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Mainzer Journal. Nr. 39. Mainz, 24. Juli 1848.

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[Beginn Spaltensatz] sächlich um die Frage, ob Gesellen als Vertreter in der Versamm-
lung erscheinen könnten. Diese Frage ist abschlägig erledigt wor-
den, dagegen ward bestimmt, daß die Gesellen allerdings das
Recht haben sollten, sich vertreten zu lassen und zwar durch Mei-
ster. Dieser vermittelnde Ausweg wird hoffentlich die Betheiligten
zufrieden stellen, um so mehr, da der Congreß eigentlich aus den
alten Gesellen besteht. Die Sitzung war übrigens heute sehr stür-
misch. Mehrere Deputirte von Gesellenbrüderschaften sehen sich
in Folge dieses Beschlusses genöthigt, wieder abzureisen.

Frankfurt 19. Juli. ( Schw. M. ) Die drei letzten Sitzungen
der Nationalversammlung seit der Berathung über die Rüstungen
boten wenig Jnseresse dar; die wichtigste Folge, die sie haben
werden, mag die seyn, daß sie die Nothwendigkeit einer solchen
Berathung der Grundrechte ein Ende zu machen, vollends zur
Klarheit erhoben, daß das Gefühl, so könne und dürfe es nicht
fortgehen, ein ganz allgemeines geworden ist, und wo nicht
die durchgreifendsten Maßregeln, doch wenigstens wesentliche
Abkürzungen von jetzt an zu erwarten stehen. Ein Vertrauen
darauf, daß die Mitglieder durch bloße Selbstbeschränkung
und Enthaltsamkeit das richtige Maß finden werden, kann
man wohl nicht fassen; dazu ist die Redseligkeit, das Antrag-
stellfieber, das Bedürfniß, eine absonderliche Meinung über Alles
zu haben und sie auch geltend zu machen, die Eitelkeit und der
Ehrgeiz viel zu groß. Es müssen bestimmte Beschränkungen ein-
treten und überdieß ist die Versammlung genöthigt, ihr Urtheil
über solche, die unbefugt und unberufen reden, auf eine noch un-
gestümere Weise geltend zu machen, als es bisher schon geschehen
ist. Wichtiger, als was innerhalb der Paulskirche vorgeht, ist
gegenwärtig, was sich außerhalb derselben vorzubereiten scheint,
und dann auch gewiß drinnen seine starke Rückwirkung üben
würde. Nach allen Nachrichten, welche den Abgeordneten aus
den altpreußischen Provinzen zukommen, ist dort seit
einigen Wochen eine der Revolution und der Nationalsache in ih-
rer bisherigen Entwickelung feindliche und gefährliche Stimmung
eingetreten, von welcher in kurzer Zeit eine Aeußerung zu erwarten
steht. Man befürchtet einen Versuch zu einem reactionären Schlag
in Berlin, in welchem diesmal, da die Bürgerwehr auf Seite der
Soldaten stehe oder wenigstens neutral bleiben würde, die Armee
siegen werde. So sagt man sich hier; es sind freilich blos Ge-
rüchte und hoffentlich in solcher Ausdehnung ungegründet, aber
sie haben einige innere Wahrscheinlichkeit für sich. Es stellt sich
eben heraus, was freilich in Süddeutschland Niemand gelten las-
sen will, daß sich bei der Gestaltung der deutschen Einheit die
starken, auf einem geschichtlichen Nationalgefühl ihrer Völker be-
ruhenden Staaten nicht ignoriren und noch weniger verletzen
oder über den Haufen werfen lassen. Auch von Oesterreich,
so sehr dort Alles durch die Wahl des Reichsverwesers gewon-
nen ist, erfährt man, daß die deutsche Jdee doch dem Volk zu
neu und fremd ist, als daß sie schon tiefe Wurzeln geschlagen hätte.
Zu alle dem kommen nun die auswärtigen Verhältnisse,
die Entscheidung über die Posener Sache, bei welcher
nach einem ( schwerlich begründeten ) Gerüchte Frankreich
eine Note gegen die Demarkationslinie eingereicht haben
soll, die gestrige Entscheidung über Limburg, welche mit
Holland nothwendig zu ernstlichen Collissionen führen muß und
vielleicht auch nicht ohne Einmischung der europäischen Mächte
erledigt wird, die durch die Gegenrüstungen zweifelhaft gewordene
Stellung zu Frankreich. Durch alles das ist die Stimmung des
Augenblicks schwül und gedrückt, wie am Vorabend einer Krisis.
Es gibt nur Einen leuchtenden Punkt unter allen diesen trüben
und verworrenen Aussichten in die Zukunft; es ist die nicht erst
zu schaffende, sondern schon vorhandene Einheit Deutschlands in
der Nationalversammlung und Centralgewalt. Auch dies Eine
wird verkümmert und von denen, die Freunde der Freiheit und
Einheit seyn wollen, verdächtigt; viele süddeutschen Blätter
schmähen die Versammlung und den Reichsverweser auf jede
Weise oder entziehen ihr wenigstens den Boden, den sie im Volke
hatte; im Norden hat sie mit den entgegengesetzten Gegnern zu
kämpfen; jenen thut sie zu viel, wie diesen zu wenig, und keiner
von beiden Theilen ist so billig, sich auch um den andern zu küm-
mern. Es thut wahrlich Noth, daß Jeder, der es mit der deut-
schen Sache gut meint, das Einzige, was uns zusammenhalten
kann, die Nationalversammlung und Centralgewalt im Volk nach
Kräften aufrecht halte. Jeder Angriff auf die Versamm-
lung der deutschen Nation dient der Reaction und
nur ihr.

Lübeck 19. Juli. ( B. H. ) Nach einem hier heute eingetrof-
fenen Briefe vom General Wrangel vom 16. Juli wäre doch der
Waffenstillstand in naher Aussicht, da derselbe auf den bevorste-
henden Abschluß hinweisend, Vorbereitungen getroffen zu sehen
wünscht, daß das Lübeck=Bremer Bataillon hier einquartirt wer-
den könne.

[Spaltenumbruch]
Großbritannien.

London 20. Juli. Die Minister hielten gestern Nachmittags
einen dreistündigen Cabinetsrath, worin angeblich die Zustände
Jrlands und die weiter dort zu ergreifenden Maßregeln zur Er-
örterung kamen. Bei Eröffnung der Börse neigten heute die Fonds
abermals zum Weichen, was man hauptsächlich den irischen Wir-
ren zuschreibt. Die "Times" pflichtet den vom Lordstatthalter er-
griffenen Maßregeln, als durch die Sachlage dringend geboten,
vollkommen bei. Bisher habe er, wiewohl mehrmals aufgefor-
dert, den offen ausgesprochenen Umsturzplänen eines S. O'Brien,
Meagher und Consorten durch eine außerordentliche Maßregel
entgegenzutreten, dies abgelehnt, weil er in dem Bewußtseyn, von
Allem, was vorgehe, genau unterrichtet und dadurch vor einer Ueber-
raschung gesichert zu seyn, einen solchen Schritt einstweilen für unnö-
thig hielt. Auch sey wirklich, so lange sich die Entwürfe der Anarchi-
sten blos auf Clubs und Zeitungen beschränkten, eine außerordentliche
Maßregel nicht gerade dringend gewesen. Anders aber stehe die
Sache jetzt, wo thätige Anstalten zur baldigsten Ausführung jener
Umsturzpläne getroffen würden und die Rädelsführer angeblich
nur noch zweifelhaft seyen, ob sie die bevorstehende Aburtheilung
Dyffy's durch sofortigen Losbruch verhindern oder ihre Verur-
theilung abwarten und dann ihre Befreiung zum Vorwande des
Losschlagens nehmen sollten. Jetzt habe der Lordstatthalter
nicht länger zögern dürfen und er beabsichtige nun, so weit das
Gesetz es verstatte, die Anfertigung und den Verkauf von Waffen
zu gesetzwidrigen Zwecken zu verhindern, die Einfuhr von Waffen
und Munition zu verbieten und denen die Waffen wegzunehmen,
welche sie zu schlimmen Zwecken mißbrauchen könnten. Sollten
übrigens die Vollmachten des Lordstatthalters dazu nicht aus-
reichen, so werde das Parlament gewiß bereit seyn, die weiter
nöthigen Vollmachten zu bewilligen, da die Rücksicht auf den
Nothstand in den britischen Fabrikdistricten es hochwichtig erschei-
nen lasse, auch die mindeste Friedensstörung zu verhindern.

Die heute aus den Fabrikbezirken des Nordens eingegangenen
Nachrichten lauten im Vergleiche zu denen, die noch vor wenigen
Tagen von dorther eintrafen, durchweg befriedigend. Jn York-
shire und Lancashire geben sich seit dem Anfange der Woche auf
den Märkten wesentliche Anzeichen des Besserwerdens kund, was
großentheils den herrlichen Ernteaussichten und dem Wiederein-
treffen einiger Bestellungen vom Festlande zuzuschreiben ist.

Die Dubliner Clubs haben auf S. O'Brien's Antrag eine
gemeinsame Erklärung erlassen, worin sie läugnen, daß ihr Zweck
auf Plünderung und Mord, auf Umsturz der Religion und socia-
len Ordnung gerichtet sey; sie räumen bloß die Absicht ein, die
Gewalt der britischen Legislatur
in Jrland umzu-
stürzen.
Am 18. Nachmittags waren 100 Dubliner Constabler
nach Waterford abgegangen. -- Aus Cork wird berichtet, daß
dort am 18. die Herren Varian, Bourke und J. O'Brien, als
des Aufruhrs angeklagt, verhaftet wurden und daß die größte Auf-
regung herrschte.

Donaufürstenthümer.

Der Wiener Ztg. wird von der wallachischen Gränze vom
12. Juli geschrieben: "Nach Eingang der Nachrichten von dem Ein-
marsche der russischen Truppen in der Moldau entschloß sich die
provisorische Regierung in Bukarest zum Protest gegen eine rus-
sische Jntervention, und endlich zu offenem Widerstand. Allein
der russische Consul Kotzebue sandte von Foksany aus den Protest
nach Bukarest zurück, und stellte an die provisorische Regierung
ein Ultimatum, worin die Wiedereinsetzung des Fürsten Bibesko
ausdrücklich bedungen, und im Weigerungsfalle der Einmarsch
der russischen Armee unwiderruflich angekündigt wurde. Die
provisorische Regierung entschloß sich zum Widerstand und sandte
Emissärs in die Provinzen, um das Volk gegen die Russen auf-
zuwiegeln. Allein die Bauern nahmen die Emissärs gefangen,
und mehrere wurden sogar erschlagen. Nach Eingang dieser
Nachricht bemächtigte sich in Bukarest unter den Mitgliedern ein
panischer Schrecken, und der größte Theil der Bojaren floh nach
allen Seiten. Es herrschte am 10. in Bukarest Ruhe, und die
Mehrzahl der Bevölkerung wird, sowie die Landbewohner, die
Russen mit offenen Armen aufnehmen. Die Bauern in der Wal-
lachei halten die Russen, deren Politik stets die Bauern gegen
den räuberischen Adel schützte, für ihre Befreier. Dieß ist der
Schlüssel zu dem jetzigen Zustand der Dinge in den Donaufür-
stenthümern. Aus Jassy eilte ein Courier nach Kronstadt, um
dem Fürsten Bibesko den Einmarsch der Russen zu melden. Ge-
neral Dumahel kündigte sich als Consul und General=Jntendant
an. Die Russen haben in Jassy ein Lager vor der Stadt bezo-
gen, weil die Cholera im Jnnern wüthet. 100,000 Maun rus-
sischer Truppen setzten sich über Focsany in Bewegung, und rück-
ten gegen Bukarest vor. Sie werden vor dem 15., 16. nicht in
Bukarest eintreffen. An Widerstand ist unter solchen Umständen
nicht zu denken.

[Ende Spaltensatz]

Redacteur: Franz Sausen. -- Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. -- Druck von Florian Kupferberg.

[Beginn Spaltensatz] sächlich um die Frage, ob Gesellen als Vertreter in der Versamm-
lung erscheinen könnten. Diese Frage ist abschlägig erledigt wor-
den, dagegen ward bestimmt, daß die Gesellen allerdings das
Recht haben sollten, sich vertreten zu lassen und zwar durch Mei-
ster. Dieser vermittelnde Ausweg wird hoffentlich die Betheiligten
zufrieden stellen, um so mehr, da der Congreß eigentlich aus den
alten Gesellen besteht. Die Sitzung war übrigens heute sehr stür-
misch. Mehrere Deputirte von Gesellenbrüderschaften sehen sich
in Folge dieses Beschlusses genöthigt, wieder abzureisen.

Frankfurt 19. Juli. ( Schw. M. ) Die drei letzten Sitzungen
der Nationalversammlung seit der Berathung über die Rüstungen
boten wenig Jnseresse dar; die wichtigste Folge, die sie haben
werden, mag die seyn, daß sie die Nothwendigkeit einer solchen
Berathung der Grundrechte ein Ende zu machen, vollends zur
Klarheit erhoben, daß das Gefühl, so könne und dürfe es nicht
fortgehen, ein ganz allgemeines geworden ist, und wo nicht
die durchgreifendsten Maßregeln, doch wenigstens wesentliche
Abkürzungen von jetzt an zu erwarten stehen. Ein Vertrauen
darauf, daß die Mitglieder durch bloße Selbstbeschränkung
und Enthaltsamkeit das richtige Maß finden werden, kann
man wohl nicht fassen; dazu ist die Redseligkeit, das Antrag-
stellfieber, das Bedürfniß, eine absonderliche Meinung über Alles
zu haben und sie auch geltend zu machen, die Eitelkeit und der
Ehrgeiz viel zu groß. Es müssen bestimmte Beschränkungen ein-
treten und überdieß ist die Versammlung genöthigt, ihr Urtheil
über solche, die unbefugt und unberufen reden, auf eine noch un-
gestümere Weise geltend zu machen, als es bisher schon geschehen
ist. Wichtiger, als was innerhalb der Paulskirche vorgeht, ist
gegenwärtig, was sich außerhalb derselben vorzubereiten scheint,
und dann auch gewiß drinnen seine starke Rückwirkung üben
würde. Nach allen Nachrichten, welche den Abgeordneten aus
den altpreußischen Provinzen zukommen, ist dort seit
einigen Wochen eine der Revolution und der Nationalsache in ih-
rer bisherigen Entwickelung feindliche und gefährliche Stimmung
eingetreten, von welcher in kurzer Zeit eine Aeußerung zu erwarten
steht. Man befürchtet einen Versuch zu einem reactionären Schlag
in Berlin, in welchem diesmal, da die Bürgerwehr auf Seite der
Soldaten stehe oder wenigstens neutral bleiben würde, die Armee
siegen werde. So sagt man sich hier; es sind freilich blos Ge-
rüchte und hoffentlich in solcher Ausdehnung ungegründet, aber
sie haben einige innere Wahrscheinlichkeit für sich. Es stellt sich
eben heraus, was freilich in Süddeutschland Niemand gelten las-
sen will, daß sich bei der Gestaltung der deutschen Einheit die
starken, auf einem geschichtlichen Nationalgefühl ihrer Völker be-
ruhenden Staaten nicht ignoriren und noch weniger verletzen
oder über den Haufen werfen lassen. Auch von Oesterreich,
so sehr dort Alles durch die Wahl des Reichsverwesers gewon-
nen ist, erfährt man, daß die deutsche Jdee doch dem Volk zu
neu und fremd ist, als daß sie schon tiefe Wurzeln geschlagen hätte.
Zu alle dem kommen nun die auswärtigen Verhältnisse,
die Entscheidung über die Posener Sache, bei welcher
nach einem ( schwerlich begründeten ) Gerüchte Frankreich
eine Note gegen die Demarkationslinie eingereicht haben
soll, die gestrige Entscheidung über Limburg, welche mit
Holland nothwendig zu ernstlichen Collissionen führen muß und
vielleicht auch nicht ohne Einmischung der europäischen Mächte
erledigt wird, die durch die Gegenrüstungen zweifelhaft gewordene
Stellung zu Frankreich. Durch alles das ist die Stimmung des
Augenblicks schwül und gedrückt, wie am Vorabend einer Krisis.
Es gibt nur Einen leuchtenden Punkt unter allen diesen trüben
und verworrenen Aussichten in die Zukunft; es ist die nicht erst
zu schaffende, sondern schon vorhandene Einheit Deutschlands in
der Nationalversammlung und Centralgewalt. Auch dies Eine
wird verkümmert und von denen, die Freunde der Freiheit und
Einheit seyn wollen, verdächtigt; viele süddeutschen Blätter
schmähen die Versammlung und den Reichsverweser auf jede
Weise oder entziehen ihr wenigstens den Boden, den sie im Volke
hatte; im Norden hat sie mit den entgegengesetzten Gegnern zu
kämpfen; jenen thut sie zu viel, wie diesen zu wenig, und keiner
von beiden Theilen ist so billig, sich auch um den andern zu küm-
mern. Es thut wahrlich Noth, daß Jeder, der es mit der deut-
schen Sache gut meint, das Einzige, was uns zusammenhalten
kann, die Nationalversammlung und Centralgewalt im Volk nach
Kräften aufrecht halte. Jeder Angriff auf die Versamm-
lung der deutschen Nation dient der Reaction und
nur ihr.

Lübeck 19. Juli. ( B. H. ) Nach einem hier heute eingetrof-
fenen Briefe vom General Wrangel vom 16. Juli wäre doch der
Waffenstillstand in naher Aussicht, da derselbe auf den bevorste-
henden Abschluß hinweisend, Vorbereitungen getroffen zu sehen
wünscht, daß das Lübeck=Bremer Bataillon hier einquartirt wer-
den könne.

[Spaltenumbruch]
Großbritannien.

London 20. Juli. Die Minister hielten gestern Nachmittags
einen dreistündigen Cabinetsrath, worin angeblich die Zustände
Jrlands und die weiter dort zu ergreifenden Maßregeln zur Er-
örterung kamen. Bei Eröffnung der Börse neigten heute die Fonds
abermals zum Weichen, was man hauptsächlich den irischen Wir-
ren zuschreibt. Die „Times“ pflichtet den vom Lordstatthalter er-
griffenen Maßregeln, als durch die Sachlage dringend geboten,
vollkommen bei. Bisher habe er, wiewohl mehrmals aufgefor-
dert, den offen ausgesprochenen Umsturzplänen eines S. O'Brien,
Meagher und Consorten durch eine außerordentliche Maßregel
entgegenzutreten, dies abgelehnt, weil er in dem Bewußtseyn, von
Allem, was vorgehe, genau unterrichtet und dadurch vor einer Ueber-
raschung gesichert zu seyn, einen solchen Schritt einstweilen für unnö-
thig hielt. Auch sey wirklich, so lange sich die Entwürfe der Anarchi-
sten blos auf Clubs und Zeitungen beschränkten, eine außerordentliche
Maßregel nicht gerade dringend gewesen. Anders aber stehe die
Sache jetzt, wo thätige Anstalten zur baldigsten Ausführung jener
Umsturzpläne getroffen würden und die Rädelsführer angeblich
nur noch zweifelhaft seyen, ob sie die bevorstehende Aburtheilung
Dyffy's durch sofortigen Losbruch verhindern oder ihre Verur-
theilung abwarten und dann ihre Befreiung zum Vorwande des
Losschlagens nehmen sollten. Jetzt habe der Lordstatthalter
nicht länger zögern dürfen und er beabsichtige nun, so weit das
Gesetz es verstatte, die Anfertigung und den Verkauf von Waffen
zu gesetzwidrigen Zwecken zu verhindern, die Einfuhr von Waffen
und Munition zu verbieten und denen die Waffen wegzunehmen,
welche sie zu schlimmen Zwecken mißbrauchen könnten. Sollten
übrigens die Vollmachten des Lordstatthalters dazu nicht aus-
reichen, so werde das Parlament gewiß bereit seyn, die weiter
nöthigen Vollmachten zu bewilligen, da die Rücksicht auf den
Nothstand in den britischen Fabrikdistricten es hochwichtig erschei-
nen lasse, auch die mindeste Friedensstörung zu verhindern.

Die heute aus den Fabrikbezirken des Nordens eingegangenen
Nachrichten lauten im Vergleiche zu denen, die noch vor wenigen
Tagen von dorther eintrafen, durchweg befriedigend. Jn York-
shire und Lancashire geben sich seit dem Anfange der Woche auf
den Märkten wesentliche Anzeichen des Besserwerdens kund, was
großentheils den herrlichen Ernteaussichten und dem Wiederein-
treffen einiger Bestellungen vom Festlande zuzuschreiben ist.

Die Dubliner Clubs haben auf S. O'Brien's Antrag eine
gemeinsame Erklärung erlassen, worin sie läugnen, daß ihr Zweck
auf Plünderung und Mord, auf Umsturz der Religion und socia-
len Ordnung gerichtet sey; sie räumen bloß die Absicht ein, die
Gewalt der britischen Legislatur
in Jrland umzu-
stürzen.
Am 18. Nachmittags waren 100 Dubliner Constabler
nach Waterford abgegangen. — Aus Cork wird berichtet, daß
dort am 18. die Herren Varian, Bourke und J. O'Brien, als
des Aufruhrs angeklagt, verhaftet wurden und daß die größte Auf-
regung herrschte.

Donaufürstenthümer.

Der Wiener Ztg. wird von der wallachischen Gränze vom
12. Juli geschrieben: „Nach Eingang der Nachrichten von dem Ein-
marsche der russischen Truppen in der Moldau entschloß sich die
provisorische Regierung in Bukarest zum Protest gegen eine rus-
sische Jntervention, und endlich zu offenem Widerstand. Allein
der russische Consul Kotzebue sandte von Foksany aus den Protest
nach Bukarest zurück, und stellte an die provisorische Regierung
ein Ultimatum, worin die Wiedereinsetzung des Fürsten Bibesko
ausdrücklich bedungen, und im Weigerungsfalle der Einmarsch
der russischen Armee unwiderruflich angekündigt wurde. Die
provisorische Regierung entschloß sich zum Widerstand und sandte
Emissärs in die Provinzen, um das Volk gegen die Russen auf-
zuwiegeln. Allein die Bauern nahmen die Emissärs gefangen,
und mehrere wurden sogar erschlagen. Nach Eingang dieser
Nachricht bemächtigte sich in Bukarest unter den Mitgliedern ein
panischer Schrecken, und der größte Theil der Bojaren floh nach
allen Seiten. Es herrschte am 10. in Bukarest Ruhe, und die
Mehrzahl der Bevölkerung wird, sowie die Landbewohner, die
Russen mit offenen Armen aufnehmen. Die Bauern in der Wal-
lachei halten die Russen, deren Politik stets die Bauern gegen
den räuberischen Adel schützte, für ihre Befreier. Dieß ist der
Schlüssel zu dem jetzigen Zustand der Dinge in den Donaufür-
stenthümern. Aus Jassy eilte ein Courier nach Kronstadt, um
dem Fürsten Bibesko den Einmarsch der Russen zu melden. Ge-
neral Dumahel kündigte sich als Consul und General=Jntendant
an. Die Russen haben in Jassy ein Lager vor der Stadt bezo-
gen, weil die Cholera im Jnnern wüthet. 100,000 Maun rus-
sischer Truppen setzten sich über Focsany in Bewegung, und rück-
ten gegen Bukarest vor. Sie werden vor dem 15., 16. nicht in
Bukarest eintreffen. An Widerstand ist unter solchen Umständen
nicht zu denken.

[Ende Spaltensatz]

Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg.
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[0006] sächlich um die Frage, ob Gesellen als Vertreter in der Versamm- lung erscheinen könnten. Diese Frage ist abschlägig erledigt wor- den, dagegen ward bestimmt, daß die Gesellen allerdings das Recht haben sollten, sich vertreten zu lassen und zwar durch Mei- ster. Dieser vermittelnde Ausweg wird hoffentlich die Betheiligten zufrieden stellen, um so mehr, da der Congreß eigentlich aus den alten Gesellen besteht. Die Sitzung war übrigens heute sehr stür- misch. Mehrere Deputirte von Gesellenbrüderschaften sehen sich in Folge dieses Beschlusses genöthigt, wieder abzureisen. Frankfurt 19. Juli. ( Schw. M. ) Die drei letzten Sitzungen der Nationalversammlung seit der Berathung über die Rüstungen boten wenig Jnseresse dar; die wichtigste Folge, die sie haben werden, mag die seyn, daß sie die Nothwendigkeit einer solchen Berathung der Grundrechte ein Ende zu machen, vollends zur Klarheit erhoben, daß das Gefühl, so könne und dürfe es nicht fortgehen, ein ganz allgemeines geworden ist, und wo nicht die durchgreifendsten Maßregeln, doch wenigstens wesentliche Abkürzungen von jetzt an zu erwarten stehen. Ein Vertrauen darauf, daß die Mitglieder durch bloße Selbstbeschränkung und Enthaltsamkeit das richtige Maß finden werden, kann man wohl nicht fassen; dazu ist die Redseligkeit, das Antrag- stellfieber, das Bedürfniß, eine absonderliche Meinung über Alles zu haben und sie auch geltend zu machen, die Eitelkeit und der Ehrgeiz viel zu groß. Es müssen bestimmte Beschränkungen ein- treten und überdieß ist die Versammlung genöthigt, ihr Urtheil über solche, die unbefugt und unberufen reden, auf eine noch un- gestümere Weise geltend zu machen, als es bisher schon geschehen ist. Wichtiger, als was innerhalb der Paulskirche vorgeht, ist gegenwärtig, was sich außerhalb derselben vorzubereiten scheint, und dann auch gewiß drinnen seine starke Rückwirkung üben würde. Nach allen Nachrichten, welche den Abgeordneten aus den altpreußischen Provinzen zukommen, ist dort seit einigen Wochen eine der Revolution und der Nationalsache in ih- rer bisherigen Entwickelung feindliche und gefährliche Stimmung eingetreten, von welcher in kurzer Zeit eine Aeußerung zu erwarten steht. Man befürchtet einen Versuch zu einem reactionären Schlag in Berlin, in welchem diesmal, da die Bürgerwehr auf Seite der Soldaten stehe oder wenigstens neutral bleiben würde, die Armee siegen werde. So sagt man sich hier; es sind freilich blos Ge- rüchte und hoffentlich in solcher Ausdehnung ungegründet, aber sie haben einige innere Wahrscheinlichkeit für sich. Es stellt sich eben heraus, was freilich in Süddeutschland Niemand gelten las- sen will, daß sich bei der Gestaltung der deutschen Einheit die starken, auf einem geschichtlichen Nationalgefühl ihrer Völker be- ruhenden Staaten nicht ignoriren und noch weniger verletzen oder über den Haufen werfen lassen. Auch von Oesterreich, so sehr dort Alles durch die Wahl des Reichsverwesers gewon- nen ist, erfährt man, daß die deutsche Jdee doch dem Volk zu neu und fremd ist, als daß sie schon tiefe Wurzeln geschlagen hätte. Zu alle dem kommen nun die auswärtigen Verhältnisse, die Entscheidung über die Posener Sache, bei welcher nach einem ( schwerlich begründeten ) Gerüchte Frankreich eine Note gegen die Demarkationslinie eingereicht haben soll, die gestrige Entscheidung über Limburg, welche mit Holland nothwendig zu ernstlichen Collissionen führen muß und vielleicht auch nicht ohne Einmischung der europäischen Mächte erledigt wird, die durch die Gegenrüstungen zweifelhaft gewordene Stellung zu Frankreich. Durch alles das ist die Stimmung des Augenblicks schwül und gedrückt, wie am Vorabend einer Krisis. Es gibt nur Einen leuchtenden Punkt unter allen diesen trüben und verworrenen Aussichten in die Zukunft; es ist die nicht erst zu schaffende, sondern schon vorhandene Einheit Deutschlands in der Nationalversammlung und Centralgewalt. Auch dies Eine wird verkümmert und von denen, die Freunde der Freiheit und Einheit seyn wollen, verdächtigt; viele süddeutschen Blätter schmähen die Versammlung und den Reichsverweser auf jede Weise oder entziehen ihr wenigstens den Boden, den sie im Volke hatte; im Norden hat sie mit den entgegengesetzten Gegnern zu kämpfen; jenen thut sie zu viel, wie diesen zu wenig, und keiner von beiden Theilen ist so billig, sich auch um den andern zu küm- mern. Es thut wahrlich Noth, daß Jeder, der es mit der deut- schen Sache gut meint, das Einzige, was uns zusammenhalten kann, die Nationalversammlung und Centralgewalt im Volk nach Kräften aufrecht halte. Jeder Angriff auf die Versamm- lung der deutschen Nation dient der Reaction und nur ihr. Lübeck 19. Juli. ( B. H. ) Nach einem hier heute eingetrof- fenen Briefe vom General Wrangel vom 16. Juli wäre doch der Waffenstillstand in naher Aussicht, da derselbe auf den bevorste- henden Abschluß hinweisend, Vorbereitungen getroffen zu sehen wünscht, daß das Lübeck=Bremer Bataillon hier einquartirt wer- den könne. Großbritannien. London 20. Juli. Die Minister hielten gestern Nachmittags einen dreistündigen Cabinetsrath, worin angeblich die Zustände Jrlands und die weiter dort zu ergreifenden Maßregeln zur Er- örterung kamen. Bei Eröffnung der Börse neigten heute die Fonds abermals zum Weichen, was man hauptsächlich den irischen Wir- ren zuschreibt. Die „Times“ pflichtet den vom Lordstatthalter er- griffenen Maßregeln, als durch die Sachlage dringend geboten, vollkommen bei. Bisher habe er, wiewohl mehrmals aufgefor- dert, den offen ausgesprochenen Umsturzplänen eines S. O'Brien, Meagher und Consorten durch eine außerordentliche Maßregel entgegenzutreten, dies abgelehnt, weil er in dem Bewußtseyn, von Allem, was vorgehe, genau unterrichtet und dadurch vor einer Ueber- raschung gesichert zu seyn, einen solchen Schritt einstweilen für unnö- thig hielt. Auch sey wirklich, so lange sich die Entwürfe der Anarchi- sten blos auf Clubs und Zeitungen beschränkten, eine außerordentliche Maßregel nicht gerade dringend gewesen. Anders aber stehe die Sache jetzt, wo thätige Anstalten zur baldigsten Ausführung jener Umsturzpläne getroffen würden und die Rädelsführer angeblich nur noch zweifelhaft seyen, ob sie die bevorstehende Aburtheilung Dyffy's durch sofortigen Losbruch verhindern oder ihre Verur- theilung abwarten und dann ihre Befreiung zum Vorwande des Losschlagens nehmen sollten. Jetzt habe der Lordstatthalter nicht länger zögern dürfen und er beabsichtige nun, so weit das Gesetz es verstatte, die Anfertigung und den Verkauf von Waffen zu gesetzwidrigen Zwecken zu verhindern, die Einfuhr von Waffen und Munition zu verbieten und denen die Waffen wegzunehmen, welche sie zu schlimmen Zwecken mißbrauchen könnten. Sollten übrigens die Vollmachten des Lordstatthalters dazu nicht aus- reichen, so werde das Parlament gewiß bereit seyn, die weiter nöthigen Vollmachten zu bewilligen, da die Rücksicht auf den Nothstand in den britischen Fabrikdistricten es hochwichtig erschei- nen lasse, auch die mindeste Friedensstörung zu verhindern. Die heute aus den Fabrikbezirken des Nordens eingegangenen Nachrichten lauten im Vergleiche zu denen, die noch vor wenigen Tagen von dorther eintrafen, durchweg befriedigend. Jn York- shire und Lancashire geben sich seit dem Anfange der Woche auf den Märkten wesentliche Anzeichen des Besserwerdens kund, was großentheils den herrlichen Ernteaussichten und dem Wiederein- treffen einiger Bestellungen vom Festlande zuzuschreiben ist. Die Dubliner Clubs haben auf S. O'Brien's Antrag eine gemeinsame Erklärung erlassen, worin sie läugnen, daß ihr Zweck auf Plünderung und Mord, auf Umsturz der Religion und socia- len Ordnung gerichtet sey; sie räumen bloß die Absicht ein, die Gewalt der britischen Legislatur in Jrland umzu- stürzen. Am 18. Nachmittags waren 100 Dubliner Constabler nach Waterford abgegangen. — Aus Cork wird berichtet, daß dort am 18. die Herren Varian, Bourke und J. O'Brien, als des Aufruhrs angeklagt, verhaftet wurden und daß die größte Auf- regung herrschte. Donaufürstenthümer. Der Wiener Ztg. wird von der wallachischen Gränze vom 12. Juli geschrieben: „Nach Eingang der Nachrichten von dem Ein- marsche der russischen Truppen in der Moldau entschloß sich die provisorische Regierung in Bukarest zum Protest gegen eine rus- sische Jntervention, und endlich zu offenem Widerstand. Allein der russische Consul Kotzebue sandte von Foksany aus den Protest nach Bukarest zurück, und stellte an die provisorische Regierung ein Ultimatum, worin die Wiedereinsetzung des Fürsten Bibesko ausdrücklich bedungen, und im Weigerungsfalle der Einmarsch der russischen Armee unwiderruflich angekündigt wurde. Die provisorische Regierung entschloß sich zum Widerstand und sandte Emissärs in die Provinzen, um das Volk gegen die Russen auf- zuwiegeln. Allein die Bauern nahmen die Emissärs gefangen, und mehrere wurden sogar erschlagen. Nach Eingang dieser Nachricht bemächtigte sich in Bukarest unter den Mitgliedern ein panischer Schrecken, und der größte Theil der Bojaren floh nach allen Seiten. Es herrschte am 10. in Bukarest Ruhe, und die Mehrzahl der Bevölkerung wird, sowie die Landbewohner, die Russen mit offenen Armen aufnehmen. Die Bauern in der Wal- lachei halten die Russen, deren Politik stets die Bauern gegen den räuberischen Adel schützte, für ihre Befreier. Dieß ist der Schlüssel zu dem jetzigen Zustand der Dinge in den Donaufür- stenthümern. Aus Jassy eilte ein Courier nach Kronstadt, um dem Fürsten Bibesko den Einmarsch der Russen zu melden. Ge- neral Dumahel kündigte sich als Consul und General=Jntendant an. Die Russen haben in Jassy ein Lager vor der Stadt bezo- gen, weil die Cholera im Jnnern wüthet. 100,000 Maun rus- sischer Truppen setzten sich über Focsany in Bewegung, und rück- ten gegen Bukarest vor. Sie werden vor dem 15., 16. nicht in Bukarest eintreffen. An Widerstand ist unter solchen Umständen nicht zu denken. Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg.

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Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 39. Mainz, 24. Juli 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal039_1848/6>, abgerufen am 23.11.2024.