterwerfung unter die Central- gewalt offen und ohne Rückhalt einzutreten, und die Voraussetz- ung ihrer souveränen Stellung in denjenigen Angelegenheiten auf- zugeben, welche durch das von der Nationalversammlung beschlos- sene Gesetz der Centralgewalt überwiesen sind. Der Vorstand des constitutionellen Vereins. Fuchs. Herrmann. Hartmann. Unger. Andr é. Jn derselben Weise haben sich die Städte Celle, Hannover, Hildesheim, Osnabrück und Sta- de über die neueste Ministerialerklärung ausgesprochen. √ Karlsruhe 16. August. Das heutige Regierungsblatt ent- hält eine landesherrliche Verordnung, durch welche der Großher- zog eine sehr umfangreiche Amnestie gewährt, wenn die bei den letzten hochverrätherischen Unternehmungen Betheiligten „vor 1) Man erlaube mir diesen Ausdruck zu gebrauchen, ich weiß wirk- lich keinen, der diese Menschen besser charakterisirt und so recht plastisch ihre Beweglichkeit, Unzufriedenheit, ihr Räsonniren und Krakeelen, ihre Reizbarkeit und Exaltation ausdrückt, als gerade dieser. Und wie schön reimen sich die vorlauten Jucker auf ihre Antipoden, die stillen Mucker; dieß ist doch auch die Schöpfung eines neuen Ausdruckes werth!

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Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
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Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 63. Mainz, 18. August 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal063_1848/2>, abgerufen am 06.06.2024.