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Mährisches Tagblatt. Nr. 42, Olmütz, 22.02.1886.

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"Mährische Tagblatt"
mit der illustr. Wochenbeilag
"Illustrirt. Sonntagsblatt.
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Mährisches
Tagblatt.

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Heinrich Schalek, Annon-
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zeile Nr. 1. Haasenstein &
Vogler
in Wien, Prag, Buda-
pest, Berlin, Frankfurt a. M[.]
Hamburg, Basel und Leipzig
Alois Opellik, in Wien Rud.
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in Wien, München u.
Berlin, G. L. Daube u. Co.
(Ig. Knoll[)]
Wien, I., Singer-
straße 11 a, Frankfurt a. M.
Adolf Steiner's Annoncen-
bureau in Hamburg, sowie
sämmtl. conc. Insertions-Bu-
reaux des In- u. Auslandes.




Manuscripte werden nich
zurückgestellt.




Nr. 42. Olmütz, Montag, den 22. Februar 1886. 7. Jahrgang



[Spaltenumbruch]
Oesterreichs Stellung in der
Balkanfrage.


Als im Jahre 1878 der Friede zu Berlin
geschlossen wurde, da verlangte Oesterreich-Ungarn
im Interesse seiner Machtstellung, daß der Türkei
eine letzte Möglichkeit belassen werde, sich gegen
einen etwaigen russischen Angriff zu vertheidi[g]en
-- wenn auch nur für eine gewisse Zeit. Dieses
Verlangen wurde von den leitenden Ministern
Deutschlands und Englands kräftig unterstützt
und die Folge dieses vereinten Vorgehens war
der Artikel 15 des Berliner Vertrages, welcher
aber von der Pforte mit gewohnter Saumseligkeit
nicht ausgeführt wurde. Anstatt an der Grenze
Ostrumeliens, das ist am Balkan, die ihr ge-
statteten Befestigungen zu errichten, durch welche
die Balkanstraßen im Ernstfalle mühelos hätten
gesperrt und einem andringenden Feinde die größ-
ten Schwierigkeiten bereitet werden können, that
die Türkei einfach -- nichts. Diese Unterlassungs-
sünde rächte sich sehr bald, denn schon nach weni-
gen Jahren hatte sich in der europäischen Diplo-
matie die Meinung festgesetzt, daß die Pforte,
nachdem sie nunmehr den ri[c]htigen Zeitpunkt
versäumt, für die Anlage dieser Balkanbefestigungen
der Znstimmung der Unterzeichner des Berliner
Vertrages bedürfe, und Rußland gab sich alle
Mühe, dieser Auffassung überall Eingang zu
verschaffen, denn durch dieselbe wurde es ja zum
Herrn über diesen lästigen Artikel 15. Es war
also wenig Hoffnung dafür vorhanden, daß die
[Spaltenumbruch] Waffe, welche die Berliner Vertragsmächte den
Türken in die Hand gedrückt hatten, von diesen
jemals ernstlich werde in Gebrauch gesetzt werden.

Vermuthlich war es diese Erwägung, welche
unser auswärtiges Amt bestimmte, dem bulgarisch-
ost[ru]melischen Einigungsversuche keinen sonderlichen
Wioerstand entgegenzusetzen. Wenn die Türkei, so
mochte man in Wien denken, nicht mehr Nerv
genug besitzt, um ganz und voll auszunützen, was
ihr, der damals gänzlich geschlagenen und am
Boden liegenden, zu Berlin erwirkt worden war,
dann kann es auch nicht die Aufgabe einer anderen
Macht sein, eigensinnig an diesen Begünstigungen
festzuhalten. Ein Recht, das auszuüben der Be-
rechtigte entweder nicht den Willen oder nicht die
Macht besitzt, stellt in der Politik keinen Werth
dar und es mußten andere Mittel ersonnen wer-
den, um zu erreichen, was durch den Berliner
Vertrag nicht erreicht werden konnte. Den Balkan
gegen den Willen des Fürsten von Bulgarien
wider eine eventuell einrückende russische Armee
vertheidigen zu wollen, das erwies sich nach den
gemachten Erfahrungen als ein aussichtsloses
Unternehmen; es lag mithin der Gedanke nahe,
es mit dem Fürsten zu versuchen und dessen In-
teresse an jenes der Pforte zu knüpfen. Unsere
Diplomatie befreundete sich demnach ziemlich rasch
mit dem Abkommen zwischen der Pforte und dem
Fürsten Alexander, ein Abkommen, welches be-
kanntlich die Balkangrenze in die Hand des
Fürsten legt und dessen Treue und Geschicklichkeit
die Vertheidigung des Restes der europäischeu
Türkei anvertraut.

Es läßt sich gar nicht in Abrede stellen,
[Spaltenumbruch] daß dieses Uebereinkommen aus zwei Gesichts-
puncten bedenklich erscheinen muß. Den einen Ge-
sichtspunct hat Graf Andrassy dargelegt, als er
im ungarischen Reichstage die volle Realunion
zwischen Bulgarien und Ostrumelien verlangte und
bekanntlich prophezeite, daß das Verhältniß der
Personalunion, wie es beabsichtigt ist, den Fürsten
sehr bald zum Rebellen wider sich selbst machen,
das heißt, ihn zwingen werde, in seiner Eigen-
schaft als Bulgarenfürst Dinge zu unternehmen,
welche er als Generalgouverneur von Ostrumelien
zu bekämpfen verpflichtet ist. Die anderen Ein-
wendungen drängen sich von selbst auf; sie gelten
zunächst dem Curiosum, welches darin liegt, daß
fortan ein christlicher Fürst mit vorwiegend
christlichen Truppen eine Aufgabe lösen soll,
welche bis jetzt türkischen Feldherren und isla-
mitischen Heeren obgelegen. Wenn es blutiger
Ernst wird und russische Truppen über die
Grenze gegen den Balcan anrücken, wird der Fürst
von Bulgarien wohl stark genug sein, der öffent-
lichen Meinung seines Landes, dem stürmischen
Verlangen seines Volkes erfolgreichen Widerstand
zu leisten, die von ihm ohne Zweifel nicht die
Bekämpfung, sondern die Unterstützung Rußlands
verlangen werden? Eine andere Schwierigkeit
werden in diesem Falle die türkischen Truppen
sein; es ist nicht gut anzunehmen, daß diese
stolzen Paschas, diese strenggläubigen anatolischen
Soldaten willig unter dem Commando eines
Christen kämpfen werden. Und wenn der andere
Theil des Uebereinkommens praktisch wird, wenn
Rußland die Türkei in Asien angreift, werden
die bulgarischen, die ostrumelischen Bataillone sich




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.



Eine Erinnerung an Emanuel
Schikaneder.

"Er ist unvergänglich geworden, wie die
Mücke im Bernstein," pflegte Börne zu sagen,
wenn er sich des Sonderlings Schikaneder er-
innerte.

Schikaneder war ein vielseitiges Talent, ein
begabter Schauspieler, ein wirksamer Theaterschrift-
steller (allerdings nur für seine Zeit und seine
Bühnenverhältnisse), ein spec[u]lativer, practischer
Bühnenleiter, denn er kannte sein Publicum und
seine Schauspieler vom Grunde aus. -- Als
"Principal", wie als Schauspieler hatte er alle
Verhältnisse des wechselvollen Lebens gründlich
kennen gelernt, sich auf der "Schmiere" wie am
Hoftheater bewegt, heute den "Hamlet" mit be-
sonderem Erfolg in München und gleich darauf
in seiner Posse: "Die Fiaker in Wien" einen
biederen, humorvollen Rosselenker mit gleichem
Beifalle dargestellt.

Seine zahlreichen Stücke, die entweder auf
die Thränendrüsen oder die Lachmuskeln des Pu-
blicums zu wirken berechnet waren, gefielen außer-
ordentlich, denn unsere biederen Großväter waren
in den meisten Fällen doch vollauf befriedigt,
wenn sie im Musentempel gehörig weinen oder
nach Herzenslust lachen konnten.


[Spaltenumbruch]

Schikaneder hatte eine Zeit lang mit Noth
und Elend gekämpft, dann hatte er im fürstlichen
Luxus geschwelgt, bis er schließlich wieder in
ärmliche Verhältnisse gericth. Seine Tafeln waren
einst berühmt und gern besucht, seine Equipagen
waren prächtig, seine Maitressen anerkannte
Schönheiten, die einen solchen fabelhaften Auf-
wand entwickelten, daß selbst die leichtlebigen
Wiener ihre boshaften Bemerkungen darüber
machten. Champagner, Austern und dergleichen
durften bei keiner Mahlzeit auf seinem Tische
fehlen.

Nach einem lucullischen Mahle fühlte Schi-
kaneder sich erst dann behaglich, wenn er in eine
Sophaecke gelehnt über Politik sprechen konnte,
"Ich sag' Ihnen, wir werden noch etwas erle-
ben," so leitete er gewöhnlich seine politischen
Betrachtungen ein, und hatte er einmal ein ge-
duldiges, aufmerksames Opfer gefunden, so war
er im Stande, die ganze Nacht bis zum frühen
Morgen über die "bevorstehende politische Neu-
gestaltung von Europa" zu erzählen.

Die damalige Polizei liebte es jedoch nicht,
wenn sich die Oesterreicher allzuviel mit der Po-
litik beschäftigten und gar oft wurde Schikaneder
deshalb das Opfer eines guten oder schlechten
Witzes, besonders als ihm einmal angeblich "amt-
lich" die Meldung zugestellt wurde, daß es der
Polizei nunmehr gelungen sei, in ihm ein höchst
gefährliches Mitglied des Jakobiner-Clubs zu ent-
decken. Durch volle vierzehn Tage blieb der arme
Theaterdirector unsichtbar.

Schikaneder war in Wien außerordentlich be-
liebt. Wie aber jeder Mensch, selbst der harmlo-
[Spaltenumbruch] seste, seine Widersacher hat, so erwuchs auch dem
Freihaus-Theaterdirector ein erbitterter Gegner
in der Person des Pächters und Vice-Directors
der beiden Hoftheater Freiherrn von Braun.
Dieser suchte durch alle erdenklichen Cabalen es
zu verhindern, daß Schikaneder die Bewilligung
zum Baue eines Theaters auf der Wieden erhalte.
Aber Kaiser Franz, der den "lustigen Theater-
menschen" ganz gern sah, erledigte das Gesuch
des petirenden Theaterdirectors in gnädigster
Weise. Das a. h. Rescript vom 19. April 1800
lautete: "Dem Schikaneder will Ich die Erbau-
ung eines Theaters gestatten, die Vorstellung des
Freiherrn von Braun aber ist ohne Ertheilung
eines Bescheides ad acta zu legen. -- --

Schikaneder liebte lustige Gesellschaft und
mußte stets welche um sich haben. Er vereinigte
deshalb in seinem Haus[e] nicht nur die Reprä-
sentanten der besten [unleserliches Material]se, sondern auch eine
große Anzahl von [Musiker]n, Sängern, Schau-
spielern, und fast täglich nahm Mozart (den
Schikaneder von Salzburg aus kannte) an diesen
Fest-Abenden Theil.

Es ist nicht meine Pflicht, hier eine bio-
graphische Skizze von Schikaneder zu entwerfen
sondern ich will nur einige einzelne charakteri-
stische Züge aus dessen Leben mittheilen.

Emanuel Schikaneder war als der Sohn
sehr armer Eltern in Regensburg, und zwar im
Jahre 1751 geboren. Er lernte die Violine
spielen, zog dann mit einigen Musikanten, bei
denen er die Stelle eines Capellmeisters versah,
von Dorf zu Dorf und [w]ar herzensfroh, wenn
das Erträgniß seiner "Kunst" die materiellen


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Das
„Mähriſche Tagblatt“
mit der illuſtr. Wochenbeilag
„Illuſtrirt. Sonntagsblatt.
erſcheint mit Ausnahme der
Sonn- und Feiertage täglich
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Niederring Nr. 41 neu
ober den Fleiſchbänken.

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peſt, Berlin, Frankfurt a. M[.]
Hamburg, Baſel und Leipzig
Alois Opellik, in Wien Rud.
M[o]sse
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Berlin, G. L. Daube u. Co.
(Ig. Knoll[)]
Wien, I., Singer-
ſtraße 11 a, Frankfurt a. M.
Adolf Steiner’s Annoncen-
bureau in Hamburg, ſowie
ſämmtl. conc. Inſertions-Bu-
reaux des In- u. Auslandes.




Manuſcripte werden nich
zurückgeſtellt.




Nr. 42. Olmütz, Montag, den 22. Februar 1886. 7. Jahrgang



[Spaltenumbruch]
Oeſterreichs Stellung in der
Balkanfrage.


Als im Jahre 1878 der Friede zu Berlin
geſchloſſen wurde, da verlangte Oeſterreich-Ungarn
im Intereſſe ſeiner Machtſtellung, daß der Türkei
eine letzte Möglichkeit belaſſen werde, ſich gegen
einen etwaigen ruſſiſchen Angriff zu vertheidi[g]en
— wenn auch nur für eine gewiſſe Zeit. Dieſes
Verlangen wurde von den leitenden Miniſtern
Deutſchlands und Englands kräftig unterſtützt
und die Folge dieſes vereinten Vorgehens war
der Artikel 15 des Berliner Vertrages, welcher
aber von der Pforte mit gewohnter Saumſeligkeit
nicht ausgeführt wurde. Anſtatt an der Grenze
Oſtrumeliens, das iſt am Balkan, die ihr ge-
ſtatteten Befeſtigungen zu errichten, durch welche
die Balkanſtraßen im Ernſtfalle mühelos hätten
geſperrt und einem andringenden Feinde die größ-
ten Schwierigkeiten bereitet werden können, that
die Türkei einfach — nichts. Dieſe Unterlaſſungs-
ſünde rächte ſich ſehr bald, denn ſchon nach weni-
gen Jahren hatte ſich in der europäiſchen Diplo-
matie die Meinung feſtgeſetzt, daß die Pforte,
nachdem ſie nunmehr den ri[c]htigen Zeitpunkt
verſäumt, für die Anlage dieſer Balkanbefeſtigungen
der Znſtimmung der Unterzeichner des Berliner
Vertrages bedürfe, und Rußland gab ſich alle
Mühe, dieſer Auffaſſung überall Eingang zu
verſchaffen, denn durch dieſelbe wurde es ja zum
Herrn über dieſen läſtigen Artikel 15. Es war
alſo wenig Hoffnung dafür vorhanden, daß die
[Spaltenumbruch] Waffe, welche die Berliner Vertragsmächte den
Türken in die Hand gedrückt hatten, von dieſen
jemals ernſtlich werde in Gebrauch geſetzt werden.

Vermuthlich war es dieſe Erwägung, welche
unſer auswärtiges Amt beſtimmte, dem bulgariſch-
oſt[ru]meliſchen Einigungsverſuche keinen ſonderlichen
Wioerſtand entgegenzuſetzen. Wenn die Türkei, ſo
mochte man in Wien denken, nicht mehr Nerv
genug beſitzt, um ganz und voll auszunützen, was
ihr, der damals gänzlich geſchlagenen und am
Boden liegenden, zu Berlin erwirkt worden war,
dann kann es auch nicht die Aufgabe einer anderen
Macht ſein, eigenſinnig an dieſen Begünſtigungen
feſtzuhalten. Ein Recht, das auszuüben der Be-
rechtigte entweder nicht den Willen oder nicht die
Macht beſitzt, ſtellt in der Politik keinen Werth
dar und es mußten andere Mittel erſonnen wer-
den, um zu erreichen, was durch den Berliner
Vertrag nicht erreicht werden konnte. Den Balkan
gegen den Willen des Fürſten von Bulgarien
wider eine eventuell einrückende ruſſiſche Armee
vertheidigen zu wollen, das erwies ſich nach den
gemachten Erfahrungen als ein ausſichtsloſes
Unternehmen; es lag mithin der Gedanke nahe,
es mit dem Fürſten zu verſuchen und deſſen In-
tereſſe an jenes der Pforte zu knüpfen. Unſere
Diplomatie befreundete ſich demnach ziemlich raſch
mit dem Abkommen zwiſchen der Pforte und dem
Fürſten Alexander, ein Abkommen, welches be-
kanntlich die Balkangrenze in die Hand des
Fürſten legt und deſſen Treue und Geſchicklichkeit
die Vertheidigung des Reſtes der europäiſcheu
Türkei anvertraut.

Es läßt ſich gar nicht in Abrede ſtellen,
[Spaltenumbruch] daß dieſes Uebereinkommen aus zwei Geſichts-
puncten bedenklich erſcheinen muß. Den einen Ge-
ſichtspunct hat Graf Andraſſy dargelegt, als er
im ungariſchen Reichstage die volle Realunion
zwiſchen Bulgarien und Oſtrumelien verlangte und
bekanntlich prophezeite, daß das Verhältniß der
Perſonalunion, wie es beabſichtigt iſt, den Fürſten
ſehr bald zum Rebellen wider ſich ſelbſt machen,
das heißt, ihn zwingen werde, in ſeiner Eigen-
ſchaft als Bulgarenfürſt Dinge zu unternehmen,
welche er als Generalgouverneur von Oſtrumelien
zu bekämpfen verpflichtet iſt. Die anderen Ein-
wendungen drängen ſich von ſelbſt auf; ſie gelten
zunächſt dem Curioſum, welches darin liegt, daß
fortan ein chriſtlicher Fürſt mit vorwiegend
chriſtlichen Truppen eine Aufgabe löſen ſoll,
welche bis jetzt türkiſchen Feldherren und isla-
mitiſchen Heeren obgelegen. Wenn es blutiger
Ernſt wird und ruſſiſche Truppen über die
Grenze gegen den Balcan anrücken, wird der Fürſt
von Bulgarien wohl ſtark genug ſein, der öffent-
lichen Meinung ſeines Landes, dem ſtürmiſchen
Verlangen ſeines Volkes erfolgreichen Widerſtand
zu leiſten, die von ihm ohne Zweifel nicht die
Bekämpfung, ſondern die Unterſtützung Rußlands
verlangen werden? Eine andere Schwierigkeit
werden in dieſem Falle die türkiſchen Truppen
ſein; es iſt nicht gut anzunehmen, daß dieſe
ſtolzen Paſchas, dieſe ſtrenggläubigen anatoliſchen
Soldaten willig unter dem Commando eines
Chriſten kämpfen werden. Und wenn der andere
Theil des Uebereinkommens praktiſch wird, wenn
Rußland die Türkei in Aſien angreift, werden
die bulgariſchen, die oſtrumeliſchen Bataillone ſich




[Spaltenumbruch]
Feuilleton.



Eine Erinnerung an Emanuel
Schikaneder.

„Er iſt unvergänglich geworden, wie die
Mücke im Bernſtein,“ pflegte Börne zu ſagen,
wenn er ſich des Sonderlings Schikaneder er-
innerte.

Schikaneder war ein vielſeitiges Talent, ein
begabter Schauſpieler, ein wirkſamer Theaterſchrift-
ſteller (allerdings nur für ſeine Zeit und ſeine
Bühnenverhältniſſe), ein ſpec[u]lativer, practiſcher
Bühnenleiter, denn er kannte ſein Publicum und
ſeine Schauſpieler vom Grunde aus. — Als
„Principal“, wie als Schauſpieler hatte er alle
Verhältniſſe des wechſelvollen Lebens gründlich
kennen gelernt, ſich auf der „Schmiere“ wie am
Hoftheater bewegt, heute den „Hamlet“ mit be-
ſonderem Erfolg in München und gleich darauf
in ſeiner Poſſe: „Die Fiaker in Wien“ einen
biederen, humorvollen Roſſelenker mit gleichem
Beifalle dargeſtellt.

Seine zahlreichen Stücke, die entweder auf
die Thränendrüſen oder die Lachmuskeln des Pu-
blicums zu wirken berechnet waren, gefielen außer-
ordentlich, denn unſere biederen Großväter waren
in den meiſten Fällen doch vollauf befriedigt,
wenn ſie im Muſentempel gehörig weinen oder
nach Herzensluſt lachen konnten.


[Spaltenumbruch]

Schikaneder hatte eine Zeit lang mit Noth
und Elend gekämpft, dann hatte er im fürſtlichen
Luxus geſchwelgt, bis er ſchließlich wieder in
ärmliche Verhältniſſe gericth. Seine Tafeln waren
einſt berühmt und gern beſucht, ſeine Equipagen
waren prächtig, ſeine Maitreſſen anerkannte
Schönheiten, die einen ſolchen fabelhaften Auf-
wand entwickelten, daß ſelbſt die leichtlebigen
Wiener ihre boshaften Bemerkungen darüber
machten. Champagner, Auſtern und dergleichen
durften bei keiner Mahlzeit auf ſeinem Tiſche
fehlen.

Nach einem luculliſchen Mahle fühlte Schi-
kaneder ſich erſt dann behaglich, wenn er in eine
Sophaecke gelehnt über Politik ſprechen konnte,
„Ich ſag’ Ihnen, wir werden noch etwas erle-
ben,“ ſo leitete er gewöhnlich ſeine politiſchen
Betrachtungen ein, und hatte er einmal ein ge-
duldiges, aufmerkſames Opfer gefunden, ſo war
er im Stande, die ganze Nacht bis zum frühen
Morgen über die „bevorſtehende politiſche Neu-
geſtaltung von Europa“ zu erzählen.

Die damalige Polizei liebte es jedoch nicht,
wenn ſich die Oeſterreicher allzuviel mit der Po-
litik beſchäftigten und gar oft wurde Schikaneder
deshalb das Opfer eines guten oder ſchlechten
Witzes, beſonders als ihm einmal angeblich „amt-
lich“ die Meldung zugeſtellt wurde, daß es der
Polizei nunmehr gelungen ſei, in ihm ein höchſt
gefährliches Mitglied des Jakobiner-Clubs zu ent-
decken. Durch volle vierzehn Tage blieb der arme
Theaterdirector unſichtbar.

Schikaneder war in Wien außerordentlich be-
liebt. Wie aber jeder Menſch, ſelbſt der harmlo-
[Spaltenumbruch] ſeſte, ſeine Widerſacher hat, ſo erwuchs auch dem
Freihaus-Theaterdirector ein erbitterter Gegner
in der Perſon des Pächters und Vice-Directors
der beiden Hoftheater Freiherrn von Braun.
Dieſer ſuchte durch alle erdenklichen Cabalen es
zu verhindern, daß Schikaneder die Bewilligung
zum Baue eines Theaters auf der Wieden erhalte.
Aber Kaiſer Franz, der den „luſtigen Theater-
menſchen“ ganz gern ſah, erledigte das Geſuch
des petirenden Theaterdirectors in gnädigſter
Weiſe. Das a. h. Reſcript vom 19. April 1800
lautete: „Dem Schikaneder will Ich die Erbau-
ung eines Theaters geſtatten, die Vorſtellung des
Freiherrn von Braun aber iſt ohne Ertheilung
eines Beſcheides ad acta zu legen. — —

Schikaneder liebte luſtige Geſellſchaft und
mußte ſtets welche um ſich haben. Er vereinigte
deshalb in ſeinem Hauſ[e] nicht nur die Reprä-
ſentanten der beſten [unleserliches Material]ſe, ſondern auch eine
große Anzahl von [Muſiker]n, Sängern, Schau-
ſpielern, und faſt täglich nahm Mozart (den
Schikaneder von Salzburg aus kannte) an dieſen
Feſt-Abenden Theil.

Es iſt nicht meine Pflicht, hier eine bio-
graphiſche Skizze von Schikaneder zu entwerfen
ſondern ich will nur einige einzelne charakteri-
ſtiſche Züge aus deſſen Leben mittheilen.

Emanuel Schikaneder war als der Sohn
ſehr armer Eltern in Regensburg, und zwar im
Jahre 1751 geboren. Er lernte die Violine
ſpielen, zog dann mit einigen Muſikanten, bei
denen er die Stelle eines Capellmeiſters verſah,
von Dorf zu Dorf und [w]ar herzensfroh, wenn
das Erträgniß ſeiner „Kunſt“ die materiellen


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[[1]/0001] Das „Mähriſche Tagblatt“ mit der illuſtr. Wochenbeilag „Illuſtrirt. Sonntagsblatt. erſcheint mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage täglich Ausgabe 2 Uhr Nachmittags im Adminiſtrations-Locale Niederring Nr. 41 neu ober den Fleiſchbänken. Abonnement für Olmütz Ganzjährig fl. 10.— Halbjährig „ 5.— Vierteljährig „ 2.50 Monatlich „ —.90 Zuſtellung ins Haus monat- lich 10 Kreuzer. Auswärts durch die Poſt Ganzjährig fl. 14.— Halbjährig „ 7.— Vierteljährig „ 3.50 Einzelne Nummer 5 Kreuzer. Mähriſches Tagblatt. Inſertionsgebühren die 4mal geſpaltene Petitzeile oder deren Raum 6 Kreuzer Außerhalb Olmütz überneh- men Inſertions-Aufträge: Heinrich Schalek, Annon- cen-Exped. in Wien, I., Woll- zeile Nr. 1. Haasenstein & Vogler in Wien, Prag, Buda- peſt, Berlin, Frankfurt a. M. Hamburg, Baſel und Leipzig Alois Opellik, in Wien Rud. Mosse in Wien, München u. Berlin, G. L. Daube u. Co. (Ig. Knoll) Wien, I., Singer- ſtraße 11 a, Frankfurt a. M. Adolf Steiner’s Annoncen- bureau in Hamburg, ſowie ſämmtl. conc. Inſertions-Bu- reaux des In- u. Auslandes. Manuſcripte werden nich zurückgeſtellt. Nr. 42. Olmütz, Montag, den 22. Februar 1886. 7. Jahrgang Oeſterreichs Stellung in der Balkanfrage. Olmütz, 22. Februar. Als im Jahre 1878 der Friede zu Berlin geſchloſſen wurde, da verlangte Oeſterreich-Ungarn im Intereſſe ſeiner Machtſtellung, daß der Türkei eine letzte Möglichkeit belaſſen werde, ſich gegen einen etwaigen ruſſiſchen Angriff zu vertheidigen — wenn auch nur für eine gewiſſe Zeit. Dieſes Verlangen wurde von den leitenden Miniſtern Deutſchlands und Englands kräftig unterſtützt und die Folge dieſes vereinten Vorgehens war der Artikel 15 des Berliner Vertrages, welcher aber von der Pforte mit gewohnter Saumſeligkeit nicht ausgeführt wurde. Anſtatt an der Grenze Oſtrumeliens, das iſt am Balkan, die ihr ge- ſtatteten Befeſtigungen zu errichten, durch welche die Balkanſtraßen im Ernſtfalle mühelos hätten geſperrt und einem andringenden Feinde die größ- ten Schwierigkeiten bereitet werden können, that die Türkei einfach — nichts. Dieſe Unterlaſſungs- ſünde rächte ſich ſehr bald, denn ſchon nach weni- gen Jahren hatte ſich in der europäiſchen Diplo- matie die Meinung feſtgeſetzt, daß die Pforte, nachdem ſie nunmehr den richtigen Zeitpunkt verſäumt, für die Anlage dieſer Balkanbefeſtigungen der Znſtimmung der Unterzeichner des Berliner Vertrages bedürfe, und Rußland gab ſich alle Mühe, dieſer Auffaſſung überall Eingang zu verſchaffen, denn durch dieſelbe wurde es ja zum Herrn über dieſen läſtigen Artikel 15. Es war alſo wenig Hoffnung dafür vorhanden, daß die Waffe, welche die Berliner Vertragsmächte den Türken in die Hand gedrückt hatten, von dieſen jemals ernſtlich werde in Gebrauch geſetzt werden. Vermuthlich war es dieſe Erwägung, welche unſer auswärtiges Amt beſtimmte, dem bulgariſch- oſtrumeliſchen Einigungsverſuche keinen ſonderlichen Wioerſtand entgegenzuſetzen. Wenn die Türkei, ſo mochte man in Wien denken, nicht mehr Nerv genug beſitzt, um ganz und voll auszunützen, was ihr, der damals gänzlich geſchlagenen und am Boden liegenden, zu Berlin erwirkt worden war, dann kann es auch nicht die Aufgabe einer anderen Macht ſein, eigenſinnig an dieſen Begünſtigungen feſtzuhalten. Ein Recht, das auszuüben der Be- rechtigte entweder nicht den Willen oder nicht die Macht beſitzt, ſtellt in der Politik keinen Werth dar und es mußten andere Mittel erſonnen wer- den, um zu erreichen, was durch den Berliner Vertrag nicht erreicht werden konnte. 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Den einen Ge- ſichtspunct hat Graf Andraſſy dargelegt, als er im ungariſchen Reichstage die volle Realunion zwiſchen Bulgarien und Oſtrumelien verlangte und bekanntlich prophezeite, daß das Verhältniß der Perſonalunion, wie es beabſichtigt iſt, den Fürſten ſehr bald zum Rebellen wider ſich ſelbſt machen, das heißt, ihn zwingen werde, in ſeiner Eigen- ſchaft als Bulgarenfürſt Dinge zu unternehmen, welche er als Generalgouverneur von Oſtrumelien zu bekämpfen verpflichtet iſt. Die anderen Ein- wendungen drängen ſich von ſelbſt auf; ſie gelten zunächſt dem Curioſum, welches darin liegt, daß fortan ein chriſtlicher Fürſt mit vorwiegend chriſtlichen Truppen eine Aufgabe löſen ſoll, welche bis jetzt türkiſchen Feldherren und isla- mitiſchen Heeren obgelegen. 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Schikaneder war ein vielſeitiges Talent, ein begabter Schauſpieler, ein wirkſamer Theaterſchrift- ſteller (allerdings nur für ſeine Zeit und ſeine Bühnenverhältniſſe), ein ſpeculativer, practiſcher Bühnenleiter, denn er kannte ſein Publicum und ſeine Schauſpieler vom Grunde aus. — Als „Principal“, wie als Schauſpieler hatte er alle Verhältniſſe des wechſelvollen Lebens gründlich kennen gelernt, ſich auf der „Schmiere“ wie am Hoftheater bewegt, heute den „Hamlet“ mit be- ſonderem Erfolg in München und gleich darauf in ſeiner Poſſe: „Die Fiaker in Wien“ einen biederen, humorvollen Roſſelenker mit gleichem Beifalle dargeſtellt. Seine zahlreichen Stücke, die entweder auf die Thränendrüſen oder die Lachmuskeln des Pu- blicums zu wirken berechnet waren, gefielen außer- ordentlich, denn unſere biederen Großväter waren in den meiſten Fällen doch vollauf befriedigt, wenn ſie im Muſentempel gehörig weinen oder nach Herzensluſt lachen konnten. Schikaneder hatte eine Zeit lang mit Noth und Elend gekämpft, dann hatte er im fürſtlichen Luxus geſchwelgt, bis er ſchließlich wieder in ärmliche Verhältniſſe gericth. Seine Tafeln waren einſt berühmt und gern beſucht, ſeine Equipagen waren prächtig, ſeine Maitreſſen anerkannte Schönheiten, die einen ſolchen fabelhaften Auf- wand entwickelten, daß ſelbſt die leichtlebigen Wiener ihre boshaften Bemerkungen darüber machten. Champagner, Auſtern und dergleichen durften bei keiner Mahlzeit auf ſeinem Tiſche fehlen. Nach einem luculliſchen Mahle fühlte Schi- kaneder ſich erſt dann behaglich, wenn er in eine Sophaecke gelehnt über Politik ſprechen konnte, „Ich ſag’ Ihnen, wir werden noch etwas erle- ben,“ ſo leitete er gewöhnlich ſeine politiſchen Betrachtungen ein, und hatte er einmal ein ge- duldiges, aufmerkſames Opfer gefunden, ſo war er im Stande, die ganze Nacht bis zum frühen Morgen über die „bevorſtehende politiſche Neu- geſtaltung von Europa“ zu erzählen. Die damalige Polizei liebte es jedoch nicht, wenn ſich die Oeſterreicher allzuviel mit der Po- litik beſchäftigten und gar oft wurde Schikaneder deshalb das Opfer eines guten oder ſchlechten Witzes, beſonders als ihm einmal angeblich „amt- lich“ die Meldung zugeſtellt wurde, daß es der Polizei nunmehr gelungen ſei, in ihm ein höchſt gefährliches Mitglied des Jakobiner-Clubs zu ent- decken. Durch volle vierzehn Tage blieb der arme Theaterdirector unſichtbar. Schikaneder war in Wien außerordentlich be- liebt. Wie aber jeder Menſch, ſelbſt der harmlo- ſeſte, ſeine Widerſacher hat, ſo erwuchs auch dem Freihaus-Theaterdirector ein erbitterter Gegner in der Perſon des Pächters und Vice-Directors der beiden Hoftheater Freiherrn von Braun. Dieſer ſuchte durch alle erdenklichen Cabalen es zu verhindern, daß Schikaneder die Bewilligung zum Baue eines Theaters auf der Wieden erhalte. Aber Kaiſer Franz, der den „luſtigen Theater- menſchen“ ganz gern ſah, erledigte das Geſuch des petirenden Theaterdirectors in gnädigſter Weiſe. Das a. h. Reſcript vom 19. April 1800 lautete: „Dem Schikaneder will Ich die Erbau- ung eines Theaters geſtatten, die Vorſtellung des Freiherrn von Braun aber iſt ohne Ertheilung eines Beſcheides ad acta zu legen. — — Schikaneder liebte luſtige Geſellſchaft und mußte ſtets welche um ſich haben. Er vereinigte deshalb in ſeinem Hauſe nicht nur die Reprä- ſentanten der beſten _ ſe, ſondern auch eine große Anzahl von Muſikern, Sängern, Schau- ſpielern, und faſt täglich nahm Mozart (den Schikaneder von Salzburg aus kannte) an dieſen Feſt-Abenden Theil. Es iſt nicht meine Pflicht, hier eine bio- graphiſche Skizze von Schikaneder zu entwerfen ſondern ich will nur einige einzelne charakteri- ſtiſche Züge aus deſſen Leben mittheilen. Emanuel Schikaneder war als der Sohn ſehr armer Eltern in Regensburg, und zwar im Jahre 1751 geboren. Er lernte die Violine ſpielen, zog dann mit einigen Muſikanten, bei denen er die Stelle eines Capellmeiſters verſah, von Dorf zu Dorf und war herzensfroh, wenn das Erträgniß ſeiner „Kunſt“ die materiellen

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Benjamin Fiechter, Susanne Haaf: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat). (2018-01-26T15:49:55Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T15:49:55Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Amelie Meister: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T15:49:55Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Mährisches Tagblatt. Nr. 42, Olmütz, 22.02.1886, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maehrisches42_1886/1>, abgerufen am 19.03.2024.