Mährisches Tagblatt. Nr. 1, Olmütz, 02.01.1893.[Spaltenumbruch]
der maßgebenden Kreise, ernste Erwägungen und "Hundert Quittungen des Wel- fenfonds." Olmütz, 2. Jänner. Unter dieser zwar sehr sensationellen, aber Die Nummern 1--10 stammen von Groß- Nr. 1 von einem solchen, der allen Grund Nr. 2 von einem Minister, dessen Kriegs- Nr. 3 von einem süddeutschen, früher lei- Nr. 4 von dem Minister eines süddeutschen Nr. 5 von einem Kriegsminister, dessen Nr. 6 von einem Cultusminister, der sich Nr. 7 von einem besonders gottesfürchtigen [Spaltenumbruch] Nr. 8 von einem süddeutschen Minister, dem Nr. 9 von einem Staatsmann, der sich im Nr. 10. Eine bittere Erinnerung an einen Die Nummern 11--18 sind von Generälen Ob auch die folgenden 15 Belege, welche Die Nummern 19--21 stammen von Gou- Die Nummern 22--33 von Commandeuren Die Nummern 34--36 sind von Richtern, Die Nummern 37--47 sind von Zeitungs- Davon: Nr. 37. Preußisch-nationalliberal. Nr. 38. Bekanntes süddeutsches Reptil, des- Nr. 39 und 40. Französische Redactionen. Nr. 41. Preußisch-nationalliberal. Nr. 42. Preußisch-conservativ. Nr. 43. Angeblicher (?) socialdemocratischer Nr. 44. Hochangesehene südbeutsche liberale Nr. 45. Preußisch-nationalliberal. Nr. 46. Redaction ohne nähere Bezeichnung. [Spaltenumbruch] Belege Nr. 47--71 sind von Parlamenta- Wir geben hier der besseren Uebersichtlichkeit Nr. 47. Parlamentarier ersten Ranges, immer Nr. 48. Hannoverscher conservativer Abge- Nr. 49. Hannoverscher nationalliberaler Ab- Nr. 50. Hessen-Kasseler nationalliberaler Nr. 51. Württembergischer Landtags-Abge- Nr. 52. Württembergischer Landtags-Abge- Nr. 53. Preußischer conservativer Reichstags- Nr. 54. Pfalz-Baierischer nationalliberaler Nr. 55. Württembergischer Reichstags-Ab- Nr. 56. Württembergischer Landtags-Abge- Nr. 57. Sächsischer Reichstags-Abgeordneter Nr. 58. Württembergischer Reichs-Heißsporn, Nr. 59. Preußischer conservativer Reichs- Nr. 60--62. Drei bairische Landtagsabge- Nr. 63--71 sind von neun Mitgliedern des Die Beträge, über welche quittirt wird, be- Die Nr. 72--81 quittiren Summen, recht Von hervorragendstem Interesse sind drei Quit- [Spaltenumbruch] entziehe. Gehen Sie schnell, denn ich weiß, wenn Das alte Fräulein vermißt auch Unter- Der General ist eine hohe stattliche Er- Als der General jung gewesen war, war Nun trat der Hausherr an Fräulein von "Ich unterhalte mich mit der Erinnerung, Der Hausherr entfernte sich und der General Auch sie, obwohl sie ja vorausgesehen hatte, "Sie haben mich nimmer erkannt, Herr von Er fuhr sich mit der Hand über die Stirne "Wer uns gesagt hätte, hier vor dreißig Und wieder starrte er vor sich hin und fand "Unterbrochen werden -- natürlich gerade "Ja, gerade wie sonst!" wiederholte sie "Gerade wie sonst", wiederhallte etwas in Und nun spielte es auch die Musik ganz Und gerade wie sonst trat er dann wieder Wie sonst folgten dem Paare ärgerliche [Spaltenumbruch]
der maßgebenden Kreiſe, ernſte Erwägungen und „Hundert Quittungen des Wel- fenfonds.“ Olmütz, 2. Jänner. Unter dieſer zwar ſehr ſenſationellen, aber Die Nummern 1—10 ſtammen von Groß- Nr. 1 von einem ſolchen, der allen Grund Nr. 2 von einem Miniſter, deſſen Kriegs- Nr. 3 von einem ſüddeutſchen, früher lei- Nr. 4 von dem Miniſter eines ſüddeutſchen Nr. 5 von einem Kriegsminiſter, deſſen Nr. 6 von einem Cultusminiſter, der ſich Nr. 7 von einem beſonders gottesfürchtigen [Spaltenumbruch] Nr. 8 von einem ſüddeutſchen Miniſter, dem Nr. 9 von einem Staatsmann, der ſich im Nr. 10. Eine bittere Erinnerung an einen Die Nummern 11—18 ſind von Generälen Ob auch die folgenden 15 Belege, welche Die Nummern 19—21 ſtammen von Gou- Die Nummern 22—33 von Commandeuren Die Nummern 34—36 ſind von Richtern, Die Nummern 37—47 ſind von Zeitungs- Davon: Nr. 37. Preußiſch-nationalliberal. Nr. 38. Bekanntes ſüddeutſches Reptil, deſ- Nr. 39 und 40. Franzöſiſche Redactionen. Nr. 41. Preußiſch-nationalliberal. Nr. 42. Preußiſch-conſervativ. Nr. 43. Angeblicher (?) ſocialdemocratiſcher Nr. 44. Hochangeſehene ſüdbeutſche liberale Nr. 45. Preußiſch-nationalliberal. Nr. 46. Redaction ohne nähere Bezeichnung. [Spaltenumbruch] Belege Nr. 47—71 ſind von Parlamenta- Wir geben hier der beſſeren Ueberſichtlichkeit Nr. 47. Parlamentarier erſten Ranges, immer Nr. 48. Hannoverſcher conſervativer Abge- Nr. 49. Hannoverſcher nationalliberaler Ab- Nr. 50. Heſſen-Kaſſeler nationalliberaler Nr. 51. Württembergiſcher Landtags-Abge- Nr. 52. Württembergiſcher Landtags-Abge- Nr. 53. Preußiſcher conſervativer Reichstags- Nr. 54. Pfalz-Baieriſcher nationalliberaler Nr. 55. Württembergiſcher Reichstags-Ab- Nr. 56. Württembergiſcher Landtags-Abge- Nr. 57. Sächſiſcher Reichstags-Abgeordneter Nr. 58. Württembergiſcher Reichs-Heißſporn, Nr. 59. Preußiſcher conſervativer Reichs- Nr. 60—62. Drei bairiſche Landtagsabge- Nr. 63—71 ſind von neun Mitgliedern des Die Beträge, über welche quittirt wird, be- Die Nr. 72—81 quittiren Summen, recht Von hervorragendſtem Intereſſe ſind drei Quit- [Spaltenumbruch] entziehe. Gehen Sie ſchnell, denn ich weiß, wenn Das alte Fräulein vermißt auch Unter- Der General iſt eine hohe ſtattliche Er- Als der General jung geweſen war, war Nun trat der Hausherr an Fräulein von „Ich unterhalte mich mit der Erinnerung, Der Hausherr entfernte ſich und der General Auch ſie, obwohl ſie ja vorausgeſehen hatte, „Sie haben mich nimmer erkannt, Herr von Er fuhr ſich mit der Hand über die Stirne „Wer uns geſagt hätte, hier vor dreißig Und wieder ſtarrte er vor ſich hin und fand „Unterbrochen werden — natürlich gerade „Ja, gerade wie ſonſt!“ wiederholte ſie „Gerade wie ſonſt“, wiederhallte etwas in Und nun ſpielte es auch die Muſik ganz Und gerade wie ſonſt trat er dann wieder Wie ſonſt folgten dem Paare ärgerliche <TEI> <text> <body> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div xml:id="f1a" next="#f1b" type="jArticle" n="2"> <pb facs="#f0002" n="[2]"/> <cb/> </div> </div> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div xml:id="a1b" prev="#a1a" type="jArticle" n="2"> <p>der maßgebenden Kreiſe, ernſte Erwägungen und<lb/> Berathungen zu pflegen, wie dem unausbleib-<lb/> lichen Bauernkrach vorgebeugt werden könnte. Es<lb/> müſſen dagegen Mittel gefunden werden. Möge<lb/> dies bald geſchehen, ehe es zu ſpät iſt!</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div xml:id="a2a" next="#a2b" type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">„Hundert Quittungen des Wel-<lb/> fenfonds.“</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#g">Olmütz,</hi> 2. Jänner.</dateline><lb/> <p>Unter dieſer zwar ſehr ſenſationellen, aber<lb/> nicht mehr neuen Ueberſchrift veröffentlicht der<lb/> „Vorwärts“, das officielle Parteiorgan der deut-<lb/> ſchen Socialdemocratie, erſichtlich in der Abſicht,<lb/> ſeinen durch die Panama-Scandale in eine ſo üble<lb/> Lage gerathenen Freunden, den franzöſiſchen<lb/> Republikanern, eine vergnügte Stunde zu bereiten,<lb/> die ſchon ſo oft in marktſchreieriſcher Weiſe an-<lb/> gekündigten „Enthüllungen“ über die Koſtgänger<lb/> des Welfenfonds. Wer nun glaubt, daß hier<lb/> wirkliche Enthüllungen aufgetiſcht werden, der<lb/> irrt ſich. Es werden keinerlei Namen genannt,<lb/> ſondern nur die angeblichen Empfänger beſchrie-<lb/> ben; ob dieſelben durch die Art der Beſchreibung<lb/> wirklich kenntlich gemacht ſind, oder ob es ſich<lb/> nur um Erfindung ins Blaue hinein handelt,<lb/> muß dahingeſtellt bleiben. Wenn wir von den<lb/> Mittheilungen des „Vorwärts“ Notiz nehmen,<lb/> ſo geſchieht es nur in der Vorausſetzung, daß die<lb/> Angelegenheit noch weiter die Oeffentlichkeit be-<lb/> ſchäftigen wird. Das Blatt weiß von den „hundert<lb/> Quittungen“ Folgendes zu erzählen:</p><lb/> <p>Die Nummern 1—10 ſtammen von Groß-<lb/> würdenträgern verſchiedener Staaten her, u. zw.:</p><lb/> <p>Nr. 1 von einem ſolchen, der allen Grund<lb/> zu großer Dankbarkeit gegen den blinden König<lb/> gehabt hätte.</p><lb/> <p>Nr. 2 von einem Miniſter, deſſen Kriegs-<lb/> ruhm in Aller Mund,</p><lb/> <p>Nr. 3 von einem ſüddeutſchen, früher lei-<lb/> tenden Staatsmann und bekannten Intriganten,<lb/> bekannt und berüchtigt durch ſeinen häufig ſich<lb/> wiederholenden Geſinnungswechſel. Er verſchwand<lb/> im rechten Augenblick, um Bismarck nicht unbe-<lb/> quem zu werden.</p><lb/> <p>Nr. 4 von dem Miniſter eines ſüddeutſchen<lb/> Königreichs. Eifriger Förderer der Kaiſerprocla-<lb/> mation und ausgeſprochener Freund eines guten<lb/> Trunks.</p><lb/> <p>Nr. 5 von einem Kriegsminiſter, deſſen<lb/> militäriſche Tüchtigkeit ebenſo unbeſtritten war,<lb/> als deſſen parlamentariſches Geſchick allgemein<lb/> bezweifelt wurde.</p><lb/> <p>Nr. 6 von einem Cultusminiſter, der ſich<lb/> in der Geſchichte der Verhetzung der Parteien für<lb/> ewige Zeiten einen Platz geſichert.</p><lb/> <p>Nr. 7 von einem beſonders gottesfürchtigen<lb/> Miniſter, auf deſſen Zukunft die Mucker große<lb/> Hoffnungen ſetzten.</p><lb/> <cb/> <p>Nr. 8 von einem ſüddeutſchen Miniſter, dem<lb/> die Liebe zum Vaterlande und zum Amte eine<lb/> rührende Zähigkeit im Beharren auf dem Poſten<lb/> verlieh, trotz aller Gelegenheiten, abzugehen.</p><lb/> <p>Nr. 9 von einem Staatsmann, der ſich im<lb/> preußiſchen und im Reichsdienſt verſuchte.</p><lb/> <p>Nr. 10. Eine bittere Erinnerung an einen<lb/> geweſenen Miniſter.</p><lb/> <p>Die Nummern 11—18 ſind von Generälen<lb/> ausgeſtellt, die das Geld als Grat<supplied>i</supplied>ficationen er-<lb/> halten zu haben ſcheinen. Ein politiſcher Zweck<lb/> iſt wohl ausgeſchloſſen. Wir zählen darunter zwei<lb/> General- und einen Flügeladjutanten, ſowie<lb/> fünf commandirende Generäle, die in der Zeit<lb/> von 1868—1887 Quittungen unterzeichnet haben,<lb/> die ſich deutlich als Belege zum Welfenfonds<lb/> darſtellen.</p><lb/> <p>Ob auch die folgenden 15 Belege, welche<lb/> von in Süddeutſchland verwendeten Officieren<lb/> unterfertigt ſind, ebenſo relativ harmlos ſind,<lb/> bleibe dahingeſtellt.</p><lb/> <p>Die Nummern 19—21 ſtammen von Gou-<lb/> verneuren, von denen einer das Malheur hatte,<lb/> mit dem Gerichtsvollzieher Bekanntſchaft zu machen.</p><lb/> <p>Die Nummern 22—33 von Commandeuren<lb/> aller General Chargen die im Süden ſtationirt<lb/> waren. Da nicht anzunehmen iſt, daß dieſe Gelder<lb/> dazu verwendet wurden, um die zahlreichen geborenen<lb/> Hannoveraner, die in nichtpreußiſchen Heeresver-<lb/> bänden dienten, zu überwachen, ſo fragt man ſich:<lb/> wozu ſonſt dieſes Geld?</p><lb/> <p>Die Nummern 34—36 ſind von Richtern,<lb/> und zwar vorſitzenden Richtern unterfertigt. In-<lb/> wiefern dieſe Richter an den „Maßregeln zur<lb/> Ueberwachung und Abwehr der gegen Preußen<lb/> gerichteten Unternehmungen des Königs Georg<lb/> und ſeiner Agenten“ betheiligt waren, bleibe da-<lb/> hingeſtellt.</p><lb/> <p>Die Nummern 37—47 ſind von Zeitungs-<lb/> redactionen verſchiedener Länder und Parteien<lb/> ausgeſtellt.</p><lb/> <p>Davon:</p><lb/> <p>Nr. 37. Preußiſch-nationalliberal.</p><lb/> <p>Nr. 38. Bekanntes ſüddeutſches Reptil, deſ-<lb/> ſen politiſche Characterloſigkeit und grundſätzliche<lb/> Verlogenheit trefflich zu den muckeriſchen Poſen<lb/> ſtimmen.</p><lb/> <p>Nr. 39 und 40. Franzöſiſche Redactionen.<lb/> Dieſe Quittungen ſind unmittelbar vor der Kriegs-<lb/> erklärung ausgeſtellt.</p><lb/> <p>Nr. 41. Preußiſch-nationalliberal.</p><lb/> <p>Nr. 42. Preußiſch-conſervativ.</p><lb/> <p>Nr. 43. Angeblicher (?) ſocialdemocratiſcher<lb/> Literat.</p><lb/> <p>Nr. 44. Hochangeſehene ſüdbeutſche liberale<lb/> Zeitung.</p><lb/> <p>Nr. 45. Preußiſch-nationalliberal.</p><lb/> <p>Nr. 46. Redaction ohne nähere Bezeichnung.<lb/> Datum unleſerlich.</p><lb/> <cb/> <p>Belege Nr. 47—71 ſind von Parlamenta-<lb/> riern ausgeſtellt.</p><lb/> <p>Wir geben hier der beſſeren Ueberſichtlichkeit<lb/> wegen und um ein Urtheil zu ermöglichen, zu<lb/> welchen Zwecken und aus welchem Anlaß die Gel-<lb/> der gegeben wurden, die Daten und Summen mit an.</p><lb/> <p>Nr. 47. Parlamentarier erſten Ranges, immer<lb/> noch in einflußreicher Stellung, von höchſtem An-<lb/> ſehen, am 21. Mai 1868 20,000 Thaler.</p><lb/> <p>Nr. 48. Hannoverſcher conſervativer Abge-<lb/> ordneter des norddeutſchen Reichstages, am 1.<lb/> Juli 1868 1000 Thaler.</p><lb/> <p>Nr. 49. Hannoverſcher nationalliberaler Ab-<lb/> geordneter des norddentſchen Reichstages am<lb/> 1. Juli 1868 20,000 Thaler.</p><lb/> <p>Nr. 50. Heſſen-Kaſſeler nationalliberaler<lb/> Abgeordneter des norddeutſchen Reichstages am<lb/> 1. Juli 1868 8000 Thaler.</p><lb/> <p>Nr. 51. Württembergiſcher Landtags-Abge-<lb/> ordneter am 31. December 1870 2000 Thaler.</p><lb/> <p>Nr. 52. Württembergiſcher Landtags-Abge-<lb/> ordneter am 5. Februar 1871 (Summe un-<lb/> leſerlich.)</p><lb/> <p>Nr. 53. Preußiſcher conſervativer Reichstags-<lb/> Abgeordneter am 1 Mai 1872 4000 Thaler.</p><lb/> <p>Nr. 54. Pfalz-Baieriſcher nationalliberaler<lb/> Reichstags-Abgeordneter am 1. Auguſt 1872<lb/> 4000 Thaler.</p><lb/> <p>Nr. 55. Württembergiſcher Reichstags-Ab-<lb/> geordneter am 1. September 1872 2000 Thaler.</p><lb/> <p>Nr. 56. Württembergiſcher Landtags-Abge-<lb/> ordneter am 11. März 1873 10,000 Mark.</p><lb/> <p>Nr. 57. Sächſiſcher Reichstags-Abgeordneter<lb/> am 1. October 1874 7000 Thaler.</p><lb/> <p>Nr. 58. Württembergiſcher Reichs-Heißſporn,<lb/> Landtags-Abgeordneter 11. Mai 1876 15,000<lb/> Mark.</p><lb/> <p>Nr. 59. Preußiſcher conſervativer Reichs-<lb/> tagsabgeordneter am 1. April 1881 10,000 M.</p><lb/> <p>Nr. 60—62. Drei bairiſche Landtagsabge-<lb/> ordnete am 21 Juni 1886.</p><lb/> <p>Nr. 63—71 ſind von neun Mitgliedern des<lb/> preußiſchen Landtags unterfertigt. Fünf derſelben<lb/> gehören der nationalliberalen, vier der conſervativen<lb/> Partei an.</p><lb/> <p>Die Beträge, über welche quittirt wird, be-<lb/> wegen ſich zwiſchen 2000 und 8000 Thalern,<lb/> bezw. 3000 und 15,000 M. Dieſe Belege tragen<lb/> ſämmtlich Daten vom Frühjahr 1875, alſo aus<lb/> der Zeit der Hochfluth des Culturkampfes.</p><lb/> <p>Die Nr. 72—81 quittiren Summen, recht<lb/> artigen Umfanges, ſind von hohen und niederen<lb/> Hofbeamten unterfertigt. Was die Gräfin H.<lb/> und eine andere hohe Dame, deren Name, den<lb/> ihr Herr Gemal ihr zubrachte, ſeit vielen Jahr-<lb/> zehnten mit preußiſchen Hofdienſt verwachſen, mit<lb/> der „Abwehr der welfiſchen Umtriebe zu thun<lb/> haben, iſt wohl nicht blos uns ein Räthſel.</p><lb/> <p>Von hervorragendſtem Intereſſe ſind drei Quit-<lb/> tungen, die am nämlichen Tage unterzeichnet wurden,</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb/> </div> </div> <div type="jFeuilleton" n="1"> <div prev="#f1a" xml:id="f1b" next="#f1c" type="jArticle" n="2"> <p>entziehe. Gehen Sie ſchnell, denn ich weiß, wenn<lb/> es auch ſchon recht lange her iſt, wie es einem<lb/> jungen Herrn zu Muthe iſt, wenn der erſte<lb/> Tanz beginnt“, und mit einem heitern Lächeln<lb/> blickt ſie dem dahinſchwebenden Paare einen<lb/> Augenblick nach.</p><lb/> <p>Das alte Fräulein vermißt auch Unter-<lb/> haltung nicht, ihre Blicke ſind nun unverwandt<lb/> in das Nebenzimmer gerichtet, wo der Officier,<lb/> der vor ihr die Treppe hinanſtieg — unter uns<lb/> geſagt: General von Wedemeher-Strehlen —<lb/> mit ſeiner Gemahlin und anderen Gäſten ſteht.</p><lb/> <p>Der General iſt eine hohe ſtattliche Er-<lb/> ſcheinung. Das Haupt, wenn auch ſchon mit<lb/> ſtarkem Silberſchimmer, iſt ſtolz gehoben, der<lb/> Blick entſchloſſen und feſt, denn er iſt ein vor-<lb/> nehmer Mann und es iſt eine vornehme Stellung,<lb/> die er ſich errungen hat.</p><lb/> <p>Als der General jung geweſen war, war<lb/> auch das alte Fräulein dort in dem beſcheidenen<lb/> Kleide jung geweſen und die Beiden hatten ſich<lb/> damals <hi rendition="#g">geliebt</hi> und hatten getanzt zuſammen,<lb/> hier in dieſen Räumen, gerade wie jetzt die-<lb/> jenigen tanzten, die nun jung waren. Viel, viel<lb/> ſpäter, als das alte Fräulein hörte, daß der<lb/> General ſich mit ſeiner Couſine verheirathen<lb/> werde, da — war ſie ein altes Mädchen ge-<lb/> worden. Es war, ſeit die Beiden ſich getrennt<lb/> hatten — Familienverhältniſſe wegen, ſagten die<lb/> Leute — eine große Menge Zeit vergangen, ſtill<lb/> und gleichmäßig, und ſo gingen die Jahre denn<lb/><cb/> auch weiter und allmählich wurde es immer<lb/> ſtiller, immer einſamer um ſie. —</p><lb/> <p>Nun trat der Hausherr an Fräulein von<lb/> Stern heran, ihre Erinnerungen unterbrechend<lb/> mit der Frage, ob er ihr nicht von ſeinen<lb/> Gäſten noch einige vorſtellen dürfte, denn er<lb/> beklage, daß ſie, als Fremde, ſo wenig Unter-<lb/> haltung fände.</p><lb/> <p>„Ich unterhalte mich mit der Erinnerung,<lb/> Baron“, entgegnete ſie ihm mit eigenthümlich<lb/> zerſtreutem Lächeln. Aber ſchon hatte ſich dieſer<lb/> an den eben auf ihn zukommenden Herrn ge-<lb/> wandt mit den Worten: „Sie erlauben, Ihnen<lb/> Herrn General von Wedemeyer-Strehlen vorzu-<lb/> ſtellen — Fräulein Minna von Stern.“</p><lb/> <p>Der Hausherr entfernte ſich und der General<lb/> ſtand bewegungslos vor dem Fräulein und ſah<lb/> ſie an wie eine fremde Erſcheinung.</p><lb/> <p>Auch ſie, obwohl ſie ja vorausgeſehen hatte,<lb/> daß ſie ihn ſprechen würde, war nun auch<lb/> einen Moment faſſungslos geworden und in<lb/> dem Blick, womit ſie ihn anſah, lag, wohl<lb/> ihr unbewußt, etwas Fragendes und Suchendes<lb/> nach der Vergangenheit. Aber ſchnell hatte ſie<lb/> ſich wieder gefaßt und mit einem heiteren Lächeln<lb/> bot ſie ihm die Hand:</p><lb/> <p>„Sie haben mich nimmer erkannt, Herr von<lb/> Wedemeyer, und wie natürlich; denn es iſt lange<lb/> her, ſeit wir uns nicht geſehen haben — wohl<lb/> dreißig Jahre —“</p><lb/> <p>Er fuhr ſich mit der Hand über die Stirne<lb/> und ſagte halblaut: „Ja, es iſt lange her —“<lb/><cb/> dann ſchwieg er wieder und endlich ſagte er:<lb/> „Ich wußte nicht, daß Sie hier ſind; verzeihen<lb/> Sie, daß ich Sie nicht ſogleich erkannt und be-<lb/> grüßt habe.“</p><lb/> <p>„Wer uns geſagt hätte, hier vor dreißig<lb/> Jahren, am Sylveſter 1862, daß Sie mich ein-<lb/> mal nicht wiedererkennen würden!“ lachte ſie<lb/> melancholiſch.</p><lb/> <p>Und wieder ſtarrte er vor ſich hin und fand<lb/> kein Wort, bis ein Diener herantrat und in<lb/> reſpectvollem Flüſterton die Botſchaft brachte,<lb/> daß die Frau Präſidentin ihn am Spieltiſch er-<lb/> warte.</p><lb/> <p>„Unterbrochen werden — natürlich <hi rendition="#g">gerade<lb/> wie ſonſt!</hi>“ fuhr er zornig auf.</p><lb/> <p>„<hi rendition="#g">Ja, gerade wie ſonſt!</hi>“ wiederholte ſie<lb/> leiſe. Und als ſie ihm nachſah, ja wirklich, da<lb/> hatte er denſelben zornigen Ausdruck im Geſicht<lb/> und die Haltung, gerade wie ſonſt.</p><lb/> <p>„Gerade wie ſonſt“, wiederhallte etwas in<lb/> ihr wieder und wieder — „gerade wie ſonſt“ —</p><lb/> <p>Und nun ſpielte es auch die Muſik ganz<lb/> deutlich in leichter, luſtiger Weiſe in ihrem<lb/> Schottiſch hinein und zierliche, weiße Atlas-<lb/> ſchuhe glitten an ihr vorüber nach dieſer Melodie<lb/> — gerade wie ſonſt. —</p><lb/> <p>Und gerade wie ſonſt trat er dann wieder<lb/> auf ſie zu und wiederholte die alten Worte: „Darf<lb/> ich Sie nicht zum Souper führen?“</p><lb/> <p>Wie ſonſt folgten dem Paare ärgerliche<lb/> Blicke, wenn auch anderer Art, denn es war doch<lb/> anerkannt nothwendig, daß der Herr General die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[2]/0002]
der maßgebenden Kreiſe, ernſte Erwägungen und
Berathungen zu pflegen, wie dem unausbleib-
lichen Bauernkrach vorgebeugt werden könnte. Es
müſſen dagegen Mittel gefunden werden. Möge
dies bald geſchehen, ehe es zu ſpät iſt!
„Hundert Quittungen des Wel-
fenfonds.“
Olmütz, 2. Jänner.
Unter dieſer zwar ſehr ſenſationellen, aber
nicht mehr neuen Ueberſchrift veröffentlicht der
„Vorwärts“, das officielle Parteiorgan der deut-
ſchen Socialdemocratie, erſichtlich in der Abſicht,
ſeinen durch die Panama-Scandale in eine ſo üble
Lage gerathenen Freunden, den franzöſiſchen
Republikanern, eine vergnügte Stunde zu bereiten,
die ſchon ſo oft in marktſchreieriſcher Weiſe an-
gekündigten „Enthüllungen“ über die Koſtgänger
des Welfenfonds. Wer nun glaubt, daß hier
wirkliche Enthüllungen aufgetiſcht werden, der
irrt ſich. Es werden keinerlei Namen genannt,
ſondern nur die angeblichen Empfänger beſchrie-
ben; ob dieſelben durch die Art der Beſchreibung
wirklich kenntlich gemacht ſind, oder ob es ſich
nur um Erfindung ins Blaue hinein handelt,
muß dahingeſtellt bleiben. Wenn wir von den
Mittheilungen des „Vorwärts“ Notiz nehmen,
ſo geſchieht es nur in der Vorausſetzung, daß die
Angelegenheit noch weiter die Oeffentlichkeit be-
ſchäftigen wird. Das Blatt weiß von den „hundert
Quittungen“ Folgendes zu erzählen:
Die Nummern 1—10 ſtammen von Groß-
würdenträgern verſchiedener Staaten her, u. zw.:
Nr. 1 von einem ſolchen, der allen Grund
zu großer Dankbarkeit gegen den blinden König
gehabt hätte.
Nr. 2 von einem Miniſter, deſſen Kriegs-
ruhm in Aller Mund,
Nr. 3 von einem ſüddeutſchen, früher lei-
tenden Staatsmann und bekannten Intriganten,
bekannt und berüchtigt durch ſeinen häufig ſich
wiederholenden Geſinnungswechſel. Er verſchwand
im rechten Augenblick, um Bismarck nicht unbe-
quem zu werden.
Nr. 4 von dem Miniſter eines ſüddeutſchen
Königreichs. Eifriger Förderer der Kaiſerprocla-
mation und ausgeſprochener Freund eines guten
Trunks.
Nr. 5 von einem Kriegsminiſter, deſſen
militäriſche Tüchtigkeit ebenſo unbeſtritten war,
als deſſen parlamentariſches Geſchick allgemein
bezweifelt wurde.
Nr. 6 von einem Cultusminiſter, der ſich
in der Geſchichte der Verhetzung der Parteien für
ewige Zeiten einen Platz geſichert.
Nr. 7 von einem beſonders gottesfürchtigen
Miniſter, auf deſſen Zukunft die Mucker große
Hoffnungen ſetzten.
Nr. 8 von einem ſüddeutſchen Miniſter, dem
die Liebe zum Vaterlande und zum Amte eine
rührende Zähigkeit im Beharren auf dem Poſten
verlieh, trotz aller Gelegenheiten, abzugehen.
Nr. 9 von einem Staatsmann, der ſich im
preußiſchen und im Reichsdienſt verſuchte.
Nr. 10. Eine bittere Erinnerung an einen
geweſenen Miniſter.
Die Nummern 11—18 ſind von Generälen
ausgeſtellt, die das Geld als Gratificationen er-
halten zu haben ſcheinen. Ein politiſcher Zweck
iſt wohl ausgeſchloſſen. Wir zählen darunter zwei
General- und einen Flügeladjutanten, ſowie
fünf commandirende Generäle, die in der Zeit
von 1868—1887 Quittungen unterzeichnet haben,
die ſich deutlich als Belege zum Welfenfonds
darſtellen.
Ob auch die folgenden 15 Belege, welche
von in Süddeutſchland verwendeten Officieren
unterfertigt ſind, ebenſo relativ harmlos ſind,
bleibe dahingeſtellt.
Die Nummern 19—21 ſtammen von Gou-
verneuren, von denen einer das Malheur hatte,
mit dem Gerichtsvollzieher Bekanntſchaft zu machen.
Die Nummern 22—33 von Commandeuren
aller General Chargen die im Süden ſtationirt
waren. Da nicht anzunehmen iſt, daß dieſe Gelder
dazu verwendet wurden, um die zahlreichen geborenen
Hannoveraner, die in nichtpreußiſchen Heeresver-
bänden dienten, zu überwachen, ſo fragt man ſich:
wozu ſonſt dieſes Geld?
Die Nummern 34—36 ſind von Richtern,
und zwar vorſitzenden Richtern unterfertigt. In-
wiefern dieſe Richter an den „Maßregeln zur
Ueberwachung und Abwehr der gegen Preußen
gerichteten Unternehmungen des Königs Georg
und ſeiner Agenten“ betheiligt waren, bleibe da-
hingeſtellt.
Die Nummern 37—47 ſind von Zeitungs-
redactionen verſchiedener Länder und Parteien
ausgeſtellt.
Davon:
Nr. 37. Preußiſch-nationalliberal.
Nr. 38. Bekanntes ſüddeutſches Reptil, deſ-
ſen politiſche Characterloſigkeit und grundſätzliche
Verlogenheit trefflich zu den muckeriſchen Poſen
ſtimmen.
Nr. 39 und 40. Franzöſiſche Redactionen.
Dieſe Quittungen ſind unmittelbar vor der Kriegs-
erklärung ausgeſtellt.
Nr. 41. Preußiſch-nationalliberal.
Nr. 42. Preußiſch-conſervativ.
Nr. 43. Angeblicher (?) ſocialdemocratiſcher
Literat.
Nr. 44. Hochangeſehene ſüdbeutſche liberale
Zeitung.
Nr. 45. Preußiſch-nationalliberal.
Nr. 46. Redaction ohne nähere Bezeichnung.
Datum unleſerlich.
Belege Nr. 47—71 ſind von Parlamenta-
riern ausgeſtellt.
Wir geben hier der beſſeren Ueberſichtlichkeit
wegen und um ein Urtheil zu ermöglichen, zu
welchen Zwecken und aus welchem Anlaß die Gel-
der gegeben wurden, die Daten und Summen mit an.
Nr. 47. Parlamentarier erſten Ranges, immer
noch in einflußreicher Stellung, von höchſtem An-
ſehen, am 21. Mai 1868 20,000 Thaler.
Nr. 48. Hannoverſcher conſervativer Abge-
ordneter des norddeutſchen Reichstages, am 1.
Juli 1868 1000 Thaler.
Nr. 49. Hannoverſcher nationalliberaler Ab-
geordneter des norddentſchen Reichstages am
1. Juli 1868 20,000 Thaler.
Nr. 50. Heſſen-Kaſſeler nationalliberaler
Abgeordneter des norddeutſchen Reichstages am
1. Juli 1868 8000 Thaler.
Nr. 51. Württembergiſcher Landtags-Abge-
ordneter am 31. December 1870 2000 Thaler.
Nr. 52. Württembergiſcher Landtags-Abge-
ordneter am 5. Februar 1871 (Summe un-
leſerlich.)
Nr. 53. Preußiſcher conſervativer Reichstags-
Abgeordneter am 1 Mai 1872 4000 Thaler.
Nr. 54. Pfalz-Baieriſcher nationalliberaler
Reichstags-Abgeordneter am 1. Auguſt 1872
4000 Thaler.
Nr. 55. Württembergiſcher Reichstags-Ab-
geordneter am 1. September 1872 2000 Thaler.
Nr. 56. Württembergiſcher Landtags-Abge-
ordneter am 11. März 1873 10,000 Mark.
Nr. 57. Sächſiſcher Reichstags-Abgeordneter
am 1. October 1874 7000 Thaler.
Nr. 58. Württembergiſcher Reichs-Heißſporn,
Landtags-Abgeordneter 11. Mai 1876 15,000
Mark.
Nr. 59. Preußiſcher conſervativer Reichs-
tagsabgeordneter am 1. April 1881 10,000 M.
Nr. 60—62. Drei bairiſche Landtagsabge-
ordnete am 21 Juni 1886.
Nr. 63—71 ſind von neun Mitgliedern des
preußiſchen Landtags unterfertigt. Fünf derſelben
gehören der nationalliberalen, vier der conſervativen
Partei an.
Die Beträge, über welche quittirt wird, be-
wegen ſich zwiſchen 2000 und 8000 Thalern,
bezw. 3000 und 15,000 M. Dieſe Belege tragen
ſämmtlich Daten vom Frühjahr 1875, alſo aus
der Zeit der Hochfluth des Culturkampfes.
Die Nr. 72—81 quittiren Summen, recht
artigen Umfanges, ſind von hohen und niederen
Hofbeamten unterfertigt. Was die Gräfin H.
und eine andere hohe Dame, deren Name, den
ihr Herr Gemal ihr zubrachte, ſeit vielen Jahr-
zehnten mit preußiſchen Hofdienſt verwachſen, mit
der „Abwehr der welfiſchen Umtriebe zu thun
haben, iſt wohl nicht blos uns ein Räthſel.
Von hervorragendſtem Intereſſe ſind drei Quit-
tungen, die am nämlichen Tage unterzeichnet wurden,
entziehe. Gehen Sie ſchnell, denn ich weiß, wenn
es auch ſchon recht lange her iſt, wie es einem
jungen Herrn zu Muthe iſt, wenn der erſte
Tanz beginnt“, und mit einem heitern Lächeln
blickt ſie dem dahinſchwebenden Paare einen
Augenblick nach.
Das alte Fräulein vermißt auch Unter-
haltung nicht, ihre Blicke ſind nun unverwandt
in das Nebenzimmer gerichtet, wo der Officier,
der vor ihr die Treppe hinanſtieg — unter uns
geſagt: General von Wedemeher-Strehlen —
mit ſeiner Gemahlin und anderen Gäſten ſteht.
Der General iſt eine hohe ſtattliche Er-
ſcheinung. Das Haupt, wenn auch ſchon mit
ſtarkem Silberſchimmer, iſt ſtolz gehoben, der
Blick entſchloſſen und feſt, denn er iſt ein vor-
nehmer Mann und es iſt eine vornehme Stellung,
die er ſich errungen hat.
Als der General jung geweſen war, war
auch das alte Fräulein dort in dem beſcheidenen
Kleide jung geweſen und die Beiden hatten ſich
damals geliebt und hatten getanzt zuſammen,
hier in dieſen Räumen, gerade wie jetzt die-
jenigen tanzten, die nun jung waren. Viel, viel
ſpäter, als das alte Fräulein hörte, daß der
General ſich mit ſeiner Couſine verheirathen
werde, da — war ſie ein altes Mädchen ge-
worden. Es war, ſeit die Beiden ſich getrennt
hatten — Familienverhältniſſe wegen, ſagten die
Leute — eine große Menge Zeit vergangen, ſtill
und gleichmäßig, und ſo gingen die Jahre denn
auch weiter und allmählich wurde es immer
ſtiller, immer einſamer um ſie. —
Nun trat der Hausherr an Fräulein von
Stern heran, ihre Erinnerungen unterbrechend
mit der Frage, ob er ihr nicht von ſeinen
Gäſten noch einige vorſtellen dürfte, denn er
beklage, daß ſie, als Fremde, ſo wenig Unter-
haltung fände.
„Ich unterhalte mich mit der Erinnerung,
Baron“, entgegnete ſie ihm mit eigenthümlich
zerſtreutem Lächeln. Aber ſchon hatte ſich dieſer
an den eben auf ihn zukommenden Herrn ge-
wandt mit den Worten: „Sie erlauben, Ihnen
Herrn General von Wedemeyer-Strehlen vorzu-
ſtellen — Fräulein Minna von Stern.“
Der Hausherr entfernte ſich und der General
ſtand bewegungslos vor dem Fräulein und ſah
ſie an wie eine fremde Erſcheinung.
Auch ſie, obwohl ſie ja vorausgeſehen hatte,
daß ſie ihn ſprechen würde, war nun auch
einen Moment faſſungslos geworden und in
dem Blick, womit ſie ihn anſah, lag, wohl
ihr unbewußt, etwas Fragendes und Suchendes
nach der Vergangenheit. Aber ſchnell hatte ſie
ſich wieder gefaßt und mit einem heiteren Lächeln
bot ſie ihm die Hand:
„Sie haben mich nimmer erkannt, Herr von
Wedemeyer, und wie natürlich; denn es iſt lange
her, ſeit wir uns nicht geſehen haben — wohl
dreißig Jahre —“
Er fuhr ſich mit der Hand über die Stirne
und ſagte halblaut: „Ja, es iſt lange her —“
dann ſchwieg er wieder und endlich ſagte er:
„Ich wußte nicht, daß Sie hier ſind; verzeihen
Sie, daß ich Sie nicht ſogleich erkannt und be-
grüßt habe.“
„Wer uns geſagt hätte, hier vor dreißig
Jahren, am Sylveſter 1862, daß Sie mich ein-
mal nicht wiedererkennen würden!“ lachte ſie
melancholiſch.
Und wieder ſtarrte er vor ſich hin und fand
kein Wort, bis ein Diener herantrat und in
reſpectvollem Flüſterton die Botſchaft brachte,
daß die Frau Präſidentin ihn am Spieltiſch er-
warte.
„Unterbrochen werden — natürlich gerade
wie ſonſt!“ fuhr er zornig auf.
„Ja, gerade wie ſonſt!“ wiederholte ſie
leiſe. Und als ſie ihm nachſah, ja wirklich, da
hatte er denſelben zornigen Ausdruck im Geſicht
und die Haltung, gerade wie ſonſt.
„Gerade wie ſonſt“, wiederhallte etwas in
ihr wieder und wieder — „gerade wie ſonſt“ —
Und nun ſpielte es auch die Muſik ganz
deutlich in leichter, luſtiger Weiſe in ihrem
Schottiſch hinein und zierliche, weiße Atlas-
ſchuhe glitten an ihr vorüber nach dieſer Melodie
— gerade wie ſonſt. —
Und gerade wie ſonſt trat er dann wieder
auf ſie zu und wiederholte die alten Worte: „Darf
ich Sie nicht zum Souper führen?“
Wie ſonſt folgten dem Paare ärgerliche
Blicke, wenn auch anderer Art, denn es war doch
anerkannt nothwendig, daß der Herr General die
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