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Mainzer Journal. Nr. 8. Mainz, 22. Juni 1848.

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[Beginn Spaltensatz] mit dem Militär die Wachen beziehen solle, die Studirenden
mögen dagegen die Barrikaden räumen und die Ruhe in
der Stadt wiederherstellen. Das Volk ist damit nicht zu-
frieden; es besteht auf gänzliche Entfernung des Militärs.
Die Stimmung auf dem Lande ist eine sehr bedenkliche. Man
will in Masse aufstehen und der Hauptstadt zu Hülfe ziehen. Pol-
nische Emissäre sind ungemein thätig, das Landvolk aufzuwie-
geln. Jhrerseits haben die Truppen bedeutende Verstärkungen
bekommen, zwei Regimenter Cavallerie und eben so viele Fuß-
soldaten. Folgendes Factum, dessen Wahrheit ich verbürge,
mag zur Charakteristik der gegenwärtigen Zustände dienen.
Einem Husaren, welcher gestern durch Melnik ritt, wurde ein
Glas Wein angeboten. Er schlug es aus mit dem Bemerken,
daß er wohl wisse, man wolle die Soldaten vergiften. Gott
schütze das schöne Böhmerland. Wenn das so fortgeht, kehren
die Zeiten Ziska's und Procop's wieder! ( F. O. P. A. Z. )

Melnik bei Prag 17. Juni. Die Nachrichten, welche ge-
stern hier über die Lage der Dinge in Prag bekannt wurden,
lauten im höchsten Grade betrübend. Die Stadt befindet
sich gänzlich in der Gewalt des Proletariats,
das
noch lange nicht gesonnen ist, seine Position hinter den Barrika-
den aufzugeben. Es soll in Prag aussehen, als ob die Pest dort
gewüthet hätte. Auf den Straßen gewahrt man fast Nichts, als
bewaffnetes Gesindel; alle Häuser und Läden sind geschlossen, an
einen Geschäftsverkehr ist gar nicht zu denken. Die Studenten
und die Bürger sind nicht mehr im Stande, ihren Willen zur Gel-
tung zu bringen, sie müssen sich in Allem der wüthenden Masse
fügen. An jeder Barrikade stehen wild aussehende Menschen,
welche diejenigen, die genöthigt sind, vorbeizupassiren, mit den
Worten anhalten: "Geben Sie uns ein Geschenk, wir sind Va-
terlandsvertheidiger!" Da dieses Geschenk mit bewaffneter Hand
gefordert wird, so sieht es natürlich einem Raube so ähnlich, wie
ein Ei dem andern. Man erwartet auch, daß wenn die freiwilli-
gen Spenden aufhören, die Plünderung sofort erfolgt. Wer
die Stadt verläßt, darf nicht mehr als 100 Gulden mitnehmen.
Findet man bei Jemanden eine größere Summe, so wird sie weg-
genommen und dem auf diese Weise Beraubten ein Schein dar-
über ausgestellt. Aber es ist wohl nicht entfernt an eine Wieder-
erlantgung des Weggenommenen zu denken, da nicht die geringste
Con rolle darüber geführt wird. Von den durch die Kugeln am
meisten beschädigten Gebäuden nennt man das Haus des Kauf-
mann Müller, des Uhrmacher Zuchy, das Museum, das Pia-
ristencollegium und Clementinum. Ueber den Verlauf der Dinge
erfuhr ich noch Folgendes. Am Dienstag wurden die Unterhand-
lungen eingeleitet. Man war bereits über die meisten Punkte
einig geworden, der Commandirende hatte eingewilligt, daß die
Grenadiere wegen der Excesse, welche von ihnen am Montag be-
gangen worden war, die Stadt nicht wieder betreten sollten, und
man schickte sich schon an, die Barrikaden abzutragen. Da wurde
wieder trotz des Waffenstillstandes von den Aufständischen auf die
Soldaten geschossen. Dies hatte den Abbruch der Unterhandlun-
gen und das Bombardement am Donnerstag zur Folge.
Am Abend dieses Tages begab sich abermals eine Deputation der
Bürger zum General Menzdorf, der inzwischen das Commando
übernommen hatte. Derselbe empfing die Abgesandten mit Vor-
würfen über den Bruch des Friedens und gab ihnen die Versiche-
rung, daß wenn nicht bis Morgen, also Freitag, Abend um
6 Uhr die Barrikaden gänzlich weggeräumt wären, die Kanonade
von Neuem und zwar ernstlicher beginnen würde. Zugleich er-
klärte er, daß er dann sein Commando wieder in die Hände des
Fürsten Windischgrätz niederzulegen entschlossen sey. Mit diesem
Bescheid kehrte die Deputation in die Stadt zurück. Die Mehr-
zahl der Studenten und Bürger war sofort bereit die Bedingun-
gen anzunehmen, aber die czechische Partei und die wilde Volks-
masse opponirte beharrlich dagegen und anstatt die Barrikaden
abzutragen, wurden sie noch höher aufgebaut. So fing denn
gestern gegen Abend das Bombardement wieder an.

Jch zählte ungefähr 14 Schüsse, von denen die letzten gezündet
haben müssen, denn alsobald kündigte eine am Horizont aufstei-
gende helle Röthe an, daß Prag brenne. Die hiesigen Bür-
ger, welche entschlossen waren, falls es sich in Prag wirklich
um eine Reaction oder einen Militärdespotismus handle, der
Hauptstadt zu Hülfe zu ziehen, haben nun, da sie sich von dem
Gegentheil überzeugten und einsahen, daß sie auf diese Weise nur
der wüthenden Partei und der Anarchie Vorschub leisten würden,
den Beschluß gefaßt, sich gänzlich von dem Kampf fern zu
halten. ( Fr. O. P. A. Z. )

Dresden 18. Juni. Jch bin gestern mit dem Dampfschiff von
Melnik hierher gereist und habe noch Gelegenheit gehabt einige
nähere Nachrichten über Prag zu erhalten. Jn Folge der
Kanonade brach vorgestern Abend in der Altstadt
[Spaltenumbruch] Feuer aus,
welches die ganze Nacht fortbrannte. Man kann
sich keinen Begriff machen von dem Unheil, das über die schöne
Hauptstadt Böhmens hereingebrochen ist. Auf unserm Schiffe
befanden sich viele Flüchtlinge, namentlich Frauen mit Kindern.
Die Betrübniß, welche auf den Gesichtern dieser Unglücklichen zu
lesen war, ist zu schildern unmöglich. Die meisten haben sich von
ihren Gatten, die sie vielleicht nie wieder sehen, trennen müssen.
Sie sind fort, nur mit dem Nothdürftigsten versehen, da ihnen
nicht gestattet wurde, Sachen von Werth mitzunehmen. Und am
Ende sind sie noch glücklich zu preisen, daß sie wenigstens ihr Leben
zu retten vermochten. Wenn nach einer langen Belagerung die
Stadt einem grausamen Feinde sich hätte ergeben müssen, so
wäre die Lage der Bürger nicht so schrecklich, als sie es gegen-
wärtig ist. Dauerte das Bombardement gestern fort, dann ist
Prag, mit Ausnahme der Kleinseite, heute ein Schutthaufen. Und
all' diese Noth, all' dieses Elend, das so viele Unschuldige trifft,
es ist lediglich hervorgebracht, zum Theil durch die Machinatio-
nen einiger Ehrgeizigen oder von falschem Nationalgefühl Ver-
blendeter, am meisten aber durch die Aufreizungen Fremder, die
sich jetzt wenig kümmern um die Gräuelscenen, zu denen sie die
Veranlassung gegeben. Man kann mit der größten Gewißheit
behaupten, daß die Prager Ereignisse einzig und allein durch
Fremde, namentlich polnische Emissäre, hervorgerufen wurden.
Wie thätig und consequent diese Leute in der Verfolgung ihrer
Zwecke waren, kann nur der wissen, der die letzte Zeit in Prag
anwesend war. Dabei verfehlen sie ihre Absichten gar nicht. Sie
sagen den Böhmen ganz offen: Jhr müßt Euch von Deutschland
trennen, weil man Euch in Frankfurt auf's Neue knechten will;
Jhr müßt ein eigenes slavisches Reich bilden und sollt Jhr Euch
in die Arme Rußlands werfen. Wie weit die Polen in der Auf-
reizung gegen Deutschland gehen und welche Erfolge sie schon er-
rungen haben, mag daraus ersichtlich werden, daß viele Prager
der Meinung sind, deutsche Emissäre haben die neuesten Unruhen
veranlaßt, um Böhmen in den Zustand der ärgsten Verwirrung
zu stürzen und auf diese Weise leichten Kaufs an Deutschland zu
kommen. Man glaube nicht, daß ich übertreibe, es ist diese An-
sicht von ruhigen, leidenschaftslosen Leuten gegen mit ausgespro-
chen worden und ich habe sie nur mit der größten Mühe von ihrer
unseligen Verblendung überzeugen können. Uebrigens ist das
slavische Complott bereits gänzlich aufgedeckt und
hoffentlich sind den Böhmen jetzt die Augen über das Vorhaben
Derjenigen, welche sie mit aller Gewalt glücklich machen wollen,
hinlänglich geöffnet, nur leider zu spät. Jn Prag herrschte bereits
der vollkommenste Terrorismus. Man hat folgende Leu-
te als Volksverräther proscribirt:
die Grafen
Auersperg, Kollowrath, Franz Thun, ein Baron von Wieders-
perg, Kaufmann Weiß, Kameralverwalter Kubasek, Schauspieler
Fischer und drei Hauptleute der Nationalgarde. Gnade Gott,
wenn einer von diesen in die Hände der wilden Rotte fällt.
Uebrigens muß ich schließlich noch bemerken, daß mir, als ich noch
in Melnick war, von einem Officier gesagt wurde, er habe bereits
vor acht Tagen einen Brief erhalten, in welchem man ihm schreibt,
daß es am 13. zu gleicher Zeit in Prag, Lemberg und Linz
losgehen würde. ( F. O. P. A. Z. )

Jn Berlin haben die Minister des Krieges, der geistlichen
Angelegenheiten und des Auswärtigen ihre Entlassung eingereicht.
Bis jetzt ist indessen erst die Stelle des Kriegsministers durch den
General von Schreckenstein in Köln wieder besetzt worden.
Dort wie überall handelt es sich indessen nicht um Personen, die
heutzutage sich leicht abnutzen, sondern um Principien, und so
lange dieser Kampf nicht entschieden ist, würde selbst der weise
Salomo nicht helfen können, wenn man ihn in Preußen oder
Oestreich eben zum Staatsminister machte!

Ueber die neuliche Plünderung des Zeughauses erstattete der
Obristlieutenant v. Griesheim der Nationalversammlung am
17. einen Bericht, dem wir zur Charakteristik der "Berliner Frei-
heitsbestrebungen " Nachfolgendes entnehmen. Jm unteren Raume
befanden sich große Quantitäten ganz neuer Gewehre von einer
neuen Erfindung, welche Eigenthum und Geheimniß der Regie-
rung ist. 1100 Stück von diesen wurden geraubt, der Verlust
ist unersetzlich. Die kostbarsten Gewehre, namentlich die mit Sil-
ber beschlagenen Stücke einer werthvollen Waffensammlung, wur-
den gestohlen; die mit Blut errungenen Trovhäen, der Ruhm
der preußischen Waffen, mit Füßen getreten und vernichtet. Dies
"Schaumspritzen der aufgeregten Wellen" kostet dem Staat meh-
rere Millionen. Für wenige Groschen sind die kostbarsten Waffen
auf den Straßen verkauft worden. Eine halbe Stunde später
rückte Linienmilitär ein, und eine Compagnie genügte, die plün-
dernde Menge, die nur Diebsgelüste, nicht etwa ein Streben nach
Wehrbarkeit hierher geführt hatte, zu vertreiben.

[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] mit dem Militär die Wachen beziehen solle, die Studirenden
mögen dagegen die Barrikaden räumen und die Ruhe in
der Stadt wiederherstellen. Das Volk ist damit nicht zu-
frieden; es besteht auf gänzliche Entfernung des Militärs.
Die Stimmung auf dem Lande ist eine sehr bedenkliche. Man
will in Masse aufstehen und der Hauptstadt zu Hülfe ziehen. Pol-
nische Emissäre sind ungemein thätig, das Landvolk aufzuwie-
geln. Jhrerseits haben die Truppen bedeutende Verstärkungen
bekommen, zwei Regimenter Cavallerie und eben so viele Fuß-
soldaten. Folgendes Factum, dessen Wahrheit ich verbürge,
mag zur Charakteristik der gegenwärtigen Zustände dienen.
Einem Husaren, welcher gestern durch Melnik ritt, wurde ein
Glas Wein angeboten. Er schlug es aus mit dem Bemerken,
daß er wohl wisse, man wolle die Soldaten vergiften. Gott
schütze das schöne Böhmerland. Wenn das so fortgeht, kehren
die Zeiten Ziska's und Procop's wieder! ( F. O. P. A. Z. )

Melnik bei Prag 17. Juni. Die Nachrichten, welche ge-
stern hier über die Lage der Dinge in Prag bekannt wurden,
lauten im höchsten Grade betrübend. Die Stadt befindet
sich gänzlich in der Gewalt des Proletariats,
das
noch lange nicht gesonnen ist, seine Position hinter den Barrika-
den aufzugeben. Es soll in Prag aussehen, als ob die Pest dort
gewüthet hätte. Auf den Straßen gewahrt man fast Nichts, als
bewaffnetes Gesindel; alle Häuser und Läden sind geschlossen, an
einen Geschäftsverkehr ist gar nicht zu denken. Die Studenten
und die Bürger sind nicht mehr im Stande, ihren Willen zur Gel-
tung zu bringen, sie müssen sich in Allem der wüthenden Masse
fügen. An jeder Barrikade stehen wild aussehende Menschen,
welche diejenigen, die genöthigt sind, vorbeizupassiren, mit den
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terlandsvertheidiger!“ Da dieses Geschenk mit bewaffneter Hand
gefordert wird, so sieht es natürlich einem Raube so ähnlich, wie
ein Ei dem andern. Man erwartet auch, daß wenn die freiwilli-
gen Spenden aufhören, die Plünderung sofort erfolgt. Wer
die Stadt verläßt, darf nicht mehr als 100 Gulden mitnehmen.
Findet man bei Jemanden eine größere Summe, so wird sie weg-
genommen und dem auf diese Weise Beraubten ein Schein dar-
über ausgestellt. Aber es ist wohl nicht entfernt an eine Wieder-
erlantgung des Weggenommenen zu denken, da nicht die geringste
Con rolle darüber geführt wird. Von den durch die Kugeln am
meisten beschädigten Gebäuden nennt man das Haus des Kauf-
mann Müller, des Uhrmacher Zuchy, das Museum, das Pia-
ristencollegium und Clementinum. Ueber den Verlauf der Dinge
erfuhr ich noch Folgendes. Am Dienstag wurden die Unterhand-
lungen eingeleitet. Man war bereits über die meisten Punkte
einig geworden, der Commandirende hatte eingewilligt, daß die
Grenadiere wegen der Excesse, welche von ihnen am Montag be-
gangen worden war, die Stadt nicht wieder betreten sollten, und
man schickte sich schon an, die Barrikaden abzutragen. Da wurde
wieder trotz des Waffenstillstandes von den Aufständischen auf die
Soldaten geschossen. Dies hatte den Abbruch der Unterhandlun-
gen und das Bombardement am Donnerstag zur Folge.
Am Abend dieses Tages begab sich abermals eine Deputation der
Bürger zum General Menzdorf, der inzwischen das Commando
übernommen hatte. Derselbe empfing die Abgesandten mit Vor-
würfen über den Bruch des Friedens und gab ihnen die Versiche-
rung, daß wenn nicht bis Morgen, also Freitag, Abend um
6 Uhr die Barrikaden gänzlich weggeräumt wären, die Kanonade
von Neuem und zwar ernstlicher beginnen würde. Zugleich er-
klärte er, daß er dann sein Commando wieder in die Hände des
Fürsten Windischgrätz niederzulegen entschlossen sey. Mit diesem
Bescheid kehrte die Deputation in die Stadt zurück. Die Mehr-
zahl der Studenten und Bürger war sofort bereit die Bedingun-
gen anzunehmen, aber die czechische Partei und die wilde Volks-
masse opponirte beharrlich dagegen und anstatt die Barrikaden
abzutragen, wurden sie noch höher aufgebaut. So fing denn
gestern gegen Abend das Bombardement wieder an.

Jch zählte ungefähr 14 Schüsse, von denen die letzten gezündet
haben müssen, denn alsobald kündigte eine am Horizont aufstei-
gende helle Röthe an, daß Prag brenne. Die hiesigen Bür-
ger, welche entschlossen waren, falls es sich in Prag wirklich
um eine Reaction oder einen Militärdespotismus handle, der
Hauptstadt zu Hülfe zu ziehen, haben nun, da sie sich von dem
Gegentheil überzeugten und einsahen, daß sie auf diese Weise nur
der wüthenden Partei und der Anarchie Vorschub leisten würden,
den Beschluß gefaßt, sich gänzlich von dem Kampf fern zu
halten. ( Fr. O. P. A. Z. )

Dresden 18. Juni. Jch bin gestern mit dem Dampfschiff von
Melnik hierher gereist und habe noch Gelegenheit gehabt einige
nähere Nachrichten über Prag zu erhalten. Jn Folge der
Kanonade brach vorgestern Abend in der Altstadt
[Spaltenumbruch] Feuer aus,
welches die ganze Nacht fortbrannte. Man kann
sich keinen Begriff machen von dem Unheil, das über die schöne
Hauptstadt Böhmens hereingebrochen ist. Auf unserm Schiffe
befanden sich viele Flüchtlinge, namentlich Frauen mit Kindern.
Die Betrübniß, welche auf den Gesichtern dieser Unglücklichen zu
lesen war, ist zu schildern unmöglich. Die meisten haben sich von
ihren Gatten, die sie vielleicht nie wieder sehen, trennen müssen.
Sie sind fort, nur mit dem Nothdürftigsten versehen, da ihnen
nicht gestattet wurde, Sachen von Werth mitzunehmen. Und am
Ende sind sie noch glücklich zu preisen, daß sie wenigstens ihr Leben
zu retten vermochten. Wenn nach einer langen Belagerung die
Stadt einem grausamen Feinde sich hätte ergeben müssen, so
wäre die Lage der Bürger nicht so schrecklich, als sie es gegen-
wärtig ist. Dauerte das Bombardement gestern fort, dann ist
Prag, mit Ausnahme der Kleinseite, heute ein Schutthaufen. Und
all' diese Noth, all' dieses Elend, das so viele Unschuldige trifft,
es ist lediglich hervorgebracht, zum Theil durch die Machinatio-
nen einiger Ehrgeizigen oder von falschem Nationalgefühl Ver-
blendeter, am meisten aber durch die Aufreizungen Fremder, die
sich jetzt wenig kümmern um die Gräuelscenen, zu denen sie die
Veranlassung gegeben. Man kann mit der größten Gewißheit
behaupten, daß die Prager Ereignisse einzig und allein durch
Fremde, namentlich polnische Emissäre, hervorgerufen wurden.
Wie thätig und consequent diese Leute in der Verfolgung ihrer
Zwecke waren, kann nur der wissen, der die letzte Zeit in Prag
anwesend war. Dabei verfehlen sie ihre Absichten gar nicht. Sie
sagen den Böhmen ganz offen: Jhr müßt Euch von Deutschland
trennen, weil man Euch in Frankfurt auf's Neue knechten will;
Jhr müßt ein eigenes slavisches Reich bilden und sollt Jhr Euch
in die Arme Rußlands werfen. Wie weit die Polen in der Auf-
reizung gegen Deutschland gehen und welche Erfolge sie schon er-
rungen haben, mag daraus ersichtlich werden, daß viele Prager
der Meinung sind, deutsche Emissäre haben die neuesten Unruhen
veranlaßt, um Böhmen in den Zustand der ärgsten Verwirrung
zu stürzen und auf diese Weise leichten Kaufs an Deutschland zu
kommen. Man glaube nicht, daß ich übertreibe, es ist diese An-
sicht von ruhigen, leidenschaftslosen Leuten gegen mit ausgespro-
chen worden und ich habe sie nur mit der größten Mühe von ihrer
unseligen Verblendung überzeugen können. Uebrigens ist das
slavische Complott bereits gänzlich aufgedeckt und
hoffentlich sind den Böhmen jetzt die Augen über das Vorhaben
Derjenigen, welche sie mit aller Gewalt glücklich machen wollen,
hinlänglich geöffnet, nur leider zu spät. Jn Prag herrschte bereits
der vollkommenste Terrorismus. Man hat folgende Leu-
te als Volksverräther proscribirt:
die Grafen
Auersperg, Kollowrath, Franz Thun, ein Baron von Wieders-
perg, Kaufmann Weiß, Kameralverwalter Kubasek, Schauspieler
Fischer und drei Hauptleute der Nationalgarde. Gnade Gott,
wenn einer von diesen in die Hände der wilden Rotte fällt.
Uebrigens muß ich schließlich noch bemerken, daß mir, als ich noch
in Melnick war, von einem Officier gesagt wurde, er habe bereits
vor acht Tagen einen Brief erhalten, in welchem man ihm schreibt,
daß es am 13. zu gleicher Zeit in Prag, Lemberg und Linz
losgehen würde. ( F. O. P. A. Z. )

Jn Berlin haben die Minister des Krieges, der geistlichen
Angelegenheiten und des Auswärtigen ihre Entlassung eingereicht.
Bis jetzt ist indessen erst die Stelle des Kriegsministers durch den
General von Schreckenstein in Köln wieder besetzt worden.
Dort wie überall handelt es sich indessen nicht um Personen, die
heutzutage sich leicht abnutzen, sondern um Principien, und so
lange dieser Kampf nicht entschieden ist, würde selbst der weise
Salomo nicht helfen können, wenn man ihn in Preußen oder
Oestreich eben zum Staatsminister machte!

Ueber die neuliche Plünderung des Zeughauses erstattete der
Obristlieutenant v. Griesheim der Nationalversammlung am
17. einen Bericht, dem wir zur Charakteristik der „Berliner Frei-
heitsbestrebungen “ Nachfolgendes entnehmen. Jm unteren Raume
befanden sich große Quantitäten ganz neuer Gewehre von einer
neuen Erfindung, welche Eigenthum und Geheimniß der Regie-
rung ist. 1100 Stück von diesen wurden geraubt, der Verlust
ist unersetzlich. Die kostbarsten Gewehre, namentlich die mit Sil-
ber beschlagenen Stücke einer werthvollen Waffensammlung, wur-
den gestohlen; die mit Blut errungenen Trovhäen, der Ruhm
der preußischen Waffen, mit Füßen getreten und vernichtet. Dies
„Schaumspritzen der aufgeregten Wellen“ kostet dem Staat meh-
rere Millionen. Für wenige Groschen sind die kostbarsten Waffen
auf den Straßen verkauft worden. Eine halbe Stunde später
rückte Linienmilitär ein, und eine Compagnie genügte, die plün-
dernde Menge, die nur Diebsgelüste, nicht etwa ein Streben nach
Wehrbarkeit hierher geführt hatte, zu vertreiben.

[Ende Spaltensatz]
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[0003] mit dem Militär die Wachen beziehen solle, die Studirenden mögen dagegen die Barrikaden räumen und die Ruhe in der Stadt wiederherstellen. Das Volk ist damit nicht zu- frieden; es besteht auf gänzliche Entfernung des Militärs. Die Stimmung auf dem Lande ist eine sehr bedenkliche. Man will in Masse aufstehen und der Hauptstadt zu Hülfe ziehen. Pol- nische Emissäre sind ungemein thätig, das Landvolk aufzuwie- geln. Jhrerseits haben die Truppen bedeutende Verstärkungen bekommen, zwei Regimenter Cavallerie und eben so viele Fuß- soldaten. Folgendes Factum, dessen Wahrheit ich verbürge, mag zur Charakteristik der gegenwärtigen Zustände dienen. Einem Husaren, welcher gestern durch Melnik ritt, wurde ein Glas Wein angeboten. Er schlug es aus mit dem Bemerken, daß er wohl wisse, man wolle die Soldaten vergiften. Gott schütze das schöne Böhmerland. Wenn das so fortgeht, kehren die Zeiten Ziska's und Procop's wieder! ( F. O. P. A. Z. ) Melnik bei Prag 17. Juni. Die Nachrichten, welche ge- stern hier über die Lage der Dinge in Prag bekannt wurden, lauten im höchsten Grade betrübend. Die Stadt befindet sich gänzlich in der Gewalt des Proletariats, das noch lange nicht gesonnen ist, seine Position hinter den Barrika- den aufzugeben. Es soll in Prag aussehen, als ob die Pest dort gewüthet hätte. Auf den Straßen gewahrt man fast Nichts, als bewaffnetes Gesindel; alle Häuser und Läden sind geschlossen, an einen Geschäftsverkehr ist gar nicht zu denken. Die Studenten und die Bürger sind nicht mehr im Stande, ihren Willen zur Gel- tung zu bringen, sie müssen sich in Allem der wüthenden Masse fügen. An jeder Barrikade stehen wild aussehende Menschen, welche diejenigen, die genöthigt sind, vorbeizupassiren, mit den Worten anhalten: „Geben Sie uns ein Geschenk, wir sind Va- terlandsvertheidiger!“ Da dieses Geschenk mit bewaffneter Hand gefordert wird, so sieht es natürlich einem Raube so ähnlich, wie ein Ei dem andern. Man erwartet auch, daß wenn die freiwilli- gen Spenden aufhören, die Plünderung sofort erfolgt. Wer die Stadt verläßt, darf nicht mehr als 100 Gulden mitnehmen. Findet man bei Jemanden eine größere Summe, so wird sie weg- genommen und dem auf diese Weise Beraubten ein Schein dar- über ausgestellt. Aber es ist wohl nicht entfernt an eine Wieder- erlantgung des Weggenommenen zu denken, da nicht die geringste Con rolle darüber geführt wird. Von den durch die Kugeln am meisten beschädigten Gebäuden nennt man das Haus des Kauf- mann Müller, des Uhrmacher Zuchy, das Museum, das Pia- ristencollegium und Clementinum. Ueber den Verlauf der Dinge erfuhr ich noch Folgendes. Am Dienstag wurden die Unterhand- lungen eingeleitet. Man war bereits über die meisten Punkte einig geworden, der Commandirende hatte eingewilligt, daß die Grenadiere wegen der Excesse, welche von ihnen am Montag be- gangen worden war, die Stadt nicht wieder betreten sollten, und man schickte sich schon an, die Barrikaden abzutragen. Da wurde wieder trotz des Waffenstillstandes von den Aufständischen auf die Soldaten geschossen. Dies hatte den Abbruch der Unterhandlun- gen und das Bombardement am Donnerstag zur Folge. Am Abend dieses Tages begab sich abermals eine Deputation der Bürger zum General Menzdorf, der inzwischen das Commando übernommen hatte. Derselbe empfing die Abgesandten mit Vor- würfen über den Bruch des Friedens und gab ihnen die Versiche- rung, daß wenn nicht bis Morgen, also Freitag, Abend um 6 Uhr die Barrikaden gänzlich weggeräumt wären, die Kanonade von Neuem und zwar ernstlicher beginnen würde. Zugleich er- klärte er, daß er dann sein Commando wieder in die Hände des Fürsten Windischgrätz niederzulegen entschlossen sey. Mit diesem Bescheid kehrte die Deputation in die Stadt zurück. Die Mehr- zahl der Studenten und Bürger war sofort bereit die Bedingun- gen anzunehmen, aber die czechische Partei und die wilde Volks- masse opponirte beharrlich dagegen und anstatt die Barrikaden abzutragen, wurden sie noch höher aufgebaut. So fing denn gestern gegen Abend das Bombardement wieder an. Jch zählte ungefähr 14 Schüsse, von denen die letzten gezündet haben müssen, denn alsobald kündigte eine am Horizont aufstei- gende helle Röthe an, daß Prag brenne. Die hiesigen Bür- ger, welche entschlossen waren, falls es sich in Prag wirklich um eine Reaction oder einen Militärdespotismus handle, der Hauptstadt zu Hülfe zu ziehen, haben nun, da sie sich von dem Gegentheil überzeugten und einsahen, daß sie auf diese Weise nur der wüthenden Partei und der Anarchie Vorschub leisten würden, den Beschluß gefaßt, sich gänzlich von dem Kampf fern zu halten. ( Fr. O. P. A. Z. ) Dresden 18. Juni. Jch bin gestern mit dem Dampfschiff von Melnik hierher gereist und habe noch Gelegenheit gehabt einige nähere Nachrichten über Prag zu erhalten. Jn Folge der Kanonade brach vorgestern Abend in der Altstadt Feuer aus, welches die ganze Nacht fortbrannte. Man kann sich keinen Begriff machen von dem Unheil, das über die schöne Hauptstadt Böhmens hereingebrochen ist. Auf unserm Schiffe befanden sich viele Flüchtlinge, namentlich Frauen mit Kindern. Die Betrübniß, welche auf den Gesichtern dieser Unglücklichen zu lesen war, ist zu schildern unmöglich. Die meisten haben sich von ihren Gatten, die sie vielleicht nie wieder sehen, trennen müssen. Sie sind fort, nur mit dem Nothdürftigsten versehen, da ihnen nicht gestattet wurde, Sachen von Werth mitzunehmen. Und am Ende sind sie noch glücklich zu preisen, daß sie wenigstens ihr Leben zu retten vermochten. Wenn nach einer langen Belagerung die Stadt einem grausamen Feinde sich hätte ergeben müssen, so wäre die Lage der Bürger nicht so schrecklich, als sie es gegen- wärtig ist. Dauerte das Bombardement gestern fort, dann ist Prag, mit Ausnahme der Kleinseite, heute ein Schutthaufen. Und all' diese Noth, all' dieses Elend, das so viele Unschuldige trifft, es ist lediglich hervorgebracht, zum Theil durch die Machinatio- nen einiger Ehrgeizigen oder von falschem Nationalgefühl Ver- blendeter, am meisten aber durch die Aufreizungen Fremder, die sich jetzt wenig kümmern um die Gräuelscenen, zu denen sie die Veranlassung gegeben. Man kann mit der größten Gewißheit behaupten, daß die Prager Ereignisse einzig und allein durch Fremde, namentlich polnische Emissäre, hervorgerufen wurden. Wie thätig und consequent diese Leute in der Verfolgung ihrer Zwecke waren, kann nur der wissen, der die letzte Zeit in Prag anwesend war. Dabei verfehlen sie ihre Absichten gar nicht. Sie sagen den Böhmen ganz offen: Jhr müßt Euch von Deutschland trennen, weil man Euch in Frankfurt auf's Neue knechten will; Jhr müßt ein eigenes slavisches Reich bilden und sollt Jhr Euch in die Arme Rußlands werfen. Wie weit die Polen in der Auf- reizung gegen Deutschland gehen und welche Erfolge sie schon er- rungen haben, mag daraus ersichtlich werden, daß viele Prager der Meinung sind, deutsche Emissäre haben die neuesten Unruhen veranlaßt, um Böhmen in den Zustand der ärgsten Verwirrung zu stürzen und auf diese Weise leichten Kaufs an Deutschland zu kommen. Man glaube nicht, daß ich übertreibe, es ist diese An- sicht von ruhigen, leidenschaftslosen Leuten gegen mit ausgespro- chen worden und ich habe sie nur mit der größten Mühe von ihrer unseligen Verblendung überzeugen können. Uebrigens ist das slavische Complott bereits gänzlich aufgedeckt und hoffentlich sind den Böhmen jetzt die Augen über das Vorhaben Derjenigen, welche sie mit aller Gewalt glücklich machen wollen, hinlänglich geöffnet, nur leider zu spät. Jn Prag herrschte bereits der vollkommenste Terrorismus. Man hat folgende Leu- te als Volksverräther proscribirt: die Grafen Auersperg, Kollowrath, Franz Thun, ein Baron von Wieders- perg, Kaufmann Weiß, Kameralverwalter Kubasek, Schauspieler Fischer und drei Hauptleute der Nationalgarde. Gnade Gott, wenn einer von diesen in die Hände der wilden Rotte fällt. Uebrigens muß ich schließlich noch bemerken, daß mir, als ich noch in Melnick war, von einem Officier gesagt wurde, er habe bereits vor acht Tagen einen Brief erhalten, in welchem man ihm schreibt, daß es am 13. zu gleicher Zeit in Prag, Lemberg und Linz losgehen würde. ( F. O. P. A. Z. ) Jn Berlin haben die Minister des Krieges, der geistlichen Angelegenheiten und des Auswärtigen ihre Entlassung eingereicht. Bis jetzt ist indessen erst die Stelle des Kriegsministers durch den General von Schreckenstein in Köln wieder besetzt worden. Dort wie überall handelt es sich indessen nicht um Personen, die heutzutage sich leicht abnutzen, sondern um Principien, und so lange dieser Kampf nicht entschieden ist, würde selbst der weise Salomo nicht helfen können, wenn man ihn in Preußen oder Oestreich eben zum Staatsminister machte! Ueber die neuliche Plünderung des Zeughauses erstattete der Obristlieutenant v. Griesheim der Nationalversammlung am 17. einen Bericht, dem wir zur Charakteristik der „Berliner Frei- heitsbestrebungen “ Nachfolgendes entnehmen. Jm unteren Raume befanden sich große Quantitäten ganz neuer Gewehre von einer neuen Erfindung, welche Eigenthum und Geheimniß der Regie- rung ist. 1100 Stück von diesen wurden geraubt, der Verlust ist unersetzlich. Die kostbarsten Gewehre, namentlich die mit Sil- ber beschlagenen Stücke einer werthvollen Waffensammlung, wur- den gestohlen; die mit Blut errungenen Trovhäen, der Ruhm der preußischen Waffen, mit Füßen getreten und vernichtet. Dies „Schaumspritzen der aufgeregten Wellen“ kostet dem Staat meh- rere Millionen. Für wenige Groschen sind die kostbarsten Waffen auf den Straßen verkauft worden. Eine halbe Stunde später rückte Linienmilitär ein, und eine Compagnie genügte, die plün- dernde Menge, die nur Diebsgelüste, nicht etwa ein Streben nach Wehrbarkeit hierher geführt hatte, zu vertreiben.

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 8. Mainz, 22. Juni 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal008_1848/3>, abgerufen am 24.11.2024.