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Mainzer Journal. Nr. 19. Mainz, 4. Juli 1848.

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[Beginn Spaltensatz] mit dem tausendstimmigen Hoch gemischt, da sah ich manche
Thräne in meiner Nähe, ich sah Mitglieder der Nationalver-
sammlung sich die Hände schütteln und sich umarmen vor Freude
über die Wiedergeburt deutscher Einheit. Jch müßte mich sehr
täuschen, wenn dieser Akt nicht seine Wirkung äußern sollte auf
die künftige Haltung der Versammlung der Parteien. Daß sich die
Linke gespalten, sehen Sie schon an der Abstimmung, ihre Mit-
glieder haben sich nicht über das einzuhaltende Betragen einigen
können. Die gemäßigteren ( 52 ) stimmten für Gagern ( dem
dies gewiß sehr unlieb ) , die parlamentarischen Republikaner
( 32 ) , d. h. die sich wenigstens der Wahl unterwarfen, für Jtz-
stein
( ! ) , und nur 25 enthielten sich der Wahl gänzlich. Das
hervorragendste Mitglied der Linken, Raveaux, stimmte für
Johann. Auffallend war, daß ein Mitglied der Linken zur
Sicherung der größeren Freiheit der Wahl diese durch Stimm-
zettel verlangte, worauf Heckscher treffend erwiederte, die münd-
liche Abstimmung bei namentlichem Aufruf könne doch unmöglich
unfrei seyn, sonst würde die Linke nicht so häufig die namentliche
Abstimmung verlangen. Daß die Nationalversammlung sich
durch diese Wahl das hohe Mißtrauen der Herren Ronge, Met-
ternich und Bayrhoffer zugezogen, konnte man gestern Abend an
den Straßenecken lesen. Die genannten drei Hrn. Demokraten geben
am Fuße ihres Manifestes die Namen derer, welche gegen das Ge-
setz über die Centralgewalt gestimmt und bezeichnen diese allein als
die wahren Freunde des Volkes. Die guten Leute empfehlen da-
bei, ohne es zu wissen, auch Mitglieder der äußersten
Rechten,
welche gegen das Gesetz gestimmt, weil es ihnen zu
demokratisch ist! Ebenso lächerlich macht sich Herr Hofrath
Kapp, dessen Absagebrief an den Vorsitzenden der Nationalver-
sammlung an allen Ecken wie ein weltgeschichtliches Ereigniß zu
lesen. Jch höre, die Mehrheit bedauert, daß die Linke dieses
Mitglied verliert. Herr Kapp soll früher Mitarbetter an dem
Berliner Wochenblatte gewesen seyn und sehr heftig gegen die
badische Kammer geschrieben haben. Solcher Charaktere finden sich
viele in den Reihen der jetzigen Republikaner. -- Großes Schick-
lichkeitsgefühl bekundete Herr Vogt, als er vorschlug, man
solle dem Gewählten keine Deputation senden. Sieben Mit-
glieder aber, wie einst die sieben Kurboten der sieben Kurfürsten,
gehen heute nach Wien ab. Hoffentlich kehren sie sogleich mit
dem Gewählten zurück; und hat der Reichsverweser nur erst
seine Regierung gewählt, so wird wohl, darnach sehnt sich alle
Welt, seine erste Regentenhandlung seyn, daß er den Reichs-
frieden gebietet und überall strenge Zucht und Ordnung wieder
herstellt. Keine Regierung ist populärer als eine starke Regie-
rung. Keine aber auch ist in unsern Tagen heilsamer; denn heißt
das der Freiheit dienen, daß man die Dinge so weit kommen
läßt, wie in diesen Tagen in Paris? Wird nicht der Bürger,
muß er nicht am Ende die Freiheit verfluchen, die darin besteht,
daß man jedes, auch das verderblichste Mittel zur Erreichung
politischer Zwecke den urtheillosen Massen anpreisen darf? Längst
schon deuten alle Weiterblickenden auf die Sorte der Preßorgane,
welche in Deutschland ebenso sicher zu Blut und Mord führen
[unleserliches Material - 6 Zeichen fehlen]werden, wie sie in Frankreich den Giftrank mischten. Wenn durch
die Presse jedes Verbrechen begangen werden darf, so lasset auch
Denjenigen frei, der seinen Arm gebraucht, um seinen Nachbar zu
erschlagen. Dann aber seyd gewiß, daß man schon in wenigen
Monden, ja Wochen, in Deutschland die Freiheit der Presse ebenso
verwünscht, wie jetzt die in Blut gebadete Pariser Nationalgarde
die verderblichen Lehren von Louis Blanc. Keine deutsche Regie-
rung kann sich ein größeres Verdienst um den künftigen Bestand
der deutschen Preßfreiheit erwerben, als die, welche gegen jedes
Preßvergehen strenge einschreitet, denn die jetzigen Ausschweifun-
gen der nach Blut riechenden Blätter sind das Einzige, was dem
gefürchteten Gespenste der Reaction wieder Mark und Knochen
verleihen wird. ( D. Z. )

Schweiz.

D Aus der östlichen Schweiz 29. Juni. Versprechen ist
immer leichter als halten, und darum muß das Volk sich wohl
hüten, Alles, was seine Beglücker ihm Schönes verheißen, als
etwas Sicheres und Zuverlässiges hinzunehmen. Als man im
benachbarten Thurgau die geistlichen Stifte aufheben wollte, und
dazu die Einwilligung des Volkes bedurfte, wurde gar Manches
in Aussicht genommen, was zum Besten des Landes mit den sä-
kularisirten Gütern geschehen solle, und damit auch die Humani-
tät sich nicht gegen die Aufhebung erklären möge, ward verspro-
chen, den betreffenden geistlichen Personen einen anständigen
Jahresgehalt zu reichen. Jetzt aber wird nach neuerem Beschlusse
von der zu errichtenden Armenanstalt in Fischingen abstrahirt,
und die ohnehin niedrigen Pensionsgehalte werden um 100 Gul-
den reduzirt, und wohl wird's nicht mehr gar lange dauern, so
sind die eingezogenen Güter in Privatbesitz, das Geld ist ver-
[Spaltenumbruch] schwunden und das Volk ist dennoch ohne Erleichterung geblieben.
Aber ist's nicht stets so gegangen?

Jtalien.

Wien 27. Juni. Die heutigen Nachrichten aus Verona vom
23. und aus Treviso vom 25. melden, außer der bereits gestern
angezeigten Uebergabe Palmanuova's, wo außer den ungeheuren
Kriegsvorräthen, welche Zucchi von Venedig hinschleppen ließ,
eine Million in Baarem vorgefunden wurde, nichts Erhebliches.
Der Marschall Redetzky war in Verona, und Carl Albert, bei
welchem nach der Aussage von Bauern am 22. sieben Couriere
aus allen Richtungen eintrafen, in Villafranca. Er scheint jetzt
ernstlich über seinen "glorreichen" Versuch, ein einiges Jtalien
zu verschlingen, nachdenken zu müssen. Was in Venedig vorgeht,
lag sicher außer seiner Berechnung. Eine französische Jnterven-
tion, welche eine rasende Partei in Venedig anruft, wirft alle seine
Plane über den Haufen, und erregte in Mailand unter den Nobili
eine namenlose Bestürzung. ( W. Z. )

Triest 27. Juni. Einem heute hier erschienenen Bülletin zu-
folge herrscht in Venedig jetzt die größte Verwirrung. Am Mor-
gen des 23., heißt es in demselben, war den Venetianern aller
Muth entsunken, als sie von Fusina, St. Georgio in Alga und
St. Angelo her eine Kanonade vernahmen. Nachmittag erwar-
teten viele am Meeresufer den Ausgang des Kampfes. Um 6
Uhr endlich kehrten mehrere Fahrzeuge, welche am Morgen fröh-
lich ausgelaufen waren, übel zugerichtet zurück und wurden mit
Verwünschungen vom Volk empfangen. Jn den Straßen Vene-
digs gab sich eine große Unzufriedenheit kund, die sich besonders
laut gegen Tommaseo, Manin und die übrigen Minister der pro-
visorischen Regierung wie gegen Carl Albert äußerte. Der Tu-
mult stieg immer mehr, und hier und da rief man: Tod Manin-
Tommaseo, nieder mit der Republik, Tod den Verräthern, wir
haben kein Brod, Tod den Signori! Es leben die Deutschen!
Abends um 10 Uhr dauerte der Lärm noch immer fort. Man
mußte Generalmarsch schlagen; die Garnison stand unter den
Waffen und der Pöbel schien entschlossen ihr entgegen zu treten.
600 Mann kamen mit 4 Feldstücken von Malghera zu Hülfe,
aber das Volk schien sich nicht beruhigen zu wollen und erst gegen
Mitternacht gelang es, die Ordnung wiederherzustellen. ( A. Z. )

Jn Rom hat das Ministerium von der Kammer ein Ver-
trauensvotum erhalten. Die Gährung im kriegsmüden Volke ist
damit nicht beseitigt.

Frankreich.

*** Paris 1. Juli. Die Blätter zeichnen sich durch nichts aus
als durch ihre merkwürdige Leerheit, und leben einzig und allein
von den Nachträgen, welche sie zu den Ereignissen der letzten
Tage liefern. Jn der Nationalversammlung, die allmälig ihre
frühere ruhige Haltung wieder annimmt, kam der Gesetzvor-
schlag über die Wahl und Organisation der Gemeinderäthe, so-
wie der Bezirks= und Departementalräthe zur Berathung. Daß
alle diese Behörden aus dem allgemeinen Stimm= und Wahl-
rechte hervorgehen müssen, damit ist Jedermann einverstanden.
Was indessen die Organisation und Attributionen derselben be-
trifft, so sind das Dinge, die jetzt noch nicht definitiv geordnet
werden können und deren Erledigung von den in der neuen Ver-
fassung ausgesprochenen Grundprincipien abhängen wird. Nichts-
destoweniger kam Einiges jetzt schon zur Sprache, so unter An-
derem die Ernennung der Bürgermeister und Beigeordneten, wo
die verschiedenen Ansichten einander gegenüber standen. Die Einen
wollten nämlich diese Beamten wie früher durch die Regierung,
Andere wollten sie direct durch die Wähler, wieder Andere end-
lich durch die Gemeinderäthe ernennen lassen. Der Minister des
Jnnern erklärte sich im Namen der Regierung entschieden dage-
gen, daß Bürgermeister und Adjuncten gleich den Gemeinderäthen
direct gewählt werden sollten und meinte, man solle sie für
einstweilen und zwar nur versuchsweise durch die Gemeinderäthe
wählen lassen. Die Frage wurde an eine Commission gewiesen.
Sie ersehen daraus wenigstens so viel, daß die französische Bü-
reaukratie mit ihren Concessionen noch viel geiziger ist als die
deutsche! Zum Schlusse entschied die Kammer noch, daß auch der
Pariser Stadtrath wieder reorganisirt werden sollte und damit ist
wiederum eine der glorreichen Errungenschaften der Fe-
bruarrevolution, die ihn bekanntlich aufgelöst, preisgegeben
worden. Vorläufig wurde eine provisorische Commission mit der
Verwaltung beauftragt.

Auch das Ministerium des Jnnern, in welches unter der
früheren Regierung viele Schützlinge eingeschoben worden wa-
ren, ist reorganisirt und es sind dadurch bedeutende Ersparnisse
gemacht worden.

Auf Cormenins Antrag, den die Nationalversammlung
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] mit dem tausendstimmigen Hoch gemischt, da sah ich manche
Thräne in meiner Nähe, ich sah Mitglieder der Nationalver-
sammlung sich die Hände schütteln und sich umarmen vor Freude
über die Wiedergeburt deutscher Einheit. Jch müßte mich sehr
täuschen, wenn dieser Akt nicht seine Wirkung äußern sollte auf
die künftige Haltung der Versammlung der Parteien. Daß sich die
Linke gespalten, sehen Sie schon an der Abstimmung, ihre Mit-
glieder haben sich nicht über das einzuhaltende Betragen einigen
können. Die gemäßigteren ( 52 ) stimmten für Gagern ( dem
dies gewiß sehr unlieb ) , die parlamentarischen Republikaner
( 32 ) , d. h. die sich wenigstens der Wahl unterwarfen, für Jtz-
stein
( ! ) , und nur 25 enthielten sich der Wahl gänzlich. Das
hervorragendste Mitglied der Linken, Raveaux, stimmte für
Johann. Auffallend war, daß ein Mitglied der Linken zur
Sicherung der größeren Freiheit der Wahl diese durch Stimm-
zettel verlangte, worauf Heckscher treffend erwiederte, die münd-
liche Abstimmung bei namentlichem Aufruf könne doch unmöglich
unfrei seyn, sonst würde die Linke nicht so häufig die namentliche
Abstimmung verlangen. Daß die Nationalversammlung sich
durch diese Wahl das hohe Mißtrauen der Herren Ronge, Met-
ternich und Bayrhoffer zugezogen, konnte man gestern Abend an
den Straßenecken lesen. Die genannten drei Hrn. Demokraten geben
am Fuße ihres Manifestes die Namen derer, welche gegen das Ge-
setz über die Centralgewalt gestimmt und bezeichnen diese allein als
die wahren Freunde des Volkes. Die guten Leute empfehlen da-
bei, ohne es zu wissen, auch Mitglieder der äußersten
Rechten,
welche gegen das Gesetz gestimmt, weil es ihnen zu
demokratisch ist! Ebenso lächerlich macht sich Herr Hofrath
Kapp, dessen Absagebrief an den Vorsitzenden der Nationalver-
sammlung an allen Ecken wie ein weltgeschichtliches Ereigniß zu
lesen. Jch höre, die Mehrheit bedauert, daß die Linke dieses
Mitglied verliert. Herr Kapp soll früher Mitarbetter an dem
Berliner Wochenblatte gewesen seyn und sehr heftig gegen die
badische Kammer geschrieben haben. Solcher Charaktere finden sich
viele in den Reihen der jetzigen Republikaner. — Großes Schick-
lichkeitsgefühl bekundete Herr Vogt, als er vorschlug, man
solle dem Gewählten keine Deputation senden. Sieben Mit-
glieder aber, wie einst die sieben Kurboten der sieben Kurfürsten,
gehen heute nach Wien ab. Hoffentlich kehren sie sogleich mit
dem Gewählten zurück; und hat der Reichsverweser nur erst
seine Regierung gewählt, so wird wohl, darnach sehnt sich alle
Welt, seine erste Regentenhandlung seyn, daß er den Reichs-
frieden gebietet und überall strenge Zucht und Ordnung wieder
herstellt. Keine Regierung ist populärer als eine starke Regie-
rung. Keine aber auch ist in unsern Tagen heilsamer; denn heißt
das der Freiheit dienen, daß man die Dinge so weit kommen
läßt, wie in diesen Tagen in Paris? Wird nicht der Bürger,
muß er nicht am Ende die Freiheit verfluchen, die darin besteht,
daß man jedes, auch das verderblichste Mittel zur Erreichung
politischer Zwecke den urtheillosen Massen anpreisen darf? Längst
schon deuten alle Weiterblickenden auf die Sorte der Preßorgane,
welche in Deutschland ebenso sicher zu Blut und Mord führen
[unleserliches Material – 6 Zeichen fehlen]werden, wie sie in Frankreich den Giftrank mischten. Wenn durch
die Presse jedes Verbrechen begangen werden darf, so lasset auch
Denjenigen frei, der seinen Arm gebraucht, um seinen Nachbar zu
erschlagen. Dann aber seyd gewiß, daß man schon in wenigen
Monden, ja Wochen, in Deutschland die Freiheit der Presse ebenso
verwünscht, wie jetzt die in Blut gebadete Pariser Nationalgarde
die verderblichen Lehren von Louis Blanc. Keine deutsche Regie-
rung kann sich ein größeres Verdienst um den künftigen Bestand
der deutschen Preßfreiheit erwerben, als die, welche gegen jedes
Preßvergehen strenge einschreitet, denn die jetzigen Ausschweifun-
gen der nach Blut riechenden Blätter sind das Einzige, was dem
gefürchteten Gespenste der Reaction wieder Mark und Knochen
verleihen wird. ( D. Z. )

Schweiz.

D Aus der östlichen Schweiz 29. Juni. Versprechen ist
immer leichter als halten, und darum muß das Volk sich wohl
hüten, Alles, was seine Beglücker ihm Schönes verheißen, als
etwas Sicheres und Zuverlässiges hinzunehmen. Als man im
benachbarten Thurgau die geistlichen Stifte aufheben wollte, und
dazu die Einwilligung des Volkes bedurfte, wurde gar Manches
in Aussicht genommen, was zum Besten des Landes mit den sä-
kularisirten Gütern geschehen solle, und damit auch die Humani-
tät sich nicht gegen die Aufhebung erklären möge, ward verspro-
chen, den betreffenden geistlichen Personen einen anständigen
Jahresgehalt zu reichen. Jetzt aber wird nach neuerem Beschlusse
von der zu errichtenden Armenanstalt in Fischingen abstrahirt,
und die ohnehin niedrigen Pensionsgehalte werden um 100 Gul-
den reduzirt, und wohl wird's nicht mehr gar lange dauern, so
sind die eingezogenen Güter in Privatbesitz, das Geld ist ver-
[Spaltenumbruch] schwunden und das Volk ist dennoch ohne Erleichterung geblieben.
Aber ist's nicht stets so gegangen?

Jtalien.

Wien 27. Juni. Die heutigen Nachrichten aus Verona vom
23. und aus Treviso vom 25. melden, außer der bereits gestern
angezeigten Uebergabe Palmanuova's, wo außer den ungeheuren
Kriegsvorräthen, welche Zucchi von Venedig hinschleppen ließ,
eine Million in Baarem vorgefunden wurde, nichts Erhebliches.
Der Marschall Redetzky war in Verona, und Carl Albert, bei
welchem nach der Aussage von Bauern am 22. sieben Couriere
aus allen Richtungen eintrafen, in Villafranca. Er scheint jetzt
ernstlich über seinen „glorreichen“ Versuch, ein einiges Jtalien
zu verschlingen, nachdenken zu müssen. Was in Venedig vorgeht,
lag sicher außer seiner Berechnung. Eine französische Jnterven-
tion, welche eine rasende Partei in Venedig anruft, wirft alle seine
Plane über den Haufen, und erregte in Mailand unter den Nobili
eine namenlose Bestürzung. ( W. Z. )

Triest 27. Juni. Einem heute hier erschienenen Bülletin zu-
folge herrscht in Venedig jetzt die größte Verwirrung. Am Mor-
gen des 23., heißt es in demselben, war den Venetianern aller
Muth entsunken, als sie von Fusina, St. Georgio in Alga und
St. Angelo her eine Kanonade vernahmen. Nachmittag erwar-
teten viele am Meeresufer den Ausgang des Kampfes. Um 6
Uhr endlich kehrten mehrere Fahrzeuge, welche am Morgen fröh-
lich ausgelaufen waren, übel zugerichtet zurück und wurden mit
Verwünschungen vom Volk empfangen. Jn den Straßen Vene-
digs gab sich eine große Unzufriedenheit kund, die sich besonders
laut gegen Tommaseo, Manin und die übrigen Minister der pro-
visorischen Regierung wie gegen Carl Albert äußerte. Der Tu-
mult stieg immer mehr, und hier und da rief man: Tod Manin-
Tommaseo, nieder mit der Republik, Tod den Verräthern, wir
haben kein Brod, Tod den Signori! Es leben die Deutschen!
Abends um 10 Uhr dauerte der Lärm noch immer fort. Man
mußte Generalmarsch schlagen; die Garnison stand unter den
Waffen und der Pöbel schien entschlossen ihr entgegen zu treten.
600 Mann kamen mit 4 Feldstücken von Malghera zu Hülfe,
aber das Volk schien sich nicht beruhigen zu wollen und erst gegen
Mitternacht gelang es, die Ordnung wiederherzustellen. ( A. Z. )

Jn Rom hat das Ministerium von der Kammer ein Ver-
trauensvotum erhalten. Die Gährung im kriegsmüden Volke ist
damit nicht beseitigt.

Frankreich.

*** Paris 1. Juli. Die Blätter zeichnen sich durch nichts aus
als durch ihre merkwürdige Leerheit, und leben einzig und allein
von den Nachträgen, welche sie zu den Ereignissen der letzten
Tage liefern. Jn der Nationalversammlung, die allmälig ihre
frühere ruhige Haltung wieder annimmt, kam der Gesetzvor-
schlag über die Wahl und Organisation der Gemeinderäthe, so-
wie der Bezirks= und Departementalräthe zur Berathung. Daß
alle diese Behörden aus dem allgemeinen Stimm= und Wahl-
rechte hervorgehen müssen, damit ist Jedermann einverstanden.
Was indessen die Organisation und Attributionen derselben be-
trifft, so sind das Dinge, die jetzt noch nicht definitiv geordnet
werden können und deren Erledigung von den in der neuen Ver-
fassung ausgesprochenen Grundprincipien abhängen wird. Nichts-
destoweniger kam Einiges jetzt schon zur Sprache, so unter An-
derem die Ernennung der Bürgermeister und Beigeordneten, wo
die verschiedenen Ansichten einander gegenüber standen. Die Einen
wollten nämlich diese Beamten wie früher durch die Regierung,
Andere wollten sie direct durch die Wähler, wieder Andere end-
lich durch die Gemeinderäthe ernennen lassen. Der Minister des
Jnnern erklärte sich im Namen der Regierung entschieden dage-
gen, daß Bürgermeister und Adjuncten gleich den Gemeinderäthen
direct gewählt werden sollten und meinte, man solle sie für
einstweilen und zwar nur versuchsweise durch die Gemeinderäthe
wählen lassen. Die Frage wurde an eine Commission gewiesen.
Sie ersehen daraus wenigstens so viel, daß die französische Bü-
reaukratie mit ihren Concessionen noch viel geiziger ist als die
deutsche! Zum Schlusse entschied die Kammer noch, daß auch der
Pariser Stadtrath wieder reorganisirt werden sollte und damit ist
wiederum eine der glorreichen Errungenschaften der Fe-
bruarrevolution, die ihn bekanntlich aufgelöst, preisgegeben
worden. Vorläufig wurde eine provisorische Commission mit der
Verwaltung beauftragt.

Auch das Ministerium des Jnnern, in welches unter der
früheren Regierung viele Schützlinge eingeschoben worden wa-
ren, ist reorganisirt und es sind dadurch bedeutende Ersparnisse
gemacht worden.

Auf Cormenins Antrag, den die Nationalversammlung
[Ende Spaltensatz]

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[0003] mit dem tausendstimmigen Hoch gemischt, da sah ich manche Thräne in meiner Nähe, ich sah Mitglieder der Nationalver- sammlung sich die Hände schütteln und sich umarmen vor Freude über die Wiedergeburt deutscher Einheit. Jch müßte mich sehr täuschen, wenn dieser Akt nicht seine Wirkung äußern sollte auf die künftige Haltung der Versammlung der Parteien. Daß sich die Linke gespalten, sehen Sie schon an der Abstimmung, ihre Mit- glieder haben sich nicht über das einzuhaltende Betragen einigen können. Die gemäßigteren ( 52 ) stimmten für Gagern ( dem dies gewiß sehr unlieb ) , die parlamentarischen Republikaner ( 32 ) , d. h. die sich wenigstens der Wahl unterwarfen, für Jtz- stein ( ! ) , und nur 25 enthielten sich der Wahl gänzlich. Das hervorragendste Mitglied der Linken, Raveaux, stimmte für Johann. Auffallend war, daß ein Mitglied der Linken zur Sicherung der größeren Freiheit der Wahl diese durch Stimm- zettel verlangte, worauf Heckscher treffend erwiederte, die münd- liche Abstimmung bei namentlichem Aufruf könne doch unmöglich unfrei seyn, sonst würde die Linke nicht so häufig die namentliche Abstimmung verlangen. Daß die Nationalversammlung sich durch diese Wahl das hohe Mißtrauen der Herren Ronge, Met- ternich und Bayrhoffer zugezogen, konnte man gestern Abend an den Straßenecken lesen. Die genannten drei Hrn. Demokraten geben am Fuße ihres Manifestes die Namen derer, welche gegen das Ge- setz über die Centralgewalt gestimmt und bezeichnen diese allein als die wahren Freunde des Volkes. Die guten Leute empfehlen da- bei, ohne es zu wissen, auch Mitglieder der äußersten Rechten, welche gegen das Gesetz gestimmt, weil es ihnen zu demokratisch ist! Ebenso lächerlich macht sich Herr Hofrath Kapp, dessen Absagebrief an den Vorsitzenden der Nationalver- sammlung an allen Ecken wie ein weltgeschichtliches Ereigniß zu lesen. Jch höre, die Mehrheit bedauert, daß die Linke dieses Mitglied verliert. Herr Kapp soll früher Mitarbetter an dem Berliner Wochenblatte gewesen seyn und sehr heftig gegen die badische Kammer geschrieben haben. Solcher Charaktere finden sich viele in den Reihen der jetzigen Republikaner. — Großes Schick- lichkeitsgefühl bekundete Herr Vogt, als er vorschlug, man solle dem Gewählten keine Deputation senden. Sieben Mit- glieder aber, wie einst die sieben Kurboten der sieben Kurfürsten, gehen heute nach Wien ab. Hoffentlich kehren sie sogleich mit dem Gewählten zurück; und hat der Reichsverweser nur erst seine Regierung gewählt, so wird wohl, darnach sehnt sich alle Welt, seine erste Regentenhandlung seyn, daß er den Reichs- frieden gebietet und überall strenge Zucht und Ordnung wieder herstellt. Keine Regierung ist populärer als eine starke Regie- rung. Keine aber auch ist in unsern Tagen heilsamer; denn heißt das der Freiheit dienen, daß man die Dinge so weit kommen läßt, wie in diesen Tagen in Paris? Wird nicht der Bürger, muß er nicht am Ende die Freiheit verfluchen, die darin besteht, daß man jedes, auch das verderblichste Mittel zur Erreichung politischer Zwecke den urtheillosen Massen anpreisen darf? Längst schon deuten alle Weiterblickenden auf die Sorte der Preßorgane, welche in Deutschland ebenso sicher zu Blut und Mord führen ______werden, wie sie in Frankreich den Giftrank mischten. Wenn durch die Presse jedes Verbrechen begangen werden darf, so lasset auch Denjenigen frei, der seinen Arm gebraucht, um seinen Nachbar zu erschlagen. Dann aber seyd gewiß, daß man schon in wenigen Monden, ja Wochen, in Deutschland die Freiheit der Presse ebenso verwünscht, wie jetzt die in Blut gebadete Pariser Nationalgarde die verderblichen Lehren von Louis Blanc. Keine deutsche Regie- rung kann sich ein größeres Verdienst um den künftigen Bestand der deutschen Preßfreiheit erwerben, als die, welche gegen jedes Preßvergehen strenge einschreitet, denn die jetzigen Ausschweifun- gen der nach Blut riechenden Blätter sind das Einzige, was dem gefürchteten Gespenste der Reaction wieder Mark und Knochen verleihen wird. ( D. Z. ) Schweiz. D Aus der östlichen Schweiz 29. Juni. Versprechen ist immer leichter als halten, und darum muß das Volk sich wohl hüten, Alles, was seine Beglücker ihm Schönes verheißen, als etwas Sicheres und Zuverlässiges hinzunehmen. Als man im benachbarten Thurgau die geistlichen Stifte aufheben wollte, und dazu die Einwilligung des Volkes bedurfte, wurde gar Manches in Aussicht genommen, was zum Besten des Landes mit den sä- kularisirten Gütern geschehen solle, und damit auch die Humani- tät sich nicht gegen die Aufhebung erklären möge, ward verspro- chen, den betreffenden geistlichen Personen einen anständigen Jahresgehalt zu reichen. Jetzt aber wird nach neuerem Beschlusse von der zu errichtenden Armenanstalt in Fischingen abstrahirt, und die ohnehin niedrigen Pensionsgehalte werden um 100 Gul- den reduzirt, und wohl wird's nicht mehr gar lange dauern, so sind die eingezogenen Güter in Privatbesitz, das Geld ist ver- schwunden und das Volk ist dennoch ohne Erleichterung geblieben. Aber ist's nicht stets so gegangen? Jtalien. Wien 27. Juni. Die heutigen Nachrichten aus Verona vom 23. und aus Treviso vom 25. melden, außer der bereits gestern angezeigten Uebergabe Palmanuova's, wo außer den ungeheuren Kriegsvorräthen, welche Zucchi von Venedig hinschleppen ließ, eine Million in Baarem vorgefunden wurde, nichts Erhebliches. Der Marschall Redetzky war in Verona, und Carl Albert, bei welchem nach der Aussage von Bauern am 22. sieben Couriere aus allen Richtungen eintrafen, in Villafranca. Er scheint jetzt ernstlich über seinen „glorreichen“ Versuch, ein einiges Jtalien zu verschlingen, nachdenken zu müssen. Was in Venedig vorgeht, lag sicher außer seiner Berechnung. Eine französische Jnterven- tion, welche eine rasende Partei in Venedig anruft, wirft alle seine Plane über den Haufen, und erregte in Mailand unter den Nobili eine namenlose Bestürzung. ( W. Z. ) Triest 27. Juni. Einem heute hier erschienenen Bülletin zu- folge herrscht in Venedig jetzt die größte Verwirrung. Am Mor- gen des 23., heißt es in demselben, war den Venetianern aller Muth entsunken, als sie von Fusina, St. Georgio in Alga und St. Angelo her eine Kanonade vernahmen. Nachmittag erwar- teten viele am Meeresufer den Ausgang des Kampfes. Um 6 Uhr endlich kehrten mehrere Fahrzeuge, welche am Morgen fröh- lich ausgelaufen waren, übel zugerichtet zurück und wurden mit Verwünschungen vom Volk empfangen. Jn den Straßen Vene- digs gab sich eine große Unzufriedenheit kund, die sich besonders laut gegen Tommaseo, Manin und die übrigen Minister der pro- visorischen Regierung wie gegen Carl Albert äußerte. Der Tu- mult stieg immer mehr, und hier und da rief man: Tod Manin- Tommaseo, nieder mit der Republik, Tod den Verräthern, wir haben kein Brod, Tod den Signori! Es leben die Deutschen! Abends um 10 Uhr dauerte der Lärm noch immer fort. Man mußte Generalmarsch schlagen; die Garnison stand unter den Waffen und der Pöbel schien entschlossen ihr entgegen zu treten. 600 Mann kamen mit 4 Feldstücken von Malghera zu Hülfe, aber das Volk schien sich nicht beruhigen zu wollen und erst gegen Mitternacht gelang es, die Ordnung wiederherzustellen. ( A. Z. ) Jn Rom hat das Ministerium von der Kammer ein Ver- trauensvotum erhalten. Die Gährung im kriegsmüden Volke ist damit nicht beseitigt. Frankreich. *** Paris 1. Juli. Die Blätter zeichnen sich durch nichts aus als durch ihre merkwürdige Leerheit, und leben einzig und allein von den Nachträgen, welche sie zu den Ereignissen der letzten Tage liefern. Jn der Nationalversammlung, die allmälig ihre frühere ruhige Haltung wieder annimmt, kam der Gesetzvor- schlag über die Wahl und Organisation der Gemeinderäthe, so- wie der Bezirks= und Departementalräthe zur Berathung. Daß alle diese Behörden aus dem allgemeinen Stimm= und Wahl- rechte hervorgehen müssen, damit ist Jedermann einverstanden. Was indessen die Organisation und Attributionen derselben be- trifft, so sind das Dinge, die jetzt noch nicht definitiv geordnet werden können und deren Erledigung von den in der neuen Ver- fassung ausgesprochenen Grundprincipien abhängen wird. Nichts- destoweniger kam Einiges jetzt schon zur Sprache, so unter An- derem die Ernennung der Bürgermeister und Beigeordneten, wo die verschiedenen Ansichten einander gegenüber standen. Die Einen wollten nämlich diese Beamten wie früher durch die Regierung, Andere wollten sie direct durch die Wähler, wieder Andere end- lich durch die Gemeinderäthe ernennen lassen. Der Minister des Jnnern erklärte sich im Namen der Regierung entschieden dage- gen, daß Bürgermeister und Adjuncten gleich den Gemeinderäthen direct gewählt werden sollten und meinte, man solle sie für einstweilen und zwar nur versuchsweise durch die Gemeinderäthe wählen lassen. Die Frage wurde an eine Commission gewiesen. Sie ersehen daraus wenigstens so viel, daß die französische Bü- reaukratie mit ihren Concessionen noch viel geiziger ist als die deutsche! Zum Schlusse entschied die Kammer noch, daß auch der Pariser Stadtrath wieder reorganisirt werden sollte und damit ist wiederum eine der glorreichen Errungenschaften der Fe- bruarrevolution, die ihn bekanntlich aufgelöst, preisgegeben worden. Vorläufig wurde eine provisorische Commission mit der Verwaltung beauftragt. Auch das Ministerium des Jnnern, in welches unter der früheren Regierung viele Schützlinge eingeschoben worden wa- ren, ist reorganisirt und es sind dadurch bedeutende Ersparnisse gemacht worden. Auf Cormenins Antrag, den die Nationalversammlung

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 19. Mainz, 4. Juli 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal019_1848/3>, abgerufen am 21.11.2024.