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Mainzer Journal. Nr. 22. Mainz, 7. Juli 1848.

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[Beginn Spaltensatz]
Oesterreichische Monarchie.

Pesth 28. Juni. ( D. A. Z. ) Der ungarische Landtag,
welcher am 2. Juli eröffnet werden sollte, wird es erst einige
Tage später. Als die Hauptaufgabe desselben bezeichnet das mi-
nisterielle Pesti Hirlap die Bewilligung einer enormen Zahl von
Soldaten und Geld; 60,000 Mann, sagt das Blatt, seyen bei
weitem nicht hinlänglich, um Ungarn in seiner neuen europäi-
schen Stellung und die Dynastie aufrecht zu erhalten. Allgemein
ist die Meinung, daß das Ministerium dem Landtage nicht nur
die Uebernahme eines angemessenen Antheils der österreichischen
Staatsschuld, sondern auch die nachdrücklichste militärische Unter-
stützung der Dynastie im ganzen Umfange der österreichischen
Monarchie vorschlagen werde. Der k. Statthalter Erzherzog
Stephan,
der Cultusminister Baron J. Eörvös und der Mi-
nister der Comm nicationen, Graf Stephan Szechenyi, sind ge-
stern aus Jnnsbruck hierher zurückgekehrt. Die Stimmung ist
hier eine sehr gedrückte. Man sah im Geiste schon den Hochver-
räther Jellachich in Ketten von Jnnsbruck abführen. Dem ent-
gegen erscheint jetzt der Ban Jellachich mächtiger und stolzer als
je. Der illyrische Aufstand, wenn er sich noch durch das Zauber-
wort seines Meisters Jellachich beschwören läßt, scheint nach
Allem, was wir darüber aus unterrichteter Quelle vernehmen,
nur aufgeschoben, aber nicht aufgehoben. Der Wiederausbruch
wird von dem Verhalten des ungarischen Landtags in der Staats-
schuldfrage und wegen der Rekrutenaushebung abhängen.

Klausenburg 23. Juni. ( Bresl. Z. ) Heute war nach Pfing-
sten wieder die erste Landtagssitzung, in welcher die von
dem Kaiser sanctionirte Union Siebenbürgens als Thatsache
proclamirt wurde. Der Jubel ist nicht zu beschreiben und er
wird in Ungarn und Deutschland in tausendfältigem Echo wider-
hallen. Ungarn ist durch diese Vereinigung mit einem Lande
gekräftigt, das 2,300,000 Seelen zählt, das 4,000,000 fl.
reines Erträgniß abwirft, das noch einen urkräftigen Boden hat
und das Peru Europa's ist, wenn seine unterirdischen Schätze
gehörig ausgebeutet werden.

Jtalien.

Die Verbindung zwischen Piemont und Lombardei und den
vier venezianischen Provinzen ist am 28. Juni von der sardi-
nischen
Kammer angenommen; im Gesetzentwurf ist von der
Hauptstadt des neuen Staats nirgends die Rede; angenommen
ward er mit 127 Stimmen gegen 7.

Verona. Die Veroneser Zeitung vom 26. Juni bringt
drei Verordnungen, worin die dortige Finanzverwaltung im
Auftrage des Feldmarschalls Grafen Radetzky für die Provinz
Verona die Preisherabsetzung des Salzes, dann Aufhebung ver-
schiedener bis jetzt bestandener Taxen, und mehrere Stempelbe-
freiungen ( darunter die der Kalender und politischen Zeitungen )
bekannt gibt.

Wien 30. Juni. Zufolge eines dem Kriegsministerium ge-
stern Abend zugekommenen Berichts des Feldmarschalllieutenants
Baron Welden aus Treviso vom 27. Juni hat derselbe am 25.
das Fort Cavanella an der Etsch unter dem Jubel der Einwohner
besetzt, wodurch nunmehr Venedig auf dem ganzen Perimeter
von da bis Cortelazzo eingeschlossen ist. -- Nach directen Briefen
aus Venedig vom 25. Juni hegte man dort noch keinerlei Be-
sorgnisse.

Frankreich.

* * * Paris 4. Juli. Die gestrige Sitzung der Nationalver-
sammlung wurde damit eröffnet, daß General Cavaignac den
schon angekündigten Bericht über die Nationalwerkstätten abstat-
tete. Sie sind bereits alle vollständig aufgelöst! Es war dieses,
sagte der tapfere General, ein förmlich organisirtes Heer, furcht-
bar und gefährlich für die Freiheit; frühere Versuche es auf fried-
lichem Wege aufzulösen, hatten keinen Erfolg, vorzüglich des-
wegen, weil die Wühler den Bestrebungen der Regierung ent-
gegenarbeiteten und Alles aufboten, diese gewaltigen Menschen-
massen für ihre Zwecke zusammenzuhalten. Nichtsdestoweniger --
man höre! -- haben die Werkstätten als solche sich nicht verführen
lassen, nur verhältnißmäßig wenige Arbeiter haben am Aufruhr
Theil genommen, während die überwiegende Majorität sich ruhig
verhielt. Diese unglücklichen, armen Menschen verlangen aber jetzt
nichts weiter als Arbeit, um leben zu können -- und der Staat
muß hier helfen. Dieß war etwa der Gedankengang unseres
jugendlichen Dictaturverwesers.

[Spaltenumbruch]

Was nun die Art und Weise der zu leistenden Hülfe betrifft,
so ist dieses natürlich Sache des neuen Finanzministers Goud-
chaux,
der gar kein Hehl daraus macht, daß sich die französi-
schen Finanzen in einem sehr trübseligen Zustande befinden
und unter Anderem seinem unglücklichen Vorgänger ( Du-
clerc ) ohne Weiteres vorwarf, er sey ein ganz schlechter
Rechenmeister gewesen und habe ihm eine bitterböse Erbschaft hin-
terlassen. Nichtsdestoweniger hofft Herr Goudchaux -- welcher
Finanzminister hofft, oder sagt es wenigstens nicht der Kam-
mer! -- daß Regierung und Volk sich aus dieser Klemme schon
wieder herauswinden werden. Wenn aber geholfen und der
leere Schatz wieder gefüllt werden soll, so ist vor Allem
Geld nothwendig und um dieses Geld herbeizuschaffen, legte
der Finanzminister sofort fünf neue Gesetzesentwürfe vor: 1 )
wegen des neuen, mit der Bank zu schließenden Anlehens von
150 Mill. Franken, 2 ) wegen der Sparcassen. Einlagen unter
70 Franken sollen baar, Einlagen, welche an Capital und Jnte-
ressen mehr betragen, in 5 pCt. Renten zum Course von 70 Fr.
( nicht, wie man es früher hielt, zum Nennwerthe ) zurückbezahlt
werden; 3 ) wegen der Schatzscheine, die vor dem 24. Febr. ausge-
geben oder erneut worden. Diese sollen in 3 pCt. Renten zu 48 pCt.
verwandelt werden; 4 ) wegen einer neuen Abgabe auf Schenkungen
und Erbschaften; 5 ) wegen Unterstützung für Bauunternehmer.
Die Kammer, die unter der glorreichen Republik wie unter der
Monarchie vorzüglich den Beraf zu haben scheint Geld und aber-
mals Geld herbeizuschaffen, war über alle diese Anforderungen
etwas verblüfft, namentlich machte der Vorschlag, daß alle Erb-
schaften mit einer bedeutenden Abgabesteuer belegt werden sollen,
viel böses Blut und es ging schon das Gemunkel auf den Bän-
ken, als sey auch Das ein Angriff auf das Eigenthum. Nun,
wir wenigstens würden, wenn wir einen reichen Herrn Vetter
zu beerben hätten, wenn auch nicht "dem Staate," doch
wenigstens aus christlicher Liebe der leidenden Armuth recht
gerne ein Stück davon abgeben, wie das in allen christlichen
Ländern auch von jeher der Fall gewesen ist. Um jedoch die Kam-
mer über alle diese Eingriffe in ihren Geldbeutel wieder etwas zu
trösten, gab ihr der Minister die bittersüße Versicherung, daß der
Staat vorläufig die Eisenbahnen nicht an sich ziehen und bes-
sere Zeiten dafür abwarten wolle, das gegenwärtige Ministerium
habe -- ein schlechter Trost für alle Actionäre und Capitalisten --
in diesem Puncte ganz dieselben Grundsätze wie das frühere. Die
Berathung über die den Baugewerken zu gewährende Unterstütz-
ung von 5 Millionen wurde für die dringlichste erklärt und so
wird, wenn die Kammer, wie nicht zu zweifeln, dieses Gesetz ge-
nehmigt, wenigstens dieser bedeutende Theil der Privatindustrie
mit Nächstem wieder in Gang kommen. Endlich beschloß die Kam-
mer noch, daß den für die Ordnung und Freiheit gestorbenen Bür-
gern die letzten Ehren feierlich erwiesen und der Erzbischof von
Paris auf Staatskosten begraben werden solle. Die Berathung
über die neue Organisation des Municipalwesens schleppt sich in
derselben unfreien Weise fort, wie früher. Die Leute haben keinen
Begriff davon, daß von Freiheit im Lande gar nicht die Rede seyn
kann, so lange die Gemeinde noch in der schmählichsten Knecht-
schaft liegt!

Die Berathungen der neuen Verfassung sind in den verschie-
denen Büreaux noch nicht über den Anfang und die Einleitung
hinausgekommen. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird der deutsche
Reichstag in Frankfurt mit seinem Verfassungswerke viel früher
fertig werden.

Alles wendet sich wieder den früheren Zuständen zu! Bekannt-
lich hatte die provisorische Regierung die Zahl der Arbeitsstunden
beschränkt, jetzt kommt das Comit e der Arbeiter und macht den
Vorschlag, dieses Gesetz wieder aufzuheben und Jeden so lange
arbeiten zu lassen als er will. General Lamoriciere soll die Ab-
sicht haben das ganze Kriegsministerium neu zu organisiren. Jm
Uebrigen sind die Pariser Blätter ohne alles Jnteresse und mit
bloßen Local= und Provinzialneuigkeiten gefüllt, die für das Aus-
land keine Bedeutung haben.

Börse vom 3. Juli. Das wiederkehrende Vertrauen übt
einen wohlthätigen Einfluß auf die Curse der öffentlichen Fonds.
Die Umsätze waren bedeutend, und der Aufschlag ein namhaf-
ter. 5% Frs. 72, 50. 3% Frs. 47, 50. Bankactien 1355.
Auch die Eisenbahnactien sind sämmtlich gestiegen: Orleans
600, Rouen 415, Bordeaux 398, 75, Havre 210, Mar-
seille 225, Straßburg=Basel 85, Nordbahn 358, 75, Lyon
313, 75, Straßburg 355.

[Ende Spaltensatz]

Redacteur: Franz Sausen. -- Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. -- Druck von Florian Kupferberg.

[Beginn Spaltensatz]
Oesterreichische Monarchie.

Pesth 28. Juni. ( D. A. Z. ) Der ungarische Landtag,
welcher am 2. Juli eröffnet werden sollte, wird es erst einige
Tage später. Als die Hauptaufgabe desselben bezeichnet das mi-
nisterielle Pesti Hirlap die Bewilligung einer enormen Zahl von
Soldaten und Geld; 60,000 Mann, sagt das Blatt, seyen bei
weitem nicht hinlänglich, um Ungarn in seiner neuen europäi-
schen Stellung und die Dynastie aufrecht zu erhalten. Allgemein
ist die Meinung, daß das Ministerium dem Landtage nicht nur
die Uebernahme eines angemessenen Antheils der österreichischen
Staatsschuld, sondern auch die nachdrücklichste militärische Unter-
stützung der Dynastie im ganzen Umfange der österreichischen
Monarchie vorschlagen werde. Der k. Statthalter Erzherzog
Stephan,
der Cultusminister Baron J. Eörvös und der Mi-
nister der Comm nicationen, Graf Stephan Szechenyi, sind ge-
stern aus Jnnsbruck hierher zurückgekehrt. Die Stimmung ist
hier eine sehr gedrückte. Man sah im Geiste schon den Hochver-
räther Jellachich in Ketten von Jnnsbruck abführen. Dem ent-
gegen erscheint jetzt der Ban Jellachich mächtiger und stolzer als
je. Der illyrische Aufstand, wenn er sich noch durch das Zauber-
wort seines Meisters Jellachich beschwören läßt, scheint nach
Allem, was wir darüber aus unterrichteter Quelle vernehmen,
nur aufgeschoben, aber nicht aufgehoben. Der Wiederausbruch
wird von dem Verhalten des ungarischen Landtags in der Staats-
schuldfrage und wegen der Rekrutenaushebung abhängen.

Klausenburg 23. Juni. ( Bresl. Z. ) Heute war nach Pfing-
sten wieder die erste Landtagssitzung, in welcher die von
dem Kaiser sanctionirte Union Siebenbürgens als Thatsache
proclamirt wurde. Der Jubel ist nicht zu beschreiben und er
wird in Ungarn und Deutschland in tausendfältigem Echo wider-
hallen. Ungarn ist durch diese Vereinigung mit einem Lande
gekräftigt, das 2,300,000 Seelen zählt, das 4,000,000 fl.
reines Erträgniß abwirft, das noch einen urkräftigen Boden hat
und das Peru Europa's ist, wenn seine unterirdischen Schätze
gehörig ausgebeutet werden.

Jtalien.

Die Verbindung zwischen Piemont und Lombardei und den
vier venezianischen Provinzen ist am 28. Juni von der sardi-
nischen
Kammer angenommen; im Gesetzentwurf ist von der
Hauptstadt des neuen Staats nirgends die Rede; angenommen
ward er mit 127 Stimmen gegen 7.

Verona. Die Veroneser Zeitung vom 26. Juni bringt
drei Verordnungen, worin die dortige Finanzverwaltung im
Auftrage des Feldmarschalls Grafen Radetzky für die Provinz
Verona die Preisherabsetzung des Salzes, dann Aufhebung ver-
schiedener bis jetzt bestandener Taxen, und mehrere Stempelbe-
freiungen ( darunter die der Kalender und politischen Zeitungen )
bekannt gibt.

Wien 30. Juni. Zufolge eines dem Kriegsministerium ge-
stern Abend zugekommenen Berichts des Feldmarschalllieutenants
Baron Welden aus Treviso vom 27. Juni hat derselbe am 25.
das Fort Cavanella an der Etsch unter dem Jubel der Einwohner
besetzt, wodurch nunmehr Venedig auf dem ganzen Perimeter
von da bis Cortelazzo eingeschlossen ist. — Nach directen Briefen
aus Venedig vom 25. Juni hegte man dort noch keinerlei Be-
sorgnisse.

Frankreich.

* * * Paris 4. Juli. Die gestrige Sitzung der Nationalver-
sammlung wurde damit eröffnet, daß General Cavaignac den
schon angekündigten Bericht über die Nationalwerkstätten abstat-
tete. Sie sind bereits alle vollständig aufgelöst! Es war dieses,
sagte der tapfere General, ein förmlich organisirtes Heer, furcht-
bar und gefährlich für die Freiheit; frühere Versuche es auf fried-
lichem Wege aufzulösen, hatten keinen Erfolg, vorzüglich des-
wegen, weil die Wühler den Bestrebungen der Regierung ent-
gegenarbeiteten und Alles aufboten, diese gewaltigen Menschen-
massen für ihre Zwecke zusammenzuhalten. Nichtsdestoweniger —
man höre! — haben die Werkstätten als solche sich nicht verführen
lassen, nur verhältnißmäßig wenige Arbeiter haben am Aufruhr
Theil genommen, während die überwiegende Majorität sich ruhig
verhielt. Diese unglücklichen, armen Menschen verlangen aber jetzt
nichts weiter als Arbeit, um leben zu können — und der Staat
muß hier helfen. Dieß war etwa der Gedankengang unseres
jugendlichen Dictaturverwesers.

[Spaltenumbruch]

Was nun die Art und Weise der zu leistenden Hülfe betrifft,
so ist dieses natürlich Sache des neuen Finanzministers Goud-
chaux,
der gar kein Hehl daraus macht, daß sich die französi-
schen Finanzen in einem sehr trübseligen Zustande befinden
und unter Anderem seinem unglücklichen Vorgänger ( Du-
clerc ) ohne Weiteres vorwarf, er sey ein ganz schlechter
Rechenmeister gewesen und habe ihm eine bitterböse Erbschaft hin-
terlassen. Nichtsdestoweniger hofft Herr Goudchaux — welcher
Finanzminister hofft, oder sagt es wenigstens nicht der Kam-
mer! — daß Regierung und Volk sich aus dieser Klemme schon
wieder herauswinden werden. Wenn aber geholfen und der
leere Schatz wieder gefüllt werden soll, so ist vor Allem
Geld nothwendig und um dieses Geld herbeizuschaffen, legte
der Finanzminister sofort fünf neue Gesetzesentwürfe vor: 1 )
wegen des neuen, mit der Bank zu schließenden Anlehens von
150 Mill. Franken, 2 ) wegen der Sparcassen. Einlagen unter
70 Franken sollen baar, Einlagen, welche an Capital und Jnte-
ressen mehr betragen, in 5 pCt. Renten zum Course von 70 Fr.
( nicht, wie man es früher hielt, zum Nennwerthe ) zurückbezahlt
werden; 3 ) wegen der Schatzscheine, die vor dem 24. Febr. ausge-
geben oder erneut worden. Diese sollen in 3 pCt. Renten zu 48 pCt.
verwandelt werden; 4 ) wegen einer neuen Abgabe auf Schenkungen
und Erbschaften; 5 ) wegen Unterstützung für Bauunternehmer.
Die Kammer, die unter der glorreichen Republik wie unter der
Monarchie vorzüglich den Beraf zu haben scheint Geld und aber-
mals Geld herbeizuschaffen, war über alle diese Anforderungen
etwas verblüfft, namentlich machte der Vorschlag, daß alle Erb-
schaften mit einer bedeutenden Abgabesteuer belegt werden sollen,
viel böses Blut und es ging schon das Gemunkel auf den Bän-
ken, als sey auch Das ein Angriff auf das Eigenthum. Nun,
wir wenigstens würden, wenn wir einen reichen Herrn Vetter
zu beerben hätten, wenn auch nicht „dem Staate,“ doch
wenigstens aus christlicher Liebe der leidenden Armuth recht
gerne ein Stück davon abgeben, wie das in allen christlichen
Ländern auch von jeher der Fall gewesen ist. Um jedoch die Kam-
mer über alle diese Eingriffe in ihren Geldbeutel wieder etwas zu
trösten, gab ihr der Minister die bittersüße Versicherung, daß der
Staat vorläufig die Eisenbahnen nicht an sich ziehen und bes-
sere Zeiten dafür abwarten wolle, das gegenwärtige Ministerium
habe — ein schlechter Trost für alle Actionäre und Capitalisten —
in diesem Puncte ganz dieselben Grundsätze wie das frühere. Die
Berathung über die den Baugewerken zu gewährende Unterstütz-
ung von 5 Millionen wurde für die dringlichste erklärt und so
wird, wenn die Kammer, wie nicht zu zweifeln, dieses Gesetz ge-
nehmigt, wenigstens dieser bedeutende Theil der Privatindustrie
mit Nächstem wieder in Gang kommen. Endlich beschloß die Kam-
mer noch, daß den für die Ordnung und Freiheit gestorbenen Bür-
gern die letzten Ehren feierlich erwiesen und der Erzbischof von
Paris auf Staatskosten begraben werden solle. Die Berathung
über die neue Organisation des Municipalwesens schleppt sich in
derselben unfreien Weise fort, wie früher. Die Leute haben keinen
Begriff davon, daß von Freiheit im Lande gar nicht die Rede seyn
kann, so lange die Gemeinde noch in der schmählichsten Knecht-
schaft liegt!

Die Berathungen der neuen Verfassung sind in den verschie-
denen Büreaux noch nicht über den Anfang und die Einleitung
hinausgekommen. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird der deutsche
Reichstag in Frankfurt mit seinem Verfassungswerke viel früher
fertig werden.

Alles wendet sich wieder den früheren Zuständen zu! Bekannt-
lich hatte die provisorische Regierung die Zahl der Arbeitsstunden
beschränkt, jetzt kommt das Comit é der Arbeiter und macht den
Vorschlag, dieses Gesetz wieder aufzuheben und Jeden so lange
arbeiten zu lassen als er will. General Lamoricière soll die Ab-
sicht haben das ganze Kriegsministerium neu zu organisiren. Jm
Uebrigen sind die Pariser Blätter ohne alles Jnteresse und mit
bloßen Local= und Provinzialneuigkeiten gefüllt, die für das Aus-
land keine Bedeutung haben.

Börse vom 3. Juli. Das wiederkehrende Vertrauen übt
einen wohlthätigen Einfluß auf die Curse der öffentlichen Fonds.
Die Umsätze waren bedeutend, und der Aufschlag ein namhaf-
ter. 5% Frs. 72, 50. 3% Frs. 47, 50. Bankactien 1355.
Auch die Eisenbahnactien sind sämmtlich gestiegen: Orleans
600, Rouen 415, Bordeaux 398, 75, Havre 210, Mar-
seille 225, Straßburg=Basel 85, Nordbahn 358, 75, Lyon
313, 75, Straßburg 355.

[Ende Spaltensatz]

Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg.

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[0004] Oesterreichische Monarchie. Pesth 28. Juni. ( D. A. Z. ) Der ungarische Landtag, welcher am 2. Juli eröffnet werden sollte, wird es erst einige Tage später. Als die Hauptaufgabe desselben bezeichnet das mi- nisterielle Pesti Hirlap die Bewilligung einer enormen Zahl von Soldaten und Geld; 60,000 Mann, sagt das Blatt, seyen bei weitem nicht hinlänglich, um Ungarn in seiner neuen europäi- schen Stellung und die Dynastie aufrecht zu erhalten. Allgemein ist die Meinung, daß das Ministerium dem Landtage nicht nur die Uebernahme eines angemessenen Antheils der österreichischen Staatsschuld, sondern auch die nachdrücklichste militärische Unter- stützung der Dynastie im ganzen Umfange der österreichischen Monarchie vorschlagen werde. Der k. Statthalter Erzherzog Stephan, der Cultusminister Baron J. Eörvös und der Mi- nister der Comm nicationen, Graf Stephan Szechenyi, sind ge- stern aus Jnnsbruck hierher zurückgekehrt. Die Stimmung ist hier eine sehr gedrückte. Man sah im Geiste schon den Hochver- räther Jellachich in Ketten von Jnnsbruck abführen. Dem ent- gegen erscheint jetzt der Ban Jellachich mächtiger und stolzer als je. Der illyrische Aufstand, wenn er sich noch durch das Zauber- wort seines Meisters Jellachich beschwören läßt, scheint nach Allem, was wir darüber aus unterrichteter Quelle vernehmen, nur aufgeschoben, aber nicht aufgehoben. Der Wiederausbruch wird von dem Verhalten des ungarischen Landtags in der Staats- schuldfrage und wegen der Rekrutenaushebung abhängen. Klausenburg 23. Juni. ( Bresl. Z. ) Heute war nach Pfing- sten wieder die erste Landtagssitzung, in welcher die von dem Kaiser sanctionirte Union Siebenbürgens als Thatsache proclamirt wurde. Der Jubel ist nicht zu beschreiben und er wird in Ungarn und Deutschland in tausendfältigem Echo wider- hallen. Ungarn ist durch diese Vereinigung mit einem Lande gekräftigt, das 2,300,000 Seelen zählt, das 4,000,000 fl. reines Erträgniß abwirft, das noch einen urkräftigen Boden hat und das Peru Europa's ist, wenn seine unterirdischen Schätze gehörig ausgebeutet werden. Jtalien. Die Verbindung zwischen Piemont und Lombardei und den vier venezianischen Provinzen ist am 28. Juni von der sardi- nischen Kammer angenommen; im Gesetzentwurf ist von der Hauptstadt des neuen Staats nirgends die Rede; angenommen ward er mit 127 Stimmen gegen 7. Verona. Die Veroneser Zeitung vom 26. Juni bringt drei Verordnungen, worin die dortige Finanzverwaltung im Auftrage des Feldmarschalls Grafen Radetzky für die Provinz Verona die Preisherabsetzung des Salzes, dann Aufhebung ver- schiedener bis jetzt bestandener Taxen, und mehrere Stempelbe- freiungen ( darunter die der Kalender und politischen Zeitungen ) bekannt gibt. Wien 30. Juni. Zufolge eines dem Kriegsministerium ge- stern Abend zugekommenen Berichts des Feldmarschalllieutenants Baron Welden aus Treviso vom 27. Juni hat derselbe am 25. das Fort Cavanella an der Etsch unter dem Jubel der Einwohner besetzt, wodurch nunmehr Venedig auf dem ganzen Perimeter von da bis Cortelazzo eingeschlossen ist. — Nach directen Briefen aus Venedig vom 25. Juni hegte man dort noch keinerlei Be- sorgnisse. Frankreich. * * * Paris 4. Juli. Die gestrige Sitzung der Nationalver- sammlung wurde damit eröffnet, daß General Cavaignac den schon angekündigten Bericht über die Nationalwerkstätten abstat- tete. Sie sind bereits alle vollständig aufgelöst! Es war dieses, sagte der tapfere General, ein förmlich organisirtes Heer, furcht- bar und gefährlich für die Freiheit; frühere Versuche es auf fried- lichem Wege aufzulösen, hatten keinen Erfolg, vorzüglich des- wegen, weil die Wühler den Bestrebungen der Regierung ent- gegenarbeiteten und Alles aufboten, diese gewaltigen Menschen- massen für ihre Zwecke zusammenzuhalten. Nichtsdestoweniger — man höre! — haben die Werkstätten als solche sich nicht verführen lassen, nur verhältnißmäßig wenige Arbeiter haben am Aufruhr Theil genommen, während die überwiegende Majorität sich ruhig verhielt. Diese unglücklichen, armen Menschen verlangen aber jetzt nichts weiter als Arbeit, um leben zu können — und der Staat muß hier helfen. Dieß war etwa der Gedankengang unseres jugendlichen Dictaturverwesers. Was nun die Art und Weise der zu leistenden Hülfe betrifft, so ist dieses natürlich Sache des neuen Finanzministers Goud- chaux, der gar kein Hehl daraus macht, daß sich die französi- schen Finanzen in einem sehr trübseligen Zustande befinden und unter Anderem seinem unglücklichen Vorgänger ( Du- clerc ) ohne Weiteres vorwarf, er sey ein ganz schlechter Rechenmeister gewesen und habe ihm eine bitterböse Erbschaft hin- terlassen. Nichtsdestoweniger hofft Herr Goudchaux — welcher Finanzminister hofft, oder sagt es wenigstens nicht der Kam- mer! — daß Regierung und Volk sich aus dieser Klemme schon wieder herauswinden werden. Wenn aber geholfen und der leere Schatz wieder gefüllt werden soll, so ist vor Allem Geld nothwendig und um dieses Geld herbeizuschaffen, legte der Finanzminister sofort fünf neue Gesetzesentwürfe vor: 1 ) wegen des neuen, mit der Bank zu schließenden Anlehens von 150 Mill. Franken, 2 ) wegen der Sparcassen. Einlagen unter 70 Franken sollen baar, Einlagen, welche an Capital und Jnte- ressen mehr betragen, in 5 pCt. Renten zum Course von 70 Fr. ( nicht, wie man es früher hielt, zum Nennwerthe ) zurückbezahlt werden; 3 ) wegen der Schatzscheine, die vor dem 24. Febr. ausge- geben oder erneut worden. Diese sollen in 3 pCt. Renten zu 48 pCt. verwandelt werden; 4 ) wegen einer neuen Abgabe auf Schenkungen und Erbschaften; 5 ) wegen Unterstützung für Bauunternehmer. Die Kammer, die unter der glorreichen Republik wie unter der Monarchie vorzüglich den Beraf zu haben scheint Geld und aber- mals Geld herbeizuschaffen, war über alle diese Anforderungen etwas verblüfft, namentlich machte der Vorschlag, daß alle Erb- schaften mit einer bedeutenden Abgabesteuer belegt werden sollen, viel böses Blut und es ging schon das Gemunkel auf den Bän- ken, als sey auch Das ein Angriff auf das Eigenthum. Nun, wir wenigstens würden, wenn wir einen reichen Herrn Vetter zu beerben hätten, wenn auch nicht „dem Staate,“ doch wenigstens aus christlicher Liebe der leidenden Armuth recht gerne ein Stück davon abgeben, wie das in allen christlichen Ländern auch von jeher der Fall gewesen ist. Um jedoch die Kam- mer über alle diese Eingriffe in ihren Geldbeutel wieder etwas zu trösten, gab ihr der Minister die bittersüße Versicherung, daß der Staat vorläufig die Eisenbahnen nicht an sich ziehen und bes- sere Zeiten dafür abwarten wolle, das gegenwärtige Ministerium habe — ein schlechter Trost für alle Actionäre und Capitalisten — in diesem Puncte ganz dieselben Grundsätze wie das frühere. Die Berathung über die den Baugewerken zu gewährende Unterstütz- ung von 5 Millionen wurde für die dringlichste erklärt und so wird, wenn die Kammer, wie nicht zu zweifeln, dieses Gesetz ge- nehmigt, wenigstens dieser bedeutende Theil der Privatindustrie mit Nächstem wieder in Gang kommen. Endlich beschloß die Kam- mer noch, daß den für die Ordnung und Freiheit gestorbenen Bür- gern die letzten Ehren feierlich erwiesen und der Erzbischof von Paris auf Staatskosten begraben werden solle. Die Berathung über die neue Organisation des Municipalwesens schleppt sich in derselben unfreien Weise fort, wie früher. Die Leute haben keinen Begriff davon, daß von Freiheit im Lande gar nicht die Rede seyn kann, so lange die Gemeinde noch in der schmählichsten Knecht- schaft liegt! Die Berathungen der neuen Verfassung sind in den verschie- denen Büreaux noch nicht über den Anfang und die Einleitung hinausgekommen. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird der deutsche Reichstag in Frankfurt mit seinem Verfassungswerke viel früher fertig werden. Alles wendet sich wieder den früheren Zuständen zu! Bekannt- lich hatte die provisorische Regierung die Zahl der Arbeitsstunden beschränkt, jetzt kommt das Comit é der Arbeiter und macht den Vorschlag, dieses Gesetz wieder aufzuheben und Jeden so lange arbeiten zu lassen als er will. General Lamoricière soll die Ab- sicht haben das ganze Kriegsministerium neu zu organisiren. Jm Uebrigen sind die Pariser Blätter ohne alles Jnteresse und mit bloßen Local= und Provinzialneuigkeiten gefüllt, die für das Aus- land keine Bedeutung haben. Börse vom 3. Juli. Das wiederkehrende Vertrauen übt einen wohlthätigen Einfluß auf die Curse der öffentlichen Fonds. Die Umsätze waren bedeutend, und der Aufschlag ein namhaf- ter. 5% Frs. 72, 50. 3% Frs. 47, 50. Bankactien 1355. Auch die Eisenbahnactien sind sämmtlich gestiegen: Orleans 600, Rouen 415, Bordeaux 398, 75, Havre 210, Mar- seille 225, Straßburg=Basel 85, Nordbahn 358, 75, Lyon 313, 75, Straßburg 355. Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg.

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 22. Mainz, 7. Juli 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal022_1848/4>, abgerufen am 03.07.2024.