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Mährisches Tagblatt. Nr. 1, Olmütz, 02.01.1893.

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[Spaltenumbruch]

der maßgebenden Kreise, ernste Erwägungen und
Berathungen zu pflegen, wie dem unausbleib-
lichen Bauernkrach vorgebeugt werden könnte. Es
müssen dagegen Mittel gefunden werden. Möge
dies bald geschehen, ehe es zu spät ist!




"Hundert Quittungen des Wel-
fenfonds."


Unter dieser zwar sehr sensationellen, aber
nicht mehr neuen Ueberschrift veröffentlicht der
"Vorwärts", das officielle Parteiorgan der deut-
schen Socialdemocratie, ersichtlich in der Absicht,
seinen durch die Panama-Scandale in eine so üble
Lage gerathenen Freunden, den französischen
Republikanern, eine vergnügte Stunde zu bereiten,
die schon so oft in marktschreierischer Weise an-
gekündigten "Enthüllungen" über die Kostgänger
des Welfenfonds. Wer nun glaubt, daß hier
wirkliche Enthüllungen aufgetischt werden, der
irrt sich. Es werden keinerlei Namen genannt,
sondern nur die angeblichen Empfänger beschrie-
ben; ob dieselben durch die Art der Beschreibung
wirklich kenntlich gemacht sind, oder ob es sich
nur um Erfindung ins Blaue hinein handelt,
muß dahingestellt bleiben. Wenn wir von den
Mittheilungen des "Vorwärts" Notiz nehmen,
so geschieht es nur in der Voraussetzung, daß die
Angelegenheit noch weiter die Oeffentlichkeit be-
schäftigen wird. Das Blatt weiß von den "hundert
Quittungen" Folgendes zu erzählen:

Die Nummern 1--10 stammen von Groß-
würdenträgern verschiedener Staaten her, u. zw.:

Nr. 1 von einem solchen, der allen Grund
zu großer Dankbarkeit gegen den blinden König
gehabt hätte.

Nr. 2 von einem Minister, dessen Kriegs-
ruhm in Aller Mund,

Nr. 3 von einem süddeutschen, früher lei-
tenden Staatsmann und bekannten Intriganten,
bekannt und berüchtigt durch seinen häufig sich
wiederholenden Gesinnungswechsel. Er verschwand
im rechten Augenblick, um Bismarck nicht unbe-
quem zu werden.

Nr. 4 von dem Minister eines süddeutschen
Königreichs. Eifriger Förderer der Kaiserprocla-
mation und ausgesprochener Freund eines guten
Trunks.

Nr. 5 von einem Kriegsminister, dessen
militärische Tüchtigkeit ebenso unbestritten war,
als dessen parlamentarisches Geschick allgemein
bezweifelt wurde.

Nr. 6 von einem Cultusminister, der sich
in der Geschichte der Verhetzung der Parteien für
ewige Zeiten einen Platz gesichert.

Nr. 7 von einem besonders gottesfürchtigen
Minister, auf dessen Zukunft die Mucker große
Hoffnungen setzten.


[Spaltenumbruch]

Nr. 8 von einem süddeutschen Minister, dem
die Liebe zum Vaterlande und zum Amte eine
rührende Zähigkeit im Beharren auf dem Posten
verlieh, trotz aller Gelegenheiten, abzugehen.

Nr. 9 von einem Staatsmann, der sich im
preußischen und im Reichsdienst versuchte.

Nr. 10. Eine bittere Erinnerung an einen
gewesenen Minister.

Die Nummern 11--18 sind von Generälen
ausgestellt, die das Geld als Grat[i]ficationen er-
halten zu haben scheinen. Ein politischer Zweck
ist wohl ausgeschlossen. Wir zählen darunter zwei
General- und einen Flügeladjutanten, sowie
fünf commandirende Generäle, die in der Zeit
von 1868--1887 Quittungen unterzeichnet haben,
die sich deutlich als Belege zum Welfenfonds
darstellen.

Ob auch die folgenden 15 Belege, welche
von in Süddeutschland verwendeten Officieren
unterfertigt sind, ebenso relativ harmlos sind,
bleibe dahingestellt.

Die Nummern 19--21 stammen von Gou-
verneuren, von denen einer das Malheur hatte,
mit dem Gerichtsvollzieher Bekanntschaft zu machen.

Die Nummern 22--33 von Commandeuren
aller General Chargen die im Süden stationirt
waren. Da nicht anzunehmen ist, daß diese Gelder
dazu verwendet wurden, um die zahlreichen geborenen
Hannoveraner, die in nichtpreußischen Heeresver-
bänden dienten, zu überwachen, so fragt man sich:
wozu sonst dieses Geld?

Die Nummern 34--36 sind von Richtern,
und zwar vorsitzenden Richtern unterfertigt. In-
wiefern diese Richter an den "Maßregeln zur
Ueberwachung und Abwehr der gegen Preußen
gerichteten Unternehmungen des Königs Georg
und seiner Agenten" betheiligt waren, bleibe da-
hingestellt.

Die Nummern 37--47 sind von Zeitungs-
redactionen verschiedener Länder und Parteien
ausgestellt.

Davon:

Nr. 37. Preußisch-nationalliberal.

Nr. 38. Bekanntes süddeutsches Reptil, des-
sen politische Characterlosigkeit und grundsätzliche
Verlogenheit trefflich zu den muckerischen Posen
stimmen.

Nr. 39 und 40. Französische Redactionen.
Diese Quittungen sind unmittelbar vor der Kriegs-
erklärung ausgestellt.

Nr. 41. Preußisch-nationalliberal.

Nr. 42. Preußisch-conservativ.

Nr. 43. Angeblicher (?) socialdemocratischer
Literat.

Nr. 44. Hochangesehene südbeutsche liberale
Zeitung.

Nr. 45. Preußisch-nationalliberal.

Nr. 46. Redaction ohne nähere Bezeichnung.
Datum unleserlich.


[Spaltenumbruch]

Belege Nr. 47--71 sind von Parlamenta-
riern ausgestellt.

Wir geben hier der besseren Uebersichtlichkeit
wegen und um ein Urtheil zu ermöglichen, zu
welchen Zwecken und aus welchem Anlaß die Gel-
der gegeben wurden, die Daten und Summen mit an.

Nr. 47. Parlamentarier ersten Ranges, immer
noch in einflußreicher Stellung, von höchstem An-
sehen, am 21. Mai 1868 20,000 Thaler.

Nr. 48. Hannoverscher conservativer Abge-
ordneter des norddeutschen Reichstages, am 1.
Juli 1868 1000 Thaler.

Nr. 49. Hannoverscher nationalliberaler Ab-
geordneter des norddentschen Reichstages am
1. Juli 1868 20,000 Thaler.

Nr. 50. Hessen-Kasseler nationalliberaler
Abgeordneter des norddeutschen Reichstages am
1. Juli 1868 8000 Thaler.

Nr. 51. Württembergischer Landtags-Abge-
ordneter am 31. December 1870 2000 Thaler.

Nr. 52. Württembergischer Landtags-Abge-
ordneter am 5. Februar 1871 (Summe un-
leserlich.)

Nr. 53. Preußischer conservativer Reichstags-
Abgeordneter am 1 Mai 1872 4000 Thaler.

Nr. 54. Pfalz-Baierischer nationalliberaler
Reichstags-Abgeordneter am 1. August 1872
4000 Thaler.

Nr. 55. Württembergischer Reichstags-Ab-
geordneter am 1. September 1872 2000 Thaler.

Nr. 56. Württembergischer Landtags-Abge-
ordneter am 11. März 1873 10,000 Mark.

Nr. 57. Sächsischer Reichstags-Abgeordneter
am 1. October 1874 7000 Thaler.

Nr. 58. Württembergischer Reichs-Heißsporn,
Landtags-Abgeordneter 11. Mai 1876 15,000
Mark.

Nr. 59. Preußischer conservativer Reichs-
tagsabgeordneter am 1. April 1881 10,000 M.

Nr. 60--62. Drei bairische Landtagsabge-
ordnete am 21 Juni 1886.

Nr. 63--71 sind von neun Mitgliedern des
preußischen Landtags unterfertigt. Fünf derselben
gehören der nationalliberalen, vier der conservativen
Partei an.

Die Beträge, über welche quittirt wird, be-
wegen sich zwischen 2000 und 8000 Thalern,
bezw. 3000 und 15,000 M. Diese Belege tragen
sämmtlich Daten vom Frühjahr 1875, also aus
der Zeit der Hochfluth des Culturkampfes.

Die Nr. 72--81 quittiren Summen, recht
artigen Umfanges, sind von hohen und niederen
Hofbeamten unterfertigt. Was die Gräfin H.
und eine andere hohe Dame, deren Name, den
ihr Herr Gemal ihr zubrachte, seit vielen Jahr-
zehnten mit preußischen Hofdienst verwachsen, mit
der "Abwehr der welfischen Umtriebe zu thun
haben, ist wohl nicht blos uns ein Räthsel.

Von hervorragendstem Interesse sind drei Quit-
tungen, die am nämlichen Tage unterzeichnet wurden,




[Spaltenumbruch]

entziehe. Gehen Sie schnell, denn ich weiß, wenn
es auch schon recht lange her ist, wie es einem
jungen Herrn zu Muthe ist, wenn der erste
Tanz beginnt", und mit einem heitern Lächeln
blickt sie dem dahinschwebenden Paare einen
Augenblick nach.

Das alte Fräulein vermißt auch Unter-
haltung nicht, ihre Blicke sind nun unverwandt
in das Nebenzimmer gerichtet, wo der Officier,
der vor ihr die Treppe hinanstieg -- unter uns
gesagt: General von Wedemeher-Strehlen --
mit seiner Gemahlin und anderen Gästen steht.

Der General ist eine hohe stattliche Er-
scheinung. Das Haupt, wenn auch schon mit
starkem Silberschimmer, ist stolz gehoben, der
Blick entschlossen und fest, denn er ist ein vor-
nehmer Mann und es ist eine vornehme Stellung,
die er sich errungen hat.

Als der General jung gewesen war, war
auch das alte Fräulein dort in dem bescheidenen
Kleide jung gewesen und die Beiden hatten sich
damals geliebt und hatten getanzt zusammen,
hier in diesen Räumen, gerade wie jetzt die-
jenigen tanzten, die nun jung waren. Viel, viel
später, als das alte Fräulein hörte, daß der
General sich mit seiner Cousine verheirathen
werde, da -- war sie ein altes Mädchen ge-
worden. Es war, seit die Beiden sich getrennt
hatten -- Familienverhältnisse wegen, sagten die
Leute -- eine große Menge Zeit vergangen, still
und gleichmäßig, und so gingen die Jahre denn
[Spaltenumbruch] auch weiter und allmählich wurde es immer
stiller, immer einsamer um sie. --

Nun trat der Hausherr an Fräulein von
Stern heran, ihre Erinnerungen unterbrechend
mit der Frage, ob er ihr nicht von seinen
Gästen noch einige vorstellen dürfte, denn er
beklage, daß sie, als Fremde, so wenig Unter-
haltung fände.

"Ich unterhalte mich mit der Erinnerung,
Baron", entgegnete sie ihm mit eigenthümlich
zerstreutem Lächeln. Aber schon hatte sich dieser
an den eben auf ihn zukommenden Herrn ge-
wandt mit den Worten: "Sie erlauben, Ihnen
Herrn General von Wedemeyer-Strehlen vorzu-
stellen -- Fräulein Minna von Stern."

Der Hausherr entfernte sich und der General
stand bewegungslos vor dem Fräulein und sah
sie an wie eine fremde Erscheinung.

Auch sie, obwohl sie ja vorausgesehen hatte,
daß sie ihn sprechen würde, war nun auch
einen Moment fassungslos geworden und in
dem Blick, womit sie ihn ansah, lag, wohl
ihr unbewußt, etwas Fragendes und Suchendes
nach der Vergangenheit. Aber schnell hatte sie
sich wieder gefaßt und mit einem heiteren Lächeln
bot sie ihm die Hand:

"Sie haben mich nimmer erkannt, Herr von
Wedemeyer, und wie natürlich; denn es ist lange
her, seit wir uns nicht gesehen haben -- wohl
dreißig Jahre --"

Er fuhr sich mit der Hand über die Stirne
und sagte halblaut: "Ja, es ist lange her --"
[Spaltenumbruch] dann schwieg er wieder und endlich sagte er:
"Ich wußte nicht, daß Sie hier sind; verzeihen
Sie, daß ich Sie nicht sogleich erkannt und be-
grüßt habe."

"Wer uns gesagt hätte, hier vor dreißig
Jahren, am Sylvester 1862, daß Sie mich ein-
mal nicht wiedererkennen würden!" lachte sie
melancholisch.

Und wieder starrte er vor sich hin und fand
kein Wort, bis ein Diener herantrat und in
respectvollem Flüsterton die Botschaft brachte,
daß die Frau Präsidentin ihn am Spieltisch er-
warte.

"Unterbrochen werden -- natürlich gerade
wie sonst!
" fuhr er zornig auf.

"Ja, gerade wie sonst!" wiederholte sie
leise. Und als sie ihm nachsah, ja wirklich, da
hatte er denselben zornigen Ausdruck im Gesicht
und die Haltung, gerade wie sonst.

"Gerade wie sonst", wiederhallte etwas in
ihr wieder und wieder -- "gerade wie sonst" --

Und nun spielte es auch die Musik ganz
deutlich in leichter, lustiger Weise in ihrem
Schottisch hinein und zierliche, weiße Atlas-
schuhe glitten an ihr vorüber nach dieser Melodie
-- gerade wie sonst. --

Und gerade wie sonst trat er dann wieder
auf sie zu und wiederholte die alten Worte: "Darf
ich Sie nicht zum Souper führen?"

Wie sonst folgten dem Paare ärgerliche
Blicke, wenn auch anderer Art, denn es war doch
anerkannt nothwendig, daß der Herr General die


[Spaltenumbruch]

der maßgebenden Kreiſe, ernſte Erwägungen und
Berathungen zu pflegen, wie dem unausbleib-
lichen Bauernkrach vorgebeugt werden könnte. Es
müſſen dagegen Mittel gefunden werden. Möge
dies bald geſchehen, ehe es zu ſpät iſt!




„Hundert Quittungen des Wel-
fenfonds.“


Unter dieſer zwar ſehr ſenſationellen, aber
nicht mehr neuen Ueberſchrift veröffentlicht der
„Vorwärts“, das officielle Parteiorgan der deut-
ſchen Socialdemocratie, erſichtlich in der Abſicht,
ſeinen durch die Panama-Scandale in eine ſo üble
Lage gerathenen Freunden, den franzöſiſchen
Republikanern, eine vergnügte Stunde zu bereiten,
die ſchon ſo oft in marktſchreieriſcher Weiſe an-
gekündigten „Enthüllungen“ über die Koſtgänger
des Welfenfonds. Wer nun glaubt, daß hier
wirkliche Enthüllungen aufgetiſcht werden, der
irrt ſich. Es werden keinerlei Namen genannt,
ſondern nur die angeblichen Empfänger beſchrie-
ben; ob dieſelben durch die Art der Beſchreibung
wirklich kenntlich gemacht ſind, oder ob es ſich
nur um Erfindung ins Blaue hinein handelt,
muß dahingeſtellt bleiben. Wenn wir von den
Mittheilungen des „Vorwärts“ Notiz nehmen,
ſo geſchieht es nur in der Vorausſetzung, daß die
Angelegenheit noch weiter die Oeffentlichkeit be-
ſchäftigen wird. Das Blatt weiß von den „hundert
Quittungen“ Folgendes zu erzählen:

Die Nummern 1—10 ſtammen von Groß-
würdenträgern verſchiedener Staaten her, u. zw.:

Nr. 1 von einem ſolchen, der allen Grund
zu großer Dankbarkeit gegen den blinden König
gehabt hätte.

Nr. 2 von einem Miniſter, deſſen Kriegs-
ruhm in Aller Mund,

Nr. 3 von einem ſüddeutſchen, früher lei-
tenden Staatsmann und bekannten Intriganten,
bekannt und berüchtigt durch ſeinen häufig ſich
wiederholenden Geſinnungswechſel. Er verſchwand
im rechten Augenblick, um Bismarck nicht unbe-
quem zu werden.

Nr. 4 von dem Miniſter eines ſüddeutſchen
Königreichs. Eifriger Förderer der Kaiſerprocla-
mation und ausgeſprochener Freund eines guten
Trunks.

Nr. 5 von einem Kriegsminiſter, deſſen
militäriſche Tüchtigkeit ebenſo unbeſtritten war,
als deſſen parlamentariſches Geſchick allgemein
bezweifelt wurde.

Nr. 6 von einem Cultusminiſter, der ſich
in der Geſchichte der Verhetzung der Parteien für
ewige Zeiten einen Platz geſichert.

Nr. 7 von einem beſonders gottesfürchtigen
Miniſter, auf deſſen Zukunft die Mucker große
Hoffnungen ſetzten.


[Spaltenumbruch]

Nr. 8 von einem ſüddeutſchen Miniſter, dem
die Liebe zum Vaterlande und zum Amte eine
rührende Zähigkeit im Beharren auf dem Poſten
verlieh, trotz aller Gelegenheiten, abzugehen.

Nr. 9 von einem Staatsmann, der ſich im
preußiſchen und im Reichsdienſt verſuchte.

Nr. 10. Eine bittere Erinnerung an einen
geweſenen Miniſter.

Die Nummern 11—18 ſind von Generälen
ausgeſtellt, die das Geld als Grat[i]ficationen er-
halten zu haben ſcheinen. Ein politiſcher Zweck
iſt wohl ausgeſchloſſen. Wir zählen darunter zwei
General- und einen Flügeladjutanten, ſowie
fünf commandirende Generäle, die in der Zeit
von 1868—1887 Quittungen unterzeichnet haben,
die ſich deutlich als Belege zum Welfenfonds
darſtellen.

Ob auch die folgenden 15 Belege, welche
von in Süddeutſchland verwendeten Officieren
unterfertigt ſind, ebenſo relativ harmlos ſind,
bleibe dahingeſtellt.

Die Nummern 19—21 ſtammen von Gou-
verneuren, von denen einer das Malheur hatte,
mit dem Gerichtsvollzieher Bekanntſchaft zu machen.

Die Nummern 22—33 von Commandeuren
aller General Chargen die im Süden ſtationirt
waren. Da nicht anzunehmen iſt, daß dieſe Gelder
dazu verwendet wurden, um die zahlreichen geborenen
Hannoveraner, die in nichtpreußiſchen Heeresver-
bänden dienten, zu überwachen, ſo fragt man ſich:
wozu ſonſt dieſes Geld?

Die Nummern 34—36 ſind von Richtern,
und zwar vorſitzenden Richtern unterfertigt. In-
wiefern dieſe Richter an den „Maßregeln zur
Ueberwachung und Abwehr der gegen Preußen
gerichteten Unternehmungen des Königs Georg
und ſeiner Agenten“ betheiligt waren, bleibe da-
hingeſtellt.

Die Nummern 37—47 ſind von Zeitungs-
redactionen verſchiedener Länder und Parteien
ausgeſtellt.

Davon:

Nr. 37. Preußiſch-nationalliberal.

Nr. 38. Bekanntes ſüddeutſches Reptil, deſ-
ſen politiſche Characterloſigkeit und grundſätzliche
Verlogenheit trefflich zu den muckeriſchen Poſen
ſtimmen.

Nr. 39 und 40. Franzöſiſche Redactionen.
Dieſe Quittungen ſind unmittelbar vor der Kriegs-
erklärung ausgeſtellt.

Nr. 41. Preußiſch-nationalliberal.

Nr. 42. Preußiſch-conſervativ.

Nr. 43. Angeblicher (?) ſocialdemocratiſcher
Literat.

Nr. 44. Hochangeſehene ſüdbeutſche liberale
Zeitung.

Nr. 45. Preußiſch-nationalliberal.

Nr. 46. Redaction ohne nähere Bezeichnung.
Datum unleſerlich.


[Spaltenumbruch]

Belege Nr. 47—71 ſind von Parlamenta-
riern ausgeſtellt.

Wir geben hier der beſſeren Ueberſichtlichkeit
wegen und um ein Urtheil zu ermöglichen, zu
welchen Zwecken und aus welchem Anlaß die Gel-
der gegeben wurden, die Daten und Summen mit an.

Nr. 47. Parlamentarier erſten Ranges, immer
noch in einflußreicher Stellung, von höchſtem An-
ſehen, am 21. Mai 1868 20,000 Thaler.

Nr. 48. Hannoverſcher conſervativer Abge-
ordneter des norddeutſchen Reichstages, am 1.
Juli 1868 1000 Thaler.

Nr. 49. Hannoverſcher nationalliberaler Ab-
geordneter des norddentſchen Reichstages am
1. Juli 1868 20,000 Thaler.

Nr. 50. Heſſen-Kaſſeler nationalliberaler
Abgeordneter des norddeutſchen Reichstages am
1. Juli 1868 8000 Thaler.

Nr. 51. Württembergiſcher Landtags-Abge-
ordneter am 31. December 1870 2000 Thaler.

Nr. 52. Württembergiſcher Landtags-Abge-
ordneter am 5. Februar 1871 (Summe un-
leſerlich.)

Nr. 53. Preußiſcher conſervativer Reichstags-
Abgeordneter am 1 Mai 1872 4000 Thaler.

Nr. 54. Pfalz-Baieriſcher nationalliberaler
Reichstags-Abgeordneter am 1. Auguſt 1872
4000 Thaler.

Nr. 55. Württembergiſcher Reichstags-Ab-
geordneter am 1. September 1872 2000 Thaler.

Nr. 56. Württembergiſcher Landtags-Abge-
ordneter am 11. März 1873 10,000 Mark.

Nr. 57. Sächſiſcher Reichstags-Abgeordneter
am 1. October 1874 7000 Thaler.

Nr. 58. Württembergiſcher Reichs-Heißſporn,
Landtags-Abgeordneter 11. Mai 1876 15,000
Mark.

Nr. 59. Preußiſcher conſervativer Reichs-
tagsabgeordneter am 1. April 1881 10,000 M.

Nr. 60—62. Drei bairiſche Landtagsabge-
ordnete am 21 Juni 1886.

Nr. 63—71 ſind von neun Mitgliedern des
preußiſchen Landtags unterfertigt. Fünf derſelben
gehören der nationalliberalen, vier der conſervativen
Partei an.

Die Beträge, über welche quittirt wird, be-
wegen ſich zwiſchen 2000 und 8000 Thalern,
bezw. 3000 und 15,000 M. Dieſe Belege tragen
ſämmtlich Daten vom Frühjahr 1875, alſo aus
der Zeit der Hochfluth des Culturkampfes.

Die Nr. 72—81 quittiren Summen, recht
artigen Umfanges, ſind von hohen und niederen
Hofbeamten unterfertigt. Was die Gräfin H.
und eine andere hohe Dame, deren Name, den
ihr Herr Gemal ihr zubrachte, ſeit vielen Jahr-
zehnten mit preußiſchen Hofdienſt verwachſen, mit
der „Abwehr der welfiſchen Umtriebe zu thun
haben, iſt wohl nicht blos uns ein Räthſel.

Von hervorragendſtem Intereſſe ſind drei Quit-
tungen, die am nämlichen Tage unterzeichnet wurden,




[Spaltenumbruch]

entziehe. Gehen Sie ſchnell, denn ich weiß, wenn
es auch ſchon recht lange her iſt, wie es einem
jungen Herrn zu Muthe iſt, wenn der erſte
Tanz beginnt“, und mit einem heitern Lächeln
blickt ſie dem dahinſchwebenden Paare einen
Augenblick nach.

Das alte Fräulein vermißt auch Unter-
haltung nicht, ihre Blicke ſind nun unverwandt
in das Nebenzimmer gerichtet, wo der Officier,
der vor ihr die Treppe hinanſtieg — unter uns
geſagt: General von Wedemeher-Strehlen —
mit ſeiner Gemahlin und anderen Gäſten ſteht.

Der General iſt eine hohe ſtattliche Er-
ſcheinung. Das Haupt, wenn auch ſchon mit
ſtarkem Silberſchimmer, iſt ſtolz gehoben, der
Blick entſchloſſen und feſt, denn er iſt ein vor-
nehmer Mann und es iſt eine vornehme Stellung,
die er ſich errungen hat.

Als der General jung geweſen war, war
auch das alte Fräulein dort in dem beſcheidenen
Kleide jung geweſen und die Beiden hatten ſich
damals geliebt und hatten getanzt zuſammen,
hier in dieſen Räumen, gerade wie jetzt die-
jenigen tanzten, die nun jung waren. Viel, viel
ſpäter, als das alte Fräulein hörte, daß der
General ſich mit ſeiner Couſine verheirathen
werde, da — war ſie ein altes Mädchen ge-
worden. Es war, ſeit die Beiden ſich getrennt
hatten — Familienverhältniſſe wegen, ſagten die
Leute — eine große Menge Zeit vergangen, ſtill
und gleichmäßig, und ſo gingen die Jahre denn
[Spaltenumbruch] auch weiter und allmählich wurde es immer
ſtiller, immer einſamer um ſie. —

Nun trat der Hausherr an Fräulein von
Stern heran, ihre Erinnerungen unterbrechend
mit der Frage, ob er ihr nicht von ſeinen
Gäſten noch einige vorſtellen dürfte, denn er
beklage, daß ſie, als Fremde, ſo wenig Unter-
haltung fände.

„Ich unterhalte mich mit der Erinnerung,
Baron“, entgegnete ſie ihm mit eigenthümlich
zerſtreutem Lächeln. Aber ſchon hatte ſich dieſer
an den eben auf ihn zukommenden Herrn ge-
wandt mit den Worten: „Sie erlauben, Ihnen
Herrn General von Wedemeyer-Strehlen vorzu-
ſtellen — Fräulein Minna von Stern.“

Der Hausherr entfernte ſich und der General
ſtand bewegungslos vor dem Fräulein und ſah
ſie an wie eine fremde Erſcheinung.

Auch ſie, obwohl ſie ja vorausgeſehen hatte,
daß ſie ihn ſprechen würde, war nun auch
einen Moment faſſungslos geworden und in
dem Blick, womit ſie ihn anſah, lag, wohl
ihr unbewußt, etwas Fragendes und Suchendes
nach der Vergangenheit. Aber ſchnell hatte ſie
ſich wieder gefaßt und mit einem heiteren Lächeln
bot ſie ihm die Hand:

„Sie haben mich nimmer erkannt, Herr von
Wedemeyer, und wie natürlich; denn es iſt lange
her, ſeit wir uns nicht geſehen haben — wohl
dreißig Jahre —“

Er fuhr ſich mit der Hand über die Stirne
und ſagte halblaut: „Ja, es iſt lange her —“
[Spaltenumbruch] dann ſchwieg er wieder und endlich ſagte er:
„Ich wußte nicht, daß Sie hier ſind; verzeihen
Sie, daß ich Sie nicht ſogleich erkannt und be-
grüßt habe.“

„Wer uns geſagt hätte, hier vor dreißig
Jahren, am Sylveſter 1862, daß Sie mich ein-
mal nicht wiedererkennen würden!“ lachte ſie
melancholiſch.

Und wieder ſtarrte er vor ſich hin und fand
kein Wort, bis ein Diener herantrat und in
reſpectvollem Flüſterton die Botſchaft brachte,
daß die Frau Präſidentin ihn am Spieltiſch er-
warte.

„Unterbrochen werden — natürlich gerade
wie ſonſt!
“ fuhr er zornig auf.

Ja, gerade wie ſonſt!“ wiederholte ſie
leiſe. Und als ſie ihm nachſah, ja wirklich, da
hatte er denſelben zornigen Ausdruck im Geſicht
und die Haltung, gerade wie ſonſt.

„Gerade wie ſonſt“, wiederhallte etwas in
ihr wieder und wieder — „gerade wie ſonſt“ —

Und nun ſpielte es auch die Muſik ganz
deutlich in leichter, luſtiger Weiſe in ihrem
Schottiſch hinein und zierliche, weiße Atlas-
ſchuhe glitten an ihr vorüber nach dieſer Melodie
— gerade wie ſonſt. —

Und gerade wie ſonſt trat er dann wieder
auf ſie zu und wiederholte die alten Worte: „Darf
ich Sie nicht zum Souper führen?“

Wie ſonſt folgten dem Paare ärgerliche
Blicke, wenn auch anderer Art, denn es war doch
anerkannt nothwendig, daß der Herr General die


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[[2]/0002] der maßgebenden Kreiſe, ernſte Erwägungen und Berathungen zu pflegen, wie dem unausbleib- lichen Bauernkrach vorgebeugt werden könnte. Es müſſen dagegen Mittel gefunden werden. Möge dies bald geſchehen, ehe es zu ſpät iſt! „Hundert Quittungen des Wel- fenfonds.“ Olmütz, 2. Jänner. Unter dieſer zwar ſehr ſenſationellen, aber nicht mehr neuen Ueberſchrift veröffentlicht der „Vorwärts“, das officielle Parteiorgan der deut- ſchen Socialdemocratie, erſichtlich in der Abſicht, ſeinen durch die Panama-Scandale in eine ſo üble Lage gerathenen Freunden, den franzöſiſchen Republikanern, eine vergnügte Stunde zu bereiten, die ſchon ſo oft in marktſchreieriſcher Weiſe an- gekündigten „Enthüllungen“ über die Koſtgänger des Welfenfonds. Wer nun glaubt, daß hier wirkliche Enthüllungen aufgetiſcht werden, der irrt ſich. Es werden keinerlei Namen genannt, ſondern nur die angeblichen Empfänger beſchrie- ben; ob dieſelben durch die Art der Beſchreibung wirklich kenntlich gemacht ſind, oder ob es ſich nur um Erfindung ins Blaue hinein handelt, muß dahingeſtellt bleiben. Wenn wir von den Mittheilungen des „Vorwärts“ Notiz nehmen, ſo geſchieht es nur in der Vorausſetzung, daß die Angelegenheit noch weiter die Oeffentlichkeit be- ſchäftigen wird. Das Blatt weiß von den „hundert Quittungen“ Folgendes zu erzählen: Die Nummern 1—10 ſtammen von Groß- würdenträgern verſchiedener Staaten her, u. zw.: Nr. 1 von einem ſolchen, der allen Grund zu großer Dankbarkeit gegen den blinden König gehabt hätte. Nr. 2 von einem Miniſter, deſſen Kriegs- ruhm in Aller Mund, Nr. 3 von einem ſüddeutſchen, früher lei- tenden Staatsmann und bekannten Intriganten, bekannt und berüchtigt durch ſeinen häufig ſich wiederholenden Geſinnungswechſel. Er verſchwand im rechten Augenblick, um Bismarck nicht unbe- quem zu werden. Nr. 4 von dem Miniſter eines ſüddeutſchen Königreichs. Eifriger Förderer der Kaiſerprocla- mation und ausgeſprochener Freund eines guten Trunks. Nr. 5 von einem Kriegsminiſter, deſſen militäriſche Tüchtigkeit ebenſo unbeſtritten war, als deſſen parlamentariſches Geſchick allgemein bezweifelt wurde. Nr. 6 von einem Cultusminiſter, der ſich in der Geſchichte der Verhetzung der Parteien für ewige Zeiten einen Platz geſichert. Nr. 7 von einem beſonders gottesfürchtigen Miniſter, auf deſſen Zukunft die Mucker große Hoffnungen ſetzten. Nr. 8 von einem ſüddeutſchen Miniſter, dem die Liebe zum Vaterlande und zum Amte eine rührende Zähigkeit im Beharren auf dem Poſten verlieh, trotz aller Gelegenheiten, abzugehen. Nr. 9 von einem Staatsmann, der ſich im preußiſchen und im Reichsdienſt verſuchte. Nr. 10. Eine bittere Erinnerung an einen geweſenen Miniſter. Die Nummern 11—18 ſind von Generälen ausgeſtellt, die das Geld als Gratificationen er- halten zu haben ſcheinen. Ein politiſcher Zweck iſt wohl ausgeſchloſſen. Wir zählen darunter zwei General- und einen Flügeladjutanten, ſowie fünf commandirende Generäle, die in der Zeit von 1868—1887 Quittungen unterzeichnet haben, die ſich deutlich als Belege zum Welfenfonds darſtellen. Ob auch die folgenden 15 Belege, welche von in Süddeutſchland verwendeten Officieren unterfertigt ſind, ebenſo relativ harmlos ſind, bleibe dahingeſtellt. Die Nummern 19—21 ſtammen von Gou- verneuren, von denen einer das Malheur hatte, mit dem Gerichtsvollzieher Bekanntſchaft zu machen. Die Nummern 22—33 von Commandeuren aller General Chargen die im Süden ſtationirt waren. Da nicht anzunehmen iſt, daß dieſe Gelder dazu verwendet wurden, um die zahlreichen geborenen Hannoveraner, die in nichtpreußiſchen Heeresver- bänden dienten, zu überwachen, ſo fragt man ſich: wozu ſonſt dieſes Geld? Die Nummern 34—36 ſind von Richtern, und zwar vorſitzenden Richtern unterfertigt. In- wiefern dieſe Richter an den „Maßregeln zur Ueberwachung und Abwehr der gegen Preußen gerichteten Unternehmungen des Königs Georg und ſeiner Agenten“ betheiligt waren, bleibe da- hingeſtellt. Die Nummern 37—47 ſind von Zeitungs- redactionen verſchiedener Länder und Parteien ausgeſtellt. Davon: Nr. 37. Preußiſch-nationalliberal. Nr. 38. Bekanntes ſüddeutſches Reptil, deſ- ſen politiſche Characterloſigkeit und grundſätzliche Verlogenheit trefflich zu den muckeriſchen Poſen ſtimmen. Nr. 39 und 40. Franzöſiſche Redactionen. Dieſe Quittungen ſind unmittelbar vor der Kriegs- erklärung ausgeſtellt. Nr. 41. Preußiſch-nationalliberal. Nr. 42. Preußiſch-conſervativ. Nr. 43. Angeblicher (?) ſocialdemocratiſcher Literat. Nr. 44. Hochangeſehene ſüdbeutſche liberale Zeitung. Nr. 45. Preußiſch-nationalliberal. Nr. 46. Redaction ohne nähere Bezeichnung. Datum unleſerlich. Belege Nr. 47—71 ſind von Parlamenta- riern ausgeſtellt. Wir geben hier der beſſeren Ueberſichtlichkeit wegen und um ein Urtheil zu ermöglichen, zu welchen Zwecken und aus welchem Anlaß die Gel- der gegeben wurden, die Daten und Summen mit an. Nr. 47. Parlamentarier erſten Ranges, immer noch in einflußreicher Stellung, von höchſtem An- ſehen, am 21. Mai 1868 20,000 Thaler. Nr. 48. Hannoverſcher conſervativer Abge- ordneter des norddeutſchen Reichstages, am 1. Juli 1868 1000 Thaler. Nr. 49. Hannoverſcher nationalliberaler Ab- geordneter des norddentſchen Reichstages am 1. Juli 1868 20,000 Thaler. Nr. 50. Heſſen-Kaſſeler nationalliberaler Abgeordneter des norddeutſchen Reichstages am 1. Juli 1868 8000 Thaler. Nr. 51. Württembergiſcher Landtags-Abge- ordneter am 31. December 1870 2000 Thaler. Nr. 52. Württembergiſcher Landtags-Abge- ordneter am 5. Februar 1871 (Summe un- leſerlich.) Nr. 53. Preußiſcher conſervativer Reichstags- Abgeordneter am 1 Mai 1872 4000 Thaler. Nr. 54. Pfalz-Baieriſcher nationalliberaler Reichstags-Abgeordneter am 1. Auguſt 1872 4000 Thaler. Nr. 55. Württembergiſcher Reichstags-Ab- geordneter am 1. September 1872 2000 Thaler. Nr. 56. Württembergiſcher Landtags-Abge- ordneter am 11. März 1873 10,000 Mark. Nr. 57. Sächſiſcher Reichstags-Abgeordneter am 1. October 1874 7000 Thaler. Nr. 58. Württembergiſcher Reichs-Heißſporn, Landtags-Abgeordneter 11. Mai 1876 15,000 Mark. Nr. 59. Preußiſcher conſervativer Reichs- tagsabgeordneter am 1. April 1881 10,000 M. Nr. 60—62. Drei bairiſche Landtagsabge- ordnete am 21 Juni 1886. Nr. 63—71 ſind von neun Mitgliedern des preußiſchen Landtags unterfertigt. Fünf derſelben gehören der nationalliberalen, vier der conſervativen Partei an. Die Beträge, über welche quittirt wird, be- wegen ſich zwiſchen 2000 und 8000 Thalern, bezw. 3000 und 15,000 M. Dieſe Belege tragen ſämmtlich Daten vom Frühjahr 1875, alſo aus der Zeit der Hochfluth des Culturkampfes. Die Nr. 72—81 quittiren Summen, recht artigen Umfanges, ſind von hohen und niederen Hofbeamten unterfertigt. Was die Gräfin H. und eine andere hohe Dame, deren Name, den ihr Herr Gemal ihr zubrachte, ſeit vielen Jahr- zehnten mit preußiſchen Hofdienſt verwachſen, mit der „Abwehr der welfiſchen Umtriebe zu thun haben, iſt wohl nicht blos uns ein Räthſel. Von hervorragendſtem Intereſſe ſind drei Quit- tungen, die am nämlichen Tage unterzeichnet wurden, entziehe. Gehen Sie ſchnell, denn ich weiß, wenn es auch ſchon recht lange her iſt, wie es einem jungen Herrn zu Muthe iſt, wenn der erſte Tanz beginnt“, und mit einem heitern Lächeln blickt ſie dem dahinſchwebenden Paare einen Augenblick nach. Das alte Fräulein vermißt auch Unter- haltung nicht, ihre Blicke ſind nun unverwandt in das Nebenzimmer gerichtet, wo der Officier, der vor ihr die Treppe hinanſtieg — unter uns geſagt: General von Wedemeher-Strehlen — mit ſeiner Gemahlin und anderen Gäſten ſteht. Der General iſt eine hohe ſtattliche Er- ſcheinung. Das Haupt, wenn auch ſchon mit ſtarkem Silberſchimmer, iſt ſtolz gehoben, der Blick entſchloſſen und feſt, denn er iſt ein vor- nehmer Mann und es iſt eine vornehme Stellung, die er ſich errungen hat. Als der General jung geweſen war, war auch das alte Fräulein dort in dem beſcheidenen Kleide jung geweſen und die Beiden hatten ſich damals geliebt und hatten getanzt zuſammen, hier in dieſen Räumen, gerade wie jetzt die- jenigen tanzten, die nun jung waren. Viel, viel ſpäter, als das alte Fräulein hörte, daß der General ſich mit ſeiner Couſine verheirathen werde, da — war ſie ein altes Mädchen ge- worden. Es war, ſeit die Beiden ſich getrennt hatten — Familienverhältniſſe wegen, ſagten die Leute — eine große Menge Zeit vergangen, ſtill und gleichmäßig, und ſo gingen die Jahre denn auch weiter und allmählich wurde es immer ſtiller, immer einſamer um ſie. — Nun trat der Hausherr an Fräulein von Stern heran, ihre Erinnerungen unterbrechend mit der Frage, ob er ihr nicht von ſeinen Gäſten noch einige vorſtellen dürfte, denn er beklage, daß ſie, als Fremde, ſo wenig Unter- haltung fände. „Ich unterhalte mich mit der Erinnerung, Baron“, entgegnete ſie ihm mit eigenthümlich zerſtreutem Lächeln. Aber ſchon hatte ſich dieſer an den eben auf ihn zukommenden Herrn ge- wandt mit den Worten: „Sie erlauben, Ihnen Herrn General von Wedemeyer-Strehlen vorzu- ſtellen — Fräulein Minna von Stern.“ Der Hausherr entfernte ſich und der General ſtand bewegungslos vor dem Fräulein und ſah ſie an wie eine fremde Erſcheinung. Auch ſie, obwohl ſie ja vorausgeſehen hatte, daß ſie ihn ſprechen würde, war nun auch einen Moment faſſungslos geworden und in dem Blick, womit ſie ihn anſah, lag, wohl ihr unbewußt, etwas Fragendes und Suchendes nach der Vergangenheit. Aber ſchnell hatte ſie ſich wieder gefaßt und mit einem heiteren Lächeln bot ſie ihm die Hand: „Sie haben mich nimmer erkannt, Herr von Wedemeyer, und wie natürlich; denn es iſt lange her, ſeit wir uns nicht geſehen haben — wohl dreißig Jahre —“ Er fuhr ſich mit der Hand über die Stirne und ſagte halblaut: „Ja, es iſt lange her —“ dann ſchwieg er wieder und endlich ſagte er: „Ich wußte nicht, daß Sie hier ſind; verzeihen Sie, daß ich Sie nicht ſogleich erkannt und be- grüßt habe.“ „Wer uns geſagt hätte, hier vor dreißig Jahren, am Sylveſter 1862, daß Sie mich ein- mal nicht wiedererkennen würden!“ lachte ſie melancholiſch. Und wieder ſtarrte er vor ſich hin und fand kein Wort, bis ein Diener herantrat und in reſpectvollem Flüſterton die Botſchaft brachte, daß die Frau Präſidentin ihn am Spieltiſch er- warte. „Unterbrochen werden — natürlich gerade wie ſonſt!“ fuhr er zornig auf. „Ja, gerade wie ſonſt!“ wiederholte ſie leiſe. Und als ſie ihm nachſah, ja wirklich, da hatte er denſelben zornigen Ausdruck im Geſicht und die Haltung, gerade wie ſonſt. „Gerade wie ſonſt“, wiederhallte etwas in ihr wieder und wieder — „gerade wie ſonſt“ — Und nun ſpielte es auch die Muſik ganz deutlich in leichter, luſtiger Weiſe in ihrem Schottiſch hinein und zierliche, weiße Atlas- ſchuhe glitten an ihr vorüber nach dieſer Melodie — gerade wie ſonſt. — Und gerade wie ſonſt trat er dann wieder auf ſie zu und wiederholte die alten Worte: „Darf ich Sie nicht zum Souper führen?“ Wie ſonſt folgten dem Paare ärgerliche Blicke, wenn auch anderer Art, denn es war doch anerkannt nothwendig, daß der Herr General die

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Zitationshilfe: Mährisches Tagblatt. Nr. 1, Olmütz, 02.01.1893, S. [2]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maehrisches1_1893/2>, abgerufen am 23.11.2024.