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Märkische Blätter. Nr. 24. Hattingen, 23. März 1850.

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Märkische Blätter.
Wochenblatt


für belehrende und angenehme Unterhaltung.



ro 24.Hattingen, Sonnabend, den 23. März 1850.


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    Die Redaction.



[Beginn Spaltensatz]
Erfurt.

Einer der besonnensten und verdienstvollsten Kämpfer
für den Bundesstaat, die "Grenzboten," äußert sich über
den jetzt in Erfurt zusammentretenden Reichstag folgender
Maßen: "Wir haben uns in der letzten Zeit dahin aus-
gesprochen, daß wir uns von Erfurt nicht viel verspre-
chen; daß wir gegen den Carlowitz'schen Antrag gestimmt
haben würden, so sehr wir auch mit der redlichen Gesin-
nung und dem gesunden Blick dieses edlen Staatsmannes
mitfühlen, so einig wir mit ihm sind über das nächste
Ziel, welches die deutsche Bewegung zu verfolgen hat.
Nicht darum sind wir bedenklich über Erfurt, weil wir
Preußen erobernde Gelüste zutrauten, weil wir ihm die
Absicht unterlegten, die kleinen Staaten in den wesentlich-
sten Eigenschaften ihrer Souverainetät zu beschränken, sie
auf eine gelinde Weise zu mediatisiren. -- Wäre dies
unsere Ansicht, so würde uns das bestimmen, aus allen
Kräften für Erfurt zu wirken. Denn ein freies politisches
Wesen kann nur dann gedeihen, wenn es eine angemessene
materielle Basis gewinnt. Vielmehr haben uns die neue-
sten Ereignisse -- die Botschaft, die Art des Schwures,
das Verhalten in der mecklenburgschen Frage, die räthsel-
hafte Geschichte in Kassel und vieles Andere -- zu der
Ansicht gebracht, daß Preußen gegen sich selber intriguirt,
daß es mit der einen Hand von sich stößt, was es mit
der anderen ergreift, mit Einem Worte: daß es selber nicht
weiß, was es will. -- Wenn wir in dieser Ansicht Recht
hätten, so könnte eine Theilnahme an den bundesstaatli-
chen Bestrebungen Preußens keinen Nutzen haben, und
Sachsen verführe auf alle Fälle am zweckmäßigsten, wenn
es abwartete, was in Erfurt vor sich geht. Diese Ansicht
können wir aber nicht mit objectiver Gewißheit begrün-
den; wir müssen selber gestehen, daß Manches dagegen
zu sprechen schenn, namentlich was man sich von den
Militär=Verträgen mit Baden und Braunschweig erzählt.
Sollte sie irrig sein -- was wir seit den neuesten Nach-
richten, namentlich seit der königlichen Ernennung der
Mitglieder des Staatenhauses, weniger hoffen als je --,
[Spaltenumbruch] so würde Niemand eine herzlichere Freude darüber haben,
als wir."

Preußen, der Träger des deutschen Gedankens, scheint
daran so schwer zu tragen, daß es zur Erleichterug zu-
weilen abwechselt mit beiden Schultern. Doch es gibt
auch viele gute Zeichen, und das jetzige preußische Mini-
sterium, müssen wir annehmen, beharrt auf seiner deut-
schen Politik. Wenn der König nicht immer den unbeugsa-
men Willen Friedrichs des Großen zeigt, so können wir
uns wegen dieses Schwankens nicht bloß an Eine Per-
sönlichkeit halten. Jst das preußische Volk in der deutschen
Frage fest? Die große Masse des Volks ist ermattet; die
Wähler, die Gutsbesitzer, Beamte, nwohlhabenden Bürger
haben für die deutsche Einheit zum guten Theil nur ein
halbes oder gar kein Herz. Wenn die Wellen von entge-
gengesetzter Seite anstürzen, so schwankt und zittert das
Schiff im Laufe. Möge Erfurt dazu beitragen, dem Volks-
geist eine feste Strömung zu geben!

Die Eröffnung des kleindeutschen Reichstags fängt in
so fern unter günstigen Umständen an, als eben vorher
die großdeutschen Plane eine bestimmte Gestalt angenom-
men haben. Das deutsche Volk kann jetzt wählen zwischen
dem ersten und anderen Drei=Königs=Bündnisse. Es ist
eine Wahl, wie zwischen einem Brod und einem Stein.
Die münchener Uebereinkunft befriedigt auch nicht die be-
scheidensten Wünsche. Wir haben bereits gezeigt, daß sie
nichts anderes enthält, als eine völlige Verläugnung des
Bundesstaates, und zur Untergrabung der Verfassungen
der einzelnen Staaten führen müßte. Die Fürsten können
davon noch weniger erbaut sein als das Volk. Baden
wird durch die münchener Uebereinkunft vernichtet, die
kleinen Fürsten werden dadurch aufgehoben. Uebrigens ist
der ganze Plan todtgeboren; denn Oestreich kann demsel-
ben nicht beitreten. Zwar sind Oesterreich ungeheuere Zu-
geständnisse gemacht: das Volkshaus ist ihm geopfert und
freigestellt, was es verlangt, mit allen seinen Provinzen
dem deutschen Bunde beizutreten. Während der Wahl-
spruch der Großdeutschen bisher war: "Das ganze Deutsch-
land soll es sein!" müssen sie jetzt singen: "Das ganze
Oestreich soll es sein!" Das deutsche Volkslied: "Was ist
[Ende Spaltensatz]

Märkische Blätter.
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    Die Redaction.



[Beginn Spaltensatz]
Erfurt.

Einer der besonnensten und verdienstvollsten Kämpfer
für den Bundesstaat, die „Grenzboten,“ äußert sich über
den jetzt in Erfurt zusammentretenden Reichstag folgender
Maßen: „Wir haben uns in der letzten Zeit dahin aus-
gesprochen, daß wir uns von Erfurt nicht viel verspre-
chen; daß wir gegen den Carlowitz'schen Antrag gestimmt
haben würden, so sehr wir auch mit der redlichen Gesin-
nung und dem gesunden Blick dieses edlen Staatsmannes
mitfühlen, so einig wir mit ihm sind über das nächste
Ziel, welches die deutsche Bewegung zu verfolgen hat.
Nicht darum sind wir bedenklich über Erfurt, weil wir
Preußen erobernde Gelüste zutrauten, weil wir ihm die
Absicht unterlegten, die kleinen Staaten in den wesentlich-
sten Eigenschaften ihrer Souverainetät zu beschränken, sie
auf eine gelinde Weise zu mediatisiren. — Wäre dies
unsere Ansicht, so würde uns das bestimmen, aus allen
Kräften für Erfurt zu wirken. Denn ein freies politisches
Wesen kann nur dann gedeihen, wenn es eine angemessene
materielle Basis gewinnt. Vielmehr haben uns die neue-
sten Ereignisse — die Botschaft, die Art des Schwures,
das Verhalten in der mecklenburgschen Frage, die räthsel-
hafte Geschichte in Kassel und vieles Andere — zu der
Ansicht gebracht, daß Preußen gegen sich selber intriguirt,
daß es mit der einen Hand von sich stößt, was es mit
der anderen ergreift, mit Einem Worte: daß es selber nicht
weiß, was es will. — Wenn wir in dieser Ansicht Recht
hätten, so könnte eine Theilnahme an den bundesstaatli-
chen Bestrebungen Preußens keinen Nutzen haben, und
Sachsen verführe auf alle Fälle am zweckmäßigsten, wenn
es abwartete, was in Erfurt vor sich geht. Diese Ansicht
können wir aber nicht mit objectiver Gewißheit begrün-
den; wir müssen selber gestehen, daß Manches dagegen
zu sprechen schenn, namentlich was man sich von den
Militär=Verträgen mit Baden und Braunschweig erzählt.
Sollte sie irrig sein — was wir seit den neuesten Nach-
richten, namentlich seit der königlichen Ernennung der
Mitglieder des Staatenhauses, weniger hoffen als je —,
[Spaltenumbruch] so würde Niemand eine herzlichere Freude darüber haben,
als wir.“

Preußen, der Träger des deutschen Gedankens, scheint
daran so schwer zu tragen, daß es zur Erleichterug zu-
weilen abwechselt mit beiden Schultern. Doch es gibt
auch viele gute Zeichen, und das jetzige preußische Mini-
sterium, müssen wir annehmen, beharrt auf seiner deut-
schen Politik. Wenn der König nicht immer den unbeugsa-
men Willen Friedrichs des Großen zeigt, so können wir
uns wegen dieses Schwankens nicht bloß an Eine Per-
sönlichkeit halten. Jst das preußische Volk in der deutschen
Frage fest? Die große Masse des Volks ist ermattet; die
Wähler, die Gutsbesitzer, Beamte, nwohlhabenden Bürger
haben für die deutsche Einheit zum guten Theil nur ein
halbes oder gar kein Herz. Wenn die Wellen von entge-
gengesetzter Seite anstürzen, so schwankt und zittert das
Schiff im Laufe. Möge Erfurt dazu beitragen, dem Volks-
geist eine feste Strömung zu geben!

Die Eröffnung des kleindeutschen Reichstags fängt in
so fern unter günstigen Umständen an, als eben vorher
die großdeutschen Plane eine bestimmte Gestalt angenom-
men haben. Das deutsche Volk kann jetzt wählen zwischen
dem ersten und anderen Drei=Königs=Bündnisse. Es ist
eine Wahl, wie zwischen einem Brod und einem Stein.
Die münchener Uebereinkunft befriedigt auch nicht die be-
scheidensten Wünsche. Wir haben bereits gezeigt, daß sie
nichts anderes enthält, als eine völlige Verläugnung des
Bundesstaates, und zur Untergrabung der Verfassungen
der einzelnen Staaten führen müßte. Die Fürsten können
davon noch weniger erbaut sein als das Volk. Baden
wird durch die münchener Uebereinkunft vernichtet, die
kleinen Fürsten werden dadurch aufgehoben. Uebrigens ist
der ganze Plan todtgeboren; denn Oestreich kann demsel-
ben nicht beitreten. Zwar sind Oesterreich ungeheuere Zu-
geständnisse gemacht: das Volkshaus ist ihm geopfert und
freigestellt, was es verlangt, mit allen seinen Provinzen
dem deutschen Bunde beizutreten. Während der Wahl-
spruch der Großdeutschen bisher war: „Das ganze Deutsch-
land soll es sein!“ müssen sie jetzt singen: „Das ganze
Oestreich soll es sein!“ Das deutsche Volkslied: „Was ist
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[0001] Märkische Blätter. Wochenblatt für belehrende und angenehme Unterhaltung. ro 24.Hattingen, Sonnabend, den 23. März 1850. ☞ Zu dem herannahenden 2. Quartal erlauben wir uns zu recht zahlreichem Abonnement auf die Märkischen Blätter freundlichst einzuladen. Die bisherige Tendenz des Blattes wird auch ferner unverrückt festgehalten werden. Die Redaction. Erfurt. Einer der besonnensten und verdienstvollsten Kämpfer für den Bundesstaat, die „Grenzboten,“ äußert sich über den jetzt in Erfurt zusammentretenden Reichstag folgender Maßen: „Wir haben uns in der letzten Zeit dahin aus- gesprochen, daß wir uns von Erfurt nicht viel verspre- chen; daß wir gegen den Carlowitz'schen Antrag gestimmt haben würden, so sehr wir auch mit der redlichen Gesin- nung und dem gesunden Blick dieses edlen Staatsmannes mitfühlen, so einig wir mit ihm sind über das nächste Ziel, welches die deutsche Bewegung zu verfolgen hat. Nicht darum sind wir bedenklich über Erfurt, weil wir Preußen erobernde Gelüste zutrauten, weil wir ihm die Absicht unterlegten, die kleinen Staaten in den wesentlich- sten Eigenschaften ihrer Souverainetät zu beschränken, sie auf eine gelinde Weise zu mediatisiren. — Wäre dies unsere Ansicht, so würde uns das bestimmen, aus allen Kräften für Erfurt zu wirken. Denn ein freies politisches Wesen kann nur dann gedeihen, wenn es eine angemessene materielle Basis gewinnt. Vielmehr haben uns die neue- sten Ereignisse — die Botschaft, die Art des Schwures, das Verhalten in der mecklenburgschen Frage, die räthsel- hafte Geschichte in Kassel und vieles Andere — zu der Ansicht gebracht, daß Preußen gegen sich selber intriguirt, daß es mit der einen Hand von sich stößt, was es mit der anderen ergreift, mit Einem Worte: daß es selber nicht weiß, was es will. — Wenn wir in dieser Ansicht Recht hätten, so könnte eine Theilnahme an den bundesstaatli- chen Bestrebungen Preußens keinen Nutzen haben, und Sachsen verführe auf alle Fälle am zweckmäßigsten, wenn es abwartete, was in Erfurt vor sich geht. Diese Ansicht können wir aber nicht mit objectiver Gewißheit begrün- den; wir müssen selber gestehen, daß Manches dagegen zu sprechen schenn, namentlich was man sich von den Militär=Verträgen mit Baden und Braunschweig erzählt. Sollte sie irrig sein — was wir seit den neuesten Nach- richten, namentlich seit der königlichen Ernennung der Mitglieder des Staatenhauses, weniger hoffen als je —, so würde Niemand eine herzlichere Freude darüber haben, als wir.“ Preußen, der Träger des deutschen Gedankens, scheint daran so schwer zu tragen, daß es zur Erleichterug zu- weilen abwechselt mit beiden Schultern. Doch es gibt auch viele gute Zeichen, und das jetzige preußische Mini- sterium, müssen wir annehmen, beharrt auf seiner deut- schen Politik. Wenn der König nicht immer den unbeugsa- men Willen Friedrichs des Großen zeigt, so können wir uns wegen dieses Schwankens nicht bloß an Eine Per- sönlichkeit halten. Jst das preußische Volk in der deutschen Frage fest? Die große Masse des Volks ist ermattet; die Wähler, die Gutsbesitzer, Beamte, nwohlhabenden Bürger haben für die deutsche Einheit zum guten Theil nur ein halbes oder gar kein Herz. Wenn die Wellen von entge- gengesetzter Seite anstürzen, so schwankt und zittert das Schiff im Laufe. Möge Erfurt dazu beitragen, dem Volks- geist eine feste Strömung zu geben! Die Eröffnung des kleindeutschen Reichstags fängt in so fern unter günstigen Umständen an, als eben vorher die großdeutschen Plane eine bestimmte Gestalt angenom- men haben. Das deutsche Volk kann jetzt wählen zwischen dem ersten und anderen Drei=Königs=Bündnisse. Es ist eine Wahl, wie zwischen einem Brod und einem Stein. Die münchener Uebereinkunft befriedigt auch nicht die be- scheidensten Wünsche. Wir haben bereits gezeigt, daß sie nichts anderes enthält, als eine völlige Verläugnung des Bundesstaates, und zur Untergrabung der Verfassungen der einzelnen Staaten führen müßte. Die Fürsten können davon noch weniger erbaut sein als das Volk. Baden wird durch die münchener Uebereinkunft vernichtet, die kleinen Fürsten werden dadurch aufgehoben. Uebrigens ist der ganze Plan todtgeboren; denn Oestreich kann demsel- ben nicht beitreten. Zwar sind Oesterreich ungeheuere Zu- geständnisse gemacht: das Volkshaus ist ihm geopfert und freigestellt, was es verlangt, mit allen seinen Provinzen dem deutschen Bunde beizutreten. Während der Wahl- spruch der Großdeutschen bisher war: „Das ganze Deutsch- land soll es sein!“ müssen sie jetzt singen: „Das ganze Oestreich soll es sein!“ Das deutsche Volkslied: „Was ist

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Zitationshilfe: Märkische Blätter. Nr. 24. Hattingen, 23. März 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maerkische024_1850/1>, abgerufen am 21.11.2024.