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Mainzer Journal. Nr. 15. Mainz, 30. Juni 1848.

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[Beginn Spaltensatz] nahe. Seit gestern haben wir Alles aufgeboten, um die Trüm-
mer dieses von Böswilligen verführten, geleiteten und ver-
hetzten Volkes eines Bessern zu belehren. Noch eine Anstrengung
-- und das Vaterland ist gerettet. Ueberall muß die Ordnung
wiederhergestellt werden und es sind alle Maaßregeln getroffen, daß
die Justiz in ihrem Laufe nirgends gehemmt werde. Der Triumph
der Ordnung und Freiheit, mit einem Worte der Republik, soll
indessen nie das Signal zu Repressalien werden, welche eure
Herzen verabscheuen." Jn einer andern Proclamation vom 26.
ermahnt der Obergeneral die Nationalgarde und das Heer zur Ruhe
und Mäßigung. Jn Paris, sagt er, gibt es im Augenblick nur Sieger
und Besiegte, allein mein Name soll verflucht seyn, wenn ich
je meine Einwilligung dazu gebe, daß irgend Jemand der Leiden-
schaft als Opfer falle. Der General erklärt weiter, er werde
nach Beendigung des Kampfes in den Privatstand zurücktreten.

Außer der "Presse," einem ganz anständigen Blatte, das
nur manchmal den Mund etwas voll nahm, sind noch die folgen-
den Zeitungen, ein hübsches Bild der Pariser Presse, unterdrückt
worden: la Revolution, -- la vraie Republique, -- l' Organisa-
tion du travail, -- l'Assemblee nationale, -- le Napoleon re-
publicain, -- le Journal de la canaille, -- le Lampion, -- la
Liberte, -- le Pere Duchene
und le Pilori ( auf deutsch: der
Pranger oder Schandpfahl ) .

Die letzte Forderung, welche die Jnsurgenten im [unleserliches Material - 8 Zeichen fehlen]Faubourg
St. Antoine gestellt hatten, nachdem alle früheren Verhandlungen
mit ihnen fruchtlos geblieben waren, lautete: vollständige
und allgemeine Amnestie.
Cavaignac und die Volksreprä-
sentanten erklärten dagegen, daß davon keine Rede seyn könne,
nur noch Eines sey möglich: unbedingte Unterwerfung.
Darauf begann der letzte Kampf. Außer den schon bekannten
Verwaltungsmaasregeln, daß jeder Nationalgarde, der beim
Aufruhr an Ort und Stelle nicht erscheint, entwaffnet, -- die
gefährlichen Clubs geschlossen -- und die Hetzblätter unterdrückt
werden sollen, hat die Nationalversammlung in der Sitzung
vom 26. auch eine Untersuchungscommission ernannt, welche die
Veranlassung des letzten Aufruhrs und nachträglich auch der
Emeute vom 15. Mai, so wie Alles, was damit zusammenhängt,
erforschen soll. Ein anderer Gesetzentwurf bestimmt, daß Alle,
welche mit den Waffen in der Hand ergriffen werden, in die
überseeischen Besitzungen der Republik, jedoch mit Ausnahme
Algiers, deportirt werden sollen.

Soldaten aller Waffen und Nationalgarden strömen in das
erzbischöfliche Haus und bitten knieend und weinend den Ober-
hirten um seinen Segen.

Als Führer des Aufstandes nennt man, neben Lebon und
Kersausie, Huber und Cabet. Der getödtete Laroche war Präsident
des Clubs vom Berge. Jm Tuilerieenpalaste hat man für die Ver-
wundeten ein einstweiliges Spital mit 120 Betten errichtet; ein
ähnliches Hülfsspital ist im Louvre; von allen Seiten bringt
man Betten, Leinwand und Charpie dahin. Bei dem ver-
bafteten früheren Marineoffizier Deflotte, der schon in das
Complott vom 15. Mai verwickelt war, hat man 150,000
Frs. gefunden. Auf dem Boulevard ward gestern der Re-
präsentant Lagrange, der sehr zur Unzeit der Nationnlgarde
brüderliches Verhalten gegen die Jnsurgenten predigte, verhaftet
und nur durch Vermittelung eines Oberoffiziers ohne Mißhandlung
entlassen. An der Barriere Curcelles hielt man eine Frau an, die
anscheinend ein sechspfündiges Brod trug; es war ganz mit Patro-
nen gefüllt. Aehnliche Brode mit Patronen hat man korbweise an-
deren Weibern weggenommen, die sämmtlich zur Ermittelung der
Absender verhaftet wurden. Auf der Policei=Präfectur hat man eine
Militär=Commission niedergesetzt und ihr sechs Stellvertreter des
Procurators der Republik beigegeben. Alle früheren Sträflinge,
freigelassene Galeerensclaven, so wie alle, bei denen man ansehnliche
Geldsummen fand, sind in dieselbe Kategorie gebracht worden, die
man sofort dem Militärgericht zugewiesen hat. Jn Bezug auf die
übrigen Gefangenen bleibt die Untersuchung noch aufgeschoben.
Jns Hotel Dieu hatte man verwundete Jnsurgenten gebracht;
sie rissen sich den Verband ab und schrieen: "Wir wollen unseren
Todfeinden nichts verdanken; wir wollen nur eins: Schweine-
fleischessen!
" Um den Sinn der letzteren Worte befragt, er-
wiederten sie: "Schweinefleisch ist das Fleisch der Nationalgarde
und der Truppen!"

Aus einer Menge Departements sind die Nationalgarden nach
Paris geeilt und haben die Neuigkeit mitgebracht, daß die ganze Be-
völkerung nur eines Winkes harre, um nach Paris zu strömen und
der Revolution ein Ende zu bereiten. Frankreich ist all dieser com-
munistischen Wühlereien herzlich müde und wird ihrer jetzt auch
unfehlbar eine Zeit lang los werden. Daß übrigens so tief
sitzende materielle und geistige Schäden mit einem blosen " Terro-
rismus der Ordnung" nicht geheilt werden können, versteht sich
von selbst, und wir bezweifeln vorläufig, daß die gegenwärtigen
französischen Staatsleute, die alle noch mehr oder minder bei Vol-
[Spaltenumbruch] taire in die Schule gegangen sind, in der Wahl ihrer Mittel
glücklich seyn werden.

Rußland und Polen.

Von der russischen Grenze 19. Juni. Es ist wahrhaft lä-
cherlich, welche Märchen die klugen Moskowiter den guten Deut-
schen über die Ursache der Anhäufung ihrer Heeresmassen an der
deutschen Grenze aufbinden können. Zu ihrer Einschläferung ver-
breiten sie jetzt das Gerücht, alle diese Armeen gälten nicht einer
Jnvasion in Preußen oder Oesterreich, sondern blos Krakau, von
wo in kurzem eine polnische Schilderhebung bevorstehe. Also zur
Occupation von Krakau und zur Niederhaltung der dortigen pol-
nischen Agitation bedürfte es einer Armee von Hunderttausenden?
Und hieße nicht Krakau angreifen den Krieg gegen Oesterreich er-
klären, da Krakau ja österreichisch ist? Nein, offenbar gilt es der
Ausführung großer Plane rücksichtlich Deutschlands, Frankreichs,
überhaupt des liberalen Princips, wenn Rußland jetzt seine
Heere an der deutschen Grenze so zahlreich zusammenzieht. Ob
di eselben die Grenze überschreiten werden? Von der Haltung der
Parteien in Deutschland hängt dies ab. Fahren die Radicalen
fort, die Czechen in Böhmen, die Polen in Posen, die Jtaliener
im Littorale und in Tirol zu unterstützen, die Franzosen nach
Deutschland zu invitiren und das berliner souveraine Volk zu
vertheidigen, wenn es im Zeughause die Waffen und Munition
stiehlt und die deutschen Siegstrophäen mit Füßen tritt: dann
werden die Russen nicht verfehlen, in dieses desorganisirte Deutsch-
land einzurücken und dasselbe, da die Herren Radicalen wie ge-
wöhnlich davonlaufen und ihr Hauptquartier Paris suchen werden,
zu occupiren. Gelingt es aber der wahrhaft liberalen Partei in
Deutschland, die Deutschen unter wahrhaft liberalen Gesetzen in
einen Bundesstaat zu verschmelzen, die Ruhe, Sicherheit, den
Credit, Handel und Wohlstand wiederherzustellen und zu befesti-
gen, dann wird Rußland es nicht wagen, die deutsche Grenze
zu überschreiten, weil das gebildete und wahrhaft liberale Deutsch-
land sich wie Ein Mann gegen dasselbe erheben und seine wahren
Güter erfolgreich vertheidigen würde. ( D. A. Z. )

Griechenland.

Athen 19. Juni. Durch ein Rundschreiben des Kriegsmini-
sters bringt derselbe zur Kenntniß des Landes, daß der Kampf mit
den Aufständischen, die in Verbindung mit albanesischen Türken
die Provinzen Phthiotis und Lokris beunruhigt hatten, beendigt
sey, und daß dieselben von den königlichen Truppen überall ge-
schlagen, sich über die Grenze geflüchtet und wieder im türkischen
Gebiet festgesetzt hätten. Die beiden im Peloponnes von wahn-
sinnigen Mavrocordatisten erregten Aufstände zerflossen am selben
Tage noch in ihr Nichts, und die am meisten betheiligten flüchte-
ten sich auf elenden Barken in der Richtung gegen Zante hin.
Zum hundertstenmale hat nun das griechische Volk bewiesen, wie
sehr es jeder Unordnung, jeder Aufwieglung abhold ist, und wie
es selbst zu jeder Stunde bereit ist die Waffen zu ergreifen um die
Ruhestörer, welchen Namen sie sich auch geben mögen zu vernich-
ten. Es ist zu bedauern, daß die ökonomischen Verhältnisse des
Landes es schwierig gemacht haben, ein paar Bataillone regu-
lärer Truppen mehr zu besitzen, wodurch die Regierung nicht
nur der Nothwendigkeit enthoben wäre, die arbeitsame Bevöl-
kerung zu den Waffen zu rufen, was mit Mehrausgaben und
bedeutenden andern Nachtheilen verbunden ist, sondern auch zu
jeder Stunde in den Stand gesetzt wäre, so unsinnigen Unter-
nehmungen augenblicklich ein Ziel zu setzen. Sir Stratford Can-
ning, der großbritannische Gesandte in Konstantinopel, ist endlich
von seiner Rundreise in Europa auf englischem Dampfboote im
Piräeus angekommen, und begab sich noch spät Abends nach
Athen, wo er im Gasthof "England" abstieg. Da Se. Maj.
der König den englischen Diplomaten schon von seinem früheren
Aufenthalte in Athen her kannte, so wurde derselbe mit Umgehung
einer offiziellen Vorstellung zu einer vertraulichen Audienz einge-
laden. Der König unterhielt sich über zwei Stunden mit dem-
selben. Jnwiefern die vorübergehende Anwesenheit Sir Strat-
ford Cannings in Athen auf die Gestaltung unserer innern politi-
schen Verhältnisse einen Einfluß ausüben soll, kennt bis jetzt
niemand weder der Absicht nach, noch im Endresultate. Soweit
aber scheint sich das Urtheil derjenigen, welche mit ihm in nähere
Berührung kamen, festgestellt zu haben, daß er gerecht in der
Anschauung, mild im Urtheil und versöhnend in seinen Gesin-
nungen sey, was zunächst die Angelegenheiten Griechenlands be-
trifft. Jm großen Publicum hört man der Thatsache häufig er-
wähnen, daß Sir Edmund Lyons nicht so häufig bei Sir Strat-
ford Canning sich einfinde als man von vornherein annehmen zu
müssen glaubte, und allgemein will man bemerkt haben, daß Sir
Edmund Lyons ein gewisses Unbehagen, das bei seinem heftigen
Temperament leicht in Unmuth übergeht, nicht zu verbergen im
Stande ist. -- ( Dieses Schreiben geht über Frankreich, da die
Lloyd'schen Dampfschiffe durch die Blocade von Triest in ihren
Fahrten seit 14 Tagen unterbrochen wurden. ) ( A. Z. )

[Ende Spaltensatz]

Redacteur: Franz Sausen. -- Verlag von Kirchheim, Schott und Thielmann in Mainz. -- Druck von Florian Kupferberg.

[Beginn Spaltensatz] nahe. Seit gestern haben wir Alles aufgeboten, um die Trüm-
mer dieses von Böswilligen verführten, geleiteten und ver-
hetzten Volkes eines Bessern zu belehren. Noch eine Anstrengung
— und das Vaterland ist gerettet. Ueberall muß die Ordnung
wiederhergestellt werden und es sind alle Maaßregeln getroffen, daß
die Justiz in ihrem Laufe nirgends gehemmt werde. Der Triumph
der Ordnung und Freiheit, mit einem Worte der Republik, soll
indessen nie das Signal zu Repressalien werden, welche eure
Herzen verabscheuen.“ Jn einer andern Proclamation vom 26.
ermahnt der Obergeneral die Nationalgarde und das Heer zur Ruhe
und Mäßigung. Jn Paris, sagt er, gibt es im Augenblick nur Sieger
und Besiegte, allein mein Name soll verflucht seyn, wenn ich
je meine Einwilligung dazu gebe, daß irgend Jemand der Leiden-
schaft als Opfer falle. Der General erklärt weiter, er werde
nach Beendigung des Kampfes in den Privatstand zurücktreten.

Außer der „Presse,“ einem ganz anständigen Blatte, das
nur manchmal den Mund etwas voll nahm, sind noch die folgen-
den Zeitungen, ein hübsches Bild der Pariser Presse, unterdrückt
worden: la Révolution, — la vraie République, — l' Organisa-
tion du travail, — l'Assemblée nationale, — le Napoléon ré-
publicain, — le Journal de la canaille, — le Lampion, — la
Liberté, — le Père Duchêne
und le Pilori ( auf deutsch: der
Pranger oder Schandpfahl ) .

Die letzte Forderung, welche die Jnsurgenten im [unleserliches Material – 8 Zeichen fehlen]Faubourg
St. Antoine gestellt hatten, nachdem alle früheren Verhandlungen
mit ihnen fruchtlos geblieben waren, lautete: vollständige
und allgemeine Amnestie.
Cavaignac und die Volksreprä-
sentanten erklärten dagegen, daß davon keine Rede seyn könne,
nur noch Eines sey möglich: unbedingte Unterwerfung.
Darauf begann der letzte Kampf. Außer den schon bekannten
Verwaltungsmaasregeln, daß jeder Nationalgarde, der beim
Aufruhr an Ort und Stelle nicht erscheint, entwaffnet, — die
gefährlichen Clubs geschlossen — und die Hetzblätter unterdrückt
werden sollen, hat die Nationalversammlung in der Sitzung
vom 26. auch eine Untersuchungscommission ernannt, welche die
Veranlassung des letzten Aufruhrs und nachträglich auch der
Emeute vom 15. Mai, so wie Alles, was damit zusammenhängt,
erforschen soll. Ein anderer Gesetzentwurf bestimmt, daß Alle,
welche mit den Waffen in der Hand ergriffen werden, in die
überseeischen Besitzungen der Republik, jedoch mit Ausnahme
Algiers, deportirt werden sollen.

Soldaten aller Waffen und Nationalgarden strömen in das
erzbischöfliche Haus und bitten knieend und weinend den Ober-
hirten um seinen Segen.

Als Führer des Aufstandes nennt man, neben Lebon und
Kersausie, Huber und Cabet. Der getödtete Laroche war Präsident
des Clubs vom Berge. Jm Tuilerieenpalaste hat man für die Ver-
wundeten ein einstweiliges Spital mit 120 Betten errichtet; ein
ähnliches Hülfsspital ist im Louvre; von allen Seiten bringt
man Betten, Leinwand und Charpie dahin. Bei dem ver-
bafteten früheren Marineoffizier Deflotte, der schon in das
Complott vom 15. Mai verwickelt war, hat man 150,000
Frs. gefunden. Auf dem Boulevard ward gestern der Re-
präsentant Lagrange, der sehr zur Unzeit der Nationnlgarde
brüderliches Verhalten gegen die Jnsurgenten predigte, verhaftet
und nur durch Vermittelung eines Oberoffiziers ohne Mißhandlung
entlassen. An der Barriere Curcelles hielt man eine Frau an, die
anscheinend ein sechspfündiges Brod trug; es war ganz mit Patro-
nen gefüllt. Aehnliche Brode mit Patronen hat man korbweise an-
deren Weibern weggenommen, die sämmtlich zur Ermittelung der
Absender verhaftet wurden. Auf der Policei=Präfectur hat man eine
Militär=Commission niedergesetzt und ihr sechs Stellvertreter des
Procurators der Republik beigegeben. Alle früheren Sträflinge,
freigelassene Galeerensclaven, so wie alle, bei denen man ansehnliche
Geldsummen fand, sind in dieselbe Kategorie gebracht worden, die
man sofort dem Militärgericht zugewiesen hat. Jn Bezug auf die
übrigen Gefangenen bleibt die Untersuchung noch aufgeschoben.
Jns Hotel Dieu hatte man verwundete Jnsurgenten gebracht;
sie rissen sich den Verband ab und schrieen: „Wir wollen unseren
Todfeinden nichts verdanken; wir wollen nur eins: Schweine-
fleischessen!
“ Um den Sinn der letzteren Worte befragt, er-
wiederten sie: „Schweinefleisch ist das Fleisch der Nationalgarde
und der Truppen!“

Aus einer Menge Departements sind die Nationalgarden nach
Paris geeilt und haben die Neuigkeit mitgebracht, daß die ganze Be-
völkerung nur eines Winkes harre, um nach Paris zu strömen und
der Revolution ein Ende zu bereiten. Frankreich ist all dieser com-
munistischen Wühlereien herzlich müde und wird ihrer jetzt auch
unfehlbar eine Zeit lang los werden. Daß übrigens so tief
sitzende materielle und geistige Schäden mit einem blosen „ Terro-
rismus der Ordnung“ nicht geheilt werden können, versteht sich
von selbst, und wir bezweifeln vorläufig, daß die gegenwärtigen
französischen Staatsleute, die alle noch mehr oder minder bei Vol-
[Spaltenumbruch] taire in die Schule gegangen sind, in der Wahl ihrer Mittel
glücklich seyn werden.

Rußland und Polen.

Von der russischen Grenze 19. Juni. Es ist wahrhaft lä-
cherlich, welche Märchen die klugen Moskowiter den guten Deut-
schen über die Ursache der Anhäufung ihrer Heeresmassen an der
deutschen Grenze aufbinden können. Zu ihrer Einschläferung ver-
breiten sie jetzt das Gerücht, alle diese Armeen gälten nicht einer
Jnvasion in Preußen oder Oesterreich, sondern blos Krakau, von
wo in kurzem eine polnische Schilderhebung bevorstehe. Also zur
Occupation von Krakau und zur Niederhaltung der dortigen pol-
nischen Agitation bedürfte es einer Armee von Hunderttausenden?
Und hieße nicht Krakau angreifen den Krieg gegen Oesterreich er-
klären, da Krakau ja österreichisch ist? Nein, offenbar gilt es der
Ausführung großer Plane rücksichtlich Deutschlands, Frankreichs,
überhaupt des liberalen Princips, wenn Rußland jetzt seine
Heere an der deutschen Grenze so zahlreich zusammenzieht. Ob
di eselben die Grenze überschreiten werden? Von der Haltung der
Parteien in Deutschland hängt dies ab. Fahren die Radicalen
fort, die Czechen in Böhmen, die Polen in Posen, die Jtaliener
im Littorale und in Tirol zu unterstützen, die Franzosen nach
Deutschland zu invitiren und das berliner souveraine Volk zu
vertheidigen, wenn es im Zeughause die Waffen und Munition
stiehlt und die deutschen Siegstrophäen mit Füßen tritt: dann
werden die Russen nicht verfehlen, in dieses desorganisirte Deutsch-
land einzurücken und dasselbe, da die Herren Radicalen wie ge-
wöhnlich davonlaufen und ihr Hauptquartier Paris suchen werden,
zu occupiren. Gelingt es aber der wahrhaft liberalen Partei in
Deutschland, die Deutschen unter wahrhaft liberalen Gesetzen in
einen Bundesstaat zu verschmelzen, die Ruhe, Sicherheit, den
Credit, Handel und Wohlstand wiederherzustellen und zu befesti-
gen, dann wird Rußland es nicht wagen, die deutsche Grenze
zu überschreiten, weil das gebildete und wahrhaft liberale Deutsch-
land sich wie Ein Mann gegen dasselbe erheben und seine wahren
Güter erfolgreich vertheidigen würde. ( D. A. Z. )

Griechenland.

Athen 19. Juni. Durch ein Rundschreiben des Kriegsmini-
sters bringt derselbe zur Kenntniß des Landes, daß der Kampf mit
den Aufständischen, die in Verbindung mit albanesischen Türken
die Provinzen Phthiotis und Lokris beunruhigt hatten, beendigt
sey, und daß dieselben von den königlichen Truppen überall ge-
schlagen, sich über die Grenze geflüchtet und wieder im türkischen
Gebiet festgesetzt hätten. Die beiden im Peloponnes von wahn-
sinnigen Mavrocordatisten erregten Aufstände zerflossen am selben
Tage noch in ihr Nichts, und die am meisten betheiligten flüchte-
ten sich auf elenden Barken in der Richtung gegen Zante hin.
Zum hundertstenmale hat nun das griechische Volk bewiesen, wie
sehr es jeder Unordnung, jeder Aufwieglung abhold ist, und wie
es selbst zu jeder Stunde bereit ist die Waffen zu ergreifen um die
Ruhestörer, welchen Namen sie sich auch geben mögen zu vernich-
ten. Es ist zu bedauern, daß die ökonomischen Verhältnisse des
Landes es schwierig gemacht haben, ein paar Bataillone regu-
lärer Truppen mehr zu besitzen, wodurch die Regierung nicht
nur der Nothwendigkeit enthoben wäre, die arbeitsame Bevöl-
kerung zu den Waffen zu rufen, was mit Mehrausgaben und
bedeutenden andern Nachtheilen verbunden ist, sondern auch zu
jeder Stunde in den Stand gesetzt wäre, so unsinnigen Unter-
nehmungen augenblicklich ein Ziel zu setzen. Sir Stratford Can-
ning, der großbritannische Gesandte in Konstantinopel, ist endlich
von seiner Rundreise in Europa auf englischem Dampfboote im
Piräeus angekommen, und begab sich noch spät Abends nach
Athen, wo er im Gasthof „England“ abstieg. Da Se. Maj.
der König den englischen Diplomaten schon von seinem früheren
Aufenthalte in Athen her kannte, so wurde derselbe mit Umgehung
einer offiziellen Vorstellung zu einer vertraulichen Audienz einge-
laden. Der König unterhielt sich über zwei Stunden mit dem-
selben. Jnwiefern die vorübergehende Anwesenheit Sir Strat-
ford Cannings in Athen auf die Gestaltung unserer innern politi-
schen Verhältnisse einen Einfluß ausüben soll, kennt bis jetzt
niemand weder der Absicht nach, noch im Endresultate. Soweit
aber scheint sich das Urtheil derjenigen, welche mit ihm in nähere
Berührung kamen, festgestellt zu haben, daß er gerecht in der
Anschauung, mild im Urtheil und versöhnend in seinen Gesin-
nungen sey, was zunächst die Angelegenheiten Griechenlands be-
trifft. Jm großen Publicum hört man der Thatsache häufig er-
wähnen, daß Sir Edmund Lyons nicht so häufig bei Sir Strat-
ford Canning sich einfinde als man von vornherein annehmen zu
müssen glaubte, und allgemein will man bemerkt haben, daß Sir
Edmund Lyons ein gewisses Unbehagen, das bei seinem heftigen
Temperament leicht in Unmuth übergeht, nicht zu verbergen im
Stande ist. — ( Dieses Schreiben geht über Frankreich, da die
Lloyd'schen Dampfschiffe durch die Blocade von Triest in ihren
Fahrten seit 14 Tagen unterbrochen wurden. ) ( A. Z. )

[Ende Spaltensatz]

Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim, Schott und Thielmann in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg.

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[0004] nahe. Seit gestern haben wir Alles aufgeboten, um die Trüm- mer dieses von Böswilligen verführten, geleiteten und ver- hetzten Volkes eines Bessern zu belehren. Noch eine Anstrengung — und das Vaterland ist gerettet. Ueberall muß die Ordnung wiederhergestellt werden und es sind alle Maaßregeln getroffen, daß die Justiz in ihrem Laufe nirgends gehemmt werde. Der Triumph der Ordnung und Freiheit, mit einem Worte der Republik, soll indessen nie das Signal zu Repressalien werden, welche eure Herzen verabscheuen.“ Jn einer andern Proclamation vom 26. ermahnt der Obergeneral die Nationalgarde und das Heer zur Ruhe und Mäßigung. Jn Paris, sagt er, gibt es im Augenblick nur Sieger und Besiegte, allein mein Name soll verflucht seyn, wenn ich je meine Einwilligung dazu gebe, daß irgend Jemand der Leiden- schaft als Opfer falle. Der General erklärt weiter, er werde nach Beendigung des Kampfes in den Privatstand zurücktreten. Außer der „Presse,“ einem ganz anständigen Blatte, das nur manchmal den Mund etwas voll nahm, sind noch die folgen- den Zeitungen, ein hübsches Bild der Pariser Presse, unterdrückt worden: la Révolution, — la vraie République, — l' Organisa- tion du travail, — l'Assemblée nationale, — le Napoléon ré- publicain, — le Journal de la canaille, — le Lampion, — la Liberté, — le Père Duchêne und le Pilori ( auf deutsch: der Pranger oder Schandpfahl ) . Die letzte Forderung, welche die Jnsurgenten im ________Faubourg St. Antoine gestellt hatten, nachdem alle früheren Verhandlungen mit ihnen fruchtlos geblieben waren, lautete: vollständige und allgemeine Amnestie. Cavaignac und die Volksreprä- sentanten erklärten dagegen, daß davon keine Rede seyn könne, nur noch Eines sey möglich: unbedingte Unterwerfung. Darauf begann der letzte Kampf. Außer den schon bekannten Verwaltungsmaasregeln, daß jeder Nationalgarde, der beim Aufruhr an Ort und Stelle nicht erscheint, entwaffnet, — die gefährlichen Clubs geschlossen — und die Hetzblätter unterdrückt werden sollen, hat die Nationalversammlung in der Sitzung vom 26. auch eine Untersuchungscommission ernannt, welche die Veranlassung des letzten Aufruhrs und nachträglich auch der Emeute vom 15. Mai, so wie Alles, was damit zusammenhängt, erforschen soll. Ein anderer Gesetzentwurf bestimmt, daß Alle, welche mit den Waffen in der Hand ergriffen werden, in die überseeischen Besitzungen der Republik, jedoch mit Ausnahme Algiers, deportirt werden sollen. Soldaten aller Waffen und Nationalgarden strömen in das erzbischöfliche Haus und bitten knieend und weinend den Ober- hirten um seinen Segen. Als Führer des Aufstandes nennt man, neben Lebon und Kersausie, Huber und Cabet. Der getödtete Laroche war Präsident des Clubs vom Berge. Jm Tuilerieenpalaste hat man für die Ver- wundeten ein einstweiliges Spital mit 120 Betten errichtet; ein ähnliches Hülfsspital ist im Louvre; von allen Seiten bringt man Betten, Leinwand und Charpie dahin. Bei dem ver- bafteten früheren Marineoffizier Deflotte, der schon in das Complott vom 15. Mai verwickelt war, hat man 150,000 Frs. gefunden. Auf dem Boulevard ward gestern der Re- präsentant Lagrange, der sehr zur Unzeit der Nationnlgarde brüderliches Verhalten gegen die Jnsurgenten predigte, verhaftet und nur durch Vermittelung eines Oberoffiziers ohne Mißhandlung entlassen. An der Barriere Curcelles hielt man eine Frau an, die anscheinend ein sechspfündiges Brod trug; es war ganz mit Patro- nen gefüllt. Aehnliche Brode mit Patronen hat man korbweise an- deren Weibern weggenommen, die sämmtlich zur Ermittelung der Absender verhaftet wurden. Auf der Policei=Präfectur hat man eine Militär=Commission niedergesetzt und ihr sechs Stellvertreter des Procurators der Republik beigegeben. Alle früheren Sträflinge, freigelassene Galeerensclaven, so wie alle, bei denen man ansehnliche Geldsummen fand, sind in dieselbe Kategorie gebracht worden, die man sofort dem Militärgericht zugewiesen hat. Jn Bezug auf die übrigen Gefangenen bleibt die Untersuchung noch aufgeschoben. Jns Hotel Dieu hatte man verwundete Jnsurgenten gebracht; sie rissen sich den Verband ab und schrieen: „Wir wollen unseren Todfeinden nichts verdanken; wir wollen nur eins: Schweine- fleischessen! “ Um den Sinn der letzteren Worte befragt, er- wiederten sie: „Schweinefleisch ist das Fleisch der Nationalgarde und der Truppen!“ Aus einer Menge Departements sind die Nationalgarden nach Paris geeilt und haben die Neuigkeit mitgebracht, daß die ganze Be- völkerung nur eines Winkes harre, um nach Paris zu strömen und der Revolution ein Ende zu bereiten. Frankreich ist all dieser com- munistischen Wühlereien herzlich müde und wird ihrer jetzt auch unfehlbar eine Zeit lang los werden. Daß übrigens so tief sitzende materielle und geistige Schäden mit einem blosen „ Terro- rismus der Ordnung“ nicht geheilt werden können, versteht sich von selbst, und wir bezweifeln vorläufig, daß die gegenwärtigen französischen Staatsleute, die alle noch mehr oder minder bei Vol- taire in die Schule gegangen sind, in der Wahl ihrer Mittel glücklich seyn werden. Rußland und Polen. Von der russischen Grenze 19. Juni. Es ist wahrhaft lä- cherlich, welche Märchen die klugen Moskowiter den guten Deut- schen über die Ursache der Anhäufung ihrer Heeresmassen an der deutschen Grenze aufbinden können. Zu ihrer Einschläferung ver- breiten sie jetzt das Gerücht, alle diese Armeen gälten nicht einer Jnvasion in Preußen oder Oesterreich, sondern blos Krakau, von wo in kurzem eine polnische Schilderhebung bevorstehe. Also zur Occupation von Krakau und zur Niederhaltung der dortigen pol- nischen Agitation bedürfte es einer Armee von Hunderttausenden? Und hieße nicht Krakau angreifen den Krieg gegen Oesterreich er- klären, da Krakau ja österreichisch ist? Nein, offenbar gilt es der Ausführung großer Plane rücksichtlich Deutschlands, Frankreichs, überhaupt des liberalen Princips, wenn Rußland jetzt seine Heere an der deutschen Grenze so zahlreich zusammenzieht. Ob di eselben die Grenze überschreiten werden? Von der Haltung der Parteien in Deutschland hängt dies ab. Fahren die Radicalen fort, die Czechen in Böhmen, die Polen in Posen, die Jtaliener im Littorale und in Tirol zu unterstützen, die Franzosen nach Deutschland zu invitiren und das berliner souveraine Volk zu vertheidigen, wenn es im Zeughause die Waffen und Munition stiehlt und die deutschen Siegstrophäen mit Füßen tritt: dann werden die Russen nicht verfehlen, in dieses desorganisirte Deutsch- land einzurücken und dasselbe, da die Herren Radicalen wie ge- wöhnlich davonlaufen und ihr Hauptquartier Paris suchen werden, zu occupiren. Gelingt es aber der wahrhaft liberalen Partei in Deutschland, die Deutschen unter wahrhaft liberalen Gesetzen in einen Bundesstaat zu verschmelzen, die Ruhe, Sicherheit, den Credit, Handel und Wohlstand wiederherzustellen und zu befesti- gen, dann wird Rußland es nicht wagen, die deutsche Grenze zu überschreiten, weil das gebildete und wahrhaft liberale Deutsch- land sich wie Ein Mann gegen dasselbe erheben und seine wahren Güter erfolgreich vertheidigen würde. ( D. A. Z. ) Griechenland. Athen 19. Juni. Durch ein Rundschreiben des Kriegsmini- sters bringt derselbe zur Kenntniß des Landes, daß der Kampf mit den Aufständischen, die in Verbindung mit albanesischen Türken die Provinzen Phthiotis und Lokris beunruhigt hatten, beendigt sey, und daß dieselben von den königlichen Truppen überall ge- schlagen, sich über die Grenze geflüchtet und wieder im türkischen Gebiet festgesetzt hätten. Die beiden im Peloponnes von wahn- sinnigen Mavrocordatisten erregten Aufstände zerflossen am selben Tage noch in ihr Nichts, und die am meisten betheiligten flüchte- ten sich auf elenden Barken in der Richtung gegen Zante hin. Zum hundertstenmale hat nun das griechische Volk bewiesen, wie sehr es jeder Unordnung, jeder Aufwieglung abhold ist, und wie es selbst zu jeder Stunde bereit ist die Waffen zu ergreifen um die Ruhestörer, welchen Namen sie sich auch geben mögen zu vernich- ten. Es ist zu bedauern, daß die ökonomischen Verhältnisse des Landes es schwierig gemacht haben, ein paar Bataillone regu- lärer Truppen mehr zu besitzen, wodurch die Regierung nicht nur der Nothwendigkeit enthoben wäre, die arbeitsame Bevöl- kerung zu den Waffen zu rufen, was mit Mehrausgaben und bedeutenden andern Nachtheilen verbunden ist, sondern auch zu jeder Stunde in den Stand gesetzt wäre, so unsinnigen Unter- nehmungen augenblicklich ein Ziel zu setzen. Sir Stratford Can- ning, der großbritannische Gesandte in Konstantinopel, ist endlich von seiner Rundreise in Europa auf englischem Dampfboote im Piräeus angekommen, und begab sich noch spät Abends nach Athen, wo er im Gasthof „England“ abstieg. Da Se. Maj. der König den englischen Diplomaten schon von seinem früheren Aufenthalte in Athen her kannte, so wurde derselbe mit Umgehung einer offiziellen Vorstellung zu einer vertraulichen Audienz einge- laden. Der König unterhielt sich über zwei Stunden mit dem- selben. Jnwiefern die vorübergehende Anwesenheit Sir Strat- ford Cannings in Athen auf die Gestaltung unserer innern politi- schen Verhältnisse einen Einfluß ausüben soll, kennt bis jetzt niemand weder der Absicht nach, noch im Endresultate. Soweit aber scheint sich das Urtheil derjenigen, welche mit ihm in nähere Berührung kamen, festgestellt zu haben, daß er gerecht in der Anschauung, mild im Urtheil und versöhnend in seinen Gesin- nungen sey, was zunächst die Angelegenheiten Griechenlands be- trifft. Jm großen Publicum hört man der Thatsache häufig er- wähnen, daß Sir Edmund Lyons nicht so häufig bei Sir Strat- ford Canning sich einfinde als man von vornherein annehmen zu müssen glaubte, und allgemein will man bemerkt haben, daß Sir Edmund Lyons ein gewisses Unbehagen, das bei seinem heftigen Temperament leicht in Unmuth übergeht, nicht zu verbergen im Stande ist. — ( Dieses Schreiben geht über Frankreich, da die Lloyd'schen Dampfschiffe durch die Blocade von Triest in ihren Fahrten seit 14 Tagen unterbrochen wurden. ) ( A. Z. ) Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim, Schott und Thielmann in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg.

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Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
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Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 15. Mainz, 30. Juni 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal015_1848/4>, abgerufen am 06.06.2024.