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Mainzer Journal. Nr. 29. Mainz, 14. Juli 1848.

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Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 29. Freitag, den 14. Juli. 1848.

[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.

Wien 8. Juli. Abends. ( N. C. ) Das Ministerium hat
abgedankt
1), oder besser gesagt: es wurde gestürzt durch Ein-
schreiten des Sicherheitsausschusses, der um halb 2 Uhr, kurz vor
dem Schlusse der Sitzung noch eine Deputation von 12 Mitglie-
dern, worunter das Comit e, zum Erzherzog Johann schickte: es
möge Pillersdorff veranlaßt werden, abzutreten; und so geschah
es. Baron Dobblhoff wurde vom Erzherzog Johann mit der
Bildung eines neuen Ministeriums bis sechs Uhr Abends beauf-
tragt, und falls er sich dieser Mission in so kurzer Frist nicht
entledigen könne, ihm Vollmacht ertheilt, dasselbe auch in
Abwesenheit des kaiserlichen Stellvertreters zusammmenzusetzen.
Für den Moment ist nachstehende Combination im Gange: Dobbl-
hoff, Präsident; Dr. Aler. Bach, Justiz; Professor Fuster, Cul-
tus; F. M. L. Gordon, Krieg; Pillersdorff, Finanzen; Wessen-
berg, Aeußeres; Stametz=Mayer, Handel. Der Sicherheitsaus-
schuß frohlockt über den Sturz Pillersdorff's. Jch und eine große
Anzahl Gutunterrichteter mit mir theilten diesen Jubel nicht, weil
sich für den ruhigen Beobachter der Thatbestand aus vielen Ein-
zelheiten herausstellt: Pillersdorff wollte und wünschte diesen so-
genanten Sturz. Selbst zurücktreten durfte und konnte er nicht,
weil seit den Maiereignissen sein Ministerium, wie man weiß, nur
ein provisorisches war und er sich [unleserliches Material - 11 Zeichen fehlen]verpfichtet hatte, bis nach Er-
öffnung des Reichstags auf seinem Posten zu bleiben; Dieß vergaß
der Ausschuß in seinem Feuereifer und seiner Entrüstung über die
jüngst erhaltene Zurechtweisung und kam so unbewußt den heißen
Wünschen Pillersdorff's entgegen, die darin bestehen: bei der
Eröffnung des Reichstags nicht auf der Ministerbank, sondern
einfach als Deputirter gegenwärtig zu seyn. Er hat sein Ziel er-
reicht und sich dadurch für künftige Zeiten wieder möglich gemacht.
Jch zweifle sehr, daß er sich zur Uebernahme des Portefeuille's
der Finanzen verstehen wird. Auch den Grafen Stadion hat
sich der Ausschuß höchlich, als das Vertrauen der Massen ent-
behrend, verbeten; man ersieht daraus: der Ausschuß fürch-
tet einen starken, entschiedenen Staatsmann.
Das
im Werden begriffene Ministerium kann nicht von Dauer seyn,
weil es ein Protektionskind des Sicherheitsausschusses ist, der
doch mit Nächstem seyn Ansehen verlieren wird und muß, da
er auf dem besten Wege ist, die Bedeutung des Reichstags
durch seine Fortdauer während desselben gewissermaßen zu
paralysiren. Löst sich der Ausschuß nicht bald selbst auf,
so wird eine Zeit kommen, wo man ihn dazu bestimmt; so
lange er existirt, ist ein starkes Ministerium, und ein
solches brauchen wir, platterdings nicht denkbar. Die
allgemeine Stimmung ist gegen die Auflösung und für die Fort-
dauer seiner Wirksamkeit; dem denkenden Theile jedoch leuchtet
ein: daß der Ausschuß während des Reichstages nur als Aus-
schuß der Bürger, Nationalgarde und Studenten für Ordnung,
Ruhe und Sicherheit wirken kann, den zweiten wichtigeren Theil
seines Titels, "die Wahrung der Volksrechte," muß er auf-
geben, denn diese Wahrung ist ja ein unveräußerliches Recht der
Reichsversammlung, das sie mit keiner andern Corporation thei-
len darf.

Nach einem Berichte der "Allgemeinen Zeitung" vom 9. hat
Herr von Dobblhoff kein Ministerium beisammen und vom
Erzherzog Johann auch nicht einmal die Vollmacht er-
halten ein solches zu bilden!
Factisch besteht also in
Wien gar keine Regierung. Die Verwirrung wird darum nicht
größer werden als sie seither schon war!

Regensburg 11. Juli. ( K. Z. ) Jn Folge mehrmaliger thät-
licher Reibereien kam es gestern Abends zwischen Soldaten des
8. Regiments aus Passau und des 3. Bataillons des 4. Regi-
ments der hiesigen Garnison in einem Brauhause zu Stadtamhof
zu einem erbitterten Wirthshausexceß und später gegen die Nacht
zu einem bedauerlichen Ereigniß mit blutigen Folgen. Die un-
tern Schichten der Bevölkerung nahmen gegen die Passauer
Soldaten Partei und griffen das hiesige Rathhaus, in welchem
ein Theil des Passauer Regiments einquartirt ist, unter Geschrei
und Toben mit einem Steinbombardement an, und alle Be-

[Spaltenumbruch] ruhigungsversuche waren vergeblich, so daß eine Patrouille, mit
Geschrei und Steinwürfen attaquirt, sich benöthigt glaubte, von
der Feuerwaffe Gebrauch zu machen. Zwei Menschen verloren hiebei
das Leben, und man spricht von 7 Verwundeten. Gleich nach dem
Feuern stoben die Tumultuanten mit einer Masse von neugie-
rigen Zuschauern, auch Frauen und Kinder darunter, auseinan-
der, und der Platz wurde frei. Vorher schon war Generalmarsch
geschlagen worden, die Landwehr und die Stadtwehr entsendeten
von ihren Sammelplätzen starke Partrouillen durch alle Gassen,
und nach Mitternacht schon war die Stadt wieder vollkommen
ruhig. Zertrümmerte Fenster und einzelne Kugelmale an den
Häusern sind die äußeren Spuren des gestrigen nächtlichen Vor-
falls, der, was wir hiermit ausdrücklich bemerken, weder einen
politischen, noch einen socialen Charakter trug. [ Was hat er
denn für einen Charakter gehabt? Am Schlimmsten scheint es
uns, wenn solche Vorfälle keinen andern Charakter haben als
den der Rohheit und sittlichen Versunkenheit. ]

Aschaffenburg 10. Juli. ( N. C. ) Nach heute eingetroffnem
Befehl marschirt das dritte Bataillon des 14. Jnfanterieregiments,
welches hier gebildet wurde, morgen früh um 6 Uhr über Die-
burg, Darmstadt u. s. w. nach Landau ab, wo es am 13. einzu-
treffen hat.

Stuttgart 12. Juli. ( Schw. M. ) Bei unserm Fußvolk ha-
ben gestern weitere Beurlaubungen stattgefunden, wie wir hören,
20 Mann auf die Compagnie. Bei den beiden Regimentern in
Ulm wurden 18 Mann bei der Compagnie beurlaubt. )

Ulm 10. Juli. ( U. Kr. ) Nach einer Beschlußnahme des Ver-
waltungsrathes besteht die Uniformirung der hiesigen Bürger-
wehr
in einem russischgrünen Oberrock, hellgrauen Veinkleidern
und schwarzem Schlapphut. ( Zu theuer! )

Vom Bodensee 9. Juli. ( Karlsr. Z. ) Obgleich die Freischär-
ler jenseits des Rheines und ihre guten Freunde auf unserem Bo-
den sich das Ansehen geben, als fänden sie die Wahl des Reichs-
verwesers nur lächerlich, so ist ihnen doch ein arger Strich durch
die Rechnung gemacht worden; denn sie hatten sich der süßen
Hoffnung hingegeben, die Reichsversammlung werde zu keiner
großen praktischen Maßregel kommen, sondern so lange
doctriniren, zanken und Spinngewebe zwirnen, bis alle Geduld
und aller Glauben des Volkes dahin gefahren wäre. Dann wäre
er erschienen, der Blusenheiland von Muttenz mit seinen Jüngern,
und hätte dem treuen Peter die Gewalt übergeben, bei uns zu
binden und zu lösen, ohne einen Aprilabstecher in die Schweiz
machen zu müssen. Wie viele Statthalterstellen wären da nicht
vacant, -- wie viele Feldhauptmänner und Obersten wären zu
ernennen, -- und wer erst das Glück hätte, seine frische Kraft
an der Verwaltung einer Kreiskasse zum allgemeinen Wohle, zu
dem ja das eigene auch gehört, üben zu dürfen! Und nun er-
mannt sich der Reichstag und schafft eine Centralgewalt, die
das Banner der wahren Freiheit trägt, um das sich alle Gut-
gesinnten schaaren; eine neue, frische Macht, an welcher der
Schwall der Empörung in Schaum und Gischt zerschellen muß.
Sehr ungelegen kommt den Herren auch die französische Revolu-
tion; der Eindruck dieser entsetzlichen Begebenheit auf die Volks-
masse ist der Art, daß sie noch nicht recht wissen, was sie mit ihr
anfangen sollen; da aber der wackere Flocon sie den Engländern
und Russen aufpackt, so wird es gar nicht lange mehr anstehen,
so werden Hecker und Consorten die Entdeckung machen, daß die
deutschen Fürsten die Revolution in Paris angestiftet haben. Mag
aber die Lüge sich so breit machen, als sie nur kann und die Dumm-
heit ihr willfährig die Schleppe nachtragen, es graut dem Volke
doch vor den finstern Mächten, die nun einmal eine Probe abge-
legt haben, wohin ihr Wollen und Wünschen steht, und vor derlei
Versuchen will man sich verwahren. Ein Bauer, der die Vor-
gänge in Paris recht eifrig gelesen und erwogen hatte, sagte, als
er das Blatt bei Seite legte: "Jst mir doch gerade so, als hätte
ich einen Blick in die Hölle hineingethan!
"

== Mainz 14. Juli. Heute Morgen wurde Joseph Ga-
lette
sen., Zahnarzt in Mainz, beschuldigt der Aufforderung
zum Ungehorsam gegen die Obrigkeit, nachdem er zwei Erschei-
nungsbefehle unbeachtet ließ, auf einen vom Untersuchungsrichter
[Ende Spaltensatz]

1) Wie wir gestern Morgen schon gemeldet.
1 ) Wie wir gestern Morgen schon gemeldet.
Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 29. Freitag, den 14. Juli. 1848.

[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.

Wien 8. Juli. Abends. ( N. C. ) Das Ministerium hat
abgedankt
1), oder besser gesagt: es wurde gestürzt durch Ein-
schreiten des Sicherheitsausschusses, der um halb 2 Uhr, kurz vor
dem Schlusse der Sitzung noch eine Deputation von 12 Mitglie-
dern, worunter das Comit é, zum Erzherzog Johann schickte: es
möge Pillersdorff veranlaßt werden, abzutreten; und so geschah
es. Baron Dobblhoff wurde vom Erzherzog Johann mit der
Bildung eines neuen Ministeriums bis sechs Uhr Abends beauf-
tragt, und falls er sich dieser Mission in so kurzer Frist nicht
entledigen könne, ihm Vollmacht ertheilt, dasselbe auch in
Abwesenheit des kaiserlichen Stellvertreters zusammmenzusetzen.
Für den Moment ist nachstehende Combination im Gange: Dobbl-
hoff, Präsident; Dr. Aler. Bach, Justiz; Professor Fuster, Cul-
tus; F. M. L. Gordon, Krieg; Pillersdorff, Finanzen; Wessen-
berg, Aeußeres; Stametz=Mayer, Handel. Der Sicherheitsaus-
schuß frohlockt über den Sturz Pillersdorff's. Jch und eine große
Anzahl Gutunterrichteter mit mir theilten diesen Jubel nicht, weil
sich für den ruhigen Beobachter der Thatbestand aus vielen Ein-
zelheiten herausstellt: Pillersdorff wollte und wünschte diesen so-
genanten Sturz. Selbst zurücktreten durfte und konnte er nicht,
weil seit den Maiereignissen sein Ministerium, wie man weiß, nur
ein provisorisches war und er sich [unleserliches Material – 11 Zeichen fehlen]verpfichtet hatte, bis nach Er-
öffnung des Reichstags auf seinem Posten zu bleiben; Dieß vergaß
der Ausschuß in seinem Feuereifer und seiner Entrüstung über die
jüngst erhaltene Zurechtweisung und kam so unbewußt den heißen
Wünschen Pillersdorff's entgegen, die darin bestehen: bei der
Eröffnung des Reichstags nicht auf der Ministerbank, sondern
einfach als Deputirter gegenwärtig zu seyn. Er hat sein Ziel er-
reicht und sich dadurch für künftige Zeiten wieder möglich gemacht.
Jch zweifle sehr, daß er sich zur Uebernahme des Portefeuille's
der Finanzen verstehen wird. Auch den Grafen Stadion hat
sich der Ausschuß höchlich, als das Vertrauen der Massen ent-
behrend, verbeten; man ersieht daraus: der Ausschuß fürch-
tet einen starken, entschiedenen Staatsmann.
Das
im Werden begriffene Ministerium kann nicht von Dauer seyn,
weil es ein Protektionskind des Sicherheitsausschusses ist, der
doch mit Nächstem seyn Ansehen verlieren wird und muß, da
er auf dem besten Wege ist, die Bedeutung des Reichstags
durch seine Fortdauer während desselben gewissermaßen zu
paralysiren. Löst sich der Ausschuß nicht bald selbst auf,
so wird eine Zeit kommen, wo man ihn dazu bestimmt; so
lange er existirt, ist ein starkes Ministerium, und ein
solches brauchen wir, platterdings nicht denkbar. Die
allgemeine Stimmung ist gegen die Auflösung und für die Fort-
dauer seiner Wirksamkeit; dem denkenden Theile jedoch leuchtet
ein: daß der Ausschuß während des Reichstages nur als Aus-
schuß der Bürger, Nationalgarde und Studenten für Ordnung,
Ruhe und Sicherheit wirken kann, den zweiten wichtigeren Theil
seines Titels, „die Wahrung der Volksrechte,“ muß er auf-
geben, denn diese Wahrung ist ja ein unveräußerliches Recht der
Reichsversammlung, das sie mit keiner andern Corporation thei-
len darf.

Nach einem Berichte der „Allgemeinen Zeitung“ vom 9. hat
Herr von Dobblhoff kein Ministerium beisammen und vom
Erzherzog Johann auch nicht einmal die Vollmacht er-
halten ein solches zu bilden!
Factisch besteht also in
Wien gar keine Regierung. Die Verwirrung wird darum nicht
größer werden als sie seither schon war!

Regensburg 11. Juli. ( K. Z. ) Jn Folge mehrmaliger thät-
licher Reibereien kam es gestern Abends zwischen Soldaten des
8. Regiments aus Passau und des 3. Bataillons des 4. Regi-
ments der hiesigen Garnison in einem Brauhause zu Stadtamhof
zu einem erbitterten Wirthshausexceß und später gegen die Nacht
zu einem bedauerlichen Ereigniß mit blutigen Folgen. Die un-
tern Schichten der Bevölkerung nahmen gegen die Passauer
Soldaten Partei und griffen das hiesige Rathhaus, in welchem
ein Theil des Passauer Regiments einquartirt ist, unter Geschrei
und Toben mit einem Steinbombardement an, und alle Be-

[Spaltenumbruch] ruhigungsversuche waren vergeblich, so daß eine Patrouille, mit
Geschrei und Steinwürfen attaquirt, sich benöthigt glaubte, von
der Feuerwaffe Gebrauch zu machen. Zwei Menschen verloren hiebei
das Leben, und man spricht von 7 Verwundeten. Gleich nach dem
Feuern stoben die Tumultuanten mit einer Masse von neugie-
rigen Zuschauern, auch Frauen und Kinder darunter, auseinan-
der, und der Platz wurde frei. Vorher schon war Generalmarsch
geschlagen worden, die Landwehr und die Stadtwehr entsendeten
von ihren Sammelplätzen starke Partrouillen durch alle Gassen,
und nach Mitternacht schon war die Stadt wieder vollkommen
ruhig. Zertrümmerte Fenster und einzelne Kugelmale an den
Häusern sind die äußeren Spuren des gestrigen nächtlichen Vor-
falls, der, was wir hiermit ausdrücklich bemerken, weder einen
politischen, noch einen socialen Charakter trug. [ Was hat er
denn für einen Charakter gehabt? Am Schlimmsten scheint es
uns, wenn solche Vorfälle keinen andern Charakter haben als
den der Rohheit und sittlichen Versunkenheit. ]

Aschaffenburg 10. Juli. ( N. C. ) Nach heute eingetroffnem
Befehl marschirt das dritte Bataillon des 14. Jnfanterieregiments,
welches hier gebildet wurde, morgen früh um 6 Uhr über Die-
burg, Darmstadt u. s. w. nach Landau ab, wo es am 13. einzu-
treffen hat.

Stuttgart 12. Juli. ( Schw. M. ) Bei unserm Fußvolk ha-
ben gestern weitere Beurlaubungen stattgefunden, wie wir hören,
20 Mann auf die Compagnie. Bei den beiden Regimentern in
Ulm wurden 18 Mann bei der Compagnie beurlaubt. )

Ulm 10. Juli. ( U. Kr. ) Nach einer Beschlußnahme des Ver-
waltungsrathes besteht die Uniformirung der hiesigen Bürger-
wehr
in einem russischgrünen Oberrock, hellgrauen Veinkleidern
und schwarzem Schlapphut. ( Zu theuer! )

Vom Bodensee 9. Juli. ( Karlsr. Z. ) Obgleich die Freischär-
ler jenseits des Rheines und ihre guten Freunde auf unserem Bo-
den sich das Ansehen geben, als fänden sie die Wahl des Reichs-
verwesers nur lächerlich, so ist ihnen doch ein arger Strich durch
die Rechnung gemacht worden; denn sie hatten sich der süßen
Hoffnung hingegeben, die Reichsversammlung werde zu keiner
großen praktischen Maßregel kommen, sondern so lange
doctriniren, zanken und Spinngewebe zwirnen, bis alle Geduld
und aller Glauben des Volkes dahin gefahren wäre. Dann wäre
er erschienen, der Blusenheiland von Muttenz mit seinen Jüngern,
und hätte dem treuen Peter die Gewalt übergeben, bei uns zu
binden und zu lösen, ohne einen Aprilabstecher in die Schweiz
machen zu müssen. Wie viele Statthalterstellen wären da nicht
vacant, — wie viele Feldhauptmänner und Obersten wären zu
ernennen, — und wer erst das Glück hätte, seine frische Kraft
an der Verwaltung einer Kreiskasse zum allgemeinen Wohle, zu
dem ja das eigene auch gehört, üben zu dürfen! Und nun er-
mannt sich der Reichstag und schafft eine Centralgewalt, die
das Banner der wahren Freiheit trägt, um das sich alle Gut-
gesinnten schaaren; eine neue, frische Macht, an welcher der
Schwall der Empörung in Schaum und Gischt zerschellen muß.
Sehr ungelegen kommt den Herren auch die französische Revolu-
tion; der Eindruck dieser entsetzlichen Begebenheit auf die Volks-
masse ist der Art, daß sie noch nicht recht wissen, was sie mit ihr
anfangen sollen; da aber der wackere Flocon sie den Engländern
und Russen aufpackt, so wird es gar nicht lange mehr anstehen,
so werden Hecker und Consorten die Entdeckung machen, daß die
deutschen Fürsten die Revolution in Paris angestiftet haben. Mag
aber die Lüge sich so breit machen, als sie nur kann und die Dumm-
heit ihr willfährig die Schleppe nachtragen, es graut dem Volke
doch vor den finstern Mächten, die nun einmal eine Probe abge-
legt haben, wohin ihr Wollen und Wünschen steht, und vor derlei
Versuchen will man sich verwahren. Ein Bauer, der die Vor-
gänge in Paris recht eifrig gelesen und erwogen hatte, sagte, als
er das Blatt bei Seite legte: „Jst mir doch gerade so, als hätte
ich einen Blick in die Hölle hineingethan!

== Mainz 14. Juli. Heute Morgen wurde Joseph Ga-
lette
sen., Zahnarzt in Mainz, beschuldigt der Aufforderung
zum Ungehorsam gegen die Obrigkeit, nachdem er zwei Erschei-
nungsbefehle unbeachtet ließ, auf einen vom Untersuchungsrichter
[Ende Spaltensatz]

1) Wie wir gestern Morgen schon gemeldet.
1 ) Wie wir gestern Morgen schon gemeldet.
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[0005] Beilage zum Mainzer Journal. Nro 29. Freitag, den 14. Juli. 1848. Deutschland. Wien 8. Juli. Abends. ( N. C. ) Das Ministerium hat abgedankt 1), oder besser gesagt: es wurde gestürzt durch Ein- schreiten des Sicherheitsausschusses, der um halb 2 Uhr, kurz vor dem Schlusse der Sitzung noch eine Deputation von 12 Mitglie- dern, worunter das Comit é, zum Erzherzog Johann schickte: es möge Pillersdorff veranlaßt werden, abzutreten; und so geschah es. Baron Dobblhoff wurde vom Erzherzog Johann mit der Bildung eines neuen Ministeriums bis sechs Uhr Abends beauf- tragt, und falls er sich dieser Mission in so kurzer Frist nicht entledigen könne, ihm Vollmacht ertheilt, dasselbe auch in Abwesenheit des kaiserlichen Stellvertreters zusammmenzusetzen. Für den Moment ist nachstehende Combination im Gange: Dobbl- hoff, Präsident; Dr. Aler. Bach, Justiz; Professor Fuster, Cul- tus; F. M. L. Gordon, Krieg; Pillersdorff, Finanzen; Wessen- berg, Aeußeres; Stametz=Mayer, Handel. Der Sicherheitsaus- schuß frohlockt über den Sturz Pillersdorff's. Jch und eine große Anzahl Gutunterrichteter mit mir theilten diesen Jubel nicht, weil sich für den ruhigen Beobachter der Thatbestand aus vielen Ein- zelheiten herausstellt: Pillersdorff wollte und wünschte diesen so- genanten Sturz. Selbst zurücktreten durfte und konnte er nicht, weil seit den Maiereignissen sein Ministerium, wie man weiß, nur ein provisorisches war und er sich ___________verpfichtet hatte, bis nach Er- öffnung des Reichstags auf seinem Posten zu bleiben; Dieß vergaß der Ausschuß in seinem Feuereifer und seiner Entrüstung über die jüngst erhaltene Zurechtweisung und kam so unbewußt den heißen Wünschen Pillersdorff's entgegen, die darin bestehen: bei der Eröffnung des Reichstags nicht auf der Ministerbank, sondern einfach als Deputirter gegenwärtig zu seyn. Er hat sein Ziel er- reicht und sich dadurch für künftige Zeiten wieder möglich gemacht. Jch zweifle sehr, daß er sich zur Uebernahme des Portefeuille's der Finanzen verstehen wird. Auch den Grafen Stadion hat sich der Ausschuß höchlich, als das Vertrauen der Massen ent- behrend, verbeten; man ersieht daraus: der Ausschuß fürch- tet einen starken, entschiedenen Staatsmann. Das im Werden begriffene Ministerium kann nicht von Dauer seyn, weil es ein Protektionskind des Sicherheitsausschusses ist, der doch mit Nächstem seyn Ansehen verlieren wird und muß, da er auf dem besten Wege ist, die Bedeutung des Reichstags durch seine Fortdauer während desselben gewissermaßen zu paralysiren. Löst sich der Ausschuß nicht bald selbst auf, so wird eine Zeit kommen, wo man ihn dazu bestimmt; so lange er existirt, ist ein starkes Ministerium, und ein solches brauchen wir, platterdings nicht denkbar. Die allgemeine Stimmung ist gegen die Auflösung und für die Fort- dauer seiner Wirksamkeit; dem denkenden Theile jedoch leuchtet ein: daß der Ausschuß während des Reichstages nur als Aus- schuß der Bürger, Nationalgarde und Studenten für Ordnung, Ruhe und Sicherheit wirken kann, den zweiten wichtigeren Theil seines Titels, „die Wahrung der Volksrechte,“ muß er auf- geben, denn diese Wahrung ist ja ein unveräußerliches Recht der Reichsversammlung, das sie mit keiner andern Corporation thei- len darf. Nach einem Berichte der „Allgemeinen Zeitung“ vom 9. hat Herr von Dobblhoff kein Ministerium beisammen und vom Erzherzog Johann auch nicht einmal die Vollmacht er- halten ein solches zu bilden! Factisch besteht also in Wien gar keine Regierung. Die Verwirrung wird darum nicht größer werden als sie seither schon war! Regensburg 11. Juli. ( K. Z. ) Jn Folge mehrmaliger thät- licher Reibereien kam es gestern Abends zwischen Soldaten des 8. Regiments aus Passau und des 3. Bataillons des 4. Regi- ments der hiesigen Garnison in einem Brauhause zu Stadtamhof zu einem erbitterten Wirthshausexceß und später gegen die Nacht zu einem bedauerlichen Ereigniß mit blutigen Folgen. Die un- tern Schichten der Bevölkerung nahmen gegen die Passauer Soldaten Partei und griffen das hiesige Rathhaus, in welchem ein Theil des Passauer Regiments einquartirt ist, unter Geschrei und Toben mit einem Steinbombardement an, und alle Be- ruhigungsversuche waren vergeblich, so daß eine Patrouille, mit Geschrei und Steinwürfen attaquirt, sich benöthigt glaubte, von der Feuerwaffe Gebrauch zu machen. Zwei Menschen verloren hiebei das Leben, und man spricht von 7 Verwundeten. Gleich nach dem Feuern stoben die Tumultuanten mit einer Masse von neugie- rigen Zuschauern, auch Frauen und Kinder darunter, auseinan- der, und der Platz wurde frei. Vorher schon war Generalmarsch geschlagen worden, die Landwehr und die Stadtwehr entsendeten von ihren Sammelplätzen starke Partrouillen durch alle Gassen, und nach Mitternacht schon war die Stadt wieder vollkommen ruhig. Zertrümmerte Fenster und einzelne Kugelmale an den Häusern sind die äußeren Spuren des gestrigen nächtlichen Vor- falls, der, was wir hiermit ausdrücklich bemerken, weder einen politischen, noch einen socialen Charakter trug. [ Was hat er denn für einen Charakter gehabt? Am Schlimmsten scheint es uns, wenn solche Vorfälle keinen andern Charakter haben als den der Rohheit und sittlichen Versunkenheit. ] Aschaffenburg 10. Juli. ( N. C. ) Nach heute eingetroffnem Befehl marschirt das dritte Bataillon des 14. Jnfanterieregiments, welches hier gebildet wurde, morgen früh um 6 Uhr über Die- burg, Darmstadt u. s. w. nach Landau ab, wo es am 13. einzu- treffen hat. Stuttgart 12. Juli. ( Schw. M. ) Bei unserm Fußvolk ha- ben gestern weitere Beurlaubungen stattgefunden, wie wir hören, 20 Mann auf die Compagnie. Bei den beiden Regimentern in Ulm wurden 18 Mann bei der Compagnie beurlaubt. ) Ulm 10. Juli. ( U. Kr. ) Nach einer Beschlußnahme des Ver- waltungsrathes besteht die Uniformirung der hiesigen Bürger- wehr in einem russischgrünen Oberrock, hellgrauen Veinkleidern und schwarzem Schlapphut. ( Zu theuer! ) Vom Bodensee 9. Juli. ( Karlsr. Z. ) Obgleich die Freischär- ler jenseits des Rheines und ihre guten Freunde auf unserem Bo- den sich das Ansehen geben, als fänden sie die Wahl des Reichs- verwesers nur lächerlich, so ist ihnen doch ein arger Strich durch die Rechnung gemacht worden; denn sie hatten sich der süßen Hoffnung hingegeben, die Reichsversammlung werde zu keiner großen praktischen Maßregel kommen, sondern so lange doctriniren, zanken und Spinngewebe zwirnen, bis alle Geduld und aller Glauben des Volkes dahin gefahren wäre. Dann wäre er erschienen, der Blusenheiland von Muttenz mit seinen Jüngern, und hätte dem treuen Peter die Gewalt übergeben, bei uns zu binden und zu lösen, ohne einen Aprilabstecher in die Schweiz machen zu müssen. Wie viele Statthalterstellen wären da nicht vacant, — wie viele Feldhauptmänner und Obersten wären zu ernennen, — und wer erst das Glück hätte, seine frische Kraft an der Verwaltung einer Kreiskasse zum allgemeinen Wohle, zu dem ja das eigene auch gehört, üben zu dürfen! Und nun er- mannt sich der Reichstag und schafft eine Centralgewalt, die das Banner der wahren Freiheit trägt, um das sich alle Gut- gesinnten schaaren; eine neue, frische Macht, an welcher der Schwall der Empörung in Schaum und Gischt zerschellen muß. Sehr ungelegen kommt den Herren auch die französische Revolu- tion; der Eindruck dieser entsetzlichen Begebenheit auf die Volks- masse ist der Art, daß sie noch nicht recht wissen, was sie mit ihr anfangen sollen; da aber der wackere Flocon sie den Engländern und Russen aufpackt, so wird es gar nicht lange mehr anstehen, so werden Hecker und Consorten die Entdeckung machen, daß die deutschen Fürsten die Revolution in Paris angestiftet haben. Mag aber die Lüge sich so breit machen, als sie nur kann und die Dumm- heit ihr willfährig die Schleppe nachtragen, es graut dem Volke doch vor den finstern Mächten, die nun einmal eine Probe abge- legt haben, wohin ihr Wollen und Wünschen steht, und vor derlei Versuchen will man sich verwahren. Ein Bauer, der die Vor- gänge in Paris recht eifrig gelesen und erwogen hatte, sagte, als er das Blatt bei Seite legte: „Jst mir doch gerade so, als hätte ich einen Blick in die Hölle hineingethan! “ == Mainz 14. Juli. Heute Morgen wurde Joseph Ga- lette sen., Zahnarzt in Mainz, beschuldigt der Aufforderung zum Ungehorsam gegen die Obrigkeit, nachdem er zwei Erschei- nungsbefehle unbeachtet ließ, auf einen vom Untersuchungsrichter 1) Wie wir gestern Morgen schon gemeldet. 1 ) Wie wir gestern Morgen schon gemeldet.

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 29. Mainz, 14. Juli 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal029_1848/5>, abgerufen am 24.11.2024.