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Mainzer Journal. Nr. 8. Mainz, 22. Juni 1848.

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[Beginn Spaltensatz] Der Ban hat in Kroatien den Aufstand in Masse organisirt, und
die aufgestandenen Raizen im Banat sollen auch schon 15,000
Mann zählen, welche großentheils mit Flinten versehen sind. Sie
erhalten aus Belgrad bedeutende Zufuhren an Munition. Bei
Szegedin dürfte es bald zu einer offenen Feldschlacht kommen.
Sechstausend szekler Husaren aus Siebenbürgen sind dort bereits
eingetroffen, 48 Sechspfünder wurden von hier dahin befördert.
Heute ist hier das Standrecht gegen Mörder und Aufwieg-
ler aller Art publicirt worden. Ein Gleiches wird in dem ganzen
Lande geschehen. ( D. A. Z. )

Berlin 19. Juni. Die Ministerkrise ist beendet. Das Mini-
sterium in seiner jetzigen Zusammensetzung ist: Minister=Präsident
ohne Portefeuille: Camphausen; Minister der geistlichen,
Unterrichts- Angelegenheiten: Auerswald; Minister des
Jnnern: Rodbertus=Jagetzow; Minister der auswärtigen
Angelegenheiten: Freiherr v. Schleinitz; Minister der Justiz:
Bornemann; Minister des Krieges: Freiherr v. Schrecken-
stein;
Minister der Finanzen: Hansemann; Minister=Ver-
weser des Handels : Freiherr v. Patow. Bedeutende Gesetz-
entwürfe sind in allen Ministerien theils schon fertig, theils wer-
den sie vorbereitet.

== Aus Nassau 21. Juni. Wie es hier zu Lande in poli-
tischer Beziehung aussehe? fragen Sie. Nun im Allgemeinen
wohl so ziemlich wie bei Jhnen und in den übrigen Ländern und
Ländchen unseres Vaterlandes. Die Aufregung und gespannte
Erwartung der Dinge, die da kommen sollen vom Parlamente,
oder von der Vorsehung oder -- wer weiß woher sonst noch, ist
allgemein, Unordnungen dagegen und Störungen der öffentlichen
Ruhe sind nur sporadische Erscheinungen. Unser Volk in Stadt
und Land ist durchgehends noch so religiös gesinnt und fügen wir
bei, auch so vernünftig, daß es wohl einsieht, ohne Auctorität
und obrigkeitliche Gewalt sey ein Bestehen der gesellschaftlichen
Ordnung nicht möglich. Nach seiner schlichten und klaren Ein-
sicht hat noch immer der Ausspruch der Bibel, es sey keine Ge-
walt außer von Gott, seine volle Geltung, hat also der Herzog
noch immer das größere oder geringere Maß der Auctorität, das
die Erschütterungen unserer Zeit ihm gelassen, haben darum seine
Vertreter durchaus nicht in seinem Sinne gehandelt, als sie die
zu Anderem zu verwendende Zeit mit Debatten über die Abschaf-
fung der Form "Von Gottes Gnaden" vergeudeten. Bis jetzt
haben unsere Landstände nichts gethan, was dem Lande nützlich
wäre oder zu irgend welchem Vertrauen auf ihre künftige Wirk-
samkeit berechtigte. Geld haben sie aber schon genug gekostet.
Einzelnen Deputirten ist deßhalb auch bereits angedeutet worden,
sie mögen sich in diesem oder jenem Theile ihrer Wahldistricte
nicht blicken lassen, wenn sie nicht eines Empfanges gewärtig seyn
wollten, der ihnen die Rückkehr wohl verleiden würde. Dies
in der Kürze über das Verhältniß der Deputirten zu ihren Com-
mittenten. -- Sporadisch, sagte ich, seyen die Störungen der
öffentlichen Ruhe gewesen. Wo hier und da ein Schultheis oder
ein Pfarrer mit einem Theil seiner Gemeinde mit Recht oder Un-
recht in unangenehme Berührung gekommen war, da ließ man
unter dem Schilde der Freiheit nun seinem Unmuthe freien Lauf,
setzte jene ab und behelligte diese auf die verschiedenste Weise. Zu
solcher Selbsthilfe wäre es aber wohl schwerlich, selbst in den
jetzigen "freien" Zeiten, gekommen, hätte die Rechtspflege früher
bei uns nicht auf eine kaum glaubliche Weise im Argen gelegen,
und kann man hinzusetzen, hätte unser Herzog nicht zu den am 4.
März ihm, wie Hr. Ministerialpräsident Hergenhahn sich
ausdrückt, "verfassungsmäßig" gestellten, und freiwillig gewähr-
ten Forderungen, aus eigenem Antrieb die Gewährung freier
Gemeindeverwaltung beigefügt. Der Sprung von der seitherigen
Knechtung der Gemeinden durch den Staat zu einer noch durch
keinerlei Gesetz geregelten Freiheit der Gemeindeverwaltungen
war ein tödtlicher für mehrere, und wäre es vielleicht für alle ge-
worden, hätten alle gleichen Anlaß zu Ercessen in ihrem Schooße
geborgen. Kaum aber hatten diese einzelnen Ausbrüche sich ge-
legt, als ränkesüchtige Advocaten neuen Zündstoff, und zwar in
viel weiteren Kreisen, in die Gemeinden warfen. Sie benützten
nämlich die Freiheit der Presse und der Association, um die
Bauern zu belehren, der Zehnten sey eine ungerechte Abgabe und
müsse deßhalb ohne alle und jede Entschädigung abgeschafft wer-
den. Welchen Anklang solch eine Lehre gefunden, zeigt die Menge
der Petitionen, die in diesem Sinne bei der Ständeversammlung
bereits eingereicht worden seyn sollen. Daß hierbei nicht die
Rede ist von dem historischen Rechte, von dem Ausfalle in den
Staaseinkünften -- wenigstens gegen 300,000 fl., die jetzt auf
andere Weise vom Lande aufgebracht werden müssen -- und von
[Spaltenumbruch] dem Schaden, den einzelne Gemeinden erleiden, versteht sich bei
dergleichen Leuten ganz von selbst. Sorgen unsere Stände nicht
ungesäumt für ein diesfälliges Gesetz, so stehen für die nächste
Ernte schon neue Gewaltthaten in Menge bevor. Ob aber unsere
Vertreter nach ihrer Heldenthat gegen die Titulatur "Von Gottes
Gnaden" nicht noch lange auf ihren Lorbeeren ruhen werden,
das ist eine andere Frage. Nächstens mehr.

Großbritannien.

London 17. Juni. Am Dienstag will Hr. Hume seinen
Antrag auf die Reform des Parlamentes stellen. Man kann von
dieser Frage sagen, daß sie noch nicht reif ist. Die große Mehr-
heit der Engländer verlangt nach einer Verbesserung in der
Volksvertretung; aber die Ansichten über die Art dieser Verbes-
serung weichen noch sehr von einander ab. Das allgemeine
Stimmrecht ist voraussichtlich das letzte Ziel der Bewegung; aber
bis dahin will Jeder andere Stationen machen. Viele gehen mit
ihren Wünschen nicht so weit, wie Hr. Hume. Sie wollen eine Aus-
dehnung des Stimmrechtes nur dadurch herbeiführen, daß sie die
sehr verwickelten Bestimmungen über den für Wähler nöthigen Ver-
mögensnachweis vereinfachen und beschränken. Hr. Hume, dessen
unablässige Bemühungen für größere Sparsamkeit im Staats-
haushalt, Abschaffung von Sinecuren u. s. w. von allen Par-
teien, jetzt selbst von den ärgsten Tories, anerkannt werden, ist
kein Mann, der auf Andere großen Einfluß ausübt. Er ist zu
nüchtern, um durch seine Beredsamkeit die Herzen eines ganzen
Volkes zu erschüttern, und sein Verstand ist auch nicht höherer
Ordnung. Selbst Cobden ist kein Genie; er gehört auch in
der Geisterwelt der mittleren Klasse an. Der neuen Bewegung
schadet aber auch dieses, daß Viele sie als eigennützig und dazu
bestimmt ansehen, die mittleren Klassen vollends zur Herrschaft
zu erheben. Endlich ist in der letzten Zeit die Theilnahme des
Volkes durch alle die verhängnißvollen Begebenheiten auf dem
Festlande so sehr in Anspruch genommen gewesen, daß die inne-
ren Angelegenheiten nicht dieselbe Aufmerksamkeit gefunden haben.
Aber trotz aller dieser hindernden Umstände kann die Frage höch-
stens aufgeschoben werden; sie wird im eigentlichen Sinne eine
schwebende bleiben und über den Häuptern der englischen Aristo-
kratie hängen wie das Schwert des Damokles.

Von auswärtigen Angelegenheiten beschäftigt die spanische
Frage die Gemüther am meisten. Alle Parteien sind zu patrio-
tisch, um nicht Genugthuung von Spanien zu begehren. Auch die
Forderungen, welche England noch zu machen hat, zum Betrage
von 900,000 Pf. St., werden mit größerer Heftigkeit geltend
gemacht ( und das ist wohl die Hauptsache ) . Spanien wird die
Unklugheit seiner Minister noch mannigfach zu bereuen Gelegen-
heit haben. Nach dem Bruche mit England erheben die Parteien
ihr Haupt mit größerer Keckheit. Jn den Seestädten spricht man
schon von Espartero, ja, von der Republik.

Neueste Nachrichten.

Jn Wien dauern die alten trostlosen Zustände fort, nament-
lich werden die Arbeiter wieder sehr schwierig.

Wien 18. Juni. Man erfährt so eben durch Estaffette aus
Konstantinopel, daß es den russischen Emissären gelungen sey,
die Donaufürstenthümer aufzuwiegeln. Sie sollen eine
Nationalversammlung zusammenberufen, und die Frage des di-
recten Anschlusses an Rußland primo loco debattiren wollen 1) .

( A. Z. )

Nach Briefen aus Jnnsbruk vom 19. Juni war dort das
Gerücht verbreitet, Rivoli befinde sich wieder im Besitze der
österreichischen Truppen. Der Kaiser litt fortwährend an nervö-
sen Anfällen. Die croatische Deputation am Hoflager erklärte sich
laut und entschieden gegen jeden Antheil an den tschechischen Um-
trieben in Prag, durch die so Schreckliches herbeigeführt worden.

Briefe aus Triest vom 16. und 17. Juni melden, daß der
Militärcommandant das Standrecht hatte verkündigen lassen. Die
feindliche Flotte lag fortwährend auf der Höhe von Pirano und
hielt Triest strenge blokirt. Die Stadt litt unsäglich darunter,
nicht minder Jstrien und Dalmatien, die von dem Verkehr mit
Triest leben. ( A. Z. )

[Ende Spaltensatz]

Redacteur: Franz Sausen. -- Verlag von Kirchheim, Schott und Thielmann in Mainz. -- Druck von Florian Kupferberg.
1) Jn der Moldau wurden russische Truppen bereits bis zum 6.
Juni erwartet.

[Beginn Spaltensatz] Der Ban hat in Kroatien den Aufstand in Masse organisirt, und
die aufgestandenen Raizen im Banat sollen auch schon 15,000
Mann zählen, welche großentheils mit Flinten versehen sind. Sie
erhalten aus Belgrad bedeutende Zufuhren an Munition. Bei
Szegedin dürfte es bald zu einer offenen Feldschlacht kommen.
Sechstausend szekler Husaren aus Siebenbürgen sind dort bereits
eingetroffen, 48 Sechspfünder wurden von hier dahin befördert.
Heute ist hier das Standrecht gegen Mörder und Aufwieg-
ler aller Art publicirt worden. Ein Gleiches wird in dem ganzen
Lande geschehen. ( D. A. Z. )

Berlin 19. Juni. Die Ministerkrise ist beendet. Das Mini-
sterium in seiner jetzigen Zusammensetzung ist: Minister=Präsident
ohne Portefeuille: Camphausen; Minister der geistlichen,
Unterrichts- Angelegenheiten: Auerswald; Minister des
Jnnern: Rodbertus=Jagetzow; Minister der auswärtigen
Angelegenheiten: Freiherr v. Schleinitz; Minister der Justiz:
Bornemann; Minister des Krieges: Freiherr v. Schrecken-
stein;
Minister der Finanzen: Hansemann; Minister=Ver-
weser des Handels : Freiherr v. Patow. Bedeutende Gesetz-
entwürfe sind in allen Ministerien theils schon fertig, theils wer-
den sie vorbereitet.

== Aus Nassau 21. Juni. Wie es hier zu Lande in poli-
tischer Beziehung aussehe? fragen Sie. Nun im Allgemeinen
wohl so ziemlich wie bei Jhnen und in den übrigen Ländern und
Ländchen unseres Vaterlandes. Die Aufregung und gespannte
Erwartung der Dinge, die da kommen sollen vom Parlamente,
oder von der Vorsehung oder — wer weiß woher sonst noch, ist
allgemein, Unordnungen dagegen und Störungen der öffentlichen
Ruhe sind nur sporadische Erscheinungen. Unser Volk in Stadt
und Land ist durchgehends noch so religiös gesinnt und fügen wir
bei, auch so vernünftig, daß es wohl einsieht, ohne Auctorität
und obrigkeitliche Gewalt sey ein Bestehen der gesellschaftlichen
Ordnung nicht möglich. Nach seiner schlichten und klaren Ein-
sicht hat noch immer der Ausspruch der Bibel, es sey keine Ge-
walt außer von Gott, seine volle Geltung, hat also der Herzog
noch immer das größere oder geringere Maß der Auctorität, das
die Erschütterungen unserer Zeit ihm gelassen, haben darum seine
Vertreter durchaus nicht in seinem Sinne gehandelt, als sie die
zu Anderem zu verwendende Zeit mit Debatten über die Abschaf-
fung der Form „Von Gottes Gnaden“ vergeudeten. Bis jetzt
haben unsere Landstände nichts gethan, was dem Lande nützlich
wäre oder zu irgend welchem Vertrauen auf ihre künftige Wirk-
samkeit berechtigte. Geld haben sie aber schon genug gekostet.
Einzelnen Deputirten ist deßhalb auch bereits angedeutet worden,
sie mögen sich in diesem oder jenem Theile ihrer Wahldistricte
nicht blicken lassen, wenn sie nicht eines Empfanges gewärtig seyn
wollten, der ihnen die Rückkehr wohl verleiden würde. Dies
in der Kürze über das Verhältniß der Deputirten zu ihren Com-
mittenten. — Sporadisch, sagte ich, seyen die Störungen der
öffentlichen Ruhe gewesen. Wo hier und da ein Schultheis oder
ein Pfarrer mit einem Theil seiner Gemeinde mit Recht oder Un-
recht in unangenehme Berührung gekommen war, da ließ man
unter dem Schilde der Freiheit nun seinem Unmuthe freien Lauf,
setzte jene ab und behelligte diese auf die verschiedenste Weise. Zu
solcher Selbsthilfe wäre es aber wohl schwerlich, selbst in den
jetzigen „freien“ Zeiten, gekommen, hätte die Rechtspflege früher
bei uns nicht auf eine kaum glaubliche Weise im Argen gelegen,
und kann man hinzusetzen, hätte unser Herzog nicht zu den am 4.
März ihm, wie Hr. Ministerialpräsident Hergenhahn sich
ausdrückt, „verfassungsmäßig“ gestellten, und freiwillig gewähr-
ten Forderungen, aus eigenem Antrieb die Gewährung freier
Gemeindeverwaltung beigefügt. Der Sprung von der seitherigen
Knechtung der Gemeinden durch den Staat zu einer noch durch
keinerlei Gesetz geregelten Freiheit der Gemeindeverwaltungen
war ein tödtlicher für mehrere, und wäre es vielleicht für alle ge-
worden, hätten alle gleichen Anlaß zu Ercessen in ihrem Schooße
geborgen. Kaum aber hatten diese einzelnen Ausbrüche sich ge-
legt, als ränkesüchtige Advocaten neuen Zündstoff, und zwar in
viel weiteren Kreisen, in die Gemeinden warfen. Sie benützten
nämlich die Freiheit der Presse und der Association, um die
Bauern zu belehren, der Zehnten sey eine ungerechte Abgabe und
müsse deßhalb ohne alle und jede Entschädigung abgeschafft wer-
den. Welchen Anklang solch eine Lehre gefunden, zeigt die Menge
der Petitionen, die in diesem Sinne bei der Ständeversammlung
bereits eingereicht worden seyn sollen. Daß hierbei nicht die
Rede ist von dem historischen Rechte, von dem Ausfalle in den
Staaseinkünften — wenigstens gegen 300,000 fl., die jetzt auf
andere Weise vom Lande aufgebracht werden müssen — und von
[Spaltenumbruch] dem Schaden, den einzelne Gemeinden erleiden, versteht sich bei
dergleichen Leuten ganz von selbst. Sorgen unsere Stände nicht
ungesäumt für ein diesfälliges Gesetz, so stehen für die nächste
Ernte schon neue Gewaltthaten in Menge bevor. Ob aber unsere
Vertreter nach ihrer Heldenthat gegen die Titulatur „Von Gottes
Gnaden“ nicht noch lange auf ihren Lorbeeren ruhen werden,
das ist eine andere Frage. Nächstens mehr.

Großbritannien.

London 17. Juni. Am Dienstag will Hr. Hume seinen
Antrag auf die Reform des Parlamentes stellen. Man kann von
dieser Frage sagen, daß sie noch nicht reif ist. Die große Mehr-
heit der Engländer verlangt nach einer Verbesserung in der
Volksvertretung; aber die Ansichten über die Art dieser Verbes-
serung weichen noch sehr von einander ab. Das allgemeine
Stimmrecht ist voraussichtlich das letzte Ziel der Bewegung; aber
bis dahin will Jeder andere Stationen machen. Viele gehen mit
ihren Wünschen nicht so weit, wie Hr. Hume. Sie wollen eine Aus-
dehnung des Stimmrechtes nur dadurch herbeiführen, daß sie die
sehr verwickelten Bestimmungen über den für Wähler nöthigen Ver-
mögensnachweis vereinfachen und beschränken. Hr. Hume, dessen
unablässige Bemühungen für größere Sparsamkeit im Staats-
haushalt, Abschaffung von Sinecuren u. s. w. von allen Par-
teien, jetzt selbst von den ärgsten Tories, anerkannt werden, ist
kein Mann, der auf Andere großen Einfluß ausübt. Er ist zu
nüchtern, um durch seine Beredsamkeit die Herzen eines ganzen
Volkes zu erschüttern, und sein Verstand ist auch nicht höherer
Ordnung. Selbst Cobden ist kein Genie; er gehört auch in
der Geisterwelt der mittleren Klasse an. Der neuen Bewegung
schadet aber auch dieses, daß Viele sie als eigennützig und dazu
bestimmt ansehen, die mittleren Klassen vollends zur Herrschaft
zu erheben. Endlich ist in der letzten Zeit die Theilnahme des
Volkes durch alle die verhängnißvollen Begebenheiten auf dem
Festlande so sehr in Anspruch genommen gewesen, daß die inne-
ren Angelegenheiten nicht dieselbe Aufmerksamkeit gefunden haben.
Aber trotz aller dieser hindernden Umstände kann die Frage höch-
stens aufgeschoben werden; sie wird im eigentlichen Sinne eine
schwebende bleiben und über den Häuptern der englischen Aristo-
kratie hängen wie das Schwert des Damokles.

Von auswärtigen Angelegenheiten beschäftigt die spanische
Frage die Gemüther am meisten. Alle Parteien sind zu patrio-
tisch, um nicht Genugthuung von Spanien zu begehren. Auch die
Forderungen, welche England noch zu machen hat, zum Betrage
von 900,000 Pf. St., werden mit größerer Heftigkeit geltend
gemacht ( und das ist wohl die Hauptsache ) . Spanien wird die
Unklugheit seiner Minister noch mannigfach zu bereuen Gelegen-
heit haben. Nach dem Bruche mit England erheben die Parteien
ihr Haupt mit größerer Keckheit. Jn den Seestädten spricht man
schon von Espartero, ja, von der Republik.

Neueste Nachrichten.

Jn Wien dauern die alten trostlosen Zustände fort, nament-
lich werden die Arbeiter wieder sehr schwierig.

Wien 18. Juni. Man erfährt so eben durch Estaffette aus
Konstantinopel, daß es den russischen Emissären gelungen sey,
die Donaufürstenthümer aufzuwiegeln. Sie sollen eine
Nationalversammlung zusammenberufen, und die Frage des di-
recten Anschlusses an Rußland primo loco debattiren wollen 1) .

( A. Z. )

Nach Briefen aus Jnnsbruk vom 19. Juni war dort das
Gerücht verbreitet, Rivoli befinde sich wieder im Besitze der
österreichischen Truppen. Der Kaiser litt fortwährend an nervö-
sen Anfällen. Die croatische Deputation am Hoflager erklärte sich
laut und entschieden gegen jeden Antheil an den tschechischen Um-
trieben in Prag, durch die so Schreckliches herbeigeführt worden.

Briefe aus Triest vom 16. und 17. Juni melden, daß der
Militärcommandant das Standrecht hatte verkündigen lassen. Die
feindliche Flotte lag fortwährend auf der Höhe von Pirano und
hielt Triest strenge blokirt. Die Stadt litt unsäglich darunter,
nicht minder Jstrien und Dalmatien, die von dem Verkehr mit
Triest leben. ( A. Z. )

[Ende Spaltensatz]

Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim, Schott und Thielmann in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg.
1) Jn der Moldau wurden russische Truppen bereits bis zum 6.
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[0006] Der Ban hat in Kroatien den Aufstand in Masse organisirt, und die aufgestandenen Raizen im Banat sollen auch schon 15,000 Mann zählen, welche großentheils mit Flinten versehen sind. Sie erhalten aus Belgrad bedeutende Zufuhren an Munition. Bei Szegedin dürfte es bald zu einer offenen Feldschlacht kommen. Sechstausend szekler Husaren aus Siebenbürgen sind dort bereits eingetroffen, 48 Sechspfünder wurden von hier dahin befördert. Heute ist hier das Standrecht gegen Mörder und Aufwieg- ler aller Art publicirt worden. Ein Gleiches wird in dem ganzen Lande geschehen. ( D. A. Z. ) Berlin 19. Juni. Die Ministerkrise ist beendet. Das Mini- sterium in seiner jetzigen Zusammensetzung ist: Minister=Präsident ohne Portefeuille: Camphausen; Minister der geistlichen, Unterrichts- Angelegenheiten: Auerswald; Minister des Jnnern: Rodbertus=Jagetzow; Minister der auswärtigen Angelegenheiten: Freiherr v. Schleinitz; Minister der Justiz: Bornemann; Minister des Krieges: Freiherr v. Schrecken- stein; Minister der Finanzen: Hansemann; Minister=Ver- weser des Handels : Freiherr v. Patow. Bedeutende Gesetz- entwürfe sind in allen Ministerien theils schon fertig, theils wer- den sie vorbereitet. == Aus Nassau 21. Juni. Wie es hier zu Lande in poli- tischer Beziehung aussehe? fragen Sie. Nun im Allgemeinen wohl so ziemlich wie bei Jhnen und in den übrigen Ländern und Ländchen unseres Vaterlandes. Die Aufregung und gespannte Erwartung der Dinge, die da kommen sollen vom Parlamente, oder von der Vorsehung oder — wer weiß woher sonst noch, ist allgemein, Unordnungen dagegen und Störungen der öffentlichen Ruhe sind nur sporadische Erscheinungen. Unser Volk in Stadt und Land ist durchgehends noch so religiös gesinnt und fügen wir bei, auch so vernünftig, daß es wohl einsieht, ohne Auctorität und obrigkeitliche Gewalt sey ein Bestehen der gesellschaftlichen Ordnung nicht möglich. Nach seiner schlichten und klaren Ein- sicht hat noch immer der Ausspruch der Bibel, es sey keine Ge- walt außer von Gott, seine volle Geltung, hat also der Herzog noch immer das größere oder geringere Maß der Auctorität, das die Erschütterungen unserer Zeit ihm gelassen, haben darum seine Vertreter durchaus nicht in seinem Sinne gehandelt, als sie die zu Anderem zu verwendende Zeit mit Debatten über die Abschaf- fung der Form „Von Gottes Gnaden“ vergeudeten. Bis jetzt haben unsere Landstände nichts gethan, was dem Lande nützlich wäre oder zu irgend welchem Vertrauen auf ihre künftige Wirk- samkeit berechtigte. Geld haben sie aber schon genug gekostet. Einzelnen Deputirten ist deßhalb auch bereits angedeutet worden, sie mögen sich in diesem oder jenem Theile ihrer Wahldistricte nicht blicken lassen, wenn sie nicht eines Empfanges gewärtig seyn wollten, der ihnen die Rückkehr wohl verleiden würde. Dies in der Kürze über das Verhältniß der Deputirten zu ihren Com- mittenten. — Sporadisch, sagte ich, seyen die Störungen der öffentlichen Ruhe gewesen. Wo hier und da ein Schultheis oder ein Pfarrer mit einem Theil seiner Gemeinde mit Recht oder Un- recht in unangenehme Berührung gekommen war, da ließ man unter dem Schilde der Freiheit nun seinem Unmuthe freien Lauf, setzte jene ab und behelligte diese auf die verschiedenste Weise. Zu solcher Selbsthilfe wäre es aber wohl schwerlich, selbst in den jetzigen „freien“ Zeiten, gekommen, hätte die Rechtspflege früher bei uns nicht auf eine kaum glaubliche Weise im Argen gelegen, und kann man hinzusetzen, hätte unser Herzog nicht zu den am 4. März ihm, wie Hr. Ministerialpräsident Hergenhahn sich ausdrückt, „verfassungsmäßig“ gestellten, und freiwillig gewähr- ten Forderungen, aus eigenem Antrieb die Gewährung freier Gemeindeverwaltung beigefügt. Der Sprung von der seitherigen Knechtung der Gemeinden durch den Staat zu einer noch durch keinerlei Gesetz geregelten Freiheit der Gemeindeverwaltungen war ein tödtlicher für mehrere, und wäre es vielleicht für alle ge- worden, hätten alle gleichen Anlaß zu Ercessen in ihrem Schooße geborgen. Kaum aber hatten diese einzelnen Ausbrüche sich ge- legt, als ränkesüchtige Advocaten neuen Zündstoff, und zwar in viel weiteren Kreisen, in die Gemeinden warfen. Sie benützten nämlich die Freiheit der Presse und der Association, um die Bauern zu belehren, der Zehnten sey eine ungerechte Abgabe und müsse deßhalb ohne alle und jede Entschädigung abgeschafft wer- den. Welchen Anklang solch eine Lehre gefunden, zeigt die Menge der Petitionen, die in diesem Sinne bei der Ständeversammlung bereits eingereicht worden seyn sollen. Daß hierbei nicht die Rede ist von dem historischen Rechte, von dem Ausfalle in den Staaseinkünften — wenigstens gegen 300,000 fl., die jetzt auf andere Weise vom Lande aufgebracht werden müssen — und von dem Schaden, den einzelne Gemeinden erleiden, versteht sich bei dergleichen Leuten ganz von selbst. Sorgen unsere Stände nicht ungesäumt für ein diesfälliges Gesetz, so stehen für die nächste Ernte schon neue Gewaltthaten in Menge bevor. Ob aber unsere Vertreter nach ihrer Heldenthat gegen die Titulatur „Von Gottes Gnaden“ nicht noch lange auf ihren Lorbeeren ruhen werden, das ist eine andere Frage. Nächstens mehr. Großbritannien. London 17. Juni. Am Dienstag will Hr. Hume seinen Antrag auf die Reform des Parlamentes stellen. Man kann von dieser Frage sagen, daß sie noch nicht reif ist. Die große Mehr- heit der Engländer verlangt nach einer Verbesserung in der Volksvertretung; aber die Ansichten über die Art dieser Verbes- serung weichen noch sehr von einander ab. Das allgemeine Stimmrecht ist voraussichtlich das letzte Ziel der Bewegung; aber bis dahin will Jeder andere Stationen machen. Viele gehen mit ihren Wünschen nicht so weit, wie Hr. Hume. Sie wollen eine Aus- dehnung des Stimmrechtes nur dadurch herbeiführen, daß sie die sehr verwickelten Bestimmungen über den für Wähler nöthigen Ver- mögensnachweis vereinfachen und beschränken. Hr. Hume, dessen unablässige Bemühungen für größere Sparsamkeit im Staats- haushalt, Abschaffung von Sinecuren u. s. w. von allen Par- teien, jetzt selbst von den ärgsten Tories, anerkannt werden, ist kein Mann, der auf Andere großen Einfluß ausübt. Er ist zu nüchtern, um durch seine Beredsamkeit die Herzen eines ganzen Volkes zu erschüttern, und sein Verstand ist auch nicht höherer Ordnung. Selbst Cobden ist kein Genie; er gehört auch in der Geisterwelt der mittleren Klasse an. Der neuen Bewegung schadet aber auch dieses, daß Viele sie als eigennützig und dazu bestimmt ansehen, die mittleren Klassen vollends zur Herrschaft zu erheben. Endlich ist in der letzten Zeit die Theilnahme des Volkes durch alle die verhängnißvollen Begebenheiten auf dem Festlande so sehr in Anspruch genommen gewesen, daß die inne- ren Angelegenheiten nicht dieselbe Aufmerksamkeit gefunden haben. Aber trotz aller dieser hindernden Umstände kann die Frage höch- stens aufgeschoben werden; sie wird im eigentlichen Sinne eine schwebende bleiben und über den Häuptern der englischen Aristo- kratie hängen wie das Schwert des Damokles. Von auswärtigen Angelegenheiten beschäftigt die spanische Frage die Gemüther am meisten. Alle Parteien sind zu patrio- tisch, um nicht Genugthuung von Spanien zu begehren. Auch die Forderungen, welche England noch zu machen hat, zum Betrage von 900,000 Pf. St., werden mit größerer Heftigkeit geltend gemacht ( und das ist wohl die Hauptsache ) . Spanien wird die Unklugheit seiner Minister noch mannigfach zu bereuen Gelegen- heit haben. Nach dem Bruche mit England erheben die Parteien ihr Haupt mit größerer Keckheit. Jn den Seestädten spricht man schon von Espartero, ja, von der Republik. Neueste Nachrichten. Jn Wien dauern die alten trostlosen Zustände fort, nament- lich werden die Arbeiter wieder sehr schwierig. Wien 18. Juni. Man erfährt so eben durch Estaffette aus Konstantinopel, daß es den russischen Emissären gelungen sey, die Donaufürstenthümer aufzuwiegeln. Sie sollen eine Nationalversammlung zusammenberufen, und die Frage des di- recten Anschlusses an Rußland primo loco debattiren wollen 1) . ( A. Z. ) Nach Briefen aus Jnnsbruk vom 19. Juni war dort das Gerücht verbreitet, Rivoli befinde sich wieder im Besitze der österreichischen Truppen. Der Kaiser litt fortwährend an nervö- sen Anfällen. Die croatische Deputation am Hoflager erklärte sich laut und entschieden gegen jeden Antheil an den tschechischen Um- trieben in Prag, durch die so Schreckliches herbeigeführt worden. Briefe aus Triest vom 16. und 17. Juni melden, daß der Militärcommandant das Standrecht hatte verkündigen lassen. Die feindliche Flotte lag fortwährend auf der Höhe von Pirano und hielt Triest strenge blokirt. Die Stadt litt unsäglich darunter, nicht minder Jstrien und Dalmatien, die von dem Verkehr mit Triest leben. ( A. Z. ) Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim, Schott und Thielmann in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg. 1) Jn der Moldau wurden russische Truppen bereits bis zum 6. Juni erwartet.

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 8. Mainz, 22. Juni 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal008_1848/6>, abgerufen am 06.06.2024.