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Mainzer Journal. Nr. 43. Mainz, 28. Juli 1848.

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Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 43. Freitag, den 28. Juli. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.
Reichstag.

# Frankfurt 27. Juli. Jch schreibe Jhnen über eine höchst
wichtige, vielleicht auch sehr folgenreiche Abstimmung, die heute
vorgekommen, nämlich die in der Posener Angelegenheit. Zu-
nächst wurden etwelche Anträge, die dem deutschen und preußi-
schen Jnteresse durchaus nichts vergaben, wie der von Döl-
linger
und Genossen, von Nauwerk, von Dieringer, von
Thinnes, durch zu schwache Unterstützung beseitiget, sodann
der von Blum, welcher eine nochmalige Ueberweisung der An-
gelegenheit an die Centralgewalt heischte, bei namentlichem Auf-
ruf mit einer Majorität von 333 gegen 139 verworfen; darauf
wurde in derselben Form über den ersten Antrag der Com-
mission 1) votirt ( sehr Viele enthielten sich der Abstimmung ) und
derselbe gegen eine Minorität von 31 gutgeheißen. Auch die
zweite und dritte Proposition wurden mit kleinen Abänderun-
gen angenommen, über die vierte aber als eine in früheren
Beschlüssen schon enthaltene zur motivirten Tagesordnung über-
gegangen. Der letzte Antrag von Schaffrath, man solle die
Theilung Polens für ein schmachvolles Unrecht erklären und ver-
sprechen, zur Wiederherstellung desselben wirken zu wollen, wurde
mit 330 gegen 101 Stimmen abgelehnt, während 26 sich der Ab-
stimmung entschlugen. Gegen den letzteren Beschluß wird wohl
kein Vernünftiger etwas zu erinnern haben, da es nicht Aufgabe
der Reichsversammlung seyn kann, historische Urtheile zu fixiren
und unzeitige Kriege zu veranlassen. Auch hinsichtlich der ersteren
Beschlüsse ist der conservative und patriotische Eifer zu rühmen;
es scheint aber fraglich, ob sie kein indirectes Unrecht involviren
und zu traurigen Verwickelungen Anlaß geben können.

Wien 22. Juli. Die "Wiener Zeitung" erklärt heute amt-
lich: Seit mehreren Tagen bringen verschiedene öffentliche Blät-
ter Nachrichten von einem Siege, den unsere Truppen in Jtalien
erfochten haben sollen. Das Kriegministerium hat Berichte des
Feldmarschalls Radetzky vom 18. erhalten, welche hievon nicht
das mindeste melden, und glaubt solches hiemit zur allgemeinen
Kenntniß bringen zu müssen, um zu zeigen, wie wenig derlei
Privatnachrichten auf sicherem Grunde fußen.

Berlin 24. Juli. ( L. C. ) Gestern fand sich an den Straßen-
ecken ein "Aufruf an das Volk" vom hiesigen Preußenverein.
Es wird das Aufgehen Preußens in Deutschland be-
klagt und zur offenen Widersetzlichkeit gegen die deutsche National-
versammlung provocirt; auf Antrag des Dr. Bracht aus Elber-
feld hat der constitutionelle Congreß in seiner heutigen Sitzung
eine Entgegnung beschlossen, in welcher der deutschen Centralge-
walt und deren zeitigem Jnhaber, dem Reichsverweser, das Recht
gewahrt wird, nicht blos über das bisherige Bundescontingent,
sondern über die gesammte Militairmacht der einzelnen deutschen
[Spaltenumbruch] Staaten zu verfügen. Es wird darin zugleich ausgeführt, daß
der den einzelnen deutschen Fürsten geleistete Eid dem dem Reichs-
verweser zu leistenden Eide nachstehen müsse. Außer dem erwähn-
ten Aufrufe des Preußenvereins treten noch manche, bis jetzt aller-
dings nur noch vereinzelte, Erscheinungen auf, welche eine Reac-
tion des specifischen Preußenthums gegen die Feststellungen von
Frankfurt aus erwarten lassen. So sollen bereits einzelne Bür-
gerwehrabtheilungen auf Anregung ihrer Hauptleute sich zur Ver-
weigerung des Eides der Treue gegen den Reichsverweser ver-
einigt haben. Die Deutsche Wehrzeitung, herausgegeben von
einer Gesellschaft deutscher Offiziere und Militairbeamten, eine
neue Zeitschrift, welche der militairischen Fraction der Reactions-
partei in Potsdam als Organ zu dienen bestimmt ist, spricht sich
in gleicher Weise Namens der Armee unumwunden aus. Es heißt
da ausdrücklich: die Armee werde zeigen, daß sie außer ihrer
Treue, Anhänglichkeit auch einen Willen hat, "einen Willen,
dem sie nöthigenfalls auch Nachdruck zu geben entschlossen
ist, einen Willen, der eine feste, compacte Majorität Waffen-
fähiger und Waffenkundiger vertritt und der zugleich mit der ent-
schiedensten Unterwerfung unter den Ruf und Wink seines Kriegs-
herrn und Königs die allerentschiedenste Opposition, den aller-
nachhaltigsten Widerstand gegen Jedermann entfalten wird, der
es wagt, die preußische Waffenehre, die Jntegrität eines Heeres
anzugreifen" Freilich geht dieses Blatt noch weiter, indem es
die Vereidigung des Heeres auf die Verfassung für eine " Komö-
die," für einen "Spuk" erklärt.

Das Erkenntniß, welches vom Kriegsgericht gegen die bei
der Preisgebung des Zeughauses betheiligten Ofsiziere gefällt
worden ist, lautet gegen den Hauptmann v. Natzmer auf zehn
Jahre, gegen den Lieutenant Techow auf fünfzehn Jahre und
gegen den altesten Lieutenant in der Compagnie des Hrn. v. Natz-
mer auf zwei Jahre Festungsarrest, außerdem gegen alle
drei auf Entlassung aus dem Offizierstande. Der König soll die-
ses Erkenntniß bestätigt haben.

Ulm 24. Juli. ( N. C. ) Jn einer am Samstag Abend unter
freiem Himmel abgehaltenen Bürgerversammlung wurde eine von
unserem Stadtschultheißen verfaßte Adresse an den Erz-
herzog=Reichsverweser
angenommen, die im ganzen Lande
circuliren und dann nach Frankfurt abgesandt werden soll. Wir
entnehmen derselben die Schlußstelle, welche, wie folgt, lautet:
"Durchlauchtigster Reichsverweser! Die Wahl der Nationalver-
sammlung ist von dem Jubel des ganzen Volkes begrüßt worden.
Das deutsche Volk hat durch diesen begeisterten Jubel gebrochen
mit der jüngsten schmachvollen Zeit und sich wieder angeschlossen
an seine alte große und glorreiche Vergangenheit. Unsere Fürsten
sind mit dem Volke verwebt und bilden nach unserer Geschichte
eine natürliche Gliederung in dem großen Ganzen. Daß das
deutsche Volk Dieß erkannt, hat es in dieser sturmbewegten Zeit
durch sein Verhalten bewiesen. Die Fürsten können aber eben
deshalb auch keinen anderen Weg gehen, als den das Volk geht,
welches nimmer zugeben wird, daß einzelne seiner Fürsten durch
Verfolgung von Sonderinteressen der allgemeinen Wohlfahrt hem-
mend in den Weg treten. Damit es erreicht werde, was das
deutsche Volk anstrebt: Ein großes, Ein mächtiges, Ein deutsches
Vaterland, werden und müssen die Fürsten ihren Völkern, dem
deutschen Volke, ihre besonderen Jnteressen zum Opfer bringen und
mit ihren Völkern Unterthanen werden des deutschen Reichsober-
haupts. Von solcher Gesinnung durchdrungen, erklären wir, daß
wir bereit sind, Blut und Gut zu opfern, wenn die Durchführung
Dessen, was die deutsche Nation erstrebt, auf Widerstand, sey es von
Außen oder von Jnnen, stoßen würde und wir von unserm Reichs-
oberhaupte zum Kampfe für die Freiheit, die Ehre und die Größe
unseres Volkes, unseres Vaterlandes, aufgerufen werden sollten."

Lahr im Juli. ( Karlsr. Z. ) Jch komme so eben von Havre,
noch erregt von dem Jammer und der Noth, die ich dort unter
den deutschen Armen gesehen. Mehrere hundert, meistens früher
angestellt gewesene deutsche Arbeiter haben durch die Revolution
ihren Erwerb verloren, irren hilflos und brodlos auf den Stra-
ßen umher; abgezehrte Weiber und halbnackte Kinder betteln von
jedem Vorübergehenden mit einer Dringlichkeit, wie sie selten ge-
sehen worden. Nicht länger hält der Muth diese Landsleute ge-
gen den täglich wiederkehrenden Hunger aufrecht; denn seit Wo-
chen ist kein Hoffnungsstrahl in ihr Elend hereingebrochen: sie
[Ende Spaltensatz]

1) Die Anträge der Commission lauten wie folgt: "Die hohe National-
versammlung möge unter den obwaltenden Umständen 1 ) die Aufnahme
derjenigen Theile des Großherzogthums Posen, welche auf den Antrag
der Königlich Preußischen Regierung, durch einstimmige Beschlüsse des
Bundestags vom 22. April und 2. Mai, in den deutschen Bund auf-
genommen worden sind, wiederholt anerkennen und demgemäß die aus,
dem Deutschland zugeordneten Theile gewahlten zwölf Abgeordneten
zur deutschen National=Versammlung, welche auf ihre Legitimation vor-
läufig zugelassen worden sind, nun endgültig zulassen."
2 ) " Die von dem Königlich Preußischen Commissarius, General
Pfuel, vom 4. Juni d. J. angeordnete vorläufige Demarcationslinie
zwischen dem polnischen und dem deutschen Theile vorläufig anerkennen,
sich jedoch die letzte Entscheidung über die zu treffende Abgrenzung
zwischen beiden Theilen auf weitere Vorlage der Preußischen Regierung
vorbehalten.
3 ) " Von der Preußischen Regierung eine bestimmte Erklärung ver-
langen, daß dieselbe nicht nur ihrerseits, so lange sie den polnischen
Theil des Großherzogthums Posen regieren werde, den in demselben
wohnenden Deutschen ihre Nationalität erhalten, sondern daß sie auch
dafür sorgen werde, ihnen dieselbe für den Fall zu sichern, daß dieser
polnische Theil Posens aufhören sollte, unter Preußischer Herrschaft zu
stehen.
4 ) " Jn Beziehung auf die Petitionen, welche Westpreußen betref-
fen, den nicht deutschen Bewohnern dieser Provinz zu erklären, daß die
Nationalversammlung, laut Beschlusses vom 31. Mai, allen nicht
deutschen Volksstämmen auf deutschem Bundesboden ( also auch überall
auf demselben den Polen ) ungehinderte volksthümliche Entwickelung und
in Hinsicht auf das Kirchenwesen, den Unterricht, die Literatur, die
innere Verwaltung und Rechtspflege, die Gleichberechtigung ihrer
Sprache, so weit deren Gebiet reiche, gewährleistet habe."
Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 43. Freitag, den 28. Juli. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.
Reichstag.

# Frankfurt 27. Juli. Jch schreibe Jhnen über eine höchst
wichtige, vielleicht auch sehr folgenreiche Abstimmung, die heute
vorgekommen, nämlich die in der Posener Angelegenheit. Zu-
nächst wurden etwelche Anträge, die dem deutschen und preußi-
schen Jnteresse durchaus nichts vergaben, wie der von Döl-
linger
und Genossen, von Nauwerk, von Dieringer, von
Thinnes, durch zu schwache Unterstützung beseitiget, sodann
der von Blum, welcher eine nochmalige Ueberweisung der An-
gelegenheit an die Centralgewalt heischte, bei namentlichem Auf-
ruf mit einer Majorität von 333 gegen 139 verworfen; darauf
wurde in derselben Form über den ersten Antrag der Com-
mission 1) votirt ( sehr Viele enthielten sich der Abstimmung ) und
derselbe gegen eine Minorität von 31 gutgeheißen. Auch die
zweite und dritte Proposition wurden mit kleinen Abänderun-
gen angenommen, über die vierte aber als eine in früheren
Beschlüssen schon enthaltene zur motivirten Tagesordnung über-
gegangen. Der letzte Antrag von Schaffrath, man solle die
Theilung Polens für ein schmachvolles Unrecht erklären und ver-
sprechen, zur Wiederherstellung desselben wirken zu wollen, wurde
mit 330 gegen 101 Stimmen abgelehnt, während 26 sich der Ab-
stimmung entschlugen. Gegen den letzteren Beschluß wird wohl
kein Vernünftiger etwas zu erinnern haben, da es nicht Aufgabe
der Reichsversammlung seyn kann, historische Urtheile zu fixiren
und unzeitige Kriege zu veranlassen. Auch hinsichtlich der ersteren
Beschlüsse ist der conservative und patriotische Eifer zu rühmen;
es scheint aber fraglich, ob sie kein indirectes Unrecht involviren
und zu traurigen Verwickelungen Anlaß geben können.

Wien 22. Juli. Die „Wiener Zeitung“ erklärt heute amt-
lich: Seit mehreren Tagen bringen verschiedene öffentliche Blät-
ter Nachrichten von einem Siege, den unsere Truppen in Jtalien
erfochten haben sollen. Das Kriegministerium hat Berichte des
Feldmarschalls Radetzky vom 18. erhalten, welche hievon nicht
das mindeste melden, und glaubt solches hiemit zur allgemeinen
Kenntniß bringen zu müssen, um zu zeigen, wie wenig derlei
Privatnachrichten auf sicherem Grunde fußen.

Berlin 24. Juli. ( L. C. ) Gestern fand sich an den Straßen-
ecken ein „Aufruf an das Volk“ vom hiesigen Preußenverein.
Es wird das Aufgehen Preußens in Deutschland be-
klagt und zur offenen Widersetzlichkeit gegen die deutsche National-
versammlung provocirt; auf Antrag des Dr. Bracht aus Elber-
feld hat der constitutionelle Congreß in seiner heutigen Sitzung
eine Entgegnung beschlossen, in welcher der deutschen Centralge-
walt und deren zeitigem Jnhaber, dem Reichsverweser, das Recht
gewahrt wird, nicht blos über das bisherige Bundescontingent,
sondern über die gesammte Militairmacht der einzelnen deutschen
[Spaltenumbruch] Staaten zu verfügen. Es wird darin zugleich ausgeführt, daß
der den einzelnen deutschen Fürsten geleistete Eid dem dem Reichs-
verweser zu leistenden Eide nachstehen müsse. Außer dem erwähn-
ten Aufrufe des Preußenvereins treten noch manche, bis jetzt aller-
dings nur noch vereinzelte, Erscheinungen auf, welche eine Reac-
tion des specifischen Preußenthums gegen die Feststellungen von
Frankfurt aus erwarten lassen. So sollen bereits einzelne Bür-
gerwehrabtheilungen auf Anregung ihrer Hauptleute sich zur Ver-
weigerung des Eides der Treue gegen den Reichsverweser ver-
einigt haben. Die Deutsche Wehrzeitung, herausgegeben von
einer Gesellschaft deutscher Offiziere und Militairbeamten, eine
neue Zeitschrift, welche der militairischen Fraction der Reactions-
partei in Potsdam als Organ zu dienen bestimmt ist, spricht sich
in gleicher Weise Namens der Armee unumwunden aus. Es heißt
da ausdrücklich: die Armee werde zeigen, daß sie außer ihrer
Treue, Anhänglichkeit auch einen Willen hat, „einen Willen,
dem sie nöthigenfalls auch Nachdruck zu geben entschlossen
ist, einen Willen, der eine feste, compacte Majorität Waffen-
fähiger und Waffenkundiger vertritt und der zugleich mit der ent-
schiedensten Unterwerfung unter den Ruf und Wink seines Kriegs-
herrn und Königs die allerentschiedenste Opposition, den aller-
nachhaltigsten Widerstand gegen Jedermann entfalten wird, der
es wagt, die preußische Waffenehre, die Jntegrität eines Heeres
anzugreifen“ Freilich geht dieses Blatt noch weiter, indem es
die Vereidigung des Heeres auf die Verfassung für eine „ Komö-
die,“ für einen „Spuk“ erklärt.

Das Erkenntniß, welches vom Kriegsgericht gegen die bei
der Preisgebung des Zeughauses betheiligten Ofsiziere gefällt
worden ist, lautet gegen den Hauptmann v. Natzmer auf zehn
Jahre, gegen den Lieutenant Techow auf fünfzehn Jahre und
gegen den altesten Lieutenant in der Compagnie des Hrn. v. Natz-
mer auf zwei Jahre Festungsarrest, außerdem gegen alle
drei auf Entlassung aus dem Offizierstande. Der König soll die-
ses Erkenntniß bestätigt haben.

Ulm 24. Juli. ( N. C. ) Jn einer am Samstag Abend unter
freiem Himmel abgehaltenen Bürgerversammlung wurde eine von
unserem Stadtschultheißen verfaßte Adresse an den Erz-
herzog=Reichsverweser
angenommen, die im ganzen Lande
circuliren und dann nach Frankfurt abgesandt werden soll. Wir
entnehmen derselben die Schlußstelle, welche, wie folgt, lautet:
„Durchlauchtigster Reichsverweser! Die Wahl der Nationalver-
sammlung ist von dem Jubel des ganzen Volkes begrüßt worden.
Das deutsche Volk hat durch diesen begeisterten Jubel gebrochen
mit der jüngsten schmachvollen Zeit und sich wieder angeschlossen
an seine alte große und glorreiche Vergangenheit. Unsere Fürsten
sind mit dem Volke verwebt und bilden nach unserer Geschichte
eine natürliche Gliederung in dem großen Ganzen. Daß das
deutsche Volk Dieß erkannt, hat es in dieser sturmbewegten Zeit
durch sein Verhalten bewiesen. Die Fürsten können aber eben
deshalb auch keinen anderen Weg gehen, als den das Volk geht,
welches nimmer zugeben wird, daß einzelne seiner Fürsten durch
Verfolgung von Sonderinteressen der allgemeinen Wohlfahrt hem-
mend in den Weg treten. Damit es erreicht werde, was das
deutsche Volk anstrebt: Ein großes, Ein mächtiges, Ein deutsches
Vaterland, werden und müssen die Fürsten ihren Völkern, dem
deutschen Volke, ihre besonderen Jnteressen zum Opfer bringen und
mit ihren Völkern Unterthanen werden des deutschen Reichsober-
haupts. Von solcher Gesinnung durchdrungen, erklären wir, daß
wir bereit sind, Blut und Gut zu opfern, wenn die Durchführung
Dessen, was die deutsche Nation erstrebt, auf Widerstand, sey es von
Außen oder von Jnnen, stoßen würde und wir von unserm Reichs-
oberhaupte zum Kampfe für die Freiheit, die Ehre und die Größe
unseres Volkes, unseres Vaterlandes, aufgerufen werden sollten.“

Lahr im Juli. ( Karlsr. Z. ) Jch komme so eben von Havre,
noch erregt von dem Jammer und der Noth, die ich dort unter
den deutschen Armen gesehen. Mehrere hundert, meistens früher
angestellt gewesene deutsche Arbeiter haben durch die Revolution
ihren Erwerb verloren, irren hilflos und brodlos auf den Stra-
ßen umher; abgezehrte Weiber und halbnackte Kinder betteln von
jedem Vorübergehenden mit einer Dringlichkeit, wie sie selten ge-
sehen worden. Nicht länger hält der Muth diese Landsleute ge-
gen den täglich wiederkehrenden Hunger aufrecht; denn seit Wo-
chen ist kein Hoffnungsstrahl in ihr Elend hereingebrochen: sie
[Ende Spaltensatz]

1) Die Anträge der Commission lauten wie folgt: „Die hohe National-
versammlung möge unter den obwaltenden Umständen 1 ) die Aufnahme
derjenigen Theile des Großherzogthums Posen, welche auf den Antrag
der Königlich Preußischen Regierung, durch einstimmige Beschlüsse des
Bundestags vom 22. April und 2. Mai, in den deutschen Bund auf-
genommen worden sind, wiederholt anerkennen und demgemäß die aus,
dem Deutschland zugeordneten Theile gewahlten zwölf Abgeordneten
zur deutschen National=Versammlung, welche auf ihre Legitimation vor-
läufig zugelassen worden sind, nun endgültig zulassen.“
2 ) „ Die von dem Königlich Preußischen Commissarius, General
Pfuel, vom 4. Juni d. J. angeordnete vorläufige Demarcationslinie
zwischen dem polnischen und dem deutschen Theile vorläufig anerkennen,
sich jedoch die letzte Entscheidung über die zu treffende Abgrenzung
zwischen beiden Theilen auf weitere Vorlage der Preußischen Regierung
vorbehalten.
3 ) „ Von der Preußischen Regierung eine bestimmte Erklärung ver-
langen, daß dieselbe nicht nur ihrerseits, so lange sie den polnischen
Theil des Großherzogthums Posen regieren werde, den in demselben
wohnenden Deutschen ihre Nationalität erhalten, sondern daß sie auch
dafür sorgen werde, ihnen dieselbe für den Fall zu sichern, daß dieser
polnische Theil Posens aufhören sollte, unter Preußischer Herrschaft zu
stehen.
4 ) „ Jn Beziehung auf die Petitionen, welche Westpreußen betref-
fen, den nicht deutschen Bewohnern dieser Provinz zu erklären, daß die
Nationalversammlung, laut Beschlusses vom 31. Mai, allen nicht
deutschen Volksstämmen auf deutschem Bundesboden ( also auch überall
auf demselben den Polen ) ungehinderte volksthümliche Entwickelung und
in Hinsicht auf das Kirchenwesen, den Unterricht, die Literatur, die
innere Verwaltung und Rechtspflege, die Gleichberechtigung ihrer
Sprache, so weit deren Gebiet reiche, gewährleistet habe.“
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[0005] Beilage zum Mainzer Journal. Nro 43. Freitag, den 28. Juli. 1848. Deutschland. Reichstag. # Frankfurt 27. Juli. Jch schreibe Jhnen über eine höchst wichtige, vielleicht auch sehr folgenreiche Abstimmung, die heute vorgekommen, nämlich die in der Posener Angelegenheit. Zu- nächst wurden etwelche Anträge, die dem deutschen und preußi- schen Jnteresse durchaus nichts vergaben, wie der von Döl- linger und Genossen, von Nauwerk, von Dieringer, von Thinnes, durch zu schwache Unterstützung beseitiget, sodann der von Blum, welcher eine nochmalige Ueberweisung der An- gelegenheit an die Centralgewalt heischte, bei namentlichem Auf- ruf mit einer Majorität von 333 gegen 139 verworfen; darauf wurde in derselben Form über den ersten Antrag der Com- mission 1) votirt ( sehr Viele enthielten sich der Abstimmung ) und derselbe gegen eine Minorität von 31 gutgeheißen. Auch die zweite und dritte Proposition wurden mit kleinen Abänderun- gen angenommen, über die vierte aber als eine in früheren Beschlüssen schon enthaltene zur motivirten Tagesordnung über- gegangen. Der letzte Antrag von Schaffrath, man solle die Theilung Polens für ein schmachvolles Unrecht erklären und ver- sprechen, zur Wiederherstellung desselben wirken zu wollen, wurde mit 330 gegen 101 Stimmen abgelehnt, während 26 sich der Ab- stimmung entschlugen. Gegen den letzteren Beschluß wird wohl kein Vernünftiger etwas zu erinnern haben, da es nicht Aufgabe der Reichsversammlung seyn kann, historische Urtheile zu fixiren und unzeitige Kriege zu veranlassen. Auch hinsichtlich der ersteren Beschlüsse ist der conservative und patriotische Eifer zu rühmen; es scheint aber fraglich, ob sie kein indirectes Unrecht involviren und zu traurigen Verwickelungen Anlaß geben können. Wien 22. Juli. Die „Wiener Zeitung“ erklärt heute amt- lich: Seit mehreren Tagen bringen verschiedene öffentliche Blät- ter Nachrichten von einem Siege, den unsere Truppen in Jtalien erfochten haben sollen. Das Kriegministerium hat Berichte des Feldmarschalls Radetzky vom 18. erhalten, welche hievon nicht das mindeste melden, und glaubt solches hiemit zur allgemeinen Kenntniß bringen zu müssen, um zu zeigen, wie wenig derlei Privatnachrichten auf sicherem Grunde fußen. Berlin 24. Juli. ( L. C. ) Gestern fand sich an den Straßen- ecken ein „Aufruf an das Volk“ vom hiesigen Preußenverein. Es wird das Aufgehen Preußens in Deutschland be- klagt und zur offenen Widersetzlichkeit gegen die deutsche National- versammlung provocirt; auf Antrag des Dr. Bracht aus Elber- feld hat der constitutionelle Congreß in seiner heutigen Sitzung eine Entgegnung beschlossen, in welcher der deutschen Centralge- walt und deren zeitigem Jnhaber, dem Reichsverweser, das Recht gewahrt wird, nicht blos über das bisherige Bundescontingent, sondern über die gesammte Militairmacht der einzelnen deutschen Staaten zu verfügen. Es wird darin zugleich ausgeführt, daß der den einzelnen deutschen Fürsten geleistete Eid dem dem Reichs- verweser zu leistenden Eide nachstehen müsse. Außer dem erwähn- ten Aufrufe des Preußenvereins treten noch manche, bis jetzt aller- dings nur noch vereinzelte, Erscheinungen auf, welche eine Reac- tion des specifischen Preußenthums gegen die Feststellungen von Frankfurt aus erwarten lassen. So sollen bereits einzelne Bür- gerwehrabtheilungen auf Anregung ihrer Hauptleute sich zur Ver- weigerung des Eides der Treue gegen den Reichsverweser ver- einigt haben. Die Deutsche Wehrzeitung, herausgegeben von einer Gesellschaft deutscher Offiziere und Militairbeamten, eine neue Zeitschrift, welche der militairischen Fraction der Reactions- partei in Potsdam als Organ zu dienen bestimmt ist, spricht sich in gleicher Weise Namens der Armee unumwunden aus. Es heißt da ausdrücklich: die Armee werde zeigen, daß sie außer ihrer Treue, Anhänglichkeit auch einen Willen hat, „einen Willen, dem sie nöthigenfalls auch Nachdruck zu geben entschlossen ist, einen Willen, der eine feste, compacte Majorität Waffen- fähiger und Waffenkundiger vertritt und der zugleich mit der ent- schiedensten Unterwerfung unter den Ruf und Wink seines Kriegs- herrn und Königs die allerentschiedenste Opposition, den aller- nachhaltigsten Widerstand gegen Jedermann entfalten wird, der es wagt, die preußische Waffenehre, die Jntegrität eines Heeres anzugreifen“ Freilich geht dieses Blatt noch weiter, indem es die Vereidigung des Heeres auf die Verfassung für eine „ Komö- die,“ für einen „Spuk“ erklärt. Das Erkenntniß, welches vom Kriegsgericht gegen die bei der Preisgebung des Zeughauses betheiligten Ofsiziere gefällt worden ist, lautet gegen den Hauptmann v. Natzmer auf zehn Jahre, gegen den Lieutenant Techow auf fünfzehn Jahre und gegen den altesten Lieutenant in der Compagnie des Hrn. v. Natz- mer auf zwei Jahre Festungsarrest, außerdem gegen alle drei auf Entlassung aus dem Offizierstande. Der König soll die- ses Erkenntniß bestätigt haben. Ulm 24. Juli. ( N. C. ) Jn einer am Samstag Abend unter freiem Himmel abgehaltenen Bürgerversammlung wurde eine von unserem Stadtschultheißen verfaßte Adresse an den Erz- herzog=Reichsverweser angenommen, die im ganzen Lande circuliren und dann nach Frankfurt abgesandt werden soll. Wir entnehmen derselben die Schlußstelle, welche, wie folgt, lautet: „Durchlauchtigster Reichsverweser! Die Wahl der Nationalver- sammlung ist von dem Jubel des ganzen Volkes begrüßt worden. Das deutsche Volk hat durch diesen begeisterten Jubel gebrochen mit der jüngsten schmachvollen Zeit und sich wieder angeschlossen an seine alte große und glorreiche Vergangenheit. Unsere Fürsten sind mit dem Volke verwebt und bilden nach unserer Geschichte eine natürliche Gliederung in dem großen Ganzen. Daß das deutsche Volk Dieß erkannt, hat es in dieser sturmbewegten Zeit durch sein Verhalten bewiesen. Die Fürsten können aber eben deshalb auch keinen anderen Weg gehen, als den das Volk geht, welches nimmer zugeben wird, daß einzelne seiner Fürsten durch Verfolgung von Sonderinteressen der allgemeinen Wohlfahrt hem- mend in den Weg treten. Damit es erreicht werde, was das deutsche Volk anstrebt: Ein großes, Ein mächtiges, Ein deutsches Vaterland, werden und müssen die Fürsten ihren Völkern, dem deutschen Volke, ihre besonderen Jnteressen zum Opfer bringen und mit ihren Völkern Unterthanen werden des deutschen Reichsober- haupts. Von solcher Gesinnung durchdrungen, erklären wir, daß wir bereit sind, Blut und Gut zu opfern, wenn die Durchführung Dessen, was die deutsche Nation erstrebt, auf Widerstand, sey es von Außen oder von Jnnen, stoßen würde und wir von unserm Reichs- oberhaupte zum Kampfe für die Freiheit, die Ehre und die Größe unseres Volkes, unseres Vaterlandes, aufgerufen werden sollten.“ Lahr im Juli. ( Karlsr. Z. ) Jch komme so eben von Havre, noch erregt von dem Jammer und der Noth, die ich dort unter den deutschen Armen gesehen. Mehrere hundert, meistens früher angestellt gewesene deutsche Arbeiter haben durch die Revolution ihren Erwerb verloren, irren hilflos und brodlos auf den Stra- ßen umher; abgezehrte Weiber und halbnackte Kinder betteln von jedem Vorübergehenden mit einer Dringlichkeit, wie sie selten ge- sehen worden. Nicht länger hält der Muth diese Landsleute ge- gen den täglich wiederkehrenden Hunger aufrecht; denn seit Wo- chen ist kein Hoffnungsstrahl in ihr Elend hereingebrochen: sie 1) Die Anträge der Commission lauten wie folgt: „Die hohe National- versammlung möge unter den obwaltenden Umständen 1 ) die Aufnahme derjenigen Theile des Großherzogthums Posen, welche auf den Antrag der Königlich Preußischen Regierung, durch einstimmige Beschlüsse des Bundestags vom 22. April und 2. Mai, in den deutschen Bund auf- genommen worden sind, wiederholt anerkennen und demgemäß die aus, dem Deutschland zugeordneten Theile gewahlten zwölf Abgeordneten zur deutschen National=Versammlung, welche auf ihre Legitimation vor- läufig zugelassen worden sind, nun endgültig zulassen.“ 2 ) „ Die von dem Königlich Preußischen Commissarius, General Pfuel, vom 4. Juni d. J. angeordnete vorläufige Demarcationslinie zwischen dem polnischen und dem deutschen Theile vorläufig anerkennen, sich jedoch die letzte Entscheidung über die zu treffende Abgrenzung zwischen beiden Theilen auf weitere Vorlage der Preußischen Regierung vorbehalten. 3 ) „ Von der Preußischen Regierung eine bestimmte Erklärung ver- langen, daß dieselbe nicht nur ihrerseits, so lange sie den polnischen Theil des Großherzogthums Posen regieren werde, den in demselben wohnenden Deutschen ihre Nationalität erhalten, sondern daß sie auch dafür sorgen werde, ihnen dieselbe für den Fall zu sichern, daß dieser polnische Theil Posens aufhören sollte, unter Preußischer Herrschaft zu stehen. 4 ) „ Jn Beziehung auf die Petitionen, welche Westpreußen betref- fen, den nicht deutschen Bewohnern dieser Provinz zu erklären, daß die Nationalversammlung, laut Beschlusses vom 31. Mai, allen nicht deutschen Volksstämmen auf deutschem Bundesboden ( also auch überall auf demselben den Polen ) ungehinderte volksthümliche Entwickelung und in Hinsicht auf das Kirchenwesen, den Unterricht, die Literatur, die innere Verwaltung und Rechtspflege, die Gleichberechtigung ihrer Sprache, so weit deren Gebiet reiche, gewährleistet habe.“

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 43. Mainz, 28. Juli 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal043_1848/5>, abgerufen am 06.06.2024.